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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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vom 26. September 2001 i. S. H. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 6 Ziff. 1 EMRK: Öffentliche Verhandlung. Die auf sachliche Gründe gestützte Ablehnung des Begehrens um Verschiebung einer öffentlichen Verhandlung verstösst nicht gegen Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK. | |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
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a) aa) Gemäss Art. 108 Abs. 1 UVG (Ingress) wird das Verfahren der kantonalen Versicherungsgerichte grundsätzlich von den Kantonen selbst geregelt, wobei es jedoch den in dieser Bestimmung einzeln ![]() ![]() | 3 |
§ 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 (VRG; Systematische Rechtssammlung des Kantons Luzern [SRL] Nr. 40) bestimmt, dass die Behörde gesetzlich bestimmte Fristen nur erstrecken kann, wenn die betroffene Partei oder ihr Vertreter während des Fristenlaufes stirbt oder handlungsunfähig wird. Nach Abs. 2 können behördlich bestimmte Fristen durch die Behörde erstreckt werden, wenn vor Fristablauf ein Gesuch gestellt und ein ausreichender Grund glaubhaft gemacht wird. Diese Vorschriften gelten sinngemäss für die Verschiebung von Terminen (Abs. 3).
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Die Verordnung über das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Streitsachen aus dem Gebiet der eidgenössischen und der kantonalen Sozialversicherung (...) vom 20. Oktober 1983 (SRL Nr. 44) enthält hinsichtlich der Verschiebung einer im kantonalen Verfahren angesetzten öffentlichen Verhandlung keine besonderen Regeln.
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bb) Die verfahrensrechtlich strittige Ablehnung der Verschiebung der öffentlichen Verhandlung mit Schreiben vom 20. September 1999 kommt nach dem Gesagten einer kantonalrechtlichen prozessleitenden Zwischenverfügung gleich (zum Begriff der Zwischenverfügung: RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, S. 237 Rz 1235 ff.; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 53 ff. und 140 ff.). Daran ändert nichts, dass die gestützt auf Art. 108 UVG erlassenen kantonalrechtlichen Bestimmungen auf Grund der derogatorischen Kraft des internationalen Rechts so auszulegen sind, dass sie der durch Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleisteten Garantie einer öffentlichen Verhandlung genügen (BGE 122 V 51 Erw. 2b mit Hinweis). In BGE 126 V 143 hat das Eidg. Versicherungsgericht in Änderung der bisherigen Rechtsprechung erkannt, dass die bundesverwaltungsrechtlichen Normen über die prozessuale Ausgestaltung des kantonalen Sozialversicherungsprozesses zusammen mit den Grundsätzen des Sachzusammenhangs und der Einheit des Prozesses für die sachliche Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts zur Überprüfung kantonalen Verfahrensrechts sprechen, und zwar auch dann, wenn es allein um die Anfechtung eines reinen kantonalrechtlichen Prozess(zwischen)entscheides ![]() ![]() | 6 |
b) Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist anwendbar, da materiell-rechtlich Leistungen nach UVG im Streite liegen und es sich dabei rechtsprechungsgemäss um zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der genannten Konventionsbestimmung handelt (BGE 122 V 50 f. Erw. 2a). Eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (Satz 1; vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz 117 zu Art. 6 EMRK; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 190 ff.; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999, Rz 443 ff.) ist indessen zu verneinen. Einerseits wurde die auf den 21. Oktober 1999 festgesetzte partei- und publikumsöffentliche Verhandlung gemäss der Vorladung vom 9. August 1999 durchgeführt. Andererseits wurde das Prinzip der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung nicht dadurch verletzt, dass die Vorinstanz den Verhandlungstermin, nach Rücksprache mit dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, festgesetzt sowie gestützt auf sachliche Gründe (einfaches und rasches Verfahren, vgl. Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG; zeitliche Belastung des Gerichts; fehlender Nachweis kostenintensiver Dispositionen im Zusammenhang mit der geltend gemachten Ferienabwesenheit) bereits mit Verfügung vom 20. September 1999 eine Verschiebung der Verhandlung abgelehnt hat. Analoges gilt hinsichtlich der Frage, ob die Vorinstanz dem Gebot der Fairness im Verfahren (fair trial; Satz 1) zuwider handelte (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz 71 ff. zu Art. 6 EMRK; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, a.a.O., S. 179 ff.; VILLIGER, a.a.O., Rz 473 ff.). In Prozessen über zivilrechtliche Ansprüche gewährleistet Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht generell, jedoch dann einen Anspruch auf persönliches Erscheinen oder mündliche Anhörung vor Gericht, wenn dies für die Entscheidung der Sache von unmittelbarer Bedeutung ist (RKUV 1996 Nr. U 246 S. 167 Erw. 6 c/bb ![]() ![]() | 7 |
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