BVerfGE 86, 148 - Finanzausgleich II |
1. Das Gebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs 2 GG, Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen, ist dem Ziel eines angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zu- und untergeordnet. |
a) Es verpflichtet den Gesetzgeber, die Finanzkraft der Gemeinden einzubeziehen, soweit dem nicht spezifische Gründe aus den Verhältnissen der Gemeinden entgegenstehen. Solche spezifischen Gründe sind insbesondere dann gegeben, wenn Steuern in einem sachlichen Zusammenhang mit örtlich radizierbaren Lasten stehen, wie dies typischerweise bei den Realsteuern der Fall ist. |
b) Der Begriff der Finanzkraft ist im zweiten Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG nicht anders zu bestimmen als im ersten Halbsatz. Er ist umfassend zu verstehen und darf nicht allein auf die Steuerkraft reduziert werden. |
2. Einnahmen aus Quellen, über deren Nutzung Länder und Kommunen eigenverantwortlich entscheiden, können dem Grunde nach von der Finanzkraft nicht ausgenommen werden. Der Finanzkraftbegriff ist dafür offen, solche Einnahmen nach einem Soll-Aufkommen zu bemessen. |
3. Die in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs 2 GG getroffene Anordnung, den Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen, fügt sich dem Regelungskonzept des ersten Halbsatzes ein. Sie betrifft nicht Sonderbedarfe, sondern einen abstrakten Finanzbedarf, der ohne Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse bestimmter Gemeinden allgemein bei der Erfüllung der den Gemeinden zukommenden Aufgaben anfällt. Merkmale, nach denen der Finanzbedarf der Kommunen bestimmt wird, müssen daher unabhängig von eigenen kommunalen Prioritätsentscheidungen gegeben sein; sie müssen auch bei Kommunen generell, d.h. aufgrund ihrer Eigenart als Kommunen, und gemeinsam, d.h. bei den Kommunen aller Länder - wenn auch in quantitativ unterschiedlicher Ausprägung - gegeben sein können. |
4. Dem Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein verwehrt, das Ergebnis des von ihm festgelegten Verfahrens, das auf einen angemessenen Ausgleich zielt und diesen an sich zu bewirken in der Lage ist, aus besonderen Gründen noch einmal zu korrigieren. Doch verletzt eine solche Korrektur dann das verfassungsrechtliche Willkürverbot, wenn der Gesetzgeber selbstgesetzte Maßstäbe für die - stufenweise - Bewirkung des angemessenen Ausgleichs ohne irgendwie einleuchtenden Grund wieder verläßt und dies Ergebnisse hervorruft, die zu den selbstgesetzten Maßstäben und Ausgleichsschritten in Widerspruch stehen. |
5. Die Haushaltsnotlage eines Landes kann als Sonderlast nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG nur insoweit berücksichtigt werden, als sich dafür gewährte Bundesergänzungszuweisungen der Sache und dem Umfang nach noch als (vorübergehende) Hilfe zur Selbsthilfe des betroffenen Landes darstellen. |
6. Befindet sich ein Glied der bundesstaatlichen Gemeinschaft - sei es der Bund, sei es ein Land - in einer extremen Haushaltsnotlage, so erfährt das bundesstaatliche Prinzip seine Konkretisierung in der Pflicht aller anderen Glieder der bundesstaatlichen Gemeinschaft, dem betroffenen Glied mit dem Ziel der haushaltswirtschaftlichen Stabilisierung auf der Grundlage konzeptionell aufeinander abgestimmter Maßnahmen Hilfe zu leisten. |
a) Diese Pflicht begründet nicht aus sich heraus eigene Regelungs- und Eingriffsbefugnisse neben den im Grundgesetz vorgesehenen; sie vermag aber die Wahrnehmung bestehender Befugnisse nach Grund und Umfang zu dirigieren, bestehende Verpflichtungen zu intensivieren und als Interpretationsgesichtspunkt für die Auslegung von Art. und Umfang bestehender Handlungsmöglichkeiten zu wirken. |
b) Demnach besteht für den Bund im Zusammenwirken mit den Ländern die Verpflichtung, die nach dem Grundgesetz eröffneten Handlungsmöglichkeiten, die zur Behebung oder Abwehr der Notlage in Betracht kommen, zu prüfen und je nach ihrer Eignung einzeln, nebeneinander oder in Verbindung miteinander so einzusetzen, daß eine stabilisierende Abhilfe erreicht wird. Dabei hat der Bund seinerseits - im Blick auf seine eigene und die Belastung der übrigen Länder - Art. 109 Abs. 2 GG zu beachten. |
c) Im Fall einer extremen Haushaltsnotlage dürfen Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG auch in einem über das normale Maß hinausgehenden Umfang geleistet werden, wenn sie im Rahmen eines Programms zur Haushaltssanierung geeignet sind, zur Behebung der Haushaltsnotlage beizutragen. |
Urteil |
des Zweiten Senats vom 27. Mai 1992 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. und 9. November 1991 |
- 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90 - |
in den verbundenen Verfahren über die Anträge 1. des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Präsidenten, Rathaus, Hamburg 1, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert, Eichleitnerstraße 30, Augsburg - 1 BvF 1/88 -; 2. des Senats der Freien Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten, Rathaus, Bremen 1, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Klaus Finkelnburg, Kurfürstendamm 29, Berlin 15 - 2 BvF 2/88 -; 3. der Regierung des Saarlandes, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Am Ludwigsplatz 14, Saarbrücken 1, - Bevollmächtigter Prof. Dr. Dr. Georg Ress, Am Botanischen Garten 6, Saarbrücken - 2 BvF 1/89 -; 4. der Landesregierung Schleswig-Holstein, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Landeshaus, Kiel 1, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Rolf Grawert, Aloysiusstr.28, Bochum 1 - 2 BvF 1/90 - zu prüfen, ob der zweite Abschnitt des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, insbesondere dessen §§ 6, 7, 8 Abs.1, Abs.2 Nr.3 und Abs.5, § 9 Abs.2 und Abs.3, § 10 Abs.3 und § 11a Abs.2 und Abs.3 in der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (BGBl. I S.94) zugrundeliegenden Fassung, § 10 Abs.3 Satz 3 auch in den Fassungen des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 26. April 1990 (BGBl. I S.822), ferner § 11a Abs.3 auch in der Fassung des Art.2 des Gesetzes zum Ausgleich unterschiedlichster Wirtschaftskraft in den Ländern vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S.2358) und des Art.6 des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Art.3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Haushaltsbegleitgesetz 1991) vom 24. Juni 1991 (BGBl. I S.1314), mit dem Grundgesetz vereinbar ist. |
Entscheidungsformel: |
1. § 10 Absatz 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (Bundesgesetzbl. I Seite 94) zugrundeliegenden Fassung, geändert durch Gesetz vom 26. April 1990 (Bundesgesetzbl. I Seite 822), ist mit Artikel 107 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit er bei der Berechnung der Fehlbeträge die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe je Einwohner ohne Berücksichtigung der Abzugsbeträge für Hafenlasten gemäß § 7 Absatz 3 dieses Gesetzes und der Einwohnerwertung nach § 9 Absatz 2 dieses Gesetzes ermittelt und soweit er die Aufbringung der Fehlbeträge regelt. |
2. § 11a Absatz 2 dieses Gesetzes ist mit Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes unvereinbar. |
3. § 11a Absatz 3 dieses Gesetzes ist sowohl in der der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (Bundesgesetzbl. I Seite 94) zugrundeliegenden Fassung als auch in der Fassung des Artikel 2 des Gesetzes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern vom 20. Dezember 1988 (Bundesgesetzbl. I Seite 2358) sowie in der Fassung des Artikel 6 des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Haushaltsbegleitgesetz 1991) vom 24. Juni 1991 (Bundesgesetzbl. I Seite 1314) mit Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit darin der Vorabbetrag für das Land Bremen geregelt ist. |
4. Mit dem Grundgesetz vereinbar sind § 6 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesetzes, soweit danach die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, die Konzessionsabgaben der Gemeinden und die Einnahmen der Gemeindeverbände nicht in die Bestimmung der Finanzkraftmeßzahl einbezogen sind; § 7, soweit danach von den Einnahmen nach Absatz 1 nicht die Kosten der Sozialhilfe abgesetzt werden; § 7 Absatz 3, soweit darin die Abgeltung der Sonderbelastungen, die den Ländern Bremen und Hamburg aus der Unterhaltung und Erneuerung ihrer Seehäfen erwachsen, geregelt ist; § 8 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 5, § 8 Absatz 5, § 9 Absätze 2 und 3, § 10 Absatz 3, soweit er allein auf die Einnahmen der Länder abstellt; § 11a in Absatz 3, soweit darin der Vorabbetrag für das Saarland geregelt und für das Land Hamburg kein Vorabbetrag vorgesehen ist. |
Gründe: |
Die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen die Frage, ob die von den Antragstellern angegriffenen Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 107 Abs. 2 GG, vereinbar sind.
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A. |
1. Im Finanzausgleichsgesetz wird der durch Art. 107 Abs. 2 GG gebotene angemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder näher geregelt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. Juni 1986 (BVerfGE 72, 330) die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1432), zuletzt geändert durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 19. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2354), für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hatte, wurden verschiedene dieser Vorschriften durch das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 18. Dezember 1987 (BGBl. I S. 2764) - im folgenden: Achtes Änderungsgesetz - geändert und das Finanzausgleichsgesetz in der Fassung vom 28. Januar 1988 (BGBl. I S. 94) neu bekanntgemacht. Der Finanzausgleich wurde dadurch zwar modifiziert, seine Grundstrukturen aber blieben erhalten.
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Zur Durchführung des Finanzausgleichs unter den Ländern werden nach § 4 FAG aus Beiträgen der ausgleichspflichtigen Länder Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder geleistet. Ob ein Land ausgleichspflichtig oder ausgleichsberechtigt ist, wird danach ermittelt, ob die für das Land je Einwohner errechneten jährlichen Einnahmen aus Steuern und der bergrechtlichen Förderabgabe die entsprechenden im Bundesdurchschnitt je Einwohner errechneten Landeseinnahmen übersteigen oder nicht erreichen (vgl. §§ 5 und 6 FAG). Zu diesem Zweck wird ein Vergleich der Finanzkraftmeßzahl eines Landes mit seiner Ausgleichsmeßzahl vorgenommen. Die Finanzkraftmeßzahl eines Landes ergibt sich aus seinen Einnahmen und Einnahmen seiner Gemeinden (§ 6 Abs. 1 FAG). Welche Einnahmen in welchem Umfang dabei in die Berechnung der Finanzkraftmeßzahl eingestellt werden, ist in § 7 und § 8 FAG näher geregelt. Die Ausgleichsmeßzahl eines Landes wird errechnet, indem die bundesdurchschnittlich erzielten Ländereinnahmen je Einwohner mit der Einwohnerzahl des jeweiligen Landes multipliziert werden. Dabei wird hinsichtlich der landeseigenen Einnahmen und der Gemeindeeinnahmen die Ausgleichsmeßzahl je getrennt ermittelt. Für die Meßzahl zum Ausgleich der Landeseinnahmen werden die Einwohnerzahlen der Stadtstaaten (§ 9 Abs. 2 FAG), für die Meßzahl zum Ausgleich der Gemeindeeinnahmen die Einwohnerzahlen der Gemeinden mit über 5 000 Einwohnern, abhängig von deren Größe und Siedlungsdichte (§ 9 Abs. 3 FAG), höher gewertet. § 10 FAG regelt das Ausmaß des Ausgleichs. § 11a FAG schließlich enthält Bestimmungen zur Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen.
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Die von den Antragstellern angegriffenen Vorschriften lauten:
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§ 6 Finanzkraftmeßzahl, Ausgleichsmeßzahl
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(1) Die Finanzkraftmeßzahl eines Landes ist die Summe der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe des Landes nach § 7 und der Steuereinnahmen seiner Gemeinden nach § 8.
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(2) Die Ausgleichsmeßzahl eines Landes ist die Summe der beiden Meßzahlen, die zum Ausgleich der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder (§ 7) und zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden (§ 8) getrennt festgestellt werden. Die Meßzahlen ergeben sich aus den auszugleichenden Einnahmen je Einwohner im Bundesdurchschnitt, vervielfacht mit der Einwohnerzahl des Landes; hierbei sind die nach § 9 gewerteten Einwohnerzahlen zugrunde zu legen.
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§ 7 Einnahmen der Länder aus Steuern und Förderabgabe
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(1) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen 1. aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer; 2. aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes; 3. aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, der Biersteuer, der Rennwett- und Lotteriesteuer mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die nach § 2 für das Ausgleichsjahr festgestellten Anteile an der Umsatzsteuer. |
(2) Den Einnahmen der Länder nach Absatz 1 wird das Aufkommen aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt.
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(3) Zur Abgeltung der Sonderbelastungen, die den Ländern Bremen, Hamburg und Niedersachsen aus der Unterhaltung und Erneuerung der Seehäfen Bremen, Bremerhaven, Hamburg und Emden erwachsen, werden von den Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 des Landes Bremen: 90 000 000 DM, des Landes Hamburg: 142 000 000 DM, des Landes Niedersachsen: 18 000 000 DM abgesetzt. |
§ 8 Steuereinnahmen der Gemeinden
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(1) Als Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes gelten unter Kürzung nach den Vorschriften des Absatzes 5 1. die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer im Ausgleichsjahr, 2. die Steuerkraftzahlen der Grundsteuer und der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital, die für das Kalenderjahr ermittelt sind, das dem Ausgleichsjahr vorausgeht, vermindert um die im Ausgleichsjahr geleistete Gewerbesteuerumlage. Für die Anteile der Gemeinden an der Einkommensteuer und für die von den Gemeinden geleistete Gewerbesteuerumlage sind die Feststellungen der Länder maßgebend. |
(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt 1. die Grundbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben mit 180 vom Hundert; 2. von den Grundbeträgen der Grundsteuer von den Grundstücken die ersten 100 000 Deutsche Mark einer Gemeinde mit 180 vom Hundert, die weiteren 200 000 Deutsche Mark einer Gemeinde mit 200 vom Hundert, die weiteren 500 000 Deutsche Mark einer Gemeinde mit 225 vom Hundert, die 800 000 Deutsche Mark übersteigenden Beträge einer Gemeinde mit 250 vom Hundert; 3. die Grundbeträge der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital mit 250 vom Hundert. Als Grundbetrag gilt das Aufkommen in dem Kalenderjahr, das dem Ausgleichsjahr vorausgeht, geteilt durch die in diesem Kalenderjahr in Geltung gewesenen Hebesätze. |
(3) Für die Errechnung der Realsteuerkraft eines Landes ist die Summe der Grundbeträge maßgebend, die das Statistische Bundesamt nach dem Ergebnis der Gemeindefinanzstatistik festgestellt hat. Bei der Grundsteuer von den Grundstücken gilt für alle Gemeinden einer Gemeindegruppe einheitlich der im Durchschnitt auf eine Gemeinde entfallende Grundbetrag. Maßgebend sind die folgenden Gemeindegruppen: Gemeinden bis 10 000 Einwohner, Gemeinden über 10 000 bis 20 000 Einwohner, Gemeinden über 20 000 bis 50 000 Einwohner, Gemeinden über 50 000 bis 100 000 Einwohner, Gemeinden über 100 000 bis 200 000 Einwohner, Gemeinden über 200 000 bis 500 000 Einwohner, Gemeinden über 500 000 Einwohner. |
(4) Durch Rechtsverordnung des Bundesministers der Finanzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können 1. bei der Errechnung der Steuerkraftzahlen Ungleichheiten ausgeglichen werden, die sich aus einer verschiedenen Einheitsbewertung des Grundbesitzes im Bundesgebiet ergeben, 2. die in Absatz 2 genannten Hundertsätze geändert werden, soweit die Entwicklung der durchschnittlichen Realsteuerhebesätze eine Anpassung der Hundertsätze erforderlich macht. |
(5) Die nach den Absätzen 2 bis 4 errechneten Steuerkraftzahlen der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, der Grundsteuer von den Grundstücken und der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital werden je für sich nach einem für alle Länder einheitlichen Hundertsatz auf die Hälfte des Betrages herabgesetzt, den die Gemeinden aus der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, aus der Grundsteuer von den Grundstücken sowie aus der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital einschließlich der Lohnsummensteuer im Ausgleichsjahr eingenommen haben. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und die Gewerbesteuerumlage werden auf die Hälfte der Beträge herabgesetzt, die für das Ausgleichsjahr festgestellt sind.
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§ 9 Einwohnerzahl
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(1) Der Ausgleichsmeßzahl eines Landes wird die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt am 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat.
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(2) Bei der Ermittlung der Meßzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Länder werden die Einwohnerzahlen der Länder Bremen und Hamburg mit 135 vom Hundert und die Einwohnerzahlen der übrigen Länder mit 100 vom Hundert gewertet.
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(3) Bei der Ermittlung der Meßzahlen zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden werden die Einwohnerzahlen der Gemeinden eines Landes mit folgenden Ansätzen je Einwohner gewertet: die ersten 5 000 Einwohner einer Gemeinde mit 100 vom Hundert, die weiteren 15 000 Einwohner einer Gemeinde mit 110 vom Hundert, die weiteren 80 000 Einwohner einer Gemeinde mit 115 vom Hundert, die weiteren 400 000 Einwohner einer Gemeinde mit 120 vom Hundert, die weiteren 500 000 Einwohner einer Gemeinde mit 125 vom Hundert, die weiteren Einwohner einer Gemeinde mit 130 vom Hundert. Für Gemeinden mit mehr als 500 000 Einwohnern werden dem Land darüber hinaus bei einer Dichte von 1 500 bis 2 000 Einwohnern je Quadratkilometer 2 vom Hundert der Einwohnerzahl, bei einer Dichte von 2 000 bis 3 000 Einwohnern je Quadratkilometer 4 vom Hundert der Einwohnerzahl, bei einer Dichte von mehr als 3 000 Einwohnern je Quadratkilometer 6 vom Hundert der Einwohnerzahl hinzugerechnet. |
(4) Als Gemeinden im Sinne des Absatzes 3 gelten auch die Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz und die Samtgemeinden in Niedersachsen.
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(1) Die Ausgleichszuweisungen der ausgleichsberechtigten Länder werden mit gestaffelten Hundertsätzen von den Beträgen errechnet, um die ihre Finanzkraftmeßzahl hinter ihrer Ausgleichsmeßzahl zurückbleibt. Hierbei werden als Ausgleichszuweisungen festgesetzt: 1. 100 vom Hundert des Betrages, der an 92 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl fehlt; 2. 37,5 vom Hundert des Betrages, der von 92 bis 100 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl fehlt. |
(2) Die Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder werden mit einem einheitlichen Hundertsatz von den Beträgen errechnet, um die ihre Finanzkraftmeßzahl ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt. Vorbehaltlich der Sätze 5 und 6 bleibt hierbei die Finanzkraft, die zwischen 100 und 102 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, außer Ansatz, und die Finanzkraft, die zwischen 102 und 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, wird mit 70 vom Hundert angesetzt. Die 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl übersteigende Finanzkraft wird voll angesetzt. Der Hundertsatz von den ausgleichspflichtigen Beträgen wird so bemessen, daß die Summe der Ausgleichsbeiträge mit der Summe der Ausgleichszuweisungen übereinstimmt. Ist die Summe der Ausgleichszuweisungen größer als die Summe der ausgleichspflichtigen Beträge nach den Sätzen 2 und 3, so ist die zwischen 102 und 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegende Finanzkraft mit einem entsprechend höheren Satz als 70 vom Hundert in die Ausgleichspflicht einzubeziehen. Reicht auch der volle Ansatz der zwischen 102 und 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegenden Finanzkraft nicht aus, erstreckt sich die Ausgleichspflicht auch auf die Finanzkraft zwischen 100 und 102 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl.
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(3) Wenn die nach § 7 Abs. 1 und 2 ermittelten Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe eines ausgleichsberechtigten Landes einschließlich der nach Absatz 1 ermittelten Ausgleichszuweisungen je Einwohner unter 95 vom Hundert der durchschnittlichen Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder liegen, so ist die Ausgleichszuweisung an dieses Land um den Fehlbetrag zu erhöhen und die Berechnung der Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder entsprechend zu berichtigen. Wenn die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe eines ausgleichspflichtigen Landes nach Abzug der von ihm zu leistenden Ausgleichsbeiträge je Einwohner unter den durchschnittlichen Steuereinnahmen und den Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder liegen, so ist der Fehlbetrag von den anderen ausgleichspflichtigen Ländern im Verhältnis ihrer Ausgleichsbeiträge zu übernehmen.
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§ 11a Ergänzungszuweisungen des Bundes
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(1) Der Bund gewährt aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) im Jahr 1987 in Höhe von 1 775 000 000 DM und in den Jahren 1988 bis 1993 jährlich in Höhe von 2 vom Hundert des Umsatzsteueraufkommens nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4.
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(2) Zum Ausgleich der Nachteile aus der Nichtbeteiligung an den Bundesergänzungszuweisungen in den Haushaltsjahren 1983 bis 1986 erhalten aus dem Gesamtbetrag der Zuweisungen nach Absatz 1 Bremen in den Jahren 1987 und 1988 je eine Zahlung von 100 000 000 DM und Nordrhein-Westfalen im Jahre 1987 eine Zahlung von 75 000 000 DM.
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(3) Aus dem Gesamtbetrag der Zuweisungen nach Absatz 1 erhalten jährlich nachstehende Länder folgende Vorabbeträge: Bremen 50 000 000 DM, Rheinland-Pfalz 20 000 000 DM, Saarland 175 000 000 DM, Schleswig-Holstein 50 000 000 DM. Der Vorabbetrag für das Saarland ermäßigt sich ab dem Jahr 1991 auf 100 000 000 DM. |
(4) Die Zuweisungen nach Absatz 1 abzüglich der Beträge nach den Absätzen 2 und 3 werden den leistungsschwachen Ländern nach Maßgabe ihrer nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs verbleibenden Fehlbeträge der Finanzkraftmeßzahlen gegenüber den Ausgleichsmeßzahlen gewährt. Dabei werden die Fehlbeträge bis 99 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl zu 100 Prozent und von 99 bis 100 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl zu 33 1/3 Prozent angesetzt. Maßgeblich sind die Finanzkraftverhältnisse der beiden dem Jahr der Leistung der Ergänzungszuweisungen vorausgehenden Jahre. Für das dem Jahr der Leistung vorausgehende Jahr wird die vorläufige Jahresabrechnung des Länderfinanzausgleichs zugrunde gelegt. Zur Feststellung der Fehlbeträge der Referenzperiode werden die Finanzkraftmeßzahlen, die Ausgleichsmeßzahlen und die Ausgleichsleistungen der beiden Jahre zusammengefaßt. Zur Überleitung auf die Neuregelung der Ergänzungszuweisungen werden abweichend von den Sätzen 1 bis 5 im Jahre 1987 neben den Beträgen nach den Absätzen 2 und 3 folgende Beträge gewährt: Bayern 30 000 000 DM, Bremen 73 000 000 DM, Niedersachsen 558 000 000 DM, Nordrhein-Westfalen 49 000 000 DM, Rheinland-Pfalz 282 000 000 DM, Saarland 88 000 000 DM, Schleswig-Holstein 225 000 000 DM. Für das Jahr 1988 treten an die Stelle der Zweijahresreferenzperiode nach Satz 3 die Finanzkraftverhältnisse nach der vorläufigen Jahresabrechnung des Länderfinanzausgleichs 1987. |
(5) Die Zuweisungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind mit je einem Viertel ihres Betrages am 15. März, 15. Juni, 15. September und 15. Dezember fällig. Auf die Zuweisungen in den Jahren 1988 bis 1993 werden zu diesen Stichtagen Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 2 vom Hundert des Umsatzsteueraufkommens des jeweils vorausgehenden Quartals entrichtet. Gleichzeitig werden die mit der Abschlagszahlung des vorausgegangenen Zahlungstermins zuviel oder zuwenig gezahlten Beträge verrechnet. Der Bundesminister der Finanzen stellt zu Beginn des jeweiligen Leistungsjahres durch Übersendung der Berechnungsgrundlagen an die Länder die Beteiligung der einzelnen Länder an den nach Absatz 4 zu gewährenden Zuweisungen fest.
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(6) Abweichend von § 10 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 und 4 des Haushaltsgrundsätzegesetzes vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273), geändert durch Artikel 38 des Gesetzes vom 21. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3656), sowie § 13 Abs. 3, § 15 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. August 1986 (BGBl. I S. 1275), sind die nach Absatz 1 vom Bund zu leistenden Ergänzungszuweisungen bei den Einnahmen darzustellen.
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2. Zwei der angegriffenen Vorschriften wurden während des Verfahrens geändert.
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a) Durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 26. April 1990 (BGBl. I S. 822) wurde in § 10 Abs. 3 FAG folgender Satz 3 angefügt:
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"Sinken die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe eines ausgleichspflichtigen Landes infolge der nach Satz 2 zu leistenden Beiträge je Einwohner unter die durchschnittlichen Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder, so ist der Fehlbetrag von den übrigen ausgleichspflichtigen Ländern und den ausgleichsberechtigten Ländern im Verhältnis ihrer Finanzkraft unter Berücksichtigung der Ausgleichsbeiträge und Ausgleichszuweisungen nach den Absätzen 1, 2 und 3 Satz 1 und 2 aufzubringen."
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b) Die Regelung der Bundesergänzungszuweisungen in § 11a FAG wurde zunächst durch Art. 2 des Gesetzes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2358) geändert. Zum einen wurden die Bundesergänzungszuweisungen insgesamt für die Jahre 1989 bis 1991 jährlich um 50 Mio. DM erhöht, zum anderen wurden die Vorabbeträge für Bremen in § 11a Abs. 3 Satz 1 FAG von 50 Mio. DM auf 100 Mio. DM erhöht, zugleich wurde folgender Satz 3 angefügt: "Der Vorabbetrag für Bremen ermäßigt sich ab dem Jahre 1992 auf 50 000 000 DM."
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Des weiteren wurde § 11a FAG durch das Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet vom 24. Juni 1991 (BGBl. I S. 1314) dahingehend geändert, daß sich der Vorabbetrag für das Saarland erst vom Jahre 1992 an statt ab 1991 auf 100 Mio. DM ermäßigen solle. Die Änderung des § 11a Abs. 3 FAG durch das Gesetz zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds "Deutsche Einheit" vom 16. März 1992 (BGBl. I S. 674) ist, da nach der mündlichen Verhandlung ergangen, nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
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3. Nach Art. 7 des Einigungsvertrages gilt Art. 107 des Grundgesetzes in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie in Berlin mit der Maßgabe, daß bis zum 31. Dezember 1994 ein gesamtdeutscher Länderfinanzausgleich nicht stattfindet. Gemäß Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 2 des Einigungsvertrages wird der Finanzausgleich deshalb vorerst gesondert unter den bisherigen und den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. Das Land Berlin nimmt bis auf weiteres am Finanzausgleich unter den Ländern nicht teil. Die Bestimmungen über die Bundesergänzungszuweisungen gelten bis 31. Dezember 1994 nicht für die hinzugekommenen Bundesländer sowie bis auf weiteres nicht für das Land Berlin. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 4 Einigungsvertrag werden diese Regelungen jedoch für 1993 in Ansehung der dann vorhandenen Gegebenheiten überprüft.
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B. |
Die Senate der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Regierungen des Saarlandes und Schleswig-Holsteins haben Normenkontrollanträge gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 Nr. 1 BVerfGG gestellt. Sie beantragen festzustellen, daß verschiedene Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes mit Art. 107 Abs. 2 GG unvereinbar und daher nichtig sind.
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Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg beanstandet die Regelungen des § 7 Abs. 3 FAG, soweit der für den Seehafen Hamburg abzusetzende Betrag betroffen ist, § 9 Abs. 2 FAG, weil der Gesetzgeber die Einwohnerwertung nicht in angemessener Höhe neu festgesetzt habe, § 11a Abs. 3 FAG, soweit er keinen Vorabbetrag für die Kosten politischer Führung Hamburgs vorsieht, sowie den Zweiten Abschnitt des Finanzausgleichsgesetzes insoweit, als die Kosten der Sozialhilfe weder in § 7 noch in § 8 Abs. 5 FAG für abzugsfähig erklärt worden seien und auch bei der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG nicht berücksichtigt würden.
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Der Senat der Freien Hansestadt Bremen rügt insbesondere die unzureichende Abgeltung der Bremer Hafenlasten gemäß § 7 Abs. 3 FAG, die zu niedrige Einwohnerwertung für die Stadtstaaten in § 9 Abs. 2 FAG, die zu geringe Höhe des Nachteilsausgleichs nach § 11a Abs. 2 FAG sowie die unzureichende Berücksichtigung der Kosten politischer Führung und der Haushaltsnotlage Bremens nach § 11a Abs. 3 FAG. Er beantragt, die Unvereinbarerklärung auf alle Regelungen des Zweiten Abschnitts des Finanzausgleichsgesetzes zu erstrecken, zum einen wegen Mängeln des Gesetzgebungsverfahrens, zum anderen, weil die Unvereinbarkeit der im einzelnen vom Bremer Senat angegriffenen Normen erhebliche Teile der Ausgleichsregelung des Finanzausgleichsgesetzes umfasse, die alle in einem gegenseitigen Ergänzungsverhältnis stünden.
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Die Regierung des Saarlandes wendet sich gegen die hälftige Kürzung der Gemeindeeinnahmen nach § 8 Abs. 5 FAG; sie beanstandet das Fehlen einer besonderen Einwohnerwertung für das Saarland in § 9 Abs. 2 FAG und greift die Regelung des § 11a Abs. 3 FAG an, soweit der Vorabbetrag wegen Haushaltsnotlage für das Saarland, der völlig unzureichend sei, betroffen ist.
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Die Landesregierung Schleswig-Holstein wendet sich gegen §§ 6 und 8 Abs. 1 FAG, soweit danach nicht die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, Konzessionsabgaben an die Gemeinden und Einnahmen der Gemeindeverbände in die Bestimmung der Finanzkraftmeßzahl einbezogen sind, gegen § 8 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5, § 9 Abs. 3 und § 10 Abs. 3 FAG.
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Geäußert haben sich die Bundesregierung sowie die Regierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Zur Unterstützung des Vortrags sind schriftliche Gutachten vorgelegt worden von: a) der Bundesregierung: Hummel/Leibfritz, Die Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich, Ifo- Institut für Wirtschaftsforschung, München 1987; Leibfritz, Die Einwohnerwertung der Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich. Stellungnahme zu der Kritik von seiten der Stadtstaaten, Ifo- Institut für Wirtschaftsforschung; Leibfritz/Parsche, Möglichkeiten einer Konsolidierung des saarländischen Haushalts, Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München, Februar 1990; b) Hamburg: Eckey/Klemmer, Die Einwohnergewichtung des Stadtstaates Hamburg im Länderfinanzausgleich, 1988; c) Saarland: Littmann, Haushaltsnotlage und Bundesergänzungszuweisungen, Speyer, Mai 1988.
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Das Ifo-Gutachten zur Einwohnerwertung der Stadtstaaten wurde auf Anfrage des Senates hin durch ergänzende Berechnungen im Februar 1991 erweitert. In der mündlichen Verhandlung haben sich des weiteren der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund geäußert.
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I. |
Die Senate der beiden Stadtstaaten halten ihre Normenkontrollanträge auch insoweit für zulässig, als sie sich gegen § 9 Abs. 2 FAG richten. Zwar sei die Vorschrift des § 9 Abs. 2 FAG a.F. bereits Gegenstand des durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1986 entschiedenen Verfahrens gewesen und ihr Wortlaut seither nicht verändert worden. Doch habe das Bundesverfassungsgericht eine Überprüfung der Vorschrift und eine Neuregelung des Zweiten Abschnitts des Finanzausgleichsgesetzes verlangt. Daher liege in der Beibehaltung der bisherigen Bestimmung eine inhaltliche Neuentscheidung, die tauglicher Gegenstand eines erneuten Normenkontrollverfahrens sein könne.
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Demgegenüber bezweifelt die Landesregierung Baden-Württembergs insoweit die Zulässigkeit der Anträge. In der unveränderten Beibehaltung einer Vorschrift liege keine gesetzgeberische Neuentscheidung.
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II. |
1. Die Senate der beiden Hansestädte sind der Auffassung, das Gesetzgebungsverfahren habe den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt; die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen pflichtet dem bei.
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a) Zwar seien in einer ersten Phase der Entstehungsgeschichte des Achten Änderungsgesetzes der Bund und alle Länder an dem kooperativ verlaufenden Willensbildungsprozeß beteiligt gewesen. Auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung hin hätten sich die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geeinigt und im Bundesrat einen breiteren Konsens herbeigeführt, dem letztlich auch Bremen zugestimmt habe.
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Da jedoch einige Bundesländer (vor allem Niedersachsen) ihre Zustimmung zum neuen Finanzausgleich und auch zu dem geplanten Steuerentlastungsgesetz 1990 von einer Besserstellung bei den Bundesergänzungszuweisungen abhängig gemacht hätten, habe die Bundesregierung ab Herbst 1987 die Verhandlungen nur noch mit den Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder geführt. Ab Ende September/Anfang Oktober 1987 sei die Minderheit der nicht-unionsregierten Länder von der Meinungs- und Willensbildung verfahrensmäßig praktisch ausgeschlossen worden. Das Gesetz gewordene Ergebnis sei im wesentlichen Anfang Oktober 1987 zwischen den unionsregierten Ländern und dem Bundeskanzler sowie dem Bundesfinanzminister ausgehandelt und in einem internen Ergebnisvermerk schriftlich fixiert worden. Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages sei ohne rechtzeitige vorherige Information mit den in einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen als "Punktation" bezeichneten unionsinternen Verhandlungsergebnissen konfrontiert worden. Sie seien - trotz von der Ausschußmehrheit partiell eingeräumter Bedenken - ohne jede Änderung zum Inhalt eines Antrages der Koalitionsfraktionen und zum Beschluß des Finanzausschusses geworden. Auch in der zweiten und dritten Lesung im Deutschen Bundestag und bei der Beratung und Beschlußfassung über die Zustimmung des Bundesrates seien die in der "Punktation" verabredeten Lösungen zugrundegelegt und sämtliche Änderungsanträge der Opposition im Bundestag und der SPD-regierten Länder im Bundesrat abgelehnt worden. Eine inhaltliche Diskussion, die noch zu irgendwelchen - selbst nur geringfügigen - Modifikationen des unionsinternen Kompromisses hätte führen können, habe nie stattgefunden.
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b) Dieses Vorgehen genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Verfahren der Finanzausgleichsgesetzgebung.
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Der Bundesgesetzgeber dürfe nicht nur die politischen Entscheidungen einer der Bundesregierung parteipolitisch nahestehenden Ländermehrheit lediglich beurkunden; damit genüge er seiner Selbstentscheidungspflicht und Eigenverantwortung nicht.
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Auch Ablauf und Stil der Verhandlungen zwischen dem Bund und seinen Gliedern sowie zwischen den Ländern stünden unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. Es sei dem Bund verboten, bei dem Bemühen um eine verfassungsrechtlich relevante Vereinbarung über eine Frage, die alle Länder betreffe, nach dem Grundsatz des "divide et impera" zu handeln, d.h. auf Spaltung der Länder auszugehen; bei solchen Verhandlungen dürfe die Bundesregierung die Landesregierungen nicht je nach ihrer parteipolitischen Richtung verschieden behandeln, insbesondere nicht zu den politisch entscheidenden Beratungen nur Vertreter der ihr parteipolitisch nahestehenden Landesregierungen zuziehen und die der Opposition im Bund nahestehenden Landesregierungen davon ausschließen (Hinweis auf BVerfGE 12, 205 [255 f.]). Diese Grundsätze gälten auch für das Gesetzgebungsverfahren.
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Aus der Regelungsaufgabe des Finanzausgleichsgesetzes ergäben sich, wie insbesondere der Hamburger Senat ausführt, auch Mindestanforderungen an die Rationalität. Dagegen sei hier verstoßen worden, weil ein Kompromißpaket mit nach Sachlage faktischer Bindungswirkung für den Gesetzgeber ausschließlich unter unionsregierten Ländern ausgehandelt worden sei, dieser Kompromiß sachlich nicht verbundene Regelungsvorhaben - nämlich Steuerreform und Finanzausgleich - miteinander verknüpft habe und sich in seinen Ergebnissen nicht als anhand verläßlicher, objektivierbarer Indikatoren errechenbar habe darstellen lassen. Die Rationalität der Sachargumente habe in verfassungswidriger Weise innerparteilichen Tauschgeschäften weichen müssen.
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2. Nach Auffassung der Bundesregierung und der Regierungen der Länder Baden-Württemberg und Hessen ist das Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Zum einen sei die Kritik am Gesetzgebungsverfahren in tatsächlicher Hinsicht unberechtigt. Die Bundesregierung habe ein ausgewogenes, zugleich aber auch mehrheitsfähiges Kompromißpaket durch Gespräche auf verschiedensten Ebenen mit allen Ländern erreichen wollen. Bei der Neuordnung des Finanzausgleichs sei die Hilfe für die finanzschwächsten Länder das Hauptziel der Bundesregierung gewesen. Hierzu habe sie auch durch die Aufstockung der Bundesergänzungszuweisungen auf 2 v.H. des Umsatzsteueraufkommens einen eigenen finanziellen Beitrag geleistet und so die Zustimmung der Bundesratsmehrheit ermöglicht.
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Der Vorwurf, die Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat hätten einseitig die Interessen der von der Koalition regierten Länder durchgesetzt, werde bei näherer Betrachtung der Verteilungswirkungen des Gesetzes widerlegt. Die durch die Neuregelung bewirkten finanziellen Besserstellungen kämen zu mehr als zwei Dritteln den von der Opposition im Bund regierten Ländern Nordrhein-Westfalen, Bremen, Saarland und Hamburg zugute.
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b) Zum anderen könne weder der Bundesregierung noch den unionsregierten Ländern zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich um die für das Gesetzgebungsvorhaben erforderliche Mehrheit in Bundestag und Bundesrat bemüht hätten. Daß den politischen Gegnern im Bundestag keine Chance zur Modifikation gegeben worden sei, sei jedenfalls im Schlußstadium eines komplizierten Prozesses politischer Willensbildung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Regelung des Finanzausgleichs sei in das Verfahren der Bundesgesetzgebung verwiesen. Vorbereitende Verständigungen, deren Fehlen die Antragsteller rügten, fielen in den Bereich rein faktischer, informeller Verfahren ohne normativen Rückhalt. Die Regelung des Finanzausgleichs nach Art 107 Abs. 2 GG verlange allein ein in formaler Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführtes Gesetzgebungsverfahren und eine inhaltliche Vereinbarkeit mit dem geltenden Verfassungsrecht.
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III. |
1. a) Ihre Auffassung, die Gemeindefinanzen würden im horizontalen Finanzausgleich unzureichend berücksichtigt, stützen die Regierungen des Saarlandes und Schleswig-Holsteins darauf, daß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG dem Gesetzgeber nicht freien Spielraum in der Einbeziehung der Gemeindefinanzen lasse. Bei der Bestimmung des normativen Gehalts der Vorschrift unterscheidet insbesondere die schleswig-holsteinische Landesregierung zwischen den Tatbestandsvoraussetzungen ("Finanzkraft", "Finanzbedarf") einerseits und der Rechtsfolge ("berücksichtigen") andererseits. Selbst wenn man dem Gesetzgeber bei der Rechtsfolge einen weiten Spielraum zubillige, schließe dies nicht eine Dispositionsfreiheit über die Tatbestandsvoraussetzungen ein. Die Begriffe "Finanzkraft" und "Finanzbedarf" stellten unbestimmte Rechtsbegriffe dar, bei denen der Gesetzgeber lediglich Begriffsunschärfen klären dürfe. Jedenfalls dürfe der Gesetzgeber nicht wesentliche Bestandteile der kommunalen Finanzkraft von vornherein aus dem horizontalen Finanzausgleich ausklammern. Er dürfe auch nicht Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden durch Pauschalierungen miteinander vermengen. Im Gegenteil komme dem Finanzbedarf der Gemeinden eigenständige Bedeutung zu. Da die originäre Finanzkraft der Kommunen tatsächlich hinter deren Finanzbedarf zurückbleibe, der Finanzbedarf also eine negative Größe bilde, könne er nicht einfach zur Neutralisierung der Finanzkraft herangezogen werden. Er könne erst im Rahmen des Ausgleichsverfahrens zu Buch schlagen; dort müsse er dann aber auch in Rechnung gestellt werden. Auch bedeute die dem Gesetzgeber aufgegebene "Berücksichtigung" keinesfalls völlige Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers. Sein Gestaltungsspielraum - so man ihm einen solchen überhaupt zugestehe - sei jedenfalls dadurch begrenzt, daß die Berücksichtigung der Gemeindefinanzen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG dem Ziel der Sicherstellung des angemessenen Ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GG untergeordnet sei.
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aa) Dabei hebt insbesondere die Landesregierung Schleswig-Holstein darauf ab, der Wortlaut der Norm könne allgemein dahingehend verstanden werden, daß eine sachangemessene, problemorientierte Abwägung gemeint sei; ohne Sachgründe dürften abzuwägende Belange oder Werte nicht vernachlässigt werden. Aus normativem Zusammenhang und Normzweck lasse sich zudem ableiten, daß der Finanzausgleich zwischen den Ländern den Ausgleich der Finanzkraftunterschiede bewirken solle, damit diese ihrer Aufgabenverantwortung angemessen gerecht werden könnten. In diese Verantwortung sei auch die Sorgepflicht für die Kommunen eingeschlossen. Kommunen und Land stünden in einem staatsrechtlichen Finanzverbund; dies bringe Art. 106 Abs. 9 GG nicht nur im Sonderfall, sondern als Prinzip zum Ausdruck. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG enthalte daher nicht eine "Ermessensermächtigung", sondern sei so zu verstehen, daß Finanzkraftunterschiede ohne Sachgründe nicht hingenommen werden dürften. Auch aus dem Gebot, den angemessenen Ausgleich "sicherzustellen", folge, daß die Abwägung und Bewertung auf wirklichkeitsnahen, sicheren, nachvollziehbaren Bewertungskriterien beruhen müsse und nicht willkürlich gegriffen werden dürfe.
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bb) Die Regierung des Saarlandes gesteht demgegenüber dem Gesetzgeber bei der Berücksichtigung zwar ein Ermessen zu, sieht dieses aber ebenfalls begrenzt durch das Ziel eines angemessenen Ausgleichs. Zielvorgabe für die "Angemessenheit" des Länderfinanzausgleichs sei das Verfassungsprinzip der Schaffung und Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik. Das bündische Prinzip spreche daher für eine Intensivierung des Länderfinanzausgleichs über den Weg einer vollen Berücksichtigung der Gemeindefinanzen, um die Position armer Länder zu verbessern, die in der Regel auch arme Gemeinden hätten.
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Gegen eine Interpretation, die grundsätzlich von einer vollen Einbeziehung der gemeindlichen Finanzkraft ausgehe, könne auch nicht der entstehungsgeschichtliche Einwand geltend gemacht werden, durch Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG habe die einfachgesetzliche Regelung, die eine geringere Einbeziehung der Gemeindefinanzen vorsah, verfassungskräftig abgesichert werden sollen. Die Gesetze seien im Lichte der Verfassung auszulegen und nicht umgekehrt die Verfassung im Lichte einfacher Gesetze.
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cc) Ein Abschlag bei der Einstellung der kommunalen Finanzkraft darf nach Auffassung der Regierungen des Saarlandes und Schleswig- Holsteins nur dann vorgenommen werden, wenn er sich durch sachliche Gründe rechtfertigen läßt. Alleinige Begründung - auch soweit aus der Entstehungsgeschichte ersichtlich - für die hälftige Kürzung sei, daß durch sie der gemeindliche Finanzbedarf berücksichtigt werde. Diese Begründung könne aber nicht tragen, weil sich der Finanzbedarf nicht in Abhängigkeit von der Steuerkraft bestimmen lasse. Die Unterstellung, daß die Höhe des Bedarfs allein von der Höhe des Aufkommens abhänge, also der Bedarf einer steuerstarken Gemeinde höher sei als der einer steuerschwachen, sei falsch. Typischerweise hätten finanzstarke Gemeinden weniger, finanzschwache Gemeinden mehr Finanzbedarf im Verhältnis zu ihrer Finanzkraft, um ihren Spitzenstand bzw. ihren Grundstandard an Leistungen zu wahren. Insbesondere lasse sich die These einer aufkommensabhängigen Bedarfsbestimmung nicht mit einer "Wechselbeziehung" oder mit "werbungskostenähnlichen Abzügen" rechtfertigen, wie es die Ländermehrheit im Bundesrat vertreten habe. Die Fehlerhaftigkeit einer solchen Argumentation zeige sich zum einen schon daran, daß dadurch auch Gemeinden mit gleich hohem Industriebestand ungleich behandelt würden, wenn die bei ihnen angesiedelten Unternehmen sich in der Ertragsstärke unterschieden; dies treffe Gemeinden mit Unternehmen aus Krisenbranchen besonders hart. Zum anderen sinke der hohe Aufwand für Infrastrukturmaßnahmen, sobald eine gewisse Ausstattungsqualität erreicht sei, während umgekehrt der stärkere Bedarf einer finanzschwachen Gemeinde ignoriert werde, ihrerseits eine für die Wirtschafts- und Finanzkraft günstige Infrastruktur aufzubauen. Selbst wenn die Rechtfertigung durch die Wechselbeziehung vor langer Zeit einmal sinnvoll gewesen sein möge, könne sie heute keinesfalls mehr tragen. Inzwischen erhielten die Gemeinden durch Art. 106 Abs. 5 GG auch einen Anteil an der Einkommensteuer. Hinsichtlich der Einkommensteuer, die einen erheblichen Teil der kommunalen Finanzkraft ausmache, sei aber eine Beziehung zwischen Aufkommen und Bedarf erst recht nicht nachzuweisen.
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Die Bedarfspauschalierung in Höhe der Hälfte der Steuerkraft verstoße auch gegen die Verfassungsgebote der Gleichbehandlung aller Einwohner und der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Denn hierbei werde unterstellt, daß der pauschalierte abstrakte Einwohnerbedarf einer finanzstarken Gemeinde größer sei als der einer finanzschwachen Gemeinde. Schließlich führten die Regelungen zur Einbeziehung der Gemeindefinanzen im Finanzausgleichsgesetz insgesamt dazu, daß von der Gemeindefinanzkraft einschließlich Gebühren und Beiträgen nur rund ein Sechstel einbezogen werde. Dies könne nicht mehr als angemessener Ausgleich angesehen werden. Unter diesen Bedingungen könnten finanzschwache Gemeinden und finanzschwache Länder ihren Rückstand nie aufholen. Denn ein finanzschwaches Land könne seinen zumeist überdurchschnittlich finanzschwachen Gemeinden nur einen unzulänglichen kommunalen Finanzausgleich gewähren. Damit werde auch die Finanzschwäche des Landes intensiviert und perpetuiert.
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b) Demgegenüber halten die Bundesregierung sowie die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Hessen den Gesetzgeber nicht für verpflichtet, die Gemeindefinanzen grundsätzlich voll in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen.
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aa) Die Bundesregierung betont vor allem, daß dem Gesetzgeber mit dem Wort "berücksichtigen" ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt sei. Nach Ansicht der hessischen Landesregierung, die von der baden-württembergischen Landesregierung im wesentlichen geteilt wird, wäre eine volle Einbeziehung sogar verfassungswidrig. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG sei als Nivellierungssperre und Differenzierungsgebot zu verstehen. Schon der Wortlaut "berücksichtigen" mache deutlich, daß die kommunale Finanzkraft der Landesfinanzkraft nicht einfach zugeschlagen werden dürfe. Vielmehr seien die Besonderheiten der kommunalen Finanzkraft und ihre Beziehung zur Landesfinanzkraft abwägend in Rechnung zu stellen. Zwar seien die Gemeinden staatsorganisationsrechtlich als Teil der Länder anzusehen, das Finanzverfassungsrecht folge aber nicht undifferenziert den Zuordnungskategorien des Staatsorganisationsrechts. Dies zeige sich zum einen darin, daß Art. 106 Abs. 5 und 6 GG die Gemeinden gleichsam über den Kopf ihres Muttergemeinwesens hinweg mit originärer Finanzkraft ausstatte. Zum anderen ordne Art. 106 Abs. 9 GG nur bezogen auf die vertikale Steuerertragsverteilung an, daß die kommunalen Einnahmen und Ausgaben als Einnahmen und Ausgaben der Länder gelten ("im Sinne dieses Artikels"). Aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift in Art. 107 GG lasse sich daher im Umkehrschluß folgern, daß hier geradezu ein Kontrastprogramm präsentiert werde. Daher ziele der zweite Halbsatz auf eine differenzierende Sonderbehandlung von kommunaler Finanzkraft und kommunalem Finanzbedarf ab. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG sei damit nicht ein Unterfall des "angemessenen Ausgleichs" nach dem ersten Halbsatz, sondern enthalte selbst eine Vorentscheidung über die Einbeziehung der kommunalen Finanzen. Dürfe also die kommunale Finanzkraft der Finanzkraft der Länder nicht einfach gleichbehandelt werden, führe dies zu einer Deutung des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG als Reduzierungsgebot.
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Sinn dieser partiellen Herausnahme der kommunalen Finanzkraft aus dem Länderfinanzausgleich sei es, dem allgegenwärtigen Trend zur Nivellierung entgegenzuwirken. Die Methode, bestimmte Einnahmeblöcke überhaupt nicht oder jedenfalls nur begrenzt in den Ausgleichsprozeß einzubringen, sei zur Abwehr einer Nivellierung dabei besonders wirksam. Gerade die kommunale Finanzkraft partiell auszugliedern, sei aber auch sachlich gerechtfertigt. Zum einen sei die nur begrenzte Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft dadurch gerechtfertigt, daß die Länder über die Finanzkraft der Kommunen nicht - oder jedenfalls nur begrenzt - verfügen könnten und daher vor Überforderung zu schützen seien. Zum anderen diene Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG dem Schutz der wirtschaftlichen und finanziellen Autonomie der Kommunen. Die Bestimmung wolle die Kommunen davor schützen, daß die Länder den Teil, um den sich ihre Ausgleichsverpflichtung wegen der Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft erhöhe, etwa durch eine Umlage oder durch Kürzung der Landesbeiträge zum kommunalen Finanzausgleich aus der kommunalen Finanzkraft refinanzierten. Der verfassungsändernde Gesetzgeber von 1955 habe verhindern wollen, daß durch eine Nivellierung der Steuerunterschiede der Gemeinden im Länderfinanzausgleich deren Leistungswille gebrochen werde.
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bb) Die gerade hälftige Einbeziehung der Gemeindeeinnahmen in § 8 Abs. 5 FAG wird von den Landesregierungen von Baden-Württemberg und Hessen unterschiedlich begründet.
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Die baden-württembergische Landesregierung ist der Ansicht, daß die dem Gesetzgeber obliegende Berücksichtigung von Finanzkraft und Finanzbedarf zu einem wechselbezüglichen Konkretisierungsvorgang werde. Die Höhe des kommunalen Finanzbedarfs sei durch politische Entscheidungen beeinflußbar und lasse sich nicht abstrakt bestimmen. Da aber ein einheitlicher Maßstab unverzichtbar sei, sei eine pauschalierende Konkretisierung geboten. Dem Finanzausgleichsgesetzgeber sei hierbei ein Spielraum eröffnet, der verfassungsgerichtlich nur auf Vertretbarkeit hin überprüft werden könne. Der Gesetzgeber sei vertretbarerweise davon ausgegangen, daß im Durchschnitt etwa die Hälfte der Erträge der Realsteuern vorweg zur Erhaltung und Erweiterung der Ertragsquellen verwendet werde.
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Die hessische Landesregierung stimmt den Antragstellerinnen dagegen darin zu, daß sich der Finanzbedarf nicht als ein Bruchteil der Finanzkraft bestimmen lasse. Statt dessen seien bei den Steuereinnahmen der Gemeinden "werbungskostenähnliche Aufwendungen" in Rechnung zu stellen. Die Investitionen der Gemeinden für Aufbau und Ausbau ihrer Infrastruktur könnten als werbungskostenähnliche Aufwendungen qualifiziert werden. Denn eine Gemeinde, der an Erhaltung oder gar an Erhöhung ihres Realsteueraufkommens gelegen sei, müsse - ähnlich wie ein Unternehmer, der die Ertragskraft seines Unternehmens erhalten und vermehren wolle - investieren.
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cc) Die lediglich hälftige Einbeziehung der Gemeindefinanzkraft sei auch traditioneller Bestandteil des bundesrepublikanischen Länderfinanzausgleichs; ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit werde - wozu das Land Hessen ausführlich vorträgt - durch die Entstehungsgeschichte des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG, die mit der des § 8 Abs. 5 FAG eng verknüpft sei, bestätigt.
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2. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 FAG wird geltend gemacht:
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a) Ausgehend von der Annahme, der Begriff der Finanzkraft habe in beiden Halbsätzen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG denselben Inhalt, hält es die Landesregierung Schleswig-Holstein für fraglich, ob bei den nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 FAG einzubeziehenden Steuereinnahmen der Gemeinden nicht auch das Aufkommen aus den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern eingestellt werden müsse. Die Bundesregierung und die Landesregierung Baden-Württemberg halten die Einzelveranschlagung für ausschlaggebend und kommen damit jedenfalls wegen fehlender Ausgleichsrelevanz insoweit zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung.
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b) aa) Die Landesregierung Schleswig-Holstein wendet sich gegen § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 FAG auch insoweit, als diese Vorschrift lediglich Steuereinnahmen der Gemeinden berücksichtige. Sie hält darüber hinaus eine Berücksichtigung der Einnahmen der Gemeinden aus wirtschaftlicher Tätigkeit und aus Konzessionsabgaben für geboten. Die Konzessionsabgaben seien nach den Maßstäben berücksichtigungsfähig, nach denen das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 72, 330 [410]) die bergrechtliche Förderabgabe einbezogen habe. Sie seien zwar Entgelte; der Entgeltcharakter einer Abgabe sei aber für sich genommen nicht ausschlaggebend. Die Konzessionsabgabe gleiche nicht eine Schmälerung des Vermögensbestandes aus. Vom Volumen her seien die Konzessionsabgaben mit einem Aufkommen von jährlich fast 4 Mrd. DM ausgleichsrelevant.
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bb) Dem treten die Bundesregierung und die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Hessen entgegen. Die Bundesregierung stellt darauf ab, daß das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ausdrücklich eine Gestaltungs- und Abgrenzungsbefugnis bei der Bestimmung der Finanzkraft der Länder eingeräumt habe (BVerfGE 72, 330 [412 f.]). Diese Befugnis bestehe erst recht für entsprechende Einnahmen der Gemeinden. Den Konzessionsabgaben fehle die Ausgleichsrelevanz, weil sich ihre Berücksichtigung für den nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GG gebotenen "angemessenen" Ausgleich nicht eigne. Denn die Erhebung von Konzessionsabgaben liege in der freien, durch ganz unterschiedliche Kriterien bestimmten Entscheidung jeder Gemeinde. Auch die Landesregierung Baden-Württemberg betont, daß relative Einnahmeunterschiede, die auf Unterschiede in der Konzessionsabgabenpolitik der Gemeinden zurückzuführen seien, nicht über den Finanzausgleich auf andere abgewälzt werden dürften. Bei den Konzessionsabgaben handele es sich im Gegensatz zur bergrechtlichen Förderabgabe um Einnahmen, die den jeweiligen Verwaltungsträgern aufgrund von privatrechtlichen Verträgen zuflössen. Ihnen stünden somit konkrete Gegenleistungen der Kommunen, nämlich die Einräumung der Nutzungsbefugnis an den im kommunalen Eigentum stehenden Grundstücken, gegenüber. Konzessionsabgaben erschienen damit als Entgelt "für die Aufgabe einer eigentumsartigen Sachherrschaft" (vgl. BVerfGE 72, 330 [410]). Auf Konzessionsabgaben träfen im wesentlichen auch die Gründe zu, aus denen Gebühren im Länderfinanzausgleich nicht berücksichtigt würden. Ferner seien die Einnahmen aus Konzessionsabgaben keine die Finanzkraft mehrenden Erwerbseinkünfte, weil sie aus der daseinsvorsorgerischen Verantwortung der Kommunen für die Energieversorgung und für ein funktionsfähiges öffentliches Verkehrssystem resultierten.
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Die hessische Landesregierung sieht die Einnahmen aus Konzessionsabgaben als Einkünfte aus wirtschaftlicher Tätigkeit an. Derartige Einnahmen seien einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu unterwerfen. In den meisten größeren Gemeinden stünden die Versorgungsunternehmen als Eigenbetriebe oder privatrechtliche Kapitalgesellschaften, deren Anteile zum Vermögen der Gemeinde zählten, im Eigentum eben der Gemeinde, an die sie Konzessionsabgaben bezahlen müßten. Wirtschaftlich gesehen zahle damit die Gemeinde die Konzessionsabgabe an sich selbst.
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c) Schließlich rügt die Landesregierung Schleswig-Holstein, daß § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 FAG nicht auch die Einnahmen der Gemeindeverbände berücksichtige. Dies stehe eindeutig im Gegensatz zum Wortlaut des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG. Die Einnahmen der Gemeindeverbände, vor allem aus Konzessionsabgaben, hätten eine beachtliche Höhe.
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Dagegen wenden die Bundesregierung und die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Hessen ein, die originäre Finanzkraft der Gemeindeverbände sei so gering, daß sie keine Ausgleichsrelevanz erreiche. Den weitaus überwiegenden Teil ihrer Finanzausstattung erhielten die Kreise von ihren Gemeinden oder den Ländern; diese Mittel würden im Finanzausgleich ohnehin berücksichtigt.
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3. a) Die Landesregierung Schleswig-Holstein beanstandet, daß insbesondere die Gewerbesteuer nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG mit einem normierten einheitlichen Hebesatz in Ansatz gebracht werde. Nachdem den Gemeinden die Entscheidungsautonomie über die Hebesätze bei den Realsteuern durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG eingeräumt und durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert worden sei, müsse diese Autonomie auch im Länderfinanzausgleich respektiert werden. Den Gemeinden stehe es von Verfassungs wegen frei, eine "Preis-" oder eine "Mengenpolitik" zu betreiben. Während die Preispolitik mit höheren Hebesätzen die Gesamteinnahmen zu steigern versuche, werde bei der Mengenpolitik versucht, mit niedrigen Hebesätzen die Anzahl der Unternehmen und damit über höhere Grundbeträge das Realsteueraufkommen insgesamt zu steigern. Durch eine Nivellierung der Hebesätze werde die Mengen- gegenüber der Preispolitik diskriminiert, da den Gemeinden mit unterdurchschnittlichen Hebesätzen ein höheres Realsteueraufkommen zugerechnet werde, als sie tatsächlich erzielten. Zwar sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, sich allein am tatsächlichen Aufkommen zu orientieren, eine gewisse Schematisierung und Typisierung sei zulässig. Diese dürfe aber keinesfalls die realen Aufkommensverhältnisse strukturell verfälschen. Der fingierte bundeseinheitliche Hebesatz nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG berücksichtige nicht das tatsächliche Hebesatzgefälle. Bei erheblichen Abweichungen vom tatsächlichen Aufkommen sei die Typisierung nicht geeignet zu gewährleisten, daß die Steuerkraft die Finanzkraft der einzelnen Länder widerspiegele. Damit sei sie verfassungswidrig.
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b) Nach Ansicht der Bundesregierung ist § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG dagegen verfassungsgemäß, da die Hebesatznormierung bezwecke, Hebesatzunterschiede zu neutralisieren, die nicht auf Finanzkraftunterschiede, sondern auf verschiedene Steueranspannung in den Gemeinden schließen ließen.
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c) Die Landesregierung Hessen ist der Auffassung, daß wegen des Zusammenspiels der Absätze 2 und 5 des § 8 FAG der bundesdurchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz maßgeblich sei; er sei wesentlich realitätsnäher (1987: 366 v.H.) als der fingierte Hebesatz des § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG (250 v.H.). Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, vom tatsächlichen Realsteueraufkommen auszugehen. Wenn der Verwaltungsträger, dessen Finanzkraft zu ermitteln sei, darüber entscheiden könne, ob und wie intensiv eine Steuerquelle ausgeschöpft werden solle, sei es sachgerecht, beim Ermitteln der Finanzkraft nicht auf den Ertrag, sondern auf die Ertragskraft, also auf die Ergiebigkeit einer Steuerquelle abzustellen. Solches Vorgehen liege bei der Ermittlung der kommunalen Finanzkraft besonders nahe, damit der Leistungswille der Kommunen nicht gebrochen werde.
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4. a) Die Landesregierung Schleswig-Holstein wendet sich schließlich gegen die Art der Berücksichtigung des Finanzbedarfs in § 9 Abs. 3 FAG. Unter Finanzbedarf sei die Gesamtheit der finanzwirksamen Aufgabenlasten der Gemeinden zu verstehen. Der kommunale Bedarf müsse nach bundeseinheitlichen Kriterien objektiviert und typisiert werden. Eine besondere Rolle spiele hierbei das Ziel der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Diese Formel gebiete keine Unitarisierung, sondern eine Harmonisierung, wobei einer Vertiefung struktureller Eigenarten und Unterschiede der Länder entgegengewirkt werden solle, die sich auf den allgemeinen Lebensstandard nachteilig auswirken würden. Der Finanzausgleichsgesetzgeber habe die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung zutreffend und vollständig zu ermitteln, seiner Entscheidung zugrundezulegen und unter Anwendung der vorgegebenen verfassungsrechtlichen Bewertungskriterien umfassend und in nachvollziehbarer Weise abzuwägen. Diesen Kriterien genügten die Bedarfsfaktoren des § 9 Abs. 3 FAG nicht. Zum einen berücksichtige § 9 Abs. 3 FAG nicht, daß der Finanzbedarf der Kommunen nicht nur mit steigender Bevölkerungszahl und Siedlungsdichte, sondern auch mit deren Degression ansteige. Das Finanzausgleichsgesetz stütze sich auf die an Popitz anschließende These einer mit steigender Einwohnerzahl und Siedlungsdichte steigenden Belastung. Diese These werde inzwischen jedoch immer mehr durch empirische Untersuchungen in Frage gestellt. Schon die (sog. Troeger-)Kommission für die Finanzreform habe festgestellt, daß die ländlichen Gemeinden aus ihrer Vereinzelung herausgetreten seien und eine Teilhabe an der Versorgung mit Zivilisationsleistungen verlangten. Sie habe daraus gefolgert, auch auf dem flachen Land müsse der Bevölkerung eine wirksame Verwaltung zur Verfügung stehen, und auch die ländlichen Gebiete müßten mit den Einrichtungen der Daseinsvorsorge ausgestattet werden, die Voraussetzung der zivilisatorischen Gleichstellung aller Staatsbürger seien. Demnach seien eventuelle Nachteile der Deglomeration ebenso ausgleichsbedürftig wie solche der Agglomeration. Beide Sachverhalte müßten angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus müsse der Gesetzgeber auch Bedarfsfaktoren berücksichtigen, die von der Bevölkerungszahl unabhängig seien. Dabei sei ein funktioneller Bedarfsansatz zugrundezulegen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht im Falle der Stadtstaaten anerkannt habe. Unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse seien etwa Infrastruktur, Randlage, Verkehrsanbindung, Sondereinrichtungen und Beschäftigungsstandard erheblich. Die Präzisierung obliege freilich dem Gesetzgeber.
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b) Die Bundesregierung verteidigt die Regelung des § 9 Abs. 3 FAG mit dem Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber aufgrund seines Gestaltungsspielraums nicht verpflichtet sei, Details wie Deglomerationsnachteile zu berücksichtigen. Zudem gebe es keine wissenschaftlich abgesicherte Methode zur Ermittlung des Finanzbedarfs. Die hessische Landesregierung ist der Ansicht, die Bedarfsermittlung dürfe nicht an der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse orientiert werden, da der Bundesstaat des Grundgesetzes auf Vielfalt und Einheit zugleich angelegt sei. Maßgeblich sei daher ein dem Sozialstaatsprinzip angemessener Mindeststandard, der unterhalb der durchschnittlichen Lebensverhältnisse liege. Das § 9 Abs. 3 FAG zugrundeliegende sogenannte Popitzsche Gesetz sei zwar zunehmender Kritik ausgesetzt, werde überwiegend freilich nicht schlechthin verworfen, sondern in eine differenziertere Fassung gebracht.
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IV. |
1. Nach Ansicht der Senate Bremens und Hamburgs sind die Beträge, die nach § 7 Abs. 3 FAG zur Abgeltung der Sonderbelastungen ihrer Seehäfen von ihren Einnahmen abzusetzen sind, unangemessen niedrig. Beide Senate meinen, die Höhe der Berücksichtigung von Hafenlasten müsse nach objektiven Indikatoren schlüssig abgeleitet werden. Diesen Anforderungen genüge weder die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, die lediglich von einer pauschalen Erhöhung spreche, noch die Begründung des Bundesrates für seinen Abänderungsvorschlag, die 50 v.H. der Nettokosten für absetzbar erkläre.
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a) Der Bremer Senat bringt drei Einwände gegen die Ableitung der Höhe des Abgeltungsbetrages durch den Bundesrat vor. Zum einen seien die Jahre 1981 bis 1985 als Referenzzeitraum für die Ermittlung der Aufwendungen für die Häfen zugrundegelegt worden. Das Jahr 1985 habe aber nicht einbezogen werden dürfen, weil Bremen in diesem Jahre infolge seiner verfassungswidrigen Benachteiligung im Länderfinanzausgleich seinen Zuschuß für Baumaßnahmen drastisch habe kürzen müssen. Zum andern dürften die vom Bundesrat angeführten Abgrenzungs- und Interpretationsschwierigkeiten nicht pauschal zu Lasten Bremens behauptet werden. Schließlich habe der Bundesrat mit 50 v.H. eine zu hohe Eigeninteressenquote Bremens unterstellt.
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b) Der Hamburger Senat hält eine hälftige Anrechnung nur unter der Voraussetzung für verfassungsgemäß, daß sie im Ergebnis zur hälftigen Lastenteilung führt. Indem die Hafenlasten nach der geltenden Regelung aber lediglich die Finanzkraftmeßzahl verminderten, erhalte Hamburg im Ergebnis derzeit lediglich 27 v.H. seiner Hafenkosten. Dies sei gerade auch im Vergleich mit den Bundesergänzungszuweisungen, die Sonderlasten zu wesentlich höheren Prozentsätzen ausglichen, völlig unangemessen.
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2. Dagegen machen die Bundesregierung sowie die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz geltend, daß der Gesetzgeber schon dem Grunde nach zur Berücksichtigung der Hafenlasten nicht verpflichtet sei. Die Hafenlasten überhaupt in Ansatz zu bringen, werde ihm lediglich im Hinblick auf die langjährige bundesstaatliche Tradition gestattet. Es handele sich dabei um eine Ausnahme von dem generellen Verbot der Berücksichtigung von Sonderlasten. Wie weit er im Rahmen seiner Gestaltungs- und Abgrenzungsbefugnis von dieser Erlaubnis Gebrauch mache, stehe in seinem politischen Ermessen.
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V. |
Die Senate der Länder Bremen und Hamburg sowie die Regierung des Saarlandes sind der Ansicht, die Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG in ihrer derzeitigen Regelung verstoße gegen Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG.
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1. Der Bundesminister der Finanzen hat, veranlaßt durch das Urteil des Senats vom 24. Juni 1986 (BVerfGE 72, 330), das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung beauftragt zu prüfen, in welcher Höhe eine Einwohnerwertung der Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich gerechtfertigt sei. Ein Arbeitskreis aus Vertretern des Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesländer begleitete die Erstellung des Gutachtens. Die Ergebnisse der Untersuchung sind veröffentlicht (Hummel/ Leibfritz, Die Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich, Ifo-Studien zur Finanzpolitik 45, München 1987). Der Gesetzgeber hat sich beim Erlaß des Achten Änderungsgesetzes darauf gestützt.
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Das Gutachten unternimmt es, im Wege eines Großstadtvergleichs zu ermitteln, welche strukturell höhere Finanzkraft je Einwohner Großstädte im Vergleich zum Durchschnitt aller Gemeinden in den Flächenstaaten haben. Dazu wurde die Finanzkraft von Städten vergleichbarer Größe ins Verhältnis zur entsprechenden Finanzkraft des Durchschnitts in den Flächenstaaten gesetzt; dieser Prozentsatz soll einen Indikator für die Einwohnerwertung der Stadtstaaten ergeben.
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Bei der Auswahl der Vergleichsstädte orientiert sich das Gutachten an dem Ziel, eine möglichst große Anzahl von Städten zum Vergleich heranzuziehen, um aussagekräftige Durchschnittswerte zu gewinnen. Das Gutachten zieht alle Städte mit über 500.000 Einwohnern als Vergleichsstädte heran, bereitet die Daten aber so auf, daß der Einfluß der Städteauswahl auf die Ergebnisse sichtbar wird.
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Um einen Großstadtvergleich durchzuführen, muß die Finanzkraft der Vergleichsstädte in einer Weise bestimmt werden, die einen Vergleich mit der Finanzkraft der Stadtstaaten ermöglicht. Für die Ermittlung eines Indikators II, von dem der Gesetzgeber ausgegangen ist, berechnet das Ifo-Gutachten die Finanzkraft der Vergleichsstädte aus deren Gemeindesteuerkraft, den Zuweisungen aus dem Landeshaushalt und den sonstigen steuerfinanzierten staatlichen Ausgaben in der Stadt. Durch eine solche Berechnungsweise werde die Finanzkraft einer Großstadt im Flächenstaat mit der gesamten Steuerkraft eines Stadtstaates, bestehend aus Gemeinde- und Landessteuern, vergleichbar.
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Das Gutachten hat dabei jedoch nicht in jeder Hinsicht die tatsächliche Finanzausstattung der Vergleichsstädte angesetzt. Der Finanzkraftvergleich müsse die Finanzkraft in der Abgrenzung des Finanzausgleichsgesetzes zugrundelegen. Damit werden die kommunalen Steuereinnahmen gemäß § 8 Abs. 2 und 5 FAG lediglich zur Hälfte einbezogen. Eine Korrektur schien dem Gutachten auch bei den staatlichen Hochschulausgaben angebracht. Es wurde unterstellt, daß die Vergleichsstädte als hypothetische Stadtstaaten möglicherweise geringere Hochschulkapazitäten anbieten würden als Metropolen in Flächenstaaten. Deshalb wurden unter verschiedenen Annahmen alternative Hochschulkapazitäten in vier Varianten berechnet. Schließlich rechnet das Gutachten fiktive Kosten der Kleinheit bei den staatlichen Ausgaben für die politische Führung hinzu; die diesbezüglichen Kosten je Einwohner seien um so größer, je kleiner der Staat ist.
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Unter Zugrundelegung dieser Prämissen hat das Gutachten - je nach verschiedenen Varianten hinsichtlich der Hochschullasten differenzierend - für Hamburg eine Einwohnerwertung von 125 bis 141 und für Bremen von 127 bis 143 ermittelt. Die unterschiedlichen Ergebnisse für Hamburg und Bremen ergeben sich daraus, daß bei der endgültigen Ermittlung des Indikators gegenzurechnen ist, inwieweit die erhöhte kommunale Steuerkraft großer Kommunen bereits durch die Einwohnerwertung des § 9 Abs. 3 FAG berücksichtigt wird. Nach § 9 Abs. 3 FAG kommt aber Hamburg eine höhere Einwohnerwertung als Bremen zu.
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aa) Sie machen zum einen geltend, das Gesetz sei in einem mangelhaften und damit verfassungswidrigen Verfahren zustandegekommen, weil die gesetzgebenden Körperschaften sich nicht der dem Finanzausgleichsgesetzgeber von Verfassungs wegen obliegenden Ausgleichsaufgabe unterzogen hätten. Diese Aufgabe, die strukturell der planerischen Abwägung ähnele, stelle besondere Anforderungen im Verfahrensbereich. Der Gesetzgeber habe diesen Anforderungen nicht genügt, da er pauschal auf das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten verwiesen habe. Es sei ihm nicht gestattet, bei weit auseinanderliegenden Ergebnissen in den einzelnen Varianten des Gutachtens einfach einen Mittelwert zu wählen. Indem der Gesetzgeber das Ergebnis des Gutachtens ohne eigene Bewertung übernommen habe, habe er zudem gegen seine Selbstentscheidungspflicht verstoßen. Er hätte vielmehr darlegen müssen, ob und nach welchen Maßstäben er das zugrundegelegte Gutachten für eine taugliche Entscheidungsgrundlage halte.
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bb) Zum anderen üben die Senate der beiden Stadtstaaten Kritik an der Vorgehensweise des Gutachtens. Es setze den vom Bundesverfassungsgericht geforderten "schlichten Großstadtvergleich" nicht in zutreffender Weise um, sei in mehrfacher Hinsicht von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts abgewichen und habe damit den Zweck und die Aufgabe des Großstadtvergleichs verfehlt. Die Stadtstaaten müßten so gestellt werden wie vergleichbare Metropolen. Insbesondere unter sechs Gesichtspunkten wenden sich die Senate der Hansestädte gegen die Methodik des Ifo-Gutachtens.
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Sie beanstanden die Auswahl der Vergleichsstädte. Die strukturelle Eigenart der Stadtstaaten könne nicht erfaßt werden, wenn in den Städtevergleich alle Städte über 500.000 Einwohner aufgenommen würden. Die Einwohnerzahl sei kein geeignetes Auswahlkriterium, da sie nicht mit der Funktion einer Stadt als Metropole korrespondiere. Bei den nordrhein-westfälischen Städten Dortmund, Duisburg, Köln und Essen bestehe wegen ihrer räumlichen Nähe eine Funktionenteilung, die zu einer Kostenteilung führe. Als Vergleichsstädte können daher nach Ansicht Bremens lediglich die vier Hauptstädte, nämlich Düsseldorf, Hannover, München und Stuttgart herangezogen werden, während Hamburg auch die Berücksichtigung Frankfurts akzeptiert. Die unzutreffende Einbeziehung der vier nordrhein-westfälischen Städte beeinflusse das Ergebnis des Ifo-Gutachtens zu mehr als 40 v.H.
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Die Senate Bremens und Hamburgs wenden sich auch dagegen, daß im Gutachten bei den Gemeindesteuern die Finanzkraft in der Abgrenzung des Finanzausgleichs statt in Höhe des tatsächlichen Aufkommens einbezogen worden sei. Für den Handlungsspielraum einer Gemeinde, auf den es bei einem funktionsbezogenen Großstadtvergleich ankomme, sei aber allein das tatsächliche Aufkommen entscheidend. Dem könne nicht entgegengehalten werden, eine Abweichung von den Regeln des Finanzausgleichs sei nicht zulässig. Ziel des Großstadtvergleichs sei es gerade zu ermitteln, wie die Stadtstaaten im Finanzausgleich zu behandeln seien, um sie im Ergebnis den vergleichbaren Großstädten gleich zu stellen. Hierzu bedürfte es aber eines außenstehenden objektiven Maßstabes, der nur in der tatsächlichen Finanzausstattung der Vergleichsstädte gefunden werden könne, nicht in einem fiktiven Wert.
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Bei den Hochschulausgaben lege das Gutachten entgegen der Funktion des Großstadtvergleichs nicht die tatsächlichen, sondern fingierte Ausgaben zugrunde. Es beziehe zu Unrecht nur die Ausgaben ein, die die Vergleichsstädte tätigen würden, wenn sie sich in der Situation von Stadtstaaten befänden. Diese Fiktion aber verfehle aus den gleichen Gründen wie die nicht volle Einbeziehung der gemeindlichen Finanzkraft den Sinn des Großstadtvergleichs. Zudem werde bei einigen Varianten der status quo in den Hansestädten übertragen; dieser beruhe aber gerade auf der wegen der zu niedrigen Einwohnerwertung unzureichenden Finanzausstattung der Stadtstaaten. Es sei methodisch nicht zulässig, in diesem einen Bereich normative Wertungen vorzunehmen, während Bereiche, in denen die Hansestädte ihre Ausgabenschwerpunkte hätten - wie etwa Hamburg im Hinblick auf die Sozialhilfe - nicht als Grundlage für die Berechnung herangezogen worden seien. Gegen eine volle Berücksichtigung der Hochschulkosten lasse sich nicht einwenden, die Flächenländer deckten in ihren Metropolen auch die Kapazitäten für die "eigenen" Studierenden mit ab; gerade kleine Flächenländer ohne Metropolen wiesen einen besonders hohen "Studentenexport" auf. Offenbar seien gerade Metropolen die "geborenen" Standorte für große Hochschulen. Die Hochschulkapazitäten seien wegen der Verknüpfung von Forschung und Produktion ein bedeutender Faktor im Standortwettbewerb der Metropolen.
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Nach Ansicht des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg wird zudem die Pendlerproblematik nicht ausreichend berücksichtigt, nachdem das Ifo-Gutachten mit den nordrhein-westfälischen Städten auch Vergleichsstädte einbeziehe, die hinsichtlich der Pendlerproblematik gänzlich unvergleichbar seien. Solange die Pendlerproblematik nicht durch die Zerlegungsvorschriften gelöst werde, sei sie als stadtstaatenspezifisches Problem durch die Einwohnerwertung aufzufangen.
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Der Senat der Freien Hansestadt Bremen, dem die Landesregierung des Freistaates Bayern insoweit zustimmt, ist der Ansicht, die Kosten politischer Führung seien systematisch nicht bei der Einwohnerwertung zu berücksichtigen, da sie vom Bundesverfassungsgericht den Bundesergänzungszuweisungen zugeordnet worden seien. Nicht nur den Stadtstaaten, sondern auch anderen kleinen Ländern entstünden hierfür Mehrkosten.
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Schließlich hätten Hamburg und Bremen einen direkten Vergleich der Vergleichsstädte mit den Stadtstaaten bevorzugt, statt - wie das Gutachten - die Vergleichsstädte mit dem Durchschnitt der Flächenstaaten zu vergleichen. Die Einwohnerwertung für Bremen sei so festzusetzen, daß die Finanzausstattung Bremens mindestens 95 v.H. der Finanzausstattung der Vergleichsstädte erreiche. Bremen kommt unter Zugrundelegung dieser Berechnungsmethode auf eine Einwohnerwertung von 163 v.H.
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b) Der Auffassung der Stadtstaaten widersprechen die Bundesregierung und die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz mit teils unterschiedlichen Begründungen.
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aa) Wie schon in dem Normenkontrollverfahren, das zu dem Urteil des Senats vom 24. Juni 1986 geführt hat, stehen auch jetzt die Landesregierungen von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern auf dem Standpunkt, die Stadt-Umland-Problematik der Stadtstaaten betreffe nur das bilaterale Verhältnis der Stadtstaaten zu ihren Nachbarländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein und dürfe nicht auf der Ebene des Länderfinanzausgleichs gelöst werden. Dies werde schon daran deutlich, daß sich das Land Niedersachsen wegen der Entlastung durch die Stadtstaaten besonders hohe Aufwendungen für seine Landeshauptstadt Hannover leisten könne. Der Großstadtvergleich sei nur beispielhaft als ein Indikator erwähnt worden. Die Großstadt habe im Flächenstaat eine andere Funktion zu erfüllen. Die Flächenstaaten übertrügen ihren Großstädten Versorgungsfunktionen für das Umland. Sie wendeten daher für Leistungen in den Großstädten weit mehr auf, als dem unmittelbaren Bedarf der Stadt selbst entspreche. Eine solche Verpflichtung, ihr Umland mitzuversorgen, treffe die Stadtstaaten nicht. Daher dürften lediglich die für, nicht die in der Großstadt wirksamen Landesleistungen in den Vergleich einbezogen werden. Wenn die Stadtstaaten aufgrund eigener Entscheidung Versorgungsfunktionen für das Umland übernähmen, sei dies durch bilaterale Verträge auszugleichen.
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Als systemwidrige Ausnahme sei die Einwohnerwertung ohnehin auf das unabweisbar gebotene Minimum zu beschränken. Andernfalls komme es zu einer einseitigen Verschlechterung des finanziellen Status der Flächenländer, deren strukturelle Lasten im Länderfinanzausgleich keine besondere Berücksichtigung fänden. Insbesondere dürfe der Ausgleich des Stadtstaatenhandicaps nicht zu einem allgemeinen Sonderlasten- oder Nachteilsausgleich führen. Eine Finanzschwäche, die durch die Wirtschaftsstruktur der Hansestädte hervorgerufen sei, dürfe sich nicht in der Einwohnerwertung niederschlagen.
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bb) Die Kritik der Stadtstaaten an der Entscheidung des Gesetzgebers und den ihr zugrundeliegenden Annahmen des Ifo- Gutachtens im einzelnen wird von der Bundesregierung und den Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz als ungerechtfertigt zurückgewiesen. Der Gesetzgeber habe nicht dadurch gegen seine Selbstentscheidungspflicht verstoßen, daß er sich der Hilfe eines sachverständigen Instituts bedient habe. Er habe auch die Höhe des Veredelungsfaktors keineswegs "blind gegriffen". Sowohl der Bundesrat als auch der Bundestag hätten sich damit intensiv befaßt. Die Entscheidung, unter Zugrundelegung des Indikators II einen Mittelwert zwischen 125 und 141 für Hamburg und zwischen 127 und 143 für Bremen zu wählen, sei sachgerecht. Ein genauer Einwohnerwert könne durch Rechenoperationen nicht ermittelt werden. Dem Gesetzgeber sei nur aufgegeben, eine angemessene Wertung anhand verläßlicher, objektivierbarer Indikatoren vorzunehmen. Was das zugrundegelegte Ifo-Gutachten betreffe, so sei dessen Methode nicht zu beanstanden:
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Die Auswahl der Vergleichsstädte nach der Einwohnerzahl sei zumindest vertretbar und liege damit innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Beurteilungsspielraums. Um zu verhindern, daß Besonderheiten einzelner Vergleichsstädte - wie etwa die verblüffend hohen Werte Hannovers - über Gebühr das Ergebnis beeinflußten, sei es erforderlich, eine möglichst hohe Zahl von Vergleichsstädten heranzuziehen.
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Auch die Zugrundelegung der Finanzkraft nach Maßgabe des Finanzausgleichsgesetzes sei sachgerecht. Innerhalb des in sich geschlossenen Systems des Länderfinanzausgleichs, in den die Einwohnerwertung eingepaßt werden müsse, dürfe man nicht mit verschiedenen Maßstäben arbeiten. Dieses System schließe eine volle Berücksichtigung der Gemeindefinanzen aus.
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Die Kürzungen bei den staatlichen Hochschulausgaben seien gerechtfertigt, weil nicht nur in den Flächenländern, sondern auch im Verhältnis der Stadtstaaten zueinander sehr unterschiedliche Hochschulkapazitäten bereitgestellt würden. Auch seien die Stadtstaaten nicht wie die Flächenländer verfassungsrechtlich verpflichtet, das Umland zu versorgen. Jedenfalls stelle der Mittelwert der durch die verschiedenen Berechnungsvarianten eröffneten Bandbreite eine angemessene Berücksichtigung der Hochschulausgaben dar.
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Die Pendlerproblematik sei als großstadttypisches Problem durch die Vergleichsstädte weitgehend berücksichtigt. Auch handele es sich bei den Kosten politischer Führung durchaus um eine stadtstaatenspezifische Besonderheit. Denn Stadtstaaten seien immer besonders kleine Länder. Wegen der Subsidiarität der Bundesergänzungszuweisungen dürften die Kosten politischer Führung nicht ausschließlich diesen zugeordnet werden. Außerdem stünden dem nicht leistungsschwachen Hamburg ohnehin keine Bundesergänzungszuweisungen zu.
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Schließlich sei ein Großstadtvergleich im Wege eines direkten Vergleichs der Stadtstaaten mit den Vergleichsstädten nicht verfassungsrechtlich geboten. Auch führten beide Wege zum gleichen Ergebnis, wenn die gleichen Prämissen gewählt würden.
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3. a) Nach Auffassung der Regierung des Saarlandes verstößt § 9 Abs. 2 FAG gegen Art. 107 Abs. 2 GG, insoweit in dieser Vorschrift die Einwohnerzahl des Saarlandes nur mit 100 v.H. gewertet wird. Auch das Saarland habe eine "vorgegebene strukturelle Eigenart" aufzuweisen, die eine besondere Einwohnerwertung - wie bei den Stadtstaaten - erfordere.
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aa) Diese "vorgegebene strukturelle Eigenart" sei maßgeblich Resultat der geschichtlichen Entwicklung des Saarlandes. Es stelle weder eine geographische Einheit dar noch einen alten historischen und landsmannschaftlich verbundenen Raum, sondern habe seine Existenz als staatliches Gebilde ausschließlich seiner Wirtschaftsstruktur zu verdanken. Im Versailler Vertrag sei der Forderung nach Reparationen und dem französischen Sicherheitsbedürfnis dadurch Rechnung getragen worden, daß dem Saarrevier, als Standort großer Kohlevorkommen und einer bedeutenden Schwerindustrie, ein besonderes Statut gegeben worden sei. Dies habe zu einer Stärkung des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie und zu einer Vernachlässigung der Entwicklung anderer Industriezweige geführt. Auch nach der Rückgliederung im Jahre 1935 habe sich eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur nicht entfalten können, da das Saarland sofort den Anforderungen der deutschen Rüstungswirtschaft unterworfen worden sei. Schließlich sei das Saarland erst nach einer Zeit unter französischer Verwaltung aufgrund des Saarvertrages vom 27. Oktober 1956 am 1. Januar 1957 der Bundesrepublik Deutschland als eigenes Bundesland beigetreten.
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Diese geschichtliche Entwicklung habe eine mit besonderen Ausgabenbedarfen verbundene strukturelle Eigenart hinterlassen. Als das Saarland Bundesland geworden sei, seien die Wiederbelebung der Wirtschaft und der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur in den übrigen Ländern schon sehr weit fortgeschritten gewesen. Ein Ausgleich des Nachholbedarfs des mit Verspätung hinzugekommenen, wirtschaftlich stark rückständigen und darüber hinaus aufgrund seiner Rand- und Insellage benachteiligten Saarlandes sei erst spät und unzureichend erfolgt. Der vierfache Wechsel zwischen Frankreich und Deutschland im Zeitraum von 40 Jahren habe Mängel in der Infrastruktur bewirkt, da die Unsicherheit über das weitere politische Schicksal eine längerfristige Wirtschafts- und Verkehrsplanung verhindert habe. Hinzu kämen bleibende Nachteile durch den verspäteten Beginn des Ausbaus der Infrastruktur, insbesondere bei der Standortverteilung staatlicher und halbstaatlicher Institutionen. Dies zeige sich auch bei der zunehmend wichtigen Forschungsinfrastruktur.
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Unter der einseitigen Ausrichtung auf Kohle und Stahl leide das Saarland noch heute. Nach der Rückgliederung sei eine Reihe von Betrieben als "verlängerte Werkbank" deutscher Konzerne gegründet und in konjunkturell und strukturell bedingten Abschwungphasen auch wieder geschlossen worden. Auch in der Betriebsgrößenstruktur unterscheide sich das Saarland vom übrigen Bundesgebiet; der Anteil der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sei im Saarland höher als in jedem anderen Bundesland und übersteige um rund 88 v.H. den Bundesdurchschnitt. Die Besonderheiten der Größenstruktur brächten starke Beschäftigungsrisiken für die gesamte Region mit sich.
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bb) Als vorgegebene strukturelle Eigenart sei auch die geringe Größe des Saarlandes zu berücksichtigen. Es gebe keine Möglichkeit des interregionalen Ausgleichs zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Landesteilen wie in größeren Flächenländern. Krisen der dominierenden Wirtschaftszweige Kohle und Stahl seien damit immer auch Krisen des ganzen Landes. Hinzu kämen die besonderen Kosten der Kleinheit.
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cc) Schließlich stellten sich im Saarland auch besondere Probleme hinsichtlich der Bevölkerung und des Arbeitsmarktes. Zwar sei die Pendlerproblematik für das Saarland dem Umfang nach nicht mit den Stadtstaaten zu vergleichen, doch sei sie deutlich gewichtiger als bei anderen Flächenländern. Auch sei das Saarland von großen Abwanderungsverlusten und einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit betroffen.
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dd) Nachdem aufgrund der Änderung des Art. 29 GG eine Neugliederung der Länder faktisch unmöglich geworden sei, müsse dem Land die Existenz als eigenständiges gleichberechtigtes Glied der Bundesrepublik durch die Berücksichtigung seiner strukturellen Eigenart im Rahmen der sich im horizontalen Finanzausgleich verwirklichenden Solidargemeinschaft aller Länder gewährleistet werden.
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Bei der Eingliederung des Saarlandes habe der Bundesgesetzgeber diesem eine Sonderstellung zuerkannt, so daß das Saarland bis 1959 nicht am Finanzausgleich teilgenommen, sondern Finanzhilfen des Bundes erhalten habe. Diese Zeit sei aber viel zu kurz bemessen gewesen. Die Bundesregierung habe auch noch 1964 die strukturelle Eigenart des Saarlandes anerkannt und in einem Gesetzentwurf deren Berücksichtigung mittels einer höheren Einwohnerwertung vorgesehen.
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b) Demgegenüber halten die Bundesregierung und die Regierungen der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz eine besondere Einwohnerwertung für das Saarland nicht für verfassungsrechtlich geboten. Das Saarland weise keine "vorgegebene strukturelle Eigenart" auf, wie sie das Bundesverfassungsgericht im Falle der Stadtstaaten anerkannt habe. Die vom Saarland geltend gemachten Sonderbelastungen rechtfertigten keine besondere Einwohnerwertung. Die geschichtliche Entwicklung könne für sich genommen eine Sonderstellung des Saarlandes heute nicht mehr begründen. Der horizontale Finanzausgleich sei auf einen Finanzkraftausgleich beschränkt, in dem Sonderbedarfe keine Berücksichtigung finden dürften. Dieses Verbot würde ausgehöhlt, wenn aus der Wirtschaftsstruktur oder der Belegenheit eines Landes auf eine strukturelle Andersartigkeit geschlossen würde. Dann könne auch jedes andere Bundesland aus verschiedensten Sonderbedarfsgesichtspunkten eine strukturelle Andersartigkeit ableiten.
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VI. |
1. Nach Auffassung des Hamburger Senats ist der Zweite Abschnitt des Finanzausgleichsgesetzes insoweit mit Art. 107 Abs. 2 GG unvereinbar, als weder in § 7 hinsichtlich der Steuereinnahmen der Länder noch in § 8 Abs. 5 hinsichtlich der Steuereinnahmen der Gemeinden die Kosten der Pflichtaufgabe Sozialhilfe in Abzug gebracht werden und diese Kosten auch bei der Festsetzung der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 unberücksichtigt geblieben sind.
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Die Sozialhilfeausgaben seien in einem Zusammenhang mit dem Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern zu sehen, weil sie als Pflichtaufgabe nicht zur Disposition der Sozialhilfeträger stünden, diese Pflichtaufgabe durch Bundesgesetz begründet sei und die Kosten für sie nicht erstattet würden. Bei dem explosionsartigen Ansteigen der Sozialhilfekosten in den letzten Jahren sei der Sachzusammenhang evident. Auch könne wegen der sehr geringen Unterschiede im Leistungsniveau vernachlässigt werden, daß die Höhe der Sozialhilfeleistungen zum Teil im Ermessen der Sozialhilfeträger stehe. Solange und soweit das Problem der Sozialhilfeausgaben nicht auf der Ebene des vertikalen Finanzausgleichs - beispielsweise durch Leistungen des Bundes nach Art. 104a Abs. 3 GG, wie auch Bremer Senat vorschlägt - gelöst werde, müßten daher die unter den Ländern unterschiedlich hohen Sozialhilfekosten im horizontalen Finanzausgleich berücksichtigt werden.
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Wegen der fehlenden Ausgleichsmöglichkeiten mit dem Umland wirke sich das Ansteigen der Sozialhilfekosten auf die Stadtstaaten besonders aus. Die unterschiedliche Höhe der Belastung der einzelnen Länder mit Sozialhilfeausgaben und die stadtstaatenspezifische Komponente könnten mit den Nettoausgaben je Einwohner im Jahre 1986 belegt werden. An der Spitze stünden Hamburg (668 DM), Berlin (654 DM) und Bremen (589 DM). Der Stadtstaat Hamburg sei dabei um rund 95 v.H. höher belastet als das höchstbelastete Flächenland Nordrhein-Westfalen.
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Angesichts des strukturell bedingten Ausmaßes des Anstiegs der Sozialhilfekosten und der Belastungsdisparitäten erfordere das Regelungsziel eines "angemessenen" Finanzausgleichs, daß dieses Problem im System des Länderfinanzausgleichs berücksichtigt werde. Hinsichtlich der Frage, an welcher Stelle das Problem systemkonform gelöst werden könne, komme dem Gesetzgeber ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, verfassungsrechtlich unabdingbar sei aber, daß es überhaupt im Länderfinanzausgleich berücksichtigt werde.
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Hinsichtlich der einzelnen angegriffenen Vorschriften führt der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg aus:
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a) Sachgerecht sei es, die Sozialhilfekosten nach § 7 FAG vorweg von der Finanzkraft der Länder abzuziehen, da dasjenige, was die Finanzkraft nicht verstärke, nicht in den an der Finanzkraft orientierten Finanzausgleich eingehen könne. Da eine Rechtspflicht zur Erfüllung der Sozialhilfeaufgaben bestehe, könne über die dafür zu verwendenden Einnahmen nicht mehr disponiert werden. Daß diese Einnahmen durch die rechtliche Festlegung der Sozialhilfeansprüche tatsächlich gebunden würden, reiche aus. Zwar seien durch Leistungs- und Besoldungsgesetze insgesamt 80 bis 90 v.H. der Haushaltsmittel zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplans gebunden. Die den Haushalt präjudizierenden Ausgabengesetze fielen aber in die Regelungshoheit des jeweiligen Gesetzgebers, der sie aufheben oder den Leistungsumfang reduzieren könne. Demgegenüber sei die Pflichtaufgabe Sozialhilfe bundesgesetzlich geregelt.
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b) Zumindest müßten Sozialhilfeausgaben, die zu etwa 30 v.H. Landes- und zu etwa 70 v.H. kommunale Ausgaben seien, aber als Finanzbedarf der Gemeinden bei § 8 Abs. 5 FAG berücksichtigt werden. Die durch Art. 107 GG geforderte Berücksichtigung des kommunalen Finanzbedarfs erfolge bisher durch die Einwohnerwertung bei den Gemeindesteuern (§ 9 Abs. 3 FAG) und den hälftigen Ansatz der Gemeindesteuern (§ 8 Abs. 5 FAG). Die diesen Regelungen zugrundeliegenden Bedarfskriterien würden mit Blick auf die Sozialhilfelasten der veränderten Bedarfssituation der Kommunen nicht gerecht. Daß die Sozialhilfelast zusätzlich zu berücksichtigen sei, ergebe sich aus den gleichen Grundsätzen, nach denen beurteilt werde, welche Einnahmen in den Finanzausgleich einzubeziehen seien. Es dürften nur solche Einnahmen berücksichtigt bleiben, die ihrem Volumen nach nicht ausgleichsrelevant seien, in allen Ländern verhältnismäßig gleich anfielen oder bei denen der Ermittlungsaufwand zu dem möglichen Ausgleichseffekt außer Verhältnis stehe. Die Sozialhilfeausgaben der Gemeinden fielen unterschiedlich an und umfaßten mehr als 40 v.H. der im Finanzausgleich angesetzten Gemeindesteuern. Bei Hamburg betrage der Anteil 57 v.H., bei Bayern 25 v.H., bei Bremen 71 v.H. Der Gesetzgeber müsse in Anbetracht dieser gravierenden Unterschiede einen Ausgleich herbeiführen.
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c) Solange der Gesetzgeber nicht die dargestellten Möglichkeiten wähle und die besonderen Belastungen auch nicht durch die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen abgelte, müsse der besonderen Belastung Hamburgs mit Sozialhilfeausgaben zumindest im Rahmen der Einwohnerwertung (§ 9 Abs. 2 FAG) Rechnung getragen werden.
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2. Demgegenüber halten die Bundesregierung und die Regierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland- Pfalz eine besondere Berücksichtigung der Sozialhilfelasten im Länderfinanzausgleich für verfassungsrechtlich nicht geboten.
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Ein Vorwegabzug der Sozialhilfelasten von der Finanzkraft nach § 7 FAG sei unzulässig. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1986 könnten bei der Bestimmung der Finanzkraft der Länder mit Ausnahme der Hafenlasten nur Einnahmen, d.h. das Finanzaufkommen, herangezogen werden. Sozialhilfelasten stellten dagegen einen Sonderbedarf dar, der im horizontalen Länderfinanzausgleich keine Berücksichtigung finden dürfe. Zwar sei der Finanzbedarf nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG auf kommunaler Ebene zu berücksichtigen. Diesem verfassungsrechtlichen Auftrag werde aber durch § 9 Abs. 3 und § 8 Abs. 5 FAG Rechnung getragen.
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Bei der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG sei eine Einstellung der Sozialhilfelasten bereits im Wege des Großstadtvergleichs - wie bei der Pendlerproblematik - vorgenommen worden. Besonders hohe Sozialhilfeausgaben seien typisch für alle Großstädte. Eine darüber hinausgehende stadtstaatenspezifische Problematik sei nicht gegeben.
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VII. |
1. Die Landesregierung Schleswig-Holstein greift auch § 10 Abs. 3 FAG an; Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung äußert auch der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg.
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a) Die Landesregierung Schleswig-Holstein rügt, daß diese Vorschrift - ohne Rücksicht auf die Finanzkraft und den Finanzbedarf der Kommunen - allein auf die Finanzkraft der Länder, die Einnahmen eines "Landes" "je Einwohner" abstelle. Damit lasse sie den zweiten Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 2 GG außer acht. Der Finanzausgleich habe insgesamt, also bis zum abschließenden Ausgleich, alle relevanten Finanzpositionen, auch die der Kommunen, zu berücksichtigen. Der abschließende Vergleich dürfe weder auf die Länder (ohne die Kommunen) noch auf den Einwohner (ohne weitere Berücksichtigung ausgleichsrelevanter Belange) beschränkt werden. Der Ausgleich dürfe nicht letztlich wieder auf einen bloßen Finanzkraftausgleich der Länder zurückgeführt werden.
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Das Berechnungsverfahren nach § 10 Abs. 3 FAG führe zu dem nicht mehr sinnvollen Ergebnis, daß ein finanzschwaches Land um so höhere Zusatzzahlungen erhalte, je finanzstärker seine Gemeinden und je niedriger infolgedessen die ihm nach § 10 Abs. 1 FAG zustehenden Ausgleichszuweisungen seien. Für die finanzstarken Länder gelte das Entsprechende im Blick auf die Minderung ihrer Ausgleichsverpflichtung.
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Eine verfassungsgemäße Änderung des § 10 Abs. 3 FAG würde daher erfordern, außer der Finanzkraft der Länder auch die Finanzkraft und den Finanzbedarf der Kommunen einzubeziehen, soweit sie ausgleichsrelevant seien, und den isolierten Einwohnerzuschnitt um die anderen in der Antragsschrift aufgeführten Vergleichskriterien zu erweitern (s. oben III 4 a). Wenn dies geschehe, erweise sich § 10 Abs. 3 FAG allerdings als überflüssig.
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b) Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg beanstandet, daß in § 10 Abs. 3 FAG nur mit der einfachen Einwohnerzahl - ohne die Stadtstaaten-Einwohnerwertung des § 9 Abs. 2 FAG - gerechnet werde. Wenn ein nach § 10 Abs. 2 FAG zu Ausgleichsbeiträgen verpflichtetes Land durch die Zahlung dieser Beiträge unter 100 v.H. des Durchschnitts bei den Steuern der Länder falle, müßten nach § 10 Abs. 3 FAG die anderen Zahlerländer den Fehlbetrag auffüllen. Dieser "Auffüllungsfall" trete für Hamburg ein, wenn die derzeitigen Zahlerländer Baden-Württemberg und Hessen - wie schon geschehen - unter die Garantieschwelle des § 10 Abs. 3 FAG abrutschten und Hamburg wieder zum Zahlerland werde. Da die Einwohnerwertung der Stadtstaaten nicht berücksichtigt werde, könne Hamburg, das in der Definition des § 10 Abs. 3 FAG eine "Finanzkraft" von rund 130 v.H. aufweise, zur Zahlung nach § 10 Abs. 3 FAG herangezogen werden, bis der Länderdurchschnitt erreicht sei. Danach könne es im Extremfall zur Zahlung von mehr als einer Milliarde DM verpflichtet sein. Diese Zahlungsverpflichtung sei zwar an die Zahlereigenschaft nach § 10 Abs. 2 FAG gebunden. Eine vergleichsweise geringe Zahlungsverpflichtung nach dem zweiten Absatz des § 10 FAG könne aber Auffüllverpflichtungen nach dem dritten Absatz in Höhe von mehreren hundert Millionen DM auslösen. Dieser Konstruktionsfehler könne dazu führen, daß die Finanzausstattung, die Hamburg durch die Einwohnerwertung garantiert werden solle, nach § 10 Abs. 3 FAG wieder abgeschöpft werde. Nach dem durch Art. 107 Abs. 2 GG gebotenen angemessenen Ausgleich könne dieses Ergebnis nicht richtig sein. Es verstoße auch gegen den Grundsatz der verläßlichen und kalkulierbaren Haushalts- und Finanzwirtschaft, der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1986 verfassungsrechtliche Bedeutung habe.
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2. Die Bundesregierung und die hessische Landesregierung halten § 10 Abs. 3 FAG für mit dem Grundgesetz vereinbar.
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a) Die Bundesregierung meint, für die Zielsetzung der sogenannten Ländersteuergarantie seien Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden ohne Bedeutung. Sie solle einerseits die Zahlerländer vor einer Überforderung schützen, indem sie auf die effektiven Landeseinnahmen abstelle. Die Landeshaushalte könnten durch Ausgleichsbeiträge, die aus überdurchschnittlichen Gemeindesteuereinnahmen resultierten, überfordert werden, weil das Land über diese nicht verfügen könne. Andererseits solle ein ausgleichsberechtigtes Land mit relativ finanzstarken Kommunen nicht geringere Finanzausgleichszahlungen erhalten als ein vergleichbares Land mit finanzschwächeren Kommunen; es solle zumindest 95 v.H. der länderdurchschnittlichen Steuereinnahmen erreichen.
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Zu dem von Hamburg geltend gemachten Mangel, daß in § 10 Abs. 3 FAG nur mit der ungewichteten Einwohnerzahl gerechnet werde, erklärte der Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung, das von Hamburg aufgeworfene Problem, das bisher noch nicht praktisch geworden sei, sei ihr bewußt. Sollte der von Hamburg befürchtete Fall eintreten, werde die Bundesregierung um eine Lösung bemüht sein.
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b) Nach Auffassung der hessischen Landesregierung verfolgt § 10 Abs. 3 FAG ein ähnliches Ziel wie § 8 Abs. 5 FAG. Der Finanzausgleichsgesetzgeber versuche seiner Pflicht, die Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft abzubremsen, nicht nur durch § 8 Abs. 5 FAG, sondern - mit einer anderen Technik - auch durch § 10 Abs. 3 FAG gerecht zu werden. Die Grenzziehung gerade mittels des Maßstabes "durchschnittliche Landesfinanzkraft" im engeren Sinne entspreche der Berücksichtigungsformel des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG. Berücksichtigt würden hier mögliche Folgen aus der Tatsache, daß das betroffene Land nicht über die Reichtümer seiner Gemeinden verfügen könne. Sinke die Finanzkraft eines Landes infolge der Berücksichtigung dieser Reichtümer bei der Bemessung seiner Ausgleichspflichten unter den Bundesdurchschnitt, so werde nicht nur das für den landesinternen kommunalen Finanzausgleich verfügbare Finanzvolumen verringert, sondern letztlich auch die Leistungsfähigkeit und der Leistungswille der Gemeinden gefährdet.
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VIII. |
1. a) Die Regierung des Saarlandes und der Senat der Freien Hansestadt Bremen halten die wegen ihrer Haushaltsnotlage in § 11a Abs. 3 FAG gewährten Vorabbeträge für unzureichend. Beide Länder tragen vor, daß sie sich in einer extremen Haushaltsnotlage befänden, die ihre staatliche Existenz bedrohe. Diese Haushaltsnotlage sei unverschuldet eingetreten; um sie zu beheben, hätten sie alle erdenklichen Maßnahmen eingeleitet; aus eigener Kraft könnten sie sich aber aus ihr nicht befreien. Die Haushaltsnotlage sei dadurch gekennzeichnet, daß beide Länder hinsichtlich aller finanzwirtschaftlichen Kennziffern wesentlich schlechter als alle anderen Bundesländer dastünden. Seit dem Jahre 1969 hätten sich die Unterschiede in der Finanz- und Wirtschaftskraft zwischen den Bundesländern drastisch vergrößert. Vor allem die finanzschwachen Länder seien dadurch gezwungen worden, ihren Ausgabenbedarf in immer höherem Maße mit Kreditaufnahmen zu finanzieren. Die daraus resultierende Zinslast steige immer weiter an und enge die Handlungsspielräume des Landes weiter ein. In Anbetracht des Staatsziels der Schaffung und Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse (Art. 72 Abs. 2 Nr. 3, 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG) könne diese Lage nicht hingenommen werden.
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In dieser Situation sei der Bund zur Hilfe verpflichtet. Er allein verfüge über die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten für die wichtigsten Steuern und Abgaben. Einem Bundesland stünden wegen seiner eingeschränkten Steuerhoheit die wichtigsten Mittel auf der Einnahmenseite zur Behebung einer Haushaltsnotlage nicht zur Verfügung. Aber auch Ausgabenkürzungen seien nur begrenzt möglich, da viele der Ausgaben, wie etwa die Beamtengehälter, bundesrechtlich determiniert seien.
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Dabei reichten Hilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG wegen der gegebenen enormen Zinsbelastung nicht aus. Zwar sei es wünschenswert, wenn es dem Land gelinge, über eine verstärkte Wirtschaftskraft eine Verbesserung seiner Finanzkraft in dem Ausmaß zu erreichen, daß eine schrittweise Bereinigung aus eigener Kraft möglich werde. Dies könne bei einer fortgeschrittenen Haushaltsnotlage aber nicht mehr erreicht werden, da die Investitionsförderung erst in wesentlich späteren Zeiträumen zu einer Verbesserung der Finanzkraft des Landes führen könne, während die Lähmung des Landeshaushalts durch die Zinslast fortschreite. Dies gelte zumal, wenn das Land zur Mitfinanzierung dieser Hilfen herangezogen werde.
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Die Finanzverfassung garantiere jedem Land eine hinreichende Finanzausstattung, jedenfalls nachdem der Weg der Neugliederung durch die Änderung des Art. 29 GG nicht länger ohne Mehrheit in allen betroffenen Bundesländern beschritten werden könne. Solange ein Land existiere, müsse es auch mit Finanzmitteln ausgestattet werden, die ihm die Entfaltung der eigenen Staatlichkeit ermöglichten.
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aa) (1) Die Regierung des Saarlandes macht geltend, die Haushaltslage dieses Landes sei unter den Flächenländern in jeder Hinsicht extrem schlecht. Das Gutachten von Littmann komme zu dem Schluß, daß bei jeder der Kennziffern, die zur Beurteilung der Haushaltssituation herangezogen werden könnten, das Saarland den ungünstigsten Wert aufweise. Nach dem von Littmann für besonders aussagekräftig gehaltenen Indikator, der aus einer Kombination von Zins-Steuer-Quote und Kreditfinanzierungsquote bestehe, zeige sich, daß zwischen dem Land mit der günstigsten Haushaltssituation (Bayern) und jenem mit der zweitschlechtesten Lage (Schleswig- Holstein) ein geringerer Abstand liege als zwischen Schleswig- Holstein und dem Saarland.
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Das Bestehen einer Haushaltsnotlage werde weiterhin durch die im Saarland seit fünfzehn Jahren bestehende Unterdeckung der laufenden Ausgaben durch laufende Einnahmen indiziert. Kein anderes Bundesland weise eine langanhaltende Unterdeckung dieses Ausmaßes auf. Ein Land könne bei einer Unterdeckung - anders als der Bund - weder Steuern erhöhen noch im notwendigen Umfang (meist bundesgesetzlich geregelte) Ausgaben kürzen. Ihm bleibe nur der Weg über die Neuverschuldung, um den notwendigen Haushaltsausgleich herbeizuführen. Der saarländische Haushaltsgesetzgeber sei so ein Gefangener der Zinslast und der Pflichtaufgaben eines Bundeslandes.
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Die Bund und Ländern gemeinsame Pflicht zur Herstellung und Wahrung der grundgesetzlichen Ordnung in allen Teilen und Ebenen des Gesamtstaates lasse es nicht zu, daß der Bund einen solchen Zustand in einem Land tatenlos hinnehme. Die Haushalte von Bund und Ländern stünden nicht beziehungslos nebeneinander; die Grundregel der selbständigen und unabhängigen Haushaltswirtschaft des Art. 109 Abs. 1 GG werde durch Art. 109 Abs. 2 bis 4 GG in vielfacher Hinsicht durchbrochen. Die Junktimklausel (Beschränkung der Kreditaufnahme auf investive Ausgaben), die für den Bund (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG) und das Saarland (Art. 108 Abs. 2 LV) gelte, verpflichte den Bund und das Land über Art. 109 Abs. 2 GG, auf eine entsprechende Kreditgebarung zu achten. Die Haushaltsnotlage manifestiere sich auch im Verlust des nach diesen Vorschriften vorausgesetzten finanzpolitischen Spielraums "zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts".
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Das Prinzip der Bundestreue verpflichte den Bund, dem Land aus dieser Haushaltssituation herauszuhelfen. Das geeignete Mittel für die demnach gebotene Hilfe des Bundes seien die Bundesergänzungszuweisungen. Höhe und Dauer der nach § 11a Abs. 3 FAG gewährten Notlagen-Dotation reichten aber bei weitem nicht aus. Eine Notlagenhilfe könne nur dann einen Sinn haben, wenn sie eine Beseitigung der Notlage, also eine Zurückführung zu "normalen" Haushaltsverhältnissen ermögliche. Hierzu benötige das Saarland aber einen wesentlich höheren Betrag als die in § 11a Abs. 3 FAG festgelegten 75 Mio. DM. Nach dem Gutachten von Littmann sei im Ergebnis ein Betrag von 40 bis 50 v.H. der Zinsausgaben des jeweiligen Vorjahres über einen langfristigen Zeitraum (etwa 15 bis 20 Jahre) als effiziente Hilfe anzusehen.
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Das Gesamtvolumen der Bundesergänzungszuweisungen reiche zu einer solchen Haushaltshilfe grundsätzlich aus. Unter Umständen müßten die Mittel aber auf die finanzschwächsten Bundesländer konzentriert werden. Dies sei im Falle und für die Dauer einer akuten Notlage gerechtfertigt, selbst wenn dadurch das Saarland kurzfristig hinsichtlich der Finanzkraft eine Spitzenposition einnehme. Die Bundesergänzungszuweisungen sollten gerade unter Berücksichtigung der Bedarfslage den Leistungsschwächen abhelfen, die sich aus einem Mißverhältnis von Finanzkraft und Finanzbedarf ergäben. Das Saarland sei bereit, eine zweckgerichtete Verwendung der zusätzlichen, als Haushaltshilfe gewährten Bundesergänzungszuweisungen sicherzustellen.
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(2) Die Haushaltsnotlage des Saarlandes beruhe nicht auf politischen Entscheidungen, die es autonom getroffen und für deren haushaltswirtschaftliche Folgen es mithin nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 72, 330 [405]) einzustehen habe. Die Schulden des Landes und damit auch die Zinsbelastung seien etwa zur Hälfte montanbedingt. Ohne die Montanlasten hätte das Land Ende 1988 Schulden in Höhe von nur 4,4 Mrd. DM statt von 10 Mrd. DM gehabt; der Schuldenstand je Einwohner läge nicht bei 9.528 DM, sondern bei 4.133 DM. Die Belastungen des saarländischen Haushalts durch den Montanbereich habe aber, wie das Land im einzelnen ausführt, maßgeblich der Bund verursacht, und zwar im Bergbau durch seine Energiepolitik und durch seinen dominierenden Einfluß als Mehrheitsgesellschafter der Saarbergwerke AG, die im Saarland den Bergbau betreibe, im Stahlbereich durch seine in den europäischen Rahmen eingeordnete Stahlpolitik.
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(3) Aus eigener Kraft könne das Saarland seinen Haushalt nicht sanieren. Wie das Gutachten von Littmann belege, zeuge die allgemeine Ausgabenentwicklung im Saarland von Sparsamkeit. Das Saarland weise pro Einwohner unterdurchschnittliche Ausgaben aus, obschon gerade kleinen Flächenländern überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung entstünden. Die Konsolidierungserfolge zeigten sich beispielhaft auch daran, daß von 1984 bis 1987 die Ausgaben nur in einem einzigen Flächenland langsamer gestiegen seien als im Saarland. Bereinige man die Ausgaben gar um die Zinsausgaben, stehe einem saarländischen Ausgabenanstieg von 9,2 v.H. ein länderdurchschnittlicher Ausgabenanstieg von 13,O v.H. gegenüber. Ohne die weitgehend montanbedingte Zinslast wäre das Saarland inzwischen finanz- und haushaltswirtschaftlich nahezu wieder handlungsfähig.
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(4) Da dem Bund die seit fünfzehn Jahren bestehende verfassungswidrige Unterdeckung des saarländischen Haushalts bekannt sei und er nach Art. 109 Abs. 2 GG ebenso wie das Land den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen habe, habe er dem Land gegenüber keine Bedingungen stellen dürfen, die evident diesen Erfordernissen nicht Rechnung getragen und das Land zu weiterer Kreditaufnahme gezwungen hätten. Das gelte vor allem für die Festlegung der Eigenquote bei den Bergbau- und Stahlhilfen. Zum gleichen Ergebnis führe auch der aus dem Bundesstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz der Nichtüberforderung des Gliedstaates durch Maßnahmen des Zentralstaates.
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Die saarländische Regierung meint, daß das System des Finanzausgleichs im Grundgesetz objektiv geeignet sei, der Haushaltsnotlage des Saarlandes abzuhelfen. Wenn das Bundesverfassungsgericht jedoch zu dem Ergebnis kommen sollte, daß das normale verfassungsrechtliche Instrumentarium des horizontalen Finanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen zur Bewältigung der Haushaltsnotlage des Saarlandes nicht ausreiche, stünde dem Saarland ein Notausgleichsanspruch gegen den Bund zu; er ergebe sich aus dem bundesstaatlichen Prinzip und trage der Ausnahmelage Rechnung. Dieser Notausgleichsanspruch könne freilich nicht im Rahmen dieses Normenkontrollantrags geltend gemacht werden.
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bb) Der Senat der Freien Hansestadt Bremen betont vor allem, daß Bremen hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Kennziffern, die eine Haushaltsnotlage kennzeichneten, ein noch ungünstigeres Bild aufweise als das Saarland. Es stelle daher einen Verstoß gegen das föderative Gleichbehandlungsgebot dar, wenn Bremen für 1987 und 1988 keine (§ 11a Abs. 3 FAG in der der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 zugrundeliegenden Fassung) und seither mit jährlich 50 Mio. DM eine geringere Haushaltshilfe als das Saarland erhalte (§ 11a Abs. 3 FAG in der Fassung vom 20. Dezember 1988 sowie in der Fassung vom 24. Juni 1991). Bremen habe Anspruch auf eine Haushaltshilfe mindestens in der dem Saarland in der gesamten Zeit gewährten Höhe von jährlich 75 Mio. DM.
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(1) Zu Anfang der siebziger Jahre habe Bremen noch eine "normale" Haushaltslage und -struktur aufgewiesen. Bis Mitte der achtziger Jahre habe sich die Haushaltslage und -struktur Bremens jedoch massiv verschlechtert. Bei den zentralen Kennziffern Sozialhilfe- , Zinslast-, Investitions- und Finanzierungsdefizitquote weise Bremen unter allen Ländern die ungünstigste Position auf. Der Vorwurf, die Haushaltsnotlage Bremens sei die Folge politischer Fehlentscheidungen, sei nie konkretisiert worden und treffe auch nicht zu. Die gegenwärtige Haushaltssituation sei allein die Folge veränderter externer Rahmenbedingungen, vor allem einer unterdurchschnittlichen Einnahmeentwicklung. Soweit sie durch Ausgaben verursacht sei, seien diese nicht von Bremen ausgelöst und beeinflußbar. Die Steuerausstattung Bremens sei infolge der Strukturkrise in der bremischen Wirtschaft und der großstadttypischen Umlandwanderung weit unterdurchschnittlich angestiegen. Dagegen seien die Sozialhilfeausgaben aufgrund der Ballung sozialer Problemfälle in den Großstädten allgemein und insbesondere aufgrund der Strukturkrise überdurchschnittlich angestiegen. Die realen Investitionen habe Bremen noch stärker zurückfahren müssen als die Ländergesamtheit. Die Personalausgaben seien in Bremen zwar geringfügig stärker angestiegen als beim Durchschnitt der Länder (einschließlich Gemeinden), wobei sich hier aber auch der Aufbau einer neuen Universität mit 10 v.H. des Zuwachses niederschlage. Der Anteil der Personalausgaben am Gesamthaushalt sei indes seit 1983 durch Einstellungsstop und Stellenbesetzungssperre kontinuierlich zurückgeführt worden. Bei den sonstigen laufenden Ausgaben sei der Zuwachs seit Anfang der siebziger Jahre mit nur 180 v.H. deutlich niedriger als im Länderdurchschnitt mit 289 v.H. ausgefallen. Die Verschuldung und damit die Zinsausgaben seien in Bremen zunehmend stärker gestiegen als im Länderdurchschnitt. Ohne die Explosion der Zinsausgaben wären die Gesamtausgaben Bremens nicht um 178 v.H., sondern nur um 145 v.H. angestiegen und damit um 7 Prozentpunkte weniger als im Durchschnitt aller Länder und Gemeinden. Diese Entwicklung des Bremer Haushalts werde sich fortsetzen. Bremens Handlungsmöglichkeiten reichten nicht mehr aus, die Eigendynamik des Zins-Schulden-Mechanismus zu durchbrechen. Wenn Bremen seine Investitionsquote noch weiter zurückführe, werde sich die Tendenz zu ungleichwertigen Lebensverhältnissen verstärken und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konkurrierenden Standorten immer geringer werden. Nach dem (Art. 115 GG entsprechenden) § 18 der Bremer Landeshaushaltsordnung dürften Kredite die Investitionsausgaben nicht überschreiten; Ausnahmen seien zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig. Auf diese Ausnahmeregelung müsse sich der Bremer Senat bereits seit 1981 stützen.
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(2) Diese Beurteilung der Bremer Haushaltslage berücksichtige bereits die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG und die Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG. Deren Kompensationswirkungen reichten jedoch nicht aus. Obwohl diese Leistungen des Bundes die Aufgabe hätten, einem langfristigen strukturellen Zurückbleiben einzelner Länder entgegenzuwirken, würden nicht die finanzschwachen Länder stärker gefördert als die finanzstarken. Ausgleichswirkungen zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern in einzelnen Aufgabenfeldern würden in anderen wieder kompensiert.
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So habe Bremen bei der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau die für eine stärkere Inanspruchnahme der Bundesmittel erforderlichen Komplementärmittel vor allem im Hinblick auf die erheblichen Folgekosten nicht aufbringen können. Bei der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur erhalte Bremen erst seit 1984, befristet bis 1989, 20 Mio. DM jährlich für ein Sonderprogramm. Auch bei den Gemeinschaftsaufgaben Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sei Bremen naturgemäß nicht überproportional beteiligt. Ein ähnliches Bild zeige sich auch bei den Hilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG. Im Zeitraum von 1982 bis 1986 habe Bremen bei den Gemeinschaftsaufgaben und den Finanzhilfen 6,64 DM je Einwohner - bezogen auf das Land 4,5 Mio. DM - weniger als die übrigen Länder im Jahresdurchschnitt erhalten.
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(3) Auch aufgrund des föderativen Gleichbehandlungsgebots müsse Bremen zumindest den gleichen Betrag an Bundesergänzungszuweisungen wegen Haushaltsnotlage wie das Saarland erhalten. Die Haushaltsdaten, auf die sich der Gesetzgeber zur Begründung der Haushaltshilfe im Wege der Bundesergänzungszuweisungen für das Saarland bezogen habe, seien in Bremen durchweg schlechter als im Saarland.
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Ein völliger Ausschluß Bremens von den Bundesergänzungszuweisungen wegen Haushaltsnotlage lasse sich auch nicht durch die in der Gesetzesbegründung angeführten Neuregelungen des Finanzausgleichs rechtfertigen. Die gegenteilige Auffassung der Bundesregierung sei im Gesetzgebungsverfahren nicht belegt worden. Insbesondere verändere auch der Nachteilsausgleich, den Bremen in den Jahren 1987 und 1988 erhalten habe, die Haushaltssituation nur unwesentlich. So verbessere sich für 1988 durch den Nachteilsausgleich die Kreditfinanzierungsquote nur auf 19,6 v.H. (21,3 v.H. ohne Nachteilsausgleich), die Deckungsquote auf 80,4 v.H. (78,7 v.H. ohne Nachteilsausgleich), und die Zinslastquote in Höhe von 14,4 v.H. verändere sich überhaupt nicht. Abgesehen davon habe der Nachteilsausgleich bei der Betrachtung der künftigen Finanzausstattung Bremens nicht herangezogen werden dürfen, weil er verfassungswidrige Benachteiligungen in den vergangenen Jahren beseitigen solle.
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Auch die geringere Höhe der seit 1989 gewährten Haushaltshilfe für Bremen gegenüber dem Saarland sei zu beanstanden. Die Haushaltsnotlage habe in Bremen ein größeres Ausmaß. Um die vom Gesetz mit 75 Mio. DM bewirkte Verbesserung der Zins-Steuer-Quote des Saarlandes auf 21,1 v.H. auch in Bremen zu erzielen, müßte Bremen einen Vorabbetrag wegen Haushaltsnotlage von 236 Mio. DM erhalten (Zins-Steuer-Quote einschließlich der Kommunen von 21,8 v.H.). Ein geringerer Betrag für Bremen verstoße gegen das föderative Gleichbehandlungsgebot.
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b) Dem Antrag der Freien Hansestadt Bremen sind die Bundesregierung und die Landesregierungen von Bayern und Rheinland-Pfalz, dem Antrag des Saarlandes die Bundesregierung und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz entgegengetreten.
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Der Gesetzgeber habe bei der Regelung des § 11a Abs. 3 FAG die in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1986 entwickelten Maßstäbe angewendet. Nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes seien Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern primär auch unter diesen auszugleichen. Die Bundesergänzungszuweisungen hätten lediglich eine ergänzende Funktion. Zudem weise der Wortlaut des Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG ("kann") auf einen weiten Spielraum des Gesetzgebers hin. Jedenfalls wenn Länder durch Bundesergänzungszuweisungen, die aufgrund anderer Tatbestände gewährt worden seien, bereits eine über dem Länderdurchschnitt liegende Finanzkraft aufwiesen, könne eine Verpflichtung des Bundes nicht gegeben sein. Jede Aufstockung des Anteils eines Landes habe Auswirkungen auf die Höhe des Anteils der anderen ausgleichsberechtigten Länder, mindere also insbesondere die Finanzkraft der Länder, die noch nicht einmal eine durchschnittliche Finanzausstattung erreicht hätten.
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Kein Bundesland könne allein unter Berufung auf seine angespannte Haushaltslage gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG Bundesleistungen in Form von allgemeinen Deckungsmitteln zur Sanierung seines Haushalts beanspruchen. Charakteristisch für die sonst im Finanzausgleich berücksichtigten Sonderlasten sei die Möglichkeit ihrer konkreten Zuordnung zu einem bestimmten Aufgabenbereich. Im Fall der Haushaltsnotlage beriefen sich die Antragsteller aber auf einen von der Sonderlast klar zu unterscheidenden, sämtliche Aspekte der Landespolitik umfassenden, andersartigen Tatbestand. Auf solchermaßen begründete Hilfen bestehe kein Anspruch. Bundesergänzungszuweisungen seien zur Sanierung eines Länderhaushalts grundsätzlich nicht vorgesehen. Ein verfassungsrechtlich begründeter Anspruch der Länder gegen den Bund auf Haushaltssanierung würde die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (Art. 109 Abs. 1 GG) nachhaltig in Frage stellen. Den Landesregierungen würde die Eigenverantwortung für ihre politischen Entscheidungen weitgehend genommen. Damit würden die Eigenanstrengungen des Landes zur Selbsthilfe gelähmt. Ein Land könnte so dauerhaft zum "Kostgänger" des Bundes werden, ohne daß dieser eine Handhabe hätte, auf das Land einzuwirken, die im Interesse seiner wirtschaftlichen und finanziellen Gesundung notwendigen Maßnahmen zur Selbsthilfe zu ergreifen. Für den Bund hätte eine Verpflichtung zur Sanierung von Länderhaushalten unabsehbare, von der Finanzverfassung nicht gedeckte Folgen.
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Zum anderen trage die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen zur Milderung einer angespannten Haushaltslage Ausnahmecharakter. Abhilfe auf andere Weise habe daher Vorrang. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Bundes zur Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen sei daher ausgeschlossen, wenn andere wirksame, aber zweckbestimmte Leistungen das Ziel der Haushaltsstabilisierung erreichen könnten. Für die Einschätzung der Haushaltsentwicklung eines Landes komme dem Gesetzgeber ein weitgespannter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu.
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aa) Der Gesetzgeber habe daher zu Recht die dem Saarland zukommenden Hilfen als geeignet und ausreichend angesehen, um dem Land bei entsprechenden eigenen Anstrengungen mittelfristig aus den geltend gemachten Wirtschafts- und Haushaltsschwierigkeiten herauszuhelfen.
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(1) Die Finanzkraft des Saarlandes sei durch Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen seit 1984 auf über 100 v.H. des Länderdurchschnitts angehoben worden, 1988 habe es sogar mit 103,8 v.H. hinter Baden-Württemberg mit 104,6 v.H. und Bremen mit 104 v.H. in der Spitzengruppe der Länder gelegen. Zudem seien dem Saarland außerhalb des Finanzausgleichs erhebliche Summen zugeflossen, die seit 1983 eine Höhe von mehreren Milliarden DM erreicht hätten. Das Schwergewicht der Leistungen liege im Bereich der Kohle- und Stahlhilfen. Die Leistungen aus dem Bundeshaushalt im Rahmen von Mischfinanzierungstatbeständen und Bundesergänzungszuweisungen hätten 1988 etwa 15 v.H. des saarländischen Haushalts finanziert. Zu den nationalen Hilfen kämen noch Leistungen der Europäischen Gemeinschaft hinzu.
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(2) Dem Saarland sei ausweislich der einschlägigen Indikatoren der Weg zu einer Konsolidierung seines Haushalts bei den gebotenen eigenen Anstrengungen geebnet. Die Haushaltslage des Saarlandes sei keineswegs so aussichtslos, wie sie die Antragsschrift und das Gutachten von Littmann darstellten. Die Daten, auf denen das Gutachten basiere, bezögen sich auf die Jahre 1982 bis 1986 und spiegelten eine Sondersituation wider, die insbesondere durch den unvermeidbaren und überfälligen Strukturwandel geprägt gewesen sei. Inzwischen sei die wirtschaftliche Monostruktur aber weitgehend überwunden. Die Bundesregierung stützt sich insoweit auf die Untersuchung des Ifo-Instituts von Leibfritz/Parsche, welches in Modellrechnungen wesentlich günstigere Prognosen für die Wirtschaftsentwicklung des Saarlandes stelle als im Gutachten von Littmann angenommen. Auch verliere die nationale Randlage des Saarlandes mit der Realisierung des europäischen Binnenmarktes an Bedeutung. Schließlich könne das Saarland seine eigenen Anstrengungen zur Haushaltssanierung, insbesondere durch Personalabbau im öffentlichen Dienst, noch verstärken.
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bb) Dem Bremer Senat hält die Bundesregierung entgegen, der Gesetzgeber habe berücksichtigen dürfen, daß Bremen neben den sonstigen Verbesserungen durch die Neuregelung des Finanzausgleichs (Erhöhung der Hafenlasten, Beteiligung an den erhöhten Bundesergänzungszuweisungen, Berücksichtigung der Kosten politischer Führung) und den mit jährlich 37,5 Mio. DM zu veranschlagenden Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG in den Jahren 1987 und 1988 je 100 Mio. DM Nachteilsausgleich erhalte. Damit sei Bremen nach den für den Finanzausgleich maßgebenden Kriterien der Finanzkraft im Ergebnis wirtschaftlich ebenso gestellt worden wie das Saarland. Daß Bremen den Nachteilsausgleich als Ersatz für die nicht ausreichende Dotierung in der Vergangenheit erhalte, sei hierbei unerheblich. Da die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen wegen einer Haushaltsnotlage nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen sei, dürfe der Gesetzgeber sie davon abhängig machen, daß das Land zuvor seine gesamten, tatsächlich vorhandenen Einnahmen zur Milderung seiner Haushaltssituation einsetze; es komme nicht darauf an, auf welchen Wegen das Land eine solche Verbesserung erreiche.
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2. a) Die Abgeltung der höheren Kosten politischer Führung bei Ländern mit geringer Einwohnerzahl durch § 11a Abs. 3 FAG wird von den Senaten Bremens und Hamburgs angegriffen. Der Bremer Senat begehrt eine Erhöhung des Bremen zuerkannten Betrages von jährlich 50 Mio. DM. Der Hamburger Senat beanstandet, daß nicht auch Hamburgs Kosten politischer Führung durch Bundesergänzungszuweisungen abgegolten werden.
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aa) Der Bremer Senat geht davon aus, die in den Ländern mit einer geringen Einwohnerzahl relativ höheren Kosten politischer Führung seien nicht bei der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG, sondern als Sonderlast bei den Bundesergänzungszuweisungen im Sinne des Art. 107 Abs. 2 GG angemessen und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes zu berücksichtigen. Diesen Anforderungen genüge § 11a Abs. 3 FAG nicht.
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Der Gesetzgeber sei von der systemwidrigen Voraussetzung ausgegangen, die Kosten politischer Führung seien im Falle Bremens bereits durch die Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG erfaßt. Deshalb habe er zu Unrecht Bremen nur einen Spitzenausgleich für seine überproportionale Belastung als kleinstes Bundesland zuerkannt. Die Gesetzesbegründung enthalte zudem keine objektive und nachvollziehbare Ableitung der festgesetzten Beträge. Die Zahlen seien frei gegriffen und auch im Verhältnis untereinander ohne Maß. Würde das Datenmaterial des Ifo-Gutachtens zugrundegelegt, wäre für Bremen ein Vorabbetrag in einer Größenordnung von 100 Mio. DM gerechtfertigt.
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bb) Der Hamburger Senat meint, der Gesetzgeber müsse Hamburg ebenso wie anderen Ländern mit einer geringen Einwohnerzahl die Kosten der politischen Führung durch Bundesergänzungszuweisungen in § 11a Abs. 3 FAG abgelten. Sonderlasten müßten bei allen Ländern berücksichtigt werden, bei denen sie vorlägen. Kriterium für das Vorliegen der Sonderlast "Kosten politischer Führung" sei ausschließlich die geringe Einwohnerzahl eines Bundeslandes. Danach müsse Hamburg zum Kreis der Empfängerländer gehören.
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Als sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung Hamburgs komme nur der Gesichtspunkt in Betracht, daß Hamburg im Unterschied zu den in § 11a Abs. 3 FAG mit Ergänzungszuweisungen bedachten Ländern kein leistungsschwaches Land sei. Dieser Grund reiche aber nicht aus. Die Anerkennung von Sonderlasten im Länderfinanzausgleich sei ein eng zu umschreibender Ausnahmetatbestand. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 72, 330 [404 f.]) sei es aber nicht ausgeschlossen, Zuweisungen für Sonderlasten auch solchen Ländern zu gewähren, deren Finanzkraft nach Durchführung des Finanzausgleichs den Länderdurchschnitt erreicht oder überschritten habe. Danach sei die Leistungsstärke kein genügendes Kriterium, um ein Land von Ergänzungszuweisungen für Sonderlasten auszuschließen.
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Dem Begehren des Hamburger Senats wird entgegengehalten, nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG könnten Bundesergänzungszuweisungen nur leistungsschwachen Ländern gewährt werden. Hiervon habe das Bundesverfassungsgericht keine Ausnahmen zulassen wollen. Im übrigen sei ein Grundansatz der Kosten politischer Führung bei den Ländern Bremen und Hamburg bereits durch die Einwohnerwertung berücksichtigt. Ihr zusätzlicher Ansatz für Bremen durch einen Vorabbetrag von 50 Mio. DM diene in dieser Höhe zum Spitzenausgleich der besonderen überproportionalen Belastung mit diesen Kosten.
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3. a) Der Senat der Freien Hansestadt Bremen greift auch die Höhe des Nachteilsausgleichs an, der Bremen nach § 11a Abs. 2 FAG für den verfassungswidrigen Ausschluß von den Bundesergänzungszuweisungen in den Haushaltsjahren 1983 bis 1985 zuerkannt worden ist. Die nordrhein-westfälische Landesregierung, die selbst keinen Antrag gestellt hat, hält den ihr in § 11a Abs. 2 FAG zugemessenen Nachteilsausgleich für zu niedrig.
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aa) Der Bremer Senat und die nordrhein-westfälische Landesregierung beanstanden zum einen die Grundlage, auf der der auszugleichende Nachteil berechnet wurde. Der auszugleichende Nachteil sei zunächst anhand eines reinen Fehlbetragsmaßstabs, der auf der alten Rechtslage basiere, berechnet worden. Damit habe sich für Bremen ein "Verlustgutbetrag" in Höhe von 260 Mio. DM, für Nordrhein-Westfalen in Höhe von über 100 Mio. DM ergeben.
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(1) Nach Ansicht des Bremer Senats hätten die Maßstäbe der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen im Finanzausgleichsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 zugrundegelegt werden müssen. Es habe keine sachlichen Gründe für ein Abweichen von diesem System bei der Berechnung der Nachteilsausgleichsbeträge gegeben. Die gemäß § 11a Abs. 3 FAG seit 1987 berücksichtigten Kosten politischer Führung kleiner Länder seien in Bremen auch in den Jahren 1983 bis 1986 angefallen. Der Nachteilsausgleich habe daher zumindest weitere 4 x 50 Mio. DM, insgesamt also einen Fehlbetrag von 460 Mio. DM abgelten müssen.
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(2) Die nordrhein-westfälische Landesregierung ist der Auffassung, es hätte bei der Berechnung des auszugleichenden Nachteils insgesamt verfassungskonformes Recht angewendet werden müssen, statt die Rechtslage bis zum 31. Dezember 1986 zugrundezulegen. Damit sei die Leistungsschwäche, die entscheidendes Kriterium für den Nachteilsausgleich sei, anhand falscher Maßstäbe berechnet worden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätten auch die Einnahmen der Länder aus der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe in die Berechnung der Finanzkraft einbezogen und die Abgeltungsbeträge gemäß § 7 Abs. 4 FAG a.F. ausgeklammert werden müssen. Berücksichtige man diese Korrekturen, sei Nordrhein-Westfalen in allen Jahren von 1983 bis 1986 leistungsschwach gewesen; ihm seien "nach den hierfür geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben" Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von insgesamt 355 Mio. DM vorenthalten worden. Dies ergebe sich insbesondere daraus, daß für das vom Gericht beanstandete Gesetz eine prinzipielle "Anwendungssperre" bestehe, die es verbiete, bestehende Verfassungsverstöße zu perpetuieren oder gar zu intensivieren. Daher dürfe sich der Versuch einer Schadensbegrenzung nicht am alten (verfassungswidrigen) Recht orientieren.
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bb) Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., S. 423) seien die Nachteile bei der Neufestsetzung der Bundesergänzungszuweisungen "angemessen" auszugleichen. Der dem Gesetzgeber eröffnete Gestaltungsspielraum unterliege aber dem Willkürverbot. Der Gesetzgeber habe in § 11a Abs. 2 FAG von den nach altem Recht errechneten Ausgleichsbeträgen für Bremen und Nordrhein-Westfalen zusätzlich einen Abschlag von 30 v.H. vorgenommen. Er habe dafür im gesamten Gesetzgebungsverfahren keinerlei Begründung gegeben. Vermutlich habe der Gesetzgeber angenommen, ihm sei schon durch das Wort "angemessen" die Möglichkeit eröffnet worden, auf einen Vollausgleich zu verzichten. Es sei jedoch kein vernünftiger Grund für den Abschlag von 30 v.H. ersichtlich. Die Forderung des Gerichts nach einem "angemessenen" Nachteilsausgleich hätte im Gegenteil sogar zu einem Zuschlag führen müssen. Der Kompensationsbedarf der benachteiligten Länder sei deshalb höher als der rechnerische Betrag der ihnen entgangenen Bundesergänzungszuweisungen, weil andere Bundesländer wegen des Verzichts auf Rückabwicklung die ihnen zu Unrecht gewährten Bundesergänzungszuweisungen behalten dürften. Außerdem müsse auch berücksichtigt werden, daß die Länder aufgrund des verfassungswidrigen Ausschlusses von den Bundesergänzungszuweisungen Zinsnachteile erlitten hätten.
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Der Nachteilsausgleich für Nordrhein-Westfalen müsse ferner zum Ausgleich einer willkürlichen Benachteiligung gegenüber dem Freistaat Bayern beträchtlich angehoben werden. Der Gesetzgeber habe damals Bayern einen Anteil von 17,4 v.H. am Gesamtvolumen der Bundesergänzungszuweisungen zuerkannt, obwohl es kein finanzschwaches Land mehr gewesen sei.
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b) Die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung halten die Beanstandungen des Bremer Senats und der nordrhein- westfälischen Landesregierung für verfassungsrechtlich unbegründet.
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aa) Die Höhe des Nachteilsausgleichs bemesse sich zu Recht nach dem Fehlbetragsmaßstab, der erstmals im Jahre 1986 für Bremen angewendet worden sei und den das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet habe. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, der Berechnung des Nachteilsausgleichs das neue Verteilungssystem der Bundesergänzungszuweisungen zugrundezulegen und demgemäß auch die Kosten politischer Führung zu berücksichtigen. Diese Kosten seien erstmals im Achten Finanzausgleichs-Änderungsgesetz in Ansatz gebracht worden. Das Urteil gebe auch keine Grundlage für einen Ausgleich des Zinsnachteils, der dadurch entstanden sei, daß die vorenthaltenen Bundesergänzungszuweisungen auf dem Kapitalmarkt hätten vorfinanziert werden müssen.
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Der Gesetzgeber habe zu Recht nicht auch für die nur mittelbaren Auswirkungen, die die Berechnung der Leistungsschwäche nach verfassungswidrigem Recht auf die Bundesergänzungszuweisungen gehabt hätte, einen Ausgleich gewährt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollten die Ergebnisse des horizontalen Finanzausgleichs, die bis einschließlich 1986 maßgebend waren, für die Ausgleichsjahre maßgeblich bleiben. Es sei weder erforderlich noch verfassungsrechtlich zulässig, für die Ermittlung des Nachteilsausgleichs den gesamten horizontalen Finanzausgleich zurück bis zum Haushaltsjahr 1983 neu zu berechnen.
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Das Bundesverfassungsgericht habe den Nachteilsausgleich nur für diejenigen leistungsschwachen Länder angeordnet, die nach dem alten Recht überhaupt keine Bundesergänzungszuweisungen erhalten hätten, obwohl sie diese bei Anwendung eines verfassungsgerechten Maßstabs hätten erhalten müssen, nicht aber auch für nach altem Recht empfangsberechtigte Länder, die bei Anwendung eines verfassungsgerechten Maßstabs einen Anspruch auf höhere Bundesergänzungszuweisungen gehabt hätten. Deshalb habe der Gesetzgeber bei den in den Nachteilsausgleich ausnahmsweise einzubeziehenden Ländern den Begünstigungsumfang zu Recht eingegrenzt.
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Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidungsformel angeordnet, daß das alte Recht bis zum Inkrafttreten der Neuregelung weiter anzuwenden sei. Die Urteilsbegründung verdeutliche, daß das Gericht mit dieser Tenorierung eine Rückabwicklung des Finanzausgleichs habe ausschließen wollen.
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bb) Der Gesetzgeber sei aufgrund des Gebots der föderativen Gleichbehandlung berechtigt gewesen, von dem nach dem Fehlbetragsschlüssel ermittelten rechnerischen Ergebnis einen Abschlag vorzunehmen. Das Gericht habe lediglich einen "angemessenen Ausgleich" gefordert, der gewährt worden sei. Er belaufe sich für Nordrhein-Westfalen und Bremen gleichermaßen auf rund 70 v.H. des sich nach dem Fehlbetragsschlüssel ergebenden Betrags, wobei sogar die zu Unrecht beanstandete anteilige Selbstfinanzierung berücksichtigt sei.
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C. |
Die Normenkontrollanträge sind nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Nr. 1 BVerfGG zulässig.
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Im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle wird der Prüfungsgegenstand durch den Antrag bezeichnet. Der Antrag ist aber im Hinblick auf die im einzelnen vorgebrachten Beanstandungen auszulegen. Danach sind die Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes in dem im Tenor bezeichneten Umfang angegriffen. In diesem Rahmen hat das Bundesverfassungsgericht jede angegriffene Norm unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (vgl. BVerfGE 37, 363 [396 f.] m.w.N.).
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Auch § 9 Abs. 2 FAG in der Fassung des Achten Änderungsgesetzes ist zulässiger Verfahrensgegenstand, obwohl die inhaltsgleiche Vorschrift des § 9 Abs. 2 FAG in der Fassung vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1432) Gegenstand des Verfahrens 2 BvF 1/83 gewesen ist. Insoweit steht die Rechtskraft des Urteils vom 24. Juni 1986 nicht entgegen, weil der neu erlassene Zweite Abschnitt des Achten Änderungsgesetzes nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens gewesen ist.
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Der Gesetzgeber war durch die Nummer 2 der Entscheidungsformel des Urteils des Senats vom 24. Juni 1986 verpflichtet, eine Neuregelung zu treffen. Da die Unvereinbarkeitserklärung auf alle Regelungen des Zweiten Abschnitts des Finanzausgleichsgesetzes erstreckt worden ist (vgl. BVerfGE 72, 330 [421]), war es dem Gesetzgeber verwehrt, Teile dieses Abschnitts formell fortbestehen zu lassen. Bei der Neuregelung konnte er allerdings Bestimmungen des Zweiten Abschnitts inhaltlich unverändert übernehmen. Das ist für § 9 Abs. 2 FAG geschehen.
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D. |
Das Achte Änderungsgesetz ist in einem verfassungsgemäßen Verfahren zustande gekommen.
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1. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit eine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten im Verfahren der Finanzausgleichsgesetzgebung besteht; sie wurde jedenfalls nicht verletzt.
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Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, stehen auch das procedere und der Stil der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und seinen Gliedern und zwischen den Ländern im Verfassungsleben erforderlich werden, unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens, wenn sich der Bund in Fragen des Verfassungslebens um Vereinbarungen bemüht, an denen alle Länder interessiert und beteiligt sind. Es ist der Bundesregierung in diesen Fällen untersagt, nach dem Grundsatz divide et impera zu handeln, d.h. auf die Spaltung der Länder auszugehen. Dieser Grundsatz verbietet es ihr, bei Verhandlungen, die alle Länder angehen, die Landesregierungen je nach ihrer parteipolitischen Richtung verschieden zu behandeln, insbesondere zu den politisch entscheidenden Beratungen nur Vertreter der ihr parteipolitisch nahestehenden Landesregierungen zuzuziehen und die der Opposition im Bunde nahestehenden Landesregierungen davon auszuschließen (vgl. BVerfGE 12, 205 [255 f.]).
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Selbst wenn diese Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten auf das Zustandekommen eines Finanzausgleichsgesetzes, das notwendigerweise alle Länder in besonderer Weise betrifft, übertragen werden könnte, wäre sie nicht verletzt. Die Bundesregierung hat über Monate hinweg mit allen Ländern Verhandlungen geführt und versucht, eine Einigung zu erreichen. Daß sie dann, nachdem eine Einigung mit allen Ländern trotz intensiver Verhandlungen nicht erreicht worden war, zu einzelnen Besprechungen nur noch die ihr parteipolitisch verbundenen Landesregierungen eingeladen hat, um die Zustimmung des Bundesrats sicherzustellen, kann einen Verstoß gegen eine etwaige Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten nicht begründen.
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2. Aus den materiell-rechtlichen Bindungen des Finanzausgleichsgesetzgebers können keine verfahrensrechtlichen Erfordernisse im Sinne spezifischer Begründungsanforderungen abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 72, 330 [396 f.]). Soweit im Finanzausgleichsgesetz die Höhe bestimmter Berechnungsfaktoren wie die Einwohnerwertung der Stadtstaaten nicht frei gegriffen werden darf, sondern sich nach Maßgabe verläßlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen muß (vgl. BVerfGE 72, 330 [415 f.]), kommt es darauf an, ob die gesetzgeberische Entscheidung im Ergebnis diesen Anforderungen genügt. Besondere Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren folgen daraus nicht.
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E. |
Die Art der Einbeziehung der Gemeindefinanzen in den horizontalen Finanzausgleich durch § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 5, § 8 Abs. 5 und § 9 Abs. 3 FAG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I. |
Die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat durch die Finanzverfassung des Grundgesetzes ist darauf angelegt, Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben wahrzunehmen. Die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern stützt sich auf eine Aufgabenzuweisung und eine ihr entsprechende Finanzausstattung, die im Rahmen des gesamtstaatlich Möglichen eine sachgerechte Aufgabenerfüllung erlaubt (vgl. BVerfGE 72, 330 [383]).
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Das Bundesstaatsprinzip bezieht grundsätzlich alle Länder in den Länderfinanzausgleich ein. Gemäß Art. 7 Abs. 3 Einigungsvertrag ist allerdings der Länderfinanzausgleich zur Zeit auf die schon bisher beteiligten Länder beschränkt. Für eine Übergangszeit wird - wie bisher unter Ausklammerung Berlins - der Finanzausgleich jeweils gesondert unter diesen Ländern einerseits sowie unter den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen andererseits durchgeführt; dementsprechend ist das Ausgleichsvolumen begrenzt.
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Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung der die Gemeindefinanzen betreffenden Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes ist Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG, der den horizontalen Finanzausgleich regelt. Hiernach ist durch Gesetz sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird und hierbei Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) berücksichtigt werden.
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Diese Regelung kann nicht allein aus sich selbst verstanden werden. Sie ist Teil eines mehrstufigen Systems der sachgerechten Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat und darauf gerichtet, Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen. Erst dadurch kann die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden, können sich Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung entfalten (vgl. BVerfGE 32, 333 [338]; 55, 274 [300]; 72, 330 [383, 388]).
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Innerhalb dieses Systems ist der horizontale Finanzausgleich unter den Ländern nicht einfach eine Fortsetzung der vertikalen Steuerverteilung mit anderen Mitteln. Nachdem die vertikale Steuerertragsaufteilung zwischen dem Bund und der Ländergesamtheit (Art. 106 Abs. 1, 2 und 3 Satz 4 GG) sowie die horizontale Aufteilung des Anteils der Ländergesamtheit auf die einzelnen Länder (Art. 107 Abs. 1 GG) durchgeführt sind, kommt ihm die Aufgabe zu, die Ergebnisse dieser primären Steuerverteilung unter den Ländern zu korrigieren, soweit sie auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft, des bündischen Einstehens füreinander, unangemessen erscheinen. Das bündische Prinzip ist zugleich Grundlage und Grenze der Hilfeleistungspflichten (vgl. BVerfGE 72, 330 [384, 386 f.]).
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Den Ländern werden gegebenenfalls, bezogen auf ihre eigene Finanzausstattung, föderale Ausgleichspflichten auferlegt oder Ausgleichsansprüche zuerkannt. Dabei sind die Leistungspflichten der Geberländer nach einem ebenso umfassenden Begriff der Finanzkraft zu bestimmen wie die Leistungsansprüche der Empfängerländer, deren Grund nur eine allgemeine Finanzschwäche sein kann, nicht dagegen ein unzulängliches Steueraufkommen, das durch andere Einkünfte - beruhen sie auf landesautonomen Entscheidungen oder nicht - aufgestockt wird (BVerfG, a.a.0., S. 386, 398).
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Der Finanzausgleich zwischen den Ländern ist kein Mittel, das Ergebnis der in Art. 107 Abs. 1 GG geregelten primären Steuerverteilung durch ein neues System zu ersetzen, das etwa allein vom Gedanken der finanziellen Gleichheit der Länder geprägt wird, ihre Eigenstaatlichkeit und Eigenverantwortung jedoch nicht mehr berücksichtigt. Seine Zielrichtung ist vielmehr, solche Unterschiede in der Finanzkraft der Länder, die durch die primäre Verteilung des Steueraufkommens nicht aufgehoben, sondern möglicherweise erst offenbar werden, aber gleichwohl im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft als unangemessen gelten müssen, in gewissem Umfang, wenn auch nicht voll auszugleichen (vgl. BVerfGE 72, 330 [387]). Die Ausgleichspflicht des Art. 107 Abs. 2 GG fordert nicht eine finanzielle Gleichstellung der Länder, sondern eine entsprechend ihren Aufgaben hinreichende Annäherung ihrer Finanzkraft.
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II. |
1. Die kommunalen Finanzen werden in das System der Verteilung des bundesstaatlichen Finanzaufkommens an zwei Stellen ausdrücklich eingefügt: Art. 106 Abs. 5 bis 7, 9 GG regelt, wie die Gemeinden bei der vertikalen Steuerverteilung einzubeziehen sind; Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG ordnet an, daß auf der Stufe des horizontalen Finanzausgleichs unter den Ländern Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen sind. Diese Bestimmungen erhalten ihren Sinn aus dem Zusammenhang der Finanzverfassung mit der staatsorganisatorischen Regelung, die das Grundgesetz vornimmt. Im Bundesstaat des Grundgesetzes stehen sich Bund und Länder und die Länder untereinander gegenüber; die Kommunen sind staatsorganisatorisch den Ländern eingegliedert.
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Dem entspricht die für die Finanzverfassung grundlegende Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG. Sie stellt für die Ausgabenlast und ihre Konnexität mit der Aufgabenverantwortung allein Bund und Länder einander gegenüber und behandelt die Kommunen - unbeschadet der ihnen verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie - als Glieder des betreffenden Landes; ihre Aufgaben und Ausgaben werden denen des Landes zugerechnet (vgl. Vogel/Kirchhof in: Bonner Kommentar, Zweitbearb. 1971, Art. 104 Rdnr. 68; Maunz in: Maunz/Dürig, Rdnr. 27 zu Art. 104a; Fischer-Menshausen in: von Münch [Hg.], Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Vorbem. 3 zu Art. 104a). Daraus folgt, daß die aufgabengerechte Verteilung des Finanzaufkommens zwischen Bund und Ländern, die den bundesstaatlichen Bezugspunkt der Finanzverfassung bildet (vgl. BVerfGE 55, 274 [300]; 72, 330 [388]), auch die Kommunen - und zwar als Teil der Länder - einbezieht. Diese Erstreckung liegt der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit nach Art. 106 GG - ungeachtet der besonderen finanziellen Absicherung der kommunalen Selbstverwaltung in Abs. 5 bis 7 - zugrunde; sie gilt ebenso für den Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder untereinander nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG.
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2. Das Gebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG, Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen, ist dem Ziel eines angemessenen Ausgleichs der Finanzkraft der Länder zu- und untergeordnet. Dies kann bereits dem Wortlaut der Vorschrift entnommen werden. Den engen Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung der Gemeindefinanzen im zweiten Halbsatz und dem angemessenen Ausgleich des ersten Halbsatzes hat die Verfassung schon dadurch deutlich gemacht, daß sie beide Bestimmungen - nur durch ein Semikolon getrennt - in einem Satz zusammengefaßt und durch das Wort "hierbei" verknüpft hat.
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a) Der Begriff der Finanzkraft ist dementsprechend im zweiten Halbsatz nicht anders zu bestimmen als im ersten Halbsatz. Er ist umfassend zu verstehen und darf nicht allein auf die Steuerkraft reduziert werden; grundsätzlich unterfallen ihm auch alle sonstigen Einnahmen, aus nichtsteuerlichen Abgaben ebenso wie aus wirtschaftlicher Tätigkeit und anderen Ertragszuführungen (vgl. BVerfGE 72, 330 [400, 412]). Auch für die kommunale Finanzkraft ist es dem Gesetzgeber in Ausübung seiner begrenzten Gestaltungs- und Abgrenzungsbefugnis möglich, sie anhand von Indikatoren zu bestimmen, sofern diese verläßlich sind und auch das Volumen der Finanzkraft zuverlässig erfassen. Demgemäß kann eine Einnahme bei der Ermittlung der Finanzkraft unberücksichtigt bleiben, wenn sie ihrem Volumen nach nicht ausgleichsrelevant ist, wenn sie in allen Ländern verhältnismäßig gleich anfällt oder wenn der Aufwand für die Ermittlung der auszugleichenden Einnahmen zu dem möglichen Ausgleichseffekt außer Verhältnis steht (vgl. BVerfGE 72, 330 [399, 400]).
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b) Einnahmen aus Quellen, über deren Nutzung Länder und Kommunen eigenverantwortlich entscheiden, können dem Grunde nach von der Finanzkraft nicht ausgenommen werden. Schon in seinem Urteil vom 24. Juni 1986 hat der Senat Einnahmen solcher Art, die die Länder erzielen, deren Finanzkraft grundsätzlich zugerechnet (vgl. BVerfGE 72, 330 [412]). Dies entspricht Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Entsprechend dem Ziel der Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat, den Bund und die Länder in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben zu erfüllen, zielt auch der Finanzkraftbegriff dieser Vorschrift auf die (finanzielle) Fähigkeit, diese Aufgaben zu erfüllen. In diesem Sinn umfaßt er zunächst das tatsächlich vorhandene Finanzaufkommen. Korrigierend kann aber auch in Betracht gezogen werden, welches Finanzaufkommen aus erschlossenen Einnahmequellen unter Berücksichtigung struktureller Vorgegebenheiten erreichbar ist (vgl. auch Vogel/Kirchhof in: Bonner Kommentar, Zweitbearb. 1971, Art. 107 Rdnr. 50; Mußgnug, JuS 1986, S. 872 [879]). Denn Finanzkraft meint insgesamt eine finanzielle Leistungsfähigkeit, für die die in Zahlen ausgedrückten Einnahmen nur Indikatoren sind (vgl. BVerfGE 72, 330 [399]). Diese Leistungsfähigkeit wird allerdings bei Einnahmen aus Abgaben, deren Regelung der eigenen Zuständigkeit entzogen ist, durch das tatsächliche Aufkommen gekennzeichnet. Bei auf autonomen Entscheidungen beruhenden Einnahmen besteht hingegen ein Spielraum, der mit dem Begriff des rechtlich erreichbaren Aufkommens gemeint ist. Der Finanzkraftbegriff ist also dafür offen, Einnahmen aus Quellen, über deren Nutzung der Einnahmeempfänger selbstverantwortlich entscheidet, nach einem Soll-Aufkommen zu bemessen.
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Solche Regelungen zur näheren Bestimmung der Finanzkraft zu treffen, kommt dem Gesetzgeber kraft seiner - beschränkten - Abgrenzungs- und Gestaltungsbefugnis zu. Er kann mit Rücksicht auf die Pflicht zumutbaren bundesstaatlichen Einstehens füreinander bestimmen, inwieweit die anderen am Finanzausgleich beteiligten Länder die Folgen der finanzautonomen Entscheidung eines Landes oder seiner Kommunen über die Höhe der Nutzung einer Einnahmequelle mitzutragen haben. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Ausübung der Entscheidungsautonomie der Länder und Kommunen nicht selten durch gebietsspezifische Gegebenheiten wie die wirtschaftsgeographische Lage, die vorgegebene, nur allmählich veränderbare Wirtschaftsstruktur oder die Abhängigkeit von Entscheidungen anderer beschränkt ist. Ob und inwieweit der Eigenverantwortlichkeit bei der Nutzung von Einnahmequellen auch durch besondere Regelungen zur Ermittlung der Finanzkraft Rechnung getragen werden darf oder muß, läßt sich daher nicht allgemein bestimmen; es ist vielmehr abhängig von den Besonderheiten der jeweiligen Einnahmeart und den gegebenen Rahmenbedingungen der rechtlich autonomen Entscheidung.
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3. Das Berücksichtigungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Finanzkraft der Gemeinden einzubeziehen, soweit dem nicht spezifische Gründe aus den Verhältnissen der Gemeinden entgegenstehen.
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a) Der Wortlaut ist für sich genommen wenig aussagekräftig. "Berücksichtigen" ist offen für verschiedene Deutungen; es kann sowohl eine volle Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft gebieten als auch einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eröffnen. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des Wortes "berücksichtigen" in anderen Vorschriften des Grundgesetzes kann nicht auf Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG übertragen werden, denn diese stehen in anderem Zusammenhang. Bei Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 sind nicht wie in Art. 33 Abs. 5 oder in Art. 29 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 2 von der Verfassung vorausgesetzte Grundsätze, Verhältnisse oder Zielsetzungen zu berücksichtigen. Es geht vielmehr um die Gewichtung eines errechenbaren Finanzvolumens in dem gebotenen Finanzausgleich.
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b) Die Bedeutung des Berücksichtigungsgebots läßt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang erschließen.
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aa) Das Grundgesetz hat zwar in Art. 106 Abs. 5 und 6 den Kommunen bestimmte Einnahmen gewährleistet. Damit hat es aber die Länder nicht aus der Verantwortung für die Finanzausstattung ihrer Kommunen entlassen, die die Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern ist. Art. 106 GG beläßt nicht nur in Abs. 6 hierzu den Ländern wesentliche Regelungskompetenzen, er sieht in Abs. 7 auch vor, daß die Landesgesetzgebung die Verteilung des Länderanteils an den Gemeinschaftssteuern und des Aufkommens aus den Landessteuern zwischen dem Land und seinen Kommunen zu regeln hat.
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Die grundsätzliche finanzwirtschaftliche Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern wird nicht etwa durch das Fehlen einer dem Art. 106 Abs. 9 GG entsprechenden Regelung für die Stufe des horizontalen Finanzausgleichs in Frage gestellt. Zwar beschränkt sich die Regelung des Art. 106 Abs. 9 GG, die anordnet, daß als Einnahmen und Ausgaben der Länder auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände) gelten, auf die vertikale Steuerertragsverteilung nach Art. 106 GG. Sie hebt aber damit das Prinzip, die Kommunen als Teil der Länder in die Regelungen der Finanzverfassung einzubeziehen, nicht im übrigen auf, bekräftigt es vielmehr für den Regelungszusammenhang des Art. 106 GG. In Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG findet dieses Prinzip eine dem dortigen Regelungsgegenstand zugeordnete differenzierte Ausprägung.
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Daß die Berücksichtigung der Finanzkraft der Kommunen im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich auf deren Einbeziehung (als Rechenposten) in die Finanzkraft des betreffenden Landes zielt, entspricht auch Regelungsgegenstand und -ziel dieser Vorschrift, einen angemessenen Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft der Länder sicherzustellen. Die Länder sehen sich seit jeher gehalten, für eine aufgabengerechte Finanzausstattung ihrer Kommunen zu sorgen. Deshalb wird ihre eigene Finanzkraft je nach der finanziellen Lage ihrer Gemeinden belastet oder entlastet. Ein Land mit Kommunen von geringer eigener Finanzkraft muß seine Finanzkraft stärker für deren Finanzausstattung einsetzen als ein Land mit Kommunen, die ihrerseits über eine große Finanzkraft verfügen.
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Zum gleichen Ergebnis führt die allgemeine Zielsetzung der grundgesetzlichen Finanzverfassung. Soll diese, wie dargelegt, eine aufgabengerechte Verteilung des für Bund und Länder verfügbaren Finanzaufkommens auf die verschiedenen Aufgabenträger sicherstellen, muß sie sich grundsätzlich auf die gesamten staatlichen Einnahmen und die für die gesamten staatlichen Aufgaben erforderlichen Ausgaben beziehen. Darin sind, gemäß dem Prinzip des Art. 104a Abs. 1 GG auch die gemeindlichen Einnahmen und Ausgaben eingeschlossen. Diese können daher nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn und soweit es dafür eine besondere Rechtfertigung gibt.
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Mithin läßt sich Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG für die Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft ein Reduzierungsgebot nicht entnehmen; vielmehr weist die Vorschrift darauf hin, daß die kommunale Finanzkraft grundsätzlich, d.h. sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen, voll einzubeziehen ist. Nach dem Normzweck des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG rechtfertigt es auch das Nivellierungsverbot nicht, bestimmte Einnahmen der Kommunen von vornherein nicht in den Länderfinanzausgleich einzustellen. Erst nachdem festgestellt ist, wie groß die Finanzkraftunterschiede der Länder einschließlich der einzubeziehenden Finanzkraft der Gemeinden sind, kommt bei dem angemessenen Ausgleich dieser Unterschiede das Nivellierungsverbot zum Tragen.
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bb) Auf der anderen Seite will das Grundgesetz bei der Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft die spezifischen Verhältnisse der Gemeinden berücksichtigt wissen. Dies kommt systematisch darin zum Ausdruck, daß der Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden überhaupt ein eigener Halbsatz gewidmet ist. Er wäre überflüssig, sähe man die Gemeindefinanzen in jeder Hinsicht als Teil der Länderfinanzen an.
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Die Gemeinden sind Träger eigener Autonomie. Ihnen ist verfassungsrechtlich die eigenverantwortliche Wahrnehmung des ihnen zuerkannten Aufgabenbereiches, die Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, garantiert. Im Hinblick auf diesen Aufgabenbereich lassen sich die spezifischen Verhältnisse der Gemeinden näher bestimmen. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder zu ihr einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfGE 8, 122 [134]; 50, 195 [201]; 52, 95 [120]; 79, 127 [151]). Diese Ausrichtung der Gemeinden auf die konkreten Bedürfnisse und Interessen der in der örtlichen Gemeinschaft zusammenlebenden Menschen prägt auch ihre Finanzkraft, soweit sie autonomer Entscheidung unterliegt. Deswegen werden steuerpolitisch stets diejenigen Steuern als Gemeindesteuern für geeignet erachtet, die in einem sachlichen Zusammenhang mit örtlich radizierbaren Lasten stehen (vgl. etwa Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, 1932, S. 114 ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zur Reform der Gemeindesteuern in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 32 ff.; Fischer-Menshausen, Rdnr. 34 zu Art. 106 in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 1983). Typischerweise ist dies bei den Realsteuern der Fall. Das rechtfertigt es, kommunale Einnahmen, soweit sie der Art nach einen spezifischen Bezug zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufweisen, nicht voll in die Finanzkraft des Landes einzubeziehen.
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c) Angesichts dieses aus der sachlich-systematischen Auslegung gewonnenen eindeutigen Ergebnisses kommt den gegensätzlichen Deutungen der Entstehungsgeschichte hier kein Gewicht zu. In der Entstehungsgeschichte des Art. 107 Abs. 2 GG sind zwei Tendenzen aufweisbar. Die eine wurde von der Bundesregierung in der Begründung zu den Entwürfen eines Finanzverfassungsgesetzes, eines Finanzanpassungsgesetzes und eines Länderfinanzausgleichsgesetzes vom 29. April 1954 (BTDrucks. 2/480) vertreten und auch später aufrechterhalten. Sie stellte im Blick auf die angestrebte Verlagerung des Schwergewichts des bundesstaatlichen Finanzausgleichs von der Bedarfs- auf die Einnahmeseite maßgeblich auf dessen Funktion ab, die beträchtlichen, meist strukturbedingten Unterschiede in der regionalen Steuerkraft zu mildern; ein solcher Steuerkraftausgleich könne nur dann zu gerechten und finanzwirtschaftlich angemessenen Ergebnissen führen, wenn er alle Steuern erfasse, die den Ländern und Gemeinden zur Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs zuflössen (a.a.0., S. 102, Rdnr. 146). Demgegenüber trat die Mehrheit des Bundesrates zunächst dafür ein, die den Gemeinden zufließenden Realsteuern in den Länderfinanzausgleich überhaupt nicht einzubeziehen (BTDrucks. 2/480, S. 200). Nachdem sie damit keinen Erfolg hatte, verfocht sie das Ziel, diese Steuern jedenfalls nur zu einem Teil in die Landesfinanzkraft einzurechnen. Dies hatte schon der Regierungsentwurf - als ein Entgegenkommen gegenüber den Länderinteressen - insoweit zugestanden, als er im gleichzeitig vorgelegten Länderfinanzausgleichsgesetz eine nur fünfzigprozentige Einbeziehung der gemeindlichen Realsteuern vorsah (BTDrucks. 2/480, S. 132, Rdnr. 220); dies begründete der in Bezug genommene Bericht der Studienkommission zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs damit, die Einnahmen aus Realsteuern müßten auch öffentliche Lasten decken, die in einem inneren Zusammenhang mit den durch die Steuern belasteten Objekten stehen (a.a.0., S. 158, 235). Mit diesem Inhalt ist dann die Finanzreform 1955 - Länderfinanzausgleichsgesetz und Finanzverfassungsgesetz um ein Dreivierteljahr zeitlich versetzt - schließlich verabschiedet worden. Das so erzielte Ergebnis wurde durch die Finanzreform 1968/69 nicht in Frage gestellt; insbesondere läßt die sogenannte politische Geschäftsgrundlage, die im Zusammenhang mit der Einigung über das Finanzreformgesetz im Vermittlungsausschuß formuliert und dem Bundestag mitgeteilt wurde (BT, Sten.Ber. 5. WP, S. 12539 B-C; Kurzprot. der 13. Sitzung des Vermittlungsausschusses am 21. April 1969, S. 25 ff.) - von ihrer fehlenden Erheblichkeit für eine Verfassungsauslegung abgesehen - keine anderen Schlüsse zu.
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4. Der normative Gehalt des Gebots, beim Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder auch den Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen, erschließt sich systematisch aus der Zuordnung dieses Gebots zum ersten Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Berücksichtigung des Finanzbedarfs der Kommunen hat sich nach dem Verhältnis zu richten, in dem nach dem ersten Halbsatz der Vorschrift der angemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zum Finanzbedarf steht. Der Ausgleich der Finanzkraft der Länder ist, wie der Senat im Urteil vom 24. Juni 1986 dargelegt hat, primär aufkommensorientiert, er schließt die Berücksichtigung von Sonderbedarfen einzelner Länder, abgesehen von der historisch begründeten Ausnahme der Hafenlasten, aus (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 ff.]). Die Anordnung, den Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen, durchbricht dieses Regelungskonzept nicht, fügt sich ihm vielmehr ein. Es geht nicht um Sonderbedarfe, die zu berücksichtigen sind, sondern - wie bei den Ländern - um einen abstrakten Finanzbedarf, der ohne Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse bestimmter Gemeinden allgemein bei der Erfüllung der den Gemeinden zukommenden Aufgaben anfällt und sich von daher auf die - den Gegenstand des Ausgleichs bildende - Finanzkraft auswirkt.
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a) Grundlage für die Berücksichtigung des Finanzbedarfs der Kommunen ist der abstrakte Bedarfsmaßstab der Einwohnerzahl, der als Bezugspunkt unabdingbar ist und zugrundegelegt wird, um ein summenmäßiges Finanzaufkommen verschiedener Aufgabenträger im Hinblick auf die Erfüllung der zugewiesenen Aufgaben erst vergleichbar zu machen (vgl. BVerfG, a.a.0., S. 400 f.). Da dieser Maßstab der Einwohnerzahl ohnehin auch den Finanzbedarf der Kommunen erfaßt, soweit dieser in der Einwohnerzahl zum Ausdruck kommt, muß indes der ausdrücklichen Erwähnung des Finanzbedarfs der Kommunen im zweiten Halbsatz eine darüber hinausgehende Bedeutung zukommen.
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Diese ergibt sich daraus, daß wegen vorgegebener, gerade die Gemeinden kennzeichnender struktureller Faktoren die Unterstellung eines gleichen Finanzbedarfs je Einwohner für die Erledigung der (eigenen wie übertragenen) Aufgaben sich als unangemessen erweisen kann. Mit der Bezugnahme auf den Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) wird anerkannt, daß es im Aufgabenbereich der Kommunen bundesweit solche Merkmale geben kann, denen Rechnung zu tragen ist. Derartige zu einem generellen Mehrbedarf bei der Aufgabenerledigung führende Faktoren sollen beim Finanzkraftausgleich unter den Ländern berücksichtigt werden, weil sie mitbestimmen, in welchem Ausmaß deren Finanzkraft durch ihre Sorge für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen in Anspruch genommen wird. Diese Faktoren müssen unabhängig von eigenen kommunalen Prioritätsentscheidungen gegeben sein; sie müssen auch bei Kommunen generell, d.h. aufgrund ihrer Eigenart als Kommunen, und gemeinsam, d.h. bei den Kommunen aller Länder - wenn auch in quantitativ unterschiedlicher Ausprägung - gegeben sein können. Das unterscheidet sie von nichtberücksichtigungsfähigen Sonderbedarfen.
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b) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 bestätigt.
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Die Regelung, daß beim horizontalen Finanzausgleich unter den Ländern auch der "Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen" sei, war bereits im Regierungsentwurf dieses Gesetzes als Art. 106f enthalten; sie wurde im Zuge der Umstellung dieser Bestimmung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren Teil des - wortlautgleichen - Art. 107 Abs. 2 GG. Ihre Bedeutung erhielt sie aus der beabsichtigten Verlagerung des Schwergewichts des Finanzausgleichs von der Bedarfs- auf die Einnahmeseite, weshalb - nach der Begründung des Entwurfs - eine Beschränkung auf nur noch wenige Bedarfstatbestände stattfinden sollte (BTDrucks. 2/480, S. 102, Rdnr. 146).
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Gerade unter diesem Gesichtspunkt wandte sich die Begründung der Einbeziehung des gemeindlichen Finanzbedarfs zu. Da der Finanzbedarf einer Gebietskörperschaft am stärksten von der Einwohnerzahl abhänge, sei die (jeweilige) Wohnbevölkerung der primär gegebene Bedarfsmaßstab. Ferner sei der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, daß auch die Bevölkerungsdichte die Höhe des Finanzbedarfs bestimme. Im gemeindlichen Bereich steige die Pro- Kopf-Quote des öffentlichen Aufwands nicht proportional, sondern progressiv mit der Zunahme der Siedlungsdichte, insbesondere auf sozialem, hygienischem und kulturellem Gebiet (ebd.). Demgemäß sah auch schon das Länderfinanzausgleichsgesetz vom 27. April 1955 in seinem dem heutigen § 9 Abs. 3 FAG entsprechenden, im wesentlichen unverändert aus dem Regierungsentwurf übernommenen § 7 bei der Ermittlung der Ausgleichsmeßzahl eine nach der Einwohnerzahl der Gemeinden abgestufte Einwohnerwertung vor.
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Die Regelung verfolgte also ersichtlich den Zweck, dem allgemein zugrundegelegten abstrakten Bedarfsmaßstab der Einwohnerzahl Rechnung zu tragen, ihn aber im Blick auf die angenommene höhere Kostenintensität der Erledigung der den Kommunen obliegenden Aufgaben nach strukturellen Merkmalen, hier der Siedlungsdichte, sachgerecht zu modifizieren. Irgendwelche Sonderbedarfe der oder bestimmter Gemeinden zu berücksichtigen, lag der Regelung fern.
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c) Die Einschätzung und Beurteilung, welche Strukturmerkmale zu für den Länderfinanzausgleich relevanten Unterschieden im Finanzbedarf der Kommunen führen, obliegt dem Gesetzgeber. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Einschätzung nur daraufhin zu überprüfen, ob sie vertretbar ist (vgl. BVerfGE 72, 330 [399]).
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III. |
1. Nach den dargelegten Maßstäben ist § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 FAG mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er derzeit lediglich die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer sowie die Einnahmen aus Grundsteuer und Gewerbesteuer der kommunalen Finanzkraft zurechnet.
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a) Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen. Das höchste Aufkommen einer dieser ihrer Art nach herkömmlichen Steuern, die jeweils einzeln zu veranschlagen sind, beträgt bei der Vergnügungsteuer in ihren verschiedenen Spielarten für das Jahr 1989 etwas über 300 Mio. DM. Damit erreicht es noch nicht das Volumen, welches - auch im Blick auf die seit der Entscheidung des Senats vom 24. Juni 1986 eingetretene Entwicklung - als ausgleichsrelevant anzusehen ist (vgl. BVerfGE 72, 330 [409]). Schon deshalb ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, daß das Aufkommen aus diesen Steuern nicht in den Länderfinanzausgleich einbezogen worden ist.
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b) Auch ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Konzessionsabgaben der Versorgungsunternehmen unter den derzeit gegebenen Umständen in die Feststellung der Finanzkraftmeßzahl nicht mit einbezogen werden.
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aa) Zwar sind die Konzessionsabgaben, soweit sie tatsächlich erhoben werden, grundsätzlich der Finanzkraft der Gemeinden zuzurechnen. Konzessionsabgaben sind Zahlungen, die Versorgungsunternehmen - unabhängig von ihrer Rechtsform - an Gemeinden oder Gemeindeverbände dafür entrichten, daß diese ihnen die Benutzung der öffentlichen Verkehrsräume über den Gemeingebrauch hinaus gestatten und ihnen ein Ausschließlichkeitsrecht der wirtschaftlichen Betätigung in dem betreffenden Gebiet einräumen. Es ist dabei unerheblich, ob diese Konzessionsabgaben als öffentlich-rechtliche Abgaben oder als Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit angesehen werden. Denn auch als Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit gehörten sie zur im Länderfinanzausgleich grundsätzlich zu berücksichtigenden Finanzkraft (vgl. BVerfGE 72, 330 [412 f.]).
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Konzessionsabgaben sind auch nicht Ausdruck einer Vermögensumschichtung derart, daß sie einen Ausgleich für einen Vermögensverlust der Kommunen darstellten. Sie folgen allein aus der Nutzung des gemeindlichen Wegeeigentums und der Einräumung eines Monopols; eine Entreicherung der Kommunen tritt damit nicht ein.
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Auch Konzessionsabgaben, die von Eigenbetrieben der Kommunen oder von Gesellschaften, an denen sie beteiligt sind, abgeführt werden, verstärken die kommunale Finanzkraft. Gerade bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise stellen sich diese Konzessionsabgaben nicht als "In-sich-Abgaben", sondern als reale Einnahmen der Kommunen dar. Sie werden nämlich, wie die Stellungnahme der Bundesregierung vom 4. Oktober 1991 ergeben hat, ganz überwiegend über den Preis auf die Abnehmer überwälzt, also von diesen aufgebracht.
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Das Volumen der Konzessionsabgaben ist auch ausgleichsrelevant. Nach Mitteilung der Bundesregierung betrug es 1988 ca. 4,1 Mrd. DM. Auch fallen Konzessionsabgaben in den einzelnen Ländern unterschiedlich an; sie streuen, bezogen auf 1988, zwischen 126 DM je Einwohner für Bremen, 85 DM für Hamburg, 89 DM für Nordrhein- Westfalen bis hin zu 38 DM für Bayern (Stellungnahme der Bundesregierung vom 4. Oktober 1991, S. 6).
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bb) Unter den derzeit gegebenen Umständen sind die Konzessionsabgaben jedoch bislang nicht ausgleichsfähig.
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(1) Nach der bis vor kurzem bestehenden Rechtslage hat es weder einen einheitlichen (bundesrechtlichen) Maßstab für die mögliche Erhebung von Konzessionsabgaben gegeben, noch ist es generell in die Entscheidungsfreiheit der Gemeinden gestellt gewesen, ob und in welcher Höhe sie Konzessionsabgaben vorsehen. Es ist bis heute weitgehend eine Frage des historischen Zufalls, ob und in welcher Höhe eine Gemeinde Konzessionsabgaben erhebt. Das steht der Ausgleichsfähigkeit der Konzessionsabgaben entgegen.
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Die Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände vom 4. März 1941 (KAE), die bis zum 31. Dezember 1991 gemäß Art. 123 Abs. 1, 125 Nr. 1, 74 Nr. 11 GG als Bundesrecht angewendet worden ist (BGBl. III 721-3), war als Übergangsregelung für die Zeit des Krieges konzipiert und sollte ausweislich ihrer Präambel eine fortschreitende Verbilligung von Elektrizität, Gas und Wasser anbahnen. § 1 Abs. 1 KAE hat daher die Neueinführung von Konzessionsabgaben von einem Stichtag im Jahre 1941 an verboten. § 2 Abs. 1 KAE ordnete eine Herabsetzung der Konzessionsabgaben auf Höchstsätze an, die nach Prozentsätzen von den Roheinnahmen aus den Versorgungsleistungen an letzte Verbraucher zu bemessen waren. § 11 KAE ließ abweichende Regelungen für den Einzelfall zu. Von dieser Ermächtigung haben die dafür zuständigen Länder aus verschiedenerlei Erwägungen recht unterschiedlich Gebrauch gemacht. Da die eingefrorene Höhe der zulässigen Konzessionsabgaben mit einem Prozentanteil an die Energiepreise gekoppelt war, hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte durch die stete Zunahme des Energieverbrauchs und die Erhöhung der Energiepreise ein enormer Anstieg der Konzessionsabgaben ergeben. Die Zielsetzung der Anordnung, die Konzessionsabgaben zurückzuführen, ist damit nicht erreicht worden. Das hat die finanzwirtschaftliche Diskrepanz zwischen den Kommunen, die Konzessionsabgaben erheben durften, und denen, für die dies untersagt war, weiter erhöht.
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Angesichts dieser Lage, die durch eine verzerrende bundesrechtliche Fremdbestimmung gekennzeichnet ist, ist es derzeit nicht möglich, die anfallenden Konzessionsabgaben durch ein normiertes Soll-Aufkommen bundesweit vergleichbar zu machen. Dies setzte voraus, daß die Kommunen generell über die Nutzung dieser Ertragsquelle eigenständig hätten entscheiden können, sei es nach einheitlichen Maßstäben, sei es nach freier Entscheidung über Grund und Höhe (s. oben I 2 b). Da andererseits die Konzessionsabgaben bisher auch nicht nach bundesrechtlich normierten Sätzen angefallen sind, vielmehr - soweit zulässig - in einem bestimmen Rahmen auf autonomer Entscheidung beruhen, ist es auch nicht angängig, sie nach dem Ist-Aufkommen in die kommunale Finanzkraft einzubeziehen.
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(2) Die durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 1990 (BVerwGE 87, 133) herbeigeführte Änderung der Rechtslage hat die Hindernisse, die der Ausgleichsfähigkeit der Konzessionsabgaben bislang entgegenstehen, nicht unmittelbar beseitigt. Zwar gilt das Verbot der Neueinführung von Konzessionsabgaben nach § 1 Abs. 1 KAE nicht mehr. Gleichwohl ist die rechtliche Lage weiterhin noch verzerrt. Für eine Vielzahl von Gemeinden besteht eine Bindung an laufende Konzessionsverträge. In vielen dieser Verträge wirken die bislang bestehenden Verzerrungen noch fort, sei es, daß in ihnen wegen des geltenden Verbots der Neueinführung keine Konzessionsabgaben vereinbart worden sind, sei es, daß die getroffenen Vereinbarungen von dem Preisstop (§ 1 KAE) und der Bestimmung der für die Höchstsätze maßgeblichen Einwohnerzahl nach dem Ergebnis der Volkszählung vom 17. Mai 1939 (§ 2 Abs. 4 KAE) betroffen waren. Die Dauer, für die diese Verträge längstens noch gelten können, ergibt sich aus der 1980 eingeführten kartellrechtlichen Befristungsregelung für energiewirtschaftliche Gebietsschutzverträge. Nach § 103a Abs. 1 Satz 1 GWB darf die vereinbarte Laufzeit 20 Jahre nicht überschreiten. Nach Abs. 4 der Vorschrift laufen die meisten Altverträge spätestens am 1. Januar 1995 aus.
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Für die künftige Ausgleichsfähigkeit der Konzessionsabgaben kommt es daher entscheidend darauf an, wann die noch fortwirkenden Verzerrungen durch Auslaufen oder Anpassung der bestehenden Verträge soweit entfallen, daß von der Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Nutzung dieser Einnahmequellen durch die große Mehrzahl der Gemeinden ausgegangen werden kann. Ob und wann diese Situation eintritt, läßt sich nicht vorherbestimmen. Nachdem inzwischen die Konzessionsabgabenverordnung vom 9. Januar 1992 (BGBl. I S. 12) in Kraft getreten ist, die einen bundeseinheitlichen Maßstab für die Erhebung von Konzessionsabgaben festlegt und gestaffelte Höchstbeträge vorsieht, mag sich die Entwicklung zum Abbau der Verzerrungen beschleunigen. Wenn dieser Abbau im wesentlichen eingetreten ist und die Konzessionsabgaben weiterhin in den einzelnen Ländern unterschiedlich anfallen, sind sie als Indikatoren gemeindlicher Finanzkraft in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen.
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c) Der Gesetzgeber hält sich im Rahmen seiner Gestaltungs- und Abgrenzungsbefugnis, wenn er die Einnahmen der Gemeindeverbände unter den derzeit gegebenen Umständen nicht als Indikatoren für die nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG zu berücksichtigende kommunale Finanzkraft behandelt. Denn Gemeindeverbände, zu denen insbesondere die Kreise gehören, verfügen nicht über ausgleichsrelevante Einnahmen. Soweit sie sich über Zuweisungen des Landes oder aus der Kreisumlage finanzieren, werden diese Einkünfte bereits als Einnahmen des Landes oder der Gemeinden erfaßt. Auch die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer, die in zahlreichen Ländern den Kreisen zugewiesen sind, werden nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG bereits als Steuereinnahmen des Landes erfaßt. Die anderen Steuereinnahmen, die den Kreisen zumeist zugewiesen sind, wie etwa die Jagd- und Fischereisteuer oder die Schankerlaubnissteuer, sind von ihrem Volumen her nicht ausgleichsrelevant.
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2. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 FAG ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit das Gewerbesteueraufkommen nach einem bundeseinheitlichen Hebesatz berechnet wird.
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a) Der in § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FAG für die Gewerbesteuer normierte Hebesatz von 250 v.H. hat keine praktische Bedeutung (Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Carstens vom 6. Dezember 1989, BTDrucks. 11/6015, S. 8; Zabel, ZKF 1989, S. 173 [174 f.]; Angenendt, Der Gemeindehaushalt 1984, S. 84). Dies ist die Folge der Kombination der Berechnung des in den Länderfinanzausgleich einbezogenen Gewerbesteueraufkommens nach § 8 Abs. 2 und Abs. 5 FAG. Im Ergebnis wird die Summe der Grundbeträge der Gemeinden eines Landes, vervielfältigt mit der Hälfte des bundesdurchschnittlichen Hebesatzes, als Gewerbesteueraufkommen in den Länderfinanzausgleich eingestellt.
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b) Die Berechnung des Realsteueraufkommens nach einem für alle Länder einheitlichen Hundertsatz, wie er sich mit dem halben bundesdurchschnittlichen Hebesatz aus § 8 Abs. 5 FAG ergibt, liegt im Rahmen der Gestaltungs- und Abgrenzungsbefugnis des Gesetzgebers.
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Durch normierte Hebesätze wird vermieden, daß Einnahmen, die sich ein Land aufgrund eigener besonderer Anstrengungen erschließt, nämlich durch stärkere Steuerbelastung seiner Bürger, nicht primär ihm selbst, sondern ganz oder überwiegend anderen Ländern zugute kämen. Dies führt andererseits dazu, daß einem Land, in dem der durchschnittliche Hebesatz unter dem bundesdurchschnittlichen Hebesatz liegt, der fiktive Fehlbetrag als Finanzkraft zugerechnet wird.
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Bei der Grundsteuer und der Gewerbesteuer entscheiden nicht die Länder, sondern die Gemeinden eigenverantwortlich über die Anspannung der Steuerkraft, während am Finanzausgleich direkt nur die Länder beteiligt sind. Solche eigenverantwortlichen Entscheidungen der Gemeinden können insoweit wie autonome Entscheidungen der Länder selbst behandelt werden. Der Finanzkraftbegriff ist bei Gegebenheiten dieser Art dafür offen, die relevanten Einnahmen nach einem Sollaufkommen zu bemessen (s. oben I 2 b).
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Die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung über die Höhe des Hebesatzes ist freilich vielfach durch strukturelle Merkmale begrenzt. Zwar ist es gerade Aufgabe des Länderfinanzausgleichs, strukturelle Nachteile auszugleichen, doch wirken sich diese nicht zwingend in einer Richtung aus. Strukturschwache Gemeinden können versuchen, mit niedrigen Hebesätzen Standortnachteile auszugleichen, sie können aber auch umgekehrt durch überdurchschnittlich hohe Hebesätze ihre Einnahmenlage zu verbessern suchen. So unangemessen es im ersten Fall erscheinen mag, einen fiktiven Fehlbetrag zuzurechnen, so unangemessen wäre es im zweiten Fall, die zusätzlichen Einnahmen, für die Standortnachteile in Kauf genommen worden sind, in voller Höhe in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen. Entsprechende Überlegungen lassen sich für strukturstarke Gemeinden anstellen. In dieser Situation obliegt es dem Gesetzgeber, eine sachgerechte Regelung zu treffen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob die vom Gesetzgeber vorgenommene nähere Bestimmung der einzubeziehenden Finanzkraft vertretbar ist. Danach kann die Auffassung des Gesetzgebers, daß die Anwendung eines bundeseinheitlichen durchschnittlichen Hebesatzes im großen und ganzen eine sachgerechte Bemessung der Finanzkraft darstellt, jedenfalls solange nicht beanstandet werden, als am Länderfinanzausgleich Länder mit einer relativ gleichartigen Wirtschaftsstruktur beteiligt sind.
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3. § 8 Abs. 5 FAG ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er die nach § 8 Abs. 1 FAG einzustellenden gemeindlichen Steuereinnahmen auf die Hälfte kürzt; dies ergibt sich für die Realsteuern aus spezifischen Gründen in den Verhältnissen der Gemeinden, für den gemeindlichen Einkommensteueranteil aus der derzeit in dieser Form zulässigen Berücksichtigung des Finanzbedarfs der Gemeinden.
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a) Bereits bei der Finanzreform 1955 hat der verfassungsändernde Gesetzgeber die nicht volle Einbeziehung der den Gemeinden zustehenden Realsteuern als gerechtfertigt angesehen, weil sie auch öffentliche Lasten deckten, die in einem inneren Zusammenhang mit den durch die Steuern belasteten Objekten stehen. Diese Annahme eines inneren Zusammenhangs zwischen den mit den Realsteuern belasteten Objekten und Lasten der Gemeinden stützt sich auf den "Grundsatz der Wechselwirkung zwischen den Besteuerungsmöglichkeiten und den Gemeindeausgaben", wie ihn Popitz formuliert hat (Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, 1932, S. 114 ff.). Seit Einführung der Regelungen über den horizontalen Finanzausgleich in das Grundgesetz durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 817) war daher einfachgesetzlich eine lediglich hälftige Einbeziehung der gemeindlichen Finanzkraft vorgesehen (§ 5 Abs. 5 LFAG).
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Die Realsteuern belasten als Objektsteuern die in der Gemeinde belegenen Grundstücke und Gewerbebetriebe, deren Ertrag nicht unwesentlich von den Verhältnissen in der Gemeinde abhängt. Das Steueraufkommen und die durch die Steuerobjekte verursachten Lasten sind eng miteinander verknüpft. Diese örtlich radizierbare Verknüpfung rechtfertigt es, im Länderfinanzausgleich dem Land, in dessen Gebiet die Grundstücke und Gewerbebetriebe belegen sind und dessen Gemeinden die dadurch verursachten Lasten zu tragen haben, einen Teil der Realsteuern nicht als Finanzkraft zuzurechnen. Die Höhe dieser Lasten läßt sich freilich nicht genau quantifizieren. Dem Gesetzgeber verbleibt insoweit ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Es liegt innerhalb dieses Rahmens, dem durch die öffentlichen Lasten bestimmten Bedarf im Wege eines pauschalen Abschlags vom Realsteueraufkommen Rechnung zu tragen. Die Bemessung dieses Abschlags einheitlich mit 50 v.H. für Grundsteuern und Gewerbesteuer hält sich noch in den Grenzen des Vertretbaren.
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b) Die hälftige Kürzung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer läßt sich zwar nicht aus den vorstehend genannten Gründen, wohl aber als pauschale Berücksichtigung des gemeindlichen Finanzbedarfs rechtfertigen.
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Die Einkommensteuer knüpft an einen Tatbestand an, in dem sich eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen ausdrückt, die sich aus überregionalen Wirtschaftsabläufen herleitet. Es besteht daher kein hinreichend enger Zusammenhang mit dem engeren Wirtschaftsgebiet der Gemeinde und der Verursachung von Gemeindeausgaben (vgl. Popitz, S. 119). Es steht dem Gesetzgeber jedoch derzeit offen, den Finanzbedarf der Gemeinden auch in der Form eines pauschalen Abschlags von bestimmten Steuereinnahmen der Gemeinden zu berücksichtigen.
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Das Gebot der Verfassung, beim Finanzausgleich unter den Ländern den Finanzbedarf der Gemeinden zu berücksichtigen, schreibt eine bestimmte Form der Bedarfsberücksichtigung nicht vor. Zwar ist nur ein abstrakter (strukturell vorgegebener) Bedarf, der bei den Kommunen generell, aufgrund ihrer Eigenart als Kommunen, und gemeinsam, d.h. in allen Ländern, auftreten kann, berücksichtigungsfähig (vgl. II 4 a). Die Art und Weise der Berücksichtigung bleibt dem Gesetzgeber aber vorbehalten, sofern dabei die Sachbezogenheit nicht aufgegeben wird.
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In § 9 Abs. 3 FAG hat der Gesetzgeber selbst differenzierte, an der Gemeindegröße und Siedlungsdichte orientierte Indikatoren zugrundegelegt. Diese sind, wie sogleich näher darzulegen ist (s. unten 4), in ihrer Tragfähigkeit und Sachangemessenheit fragwürdig. Angesichts dessen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber auch eine pauschale Form der Bedarfsberücksichtigung in Anknüpfung an die Einnahmen aus dem gemeindlichen Einkommensteueranteil wählt, solange nicht hinreichende und zuverlässige Kriterien zur Bestimmung des Finanzbedarfs der Gemeinden entwickelt sind, die eine Pauschalierung dieser Art und Höhe nicht mehr als vertretbar erscheinen lassen.
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Das aber ist derzeit nicht der Fall. In der Finanzwissenschaft werden zwar die traditionell zugrundegelegten Indikatoren für den gemeindlichen Finanzbedarf stark in Frage gestellt, es fehlt aber bislang an anerkannten verläßlichen Kriterien zur objektiven Bestimmung des Finanzbedarfs der Gemeinden. Dies haben auch die Ausführungen von Professor Dr. Littmann in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Sobald solche Kriterien gewonnen sein werden, erübrigt sich allerdings eine so pauschale Berücksichtigung des Finanzbedarfs.
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4. § 9 Abs. 3 FAG ist derzeit mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzgeber ist aber verpflichtet zu überprüfen, ob Gemeindegröße und Siedlungsdichte unter heutigen Bedingungen noch zu einem erhöhten Bedarf führen und ob stattdessen oder zusätzlich andere Strukturmerkmale als Bedarfsindikatoren zu berücksichtigen sind. Er hat gegebenenfalls eine Neuregelung vorzunehmen.
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a) Seit dem ersten Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern, dem Gesetz für das Rechnungsjahr 1950, ist der Bundesgesetzgeber davon ausgegangen, die Zunahme der Siedlungsdichte führe zu einem überproportionalen Anstieg der Pro- Kopf-Quote des öffentlichen Aufwandes (sog. Brecht/ Popitzsches Gesetz) und begründe damit einen strukturellen Mehrbedarf für die Erledigung der den Gemeinden obliegenden Aufgaben (BTDrucks. 1/1634, S. 24). Die stärkere Zusammenballung von Menschen auf verhältnismäßig engem Raum erfordere eine intensivere behördliche Organisation, erhöhe das Niveau der Lebenshaltungskosten (der Löhne, Sachaufwendungen, Sozialleistungen usw.) und verursache ganz allgemein höhere kollektive Bedürfnisse namentlich auf den Gebieten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Erziehungswesens, der Wohlfahrt, des Verkehrs, der Versorgungseinrichtungen und dergleichen.
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Dieses Bedarfsmerkmal der Siedlungsdichte komme in der Bevölkerungsgliederung nach Gemeindegrößenklassen repräsentativ zum Ausdruck (BTDrucks. 1/1634, S. 24; vgl. auch Popitz, a.a.0., S. 262 ff.). Dementsprechend wurde für die Bemessung des gemeindlichen Finanzbedarfs eine Einwohnergewichtung nach Gemeindegrößenklassen zugrundegelegt.
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Auch die Begründung des Regierungsentwurfs des Finanzverfassungsgesetzes vom 29. April 1954 hatte diese von ihr angenommene "Erfahrungstatsache" im Blick (BTDrucks. 2/480, S. 102, Rdnr. 146). Nachdem die Spreizung der Gemeindegrößenklassen 1959 auf die bis heute geltenden Prozentsätze mit der Begründung abgeschwächt worden war, daß der Finanzbedarf von Stadt und Land sich immer mehr annähere (BTDrucks. 3/703, S. 16 f.; § 6 Abs. 2 Länderfinanzausgleichsgesetz 1958 vom 5. März 1959 [BGBl. I S. 73]), wurde durch das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1432) der Dichteansatz für Gemeinden mit mehr als 500.000 Einwohnern hinzugefügt. Die Einführung des Dichtezuschlags sollte dem erhöhten Finanzbedarf der Ballungsgebiete Rechnung tragen und insbesondere den Wegfall eines Zuschlags von 10 v.H. zu der Einwohnerwertung bei den Gemeindesteuern ausgleichen, den die Hansestädte bisher erhalten hatten (BTDrucks. 5/4305, S. 8 i.V.m. BTDrucks. 5/3967, S. 6).
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b) Die Geltung des vom Gesetzgeber zugrundegelegten sog. Brecht/Popitzschen Gesetzes der überproportionalen Kostensteigerung der Aufgabenerledigung durch Agglomeration wird heute immer mehr in Zweifel gezogen. Ein überproportionaler Anstieg des Finanzbedarfs bei höherer Siedlungsdichte lasse sich empirisch nicht nachweisen; tatsächlich höhere Ausgaben könnten gerade das Ergebnis einer besseren Finanzausstattung sein. Auch setze eine solche Annahme Unterschiede im Bedarf zwischen Stadt und Land voraus. Dies treffe zum einen nicht (mehr) zu und widerspreche zum anderen dem verfassungsrechtlichen Leitbild, daß alle Bürger gleichermaßen Anspruch auf staatliche Leistungen hätten. Ferner sei der Ausgleich von Agglomerationsnachteilen raumordnungspolitisch unerwünscht, da er die zu räumlichen Ungleichgewichten führende Konzentration verstärke (vgl. P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, 1982, S. 115 ff.; Zabel, Informationen zur Raumentwicklung, 1983, S. 445 [446 ff.]; Peffekoven, FinArch 1987, S. 203 f.; Tetsch, Raumwirkungen des Finanzsystems der Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 121 ff.).
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Hiernach sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß die vom Gesetzgeber in § 9 Abs. 3 FAG zugrundegelegten Bedarfskriterien in ihrer Tragfähigkeit erschüttert sind. Auch ist zweifelhaft, ob die Gemeindegröße, an die die gestaffelte Einwohnerwertung jeweils anknüpft, heute noch ein geeigneter Indikator für Siedlungsdichte sein kann. Das Verhältnis zwischen Siedlungsdichte und Gemeindegröße hat sich durch die in den siebziger Jahren in den westlichen Flächenländern der Bundesrepublik durchgeführte Gemeindegebietsreform verändert. Bildeten die Gemeinden vor der Gebietsreform meist geschlossene Siedlungen, was den Rückschluß von der Einwohnerzahl auf die Siedlungsdichte rechtfertigte, so ist durch die Bildung von Großgemeinden, die mehrere räumlich getrennte und zum Teil erheblich voneinander entfernte Siedlungszentren aufweisen, einem solchen Rückschluß weithin die Grundlage entzogen. Die Gemeindegrößenklassen erfassen zudem nicht Ballungsgebiete, die sich aus mehreren Gemeinden zusammensetzen.
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c) Der dargelegte Befund verpflichtet den Gesetzgeber zum Handeln. Zwar begründen die bestehenden ernsthaften Zweifel an der Tragfähigkeit der zugrundegelegten Bedarfskriterien in § 9 Abs. 3 FAG noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Regelung, zumal in der Finanz- und Kommunalwissenschaft derzeit keine gesicherten Erkenntnisse darüber zur Verfügung stehen, welche Bedarfskriterien denn als empirisch aufweisbar und verläßlich an die Stelle der bisherigen hätten treten sollen. Nachdem der Gesetzgeber sich aber in § 9 Abs. 3 FAG, wie es Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG nahelegt, für die Anwendung differenzierter Indikatoren der Bedarfsberücksichtigung entschieden hat, ist er nunmehr gehalten, eine umfassende Prüfung vorzunehmen. Diese Prüfung hat sich zum einen darauf zu erstrecken, wie weit die von ihm zugrundegelegten Kriterien angesichts der heutigen Verhältnisse noch tragfähig sind oder einer Modifizierung oder Fortentwicklung bedürfen, zum anderen darauf, ob und inwieweit andere strukturelle Merkmale, wie etwa Deglomerationsnachteile, die Zahl der Arbeitslosen, der Anteil von alten Menschen und Kindern sowie von Sozialhilfeempfängern geeignet sind, zu einem abstrakten Mehrbedarf bei der Erledigung der Aufgaben zu führen. Je nach den Ergebnissen ist § 9 Abs. 3 FAG neu zu fassen.
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F. - I. |
§ 7 Abs. 3 FAG ist, soweit darin die Abgeltung der Sonderbelastungen der Länder Bremen und Hamburg aus der Unterhaltung und Erneuerung ihrer Seehäfen geregelt ist, mit dem Grundgesetz vereinbar.
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1. Grundsätzlich müssen Sonderlasten bei der Ermittlung der Finanzkraft unberücksichtigt bleiben. Doch gilt für die Sonderbelastungen aus der Unterhaltung und Erneuerung von Seehäfen aus historischen Gründen eine Ausnahme (vgl. BVerfGE 72, 330 [413 f.]). Wenn der Gesetzgeber, wozu er nicht verpflichtet ist, Seehafenlasten berücksichtigt, ist er weder zu ihrer genauen Berechnung noch zu ihrer vollen Abgeltung von Verfassungs wegen verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat daher lediglich zu überprüfen, ob sich Art und Höhe der Abgeltung durch Sachgründe rechtfertigen lassen und das föderative Gleichbehandlungsgebot gewahrt ist.
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Ausweislich der Begründung des Bundesrates werden in § 7 Abs. 3 FAG für die Häfen Bremens und Hamburgs die Nettoausgaben für Baumaßnahmen und die Nettobelastungen des Betriebes je zu 50 v.H. in Ansatz gebracht. Der hälftige Ansatz der Nettokosten wird zum einen dadurch gerechtfertigt, daß nur ein Teil des über die Seehäfen laufenden Außenhandels über die Grenzen der Länder reiche, in denen die Häfen belegen seien, zum anderen trage der Abschlag dem Umstand Rechnung, daß die Abgrenzung der Hafenlasten von allgemeinen Haushaltsbelastungen mit Unsicherheiten und Interpretationsschwierigkeiten verbunden sei (BTDrucks. 11/789, S. 11). Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, auf einen solchen groben Billigkeitsmaßstab abzustellen, wenn dieser - wie beim Abstellen auf die Hälfte der Nettokosten - eine Gleichbehandlung aller Länder mit relevanten Häfen ermöglicht. Zu einer genaueren Berechnung - etwa im Hinblick auf die Eigeninteressenquote - ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet. Auch ist die Wahl des Referenzzeitraumes ersichtlich nicht auf eine Benachteiligung angelegt.
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2. Der Gesetzgeber ist auch nicht verpflichtet, die Hafenlasten in der Weise zu berücksichtigen, daß die Länder, in denen die Häfen belegen sind, nach Durchführung des gesamten Länderfinanzausgleichs um die Höhe des Ansatzes der Seehafenlasten besser stehen. Dieses Ergebnis kann bei einer Berücksichtigung der Seehafenlasten im Wege der Absetzung von der Finanzkraftmeßzahl, wie es § 7 Abs. 3 FAG vorsieht, ohnehin nicht erreicht werden. Wie sich die finanzielle Lage eines Landes nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs darstellt, läßt sich aus der Höhe seiner Finanzkraftmeßzahl nicht unmittelbar ableiten, sondern hängt entscheidend von der Relation der Finanzkraftmeßzahlen der einzelnen Länder in ihrer Bedeutung für die Bemessung der Ausgleichszuweisungen und der Ausgleichsbeiträge (§ 10 FAG) ab. Daher wird die Absetzung von Hafenlasten im Wege des § 7 Abs. 3 FAG in der weit überwiegenden Zahl der Fälle gerade nicht zu einer Verbesserung um den in dieser Vorschrift genannten Betrag führen. Zwar sind die Seehafenlasten in dem - freilich ganz anders ausgestalteten - Finanzausgleichssystem der Weimarer Zeit durch vertikale Zuschüsse abgegolten worden, doch ist der Weg über eine Absetzung von der Finanzkraftmeßzahl traditioneller Bestandteil des Finanzausgleichs unter dem Grundgesetz. Schon bei der Einführung des Art. 107 Abs. 2 in das Grundgesetz in der Finanzreform 1955 wurden die Seehafenlasten im Gesetz als Abschlag von der Finanzkraftmeßzahl - damals noch in pauschaler Form - berücksichtigt (§§ 3, 6 LFAG vom 27. April 1955 [BGBl. I S. 199]). Da die ausnahmsweise Berücksichtigung der Seehafenlasten als Sonderbedarf aus historischen Gründen zulässig ist, ist es auch unbedenklich, dies auf die hergebrachte Weise zu tun.
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Allerdings könnte eine Entlastung der mit Seehäfen ausgestatteten Länder auch an anderer Stelle im Länderfinanzausgleich erfolgen, etwa nach Feststellung der Ausgleichszuweisungen und Ausgleichsbeiträge (§ 10 FAG). So könnten alle Länder im Verhältnis ihrer Finanzkraft gleichmäßig zur Finanzierung der Hafenlasten herangezogen werden. Ob eine solche Lösung oder eine Finanzierung durch Zweckzuweisungen (vgl. dazu Peffekoven, FinArch 1988, S. 397 ff.) sinnvoller wäre, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Es ist darauf beschränkt zu beurteilen, ob die geltende Regelung - wie immer sie unter ökonomischen Gesichtspunkten zu beurteilen sein mag - verfassungsrechtlich zulässig ist.
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II. |
§ 9 Abs. 2 FAG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Der horizontale Finanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG ist in erster Linie ein Ausgleich des Finanzaufkommens; Sonderbedarfe einzelner Länder haben daher außer Betracht zu bleiben. Er dient dazu, den Ländern staatliche Selbständigkeit durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 72, 330 [383]). Dies verlangt, die absoluten Erträge der Länder im Hinblick auf das Verteilungsziel des Länderfinanzausgleichs angemessen vergleichbar zu machen. Erst dadurch können die Erträge als Indikatoren für die Finanzkraft der Länder im Hinblick auf die Erfüllung der ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben dienen.
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Das geeignete und grundsätzlich angemessene Kriterium hierfür ist die Einwohnerzahl. Sie ist der gegebene Bezugspunkt, wenn es um den Vergleichsmaßstab für die Fähigkeit der Länder geht, ihre Aufgaben zu erfüllen. Mit diesem Kriterium wird zwar ein Bedarfsmaßstab für die Aufgabenerfüllung durch die Länder zugrundegelegt. Dieser ist aber in dem Sinne abstrakt, daß er jedweder besonderen, aus spezifischen Situationen sowie eigenen Prioritäts- oder Dringlichkeitsentscheidungen der Länder herrührenden Ausgabenlast vorgelagert ist. Nur wo die Angemessenheit dieses Kriteriums aus unverfügbar vorgegebener struktureller Eigenart von Ländern, wie sie den Stadtstaaten eigentümlich ist, von vornherein entfällt, ist es gerechtfertigt, die tatsächliche Einwohnerzahl als Bezugspunkt für die Vergleichbarmachung des Finanzaufkommens zu modifizieren (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 f.]).
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1. Wie der Senat in seinem Urteil vom 24. Juni 1986 entschieden hat, ist es zumindest zulässig, der vorgegebenen, historisch gewachsenen strukturellen Eigenart der Stadtstaaten Bremen und Hamburg durch eine Einwohnerwertung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 72, 330 [401, 415]). Umfang und Höhe dieser Berücksichtigung dürfen allerdings vom Gesetzgeber nicht frei gegriffen werden. Sie müssen sich nach Maßgabe verläßlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher dem Gesetzgeber aufgegeben, die Angemessenheit der Regelung des § 9 Abs. 2 FAG (i.d.F. vom 28. August 1969 [BGBl. I S. 1432]) zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
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Zum Zwecke einer solchen Überprüfung erstellte das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bundesregierung und begleitet von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein finanzwissenschaftliches Gutachten (s. oben B V 1). Der Gesetzgeber hat für seine Entscheidung den Indikator II dieses Gutachtens zugrundegelegt und sich dafür entschieden, die Einwohnerwertung der Stadtstaaten in der bisherigen Höhe von 135 v.H. beizubehalten (Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks. 11/789, S. 7). Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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a) Die Gewichtung der Einwohnerzahl der Stadtstaaten erfordert normative Wertungen, die über die rein technische Umsetzung objektiver, finanzwissenschaftlich ermittelbarer Größen hinausgehen; sie läßt sich nicht auf eine bloße Rechenoperation reduzieren. Diese Wertungen hat der Gesetzgeber vorzunehmen.
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Eine "Veredelung" der Einwohnerzahlen der Stadtstaaten durch eine Gewichtung ist insoweit zumindest zulässig, als die Stadtstaaten aufgrund ihrer vorgegebenen strukturellen Eigenart einen Mehrbedarf gegenüber Flächenstaaten aufweisen. Stadtstaaten müssen die Aufgaben eines Bundeslandes erfüllen und sich zugleich Hauptstadt- und Großstadtfunktionen erhalten können, wobei zu bedenken ist, daß sie nur aus Großstadtgebieten bestehen und von ihrem Umland durch Staatsgrenzen getrennt sind. Indem hierbei den Ländern Bremen und Hamburg die Möglichkeit eines landesinternen Finanzausgleichs fehlt, ist es sachgerecht, dieser Folge stadtstaatenspezifischer Eigenart (zumindest teilweise) auf der Ebene des bundesstaatlichen Länderfinanzausgleichs Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 72, 330 [416]).
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aa) Eine Möglichkeit, Indikatoren zur Bestimmung des Mehrbedarfs der Stadtstaaten gegenüber Flächenländern zu finden, liegt in der Durchführung eines Großstadtvergleichs, bei dem die Finanzausstattung von Städten vergleichbarer Größe - unter Einbeziehung der für sie wirksamen staatlichen Sonderleistungen - ermittelt wird (vgl. BVerfGE 72, 330 [416]). Auch ein solcher Großstadtvergleich kann freilich nicht dazu führen, daß die Einwohnerwertung als bloße Rechenoperation erscheint. Die Vergleichsstädte liegen in Flächenländern; ihre Finanzausstattung wird daher auch dadurch bestimmt, ob und inwieweit der jeweilige Flächenstaat die in seinem Gebiet liegenden Großstädte fördert. Diese Entscheidung liegt im Verantwortungsbereich des jeweiligen Landes; die dadurch entstehenden Verhältnisse sind nicht notwendigerweise unverändert auf die Ebene des Länderfinanzausgleichs, an dem Stadtstaaten und Flächenstaaten als autonome Staaten teilnehmen, zu übertragen. Auch bei der Einwohnerwertung ist daher die richtige Mitte in der dem Bundesstaatsprinzip innewohnenden Spannungslage zu finden zwischen Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Bewahrung der Individualität der Länder auf der einen und solidargemeinschaftlicher Mitverantwortung für die Existenz und Eigenständigkeit der Bundesgenossen auf der anderen Seite (vgl. BVerfGE 72, 330 [398]). In welchem Umfang der Finanzausgleichsgesetzgeber bei der Bemessung des durch die Einwohnergewichtung berücksichtigten Mehrbedarfs Aufgaben der Stadtstaaten als notwendig anzusehen hat, hängt somit seinerseits ein Stück weit von wertenden Entscheidungen ab. Die finanzwissenschaftlich ermittelten Daten können daher nur Indikatoren sein, Anhaltspunkte geben und den Rahmen einer angemessenen Einwohnerwertung abstecken. Es verbleibt in der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers, innerhalb dieses Rahmens die genaue Höhe der Einwohnerwertung festzulegen.
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bb) Verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt allein die Entscheidung des Gesetzgebers selbst. Sie muß ihre Grundlage in verläßlichen objektivierbaren Indikatoren finden. Soweit der Gesetzgeber sich für einen Veredelungsfaktor entscheidet, muß dessen Ausgestaltung innerhalb der Bandbreite der Indikatoren verbleiben, die für die strukturelle Eigenart der Stadtstaaten aussagekräftig sind. Auch ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die Gründe für die Wahl des konkreten Wertes der Einwohnerwertung darzulegen; bei der Gestaltung des Länderfinanzausgleichs übt er, anders als eine Verwaltungsbehörde, kein gesetzesgebundenes Ermessen aus.
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b) Der Gesetzgeber hat die Einwohnerwertung aufgrund des Ifo-Gutachtens festgelegt. Dieses Gutachten gibt der Entscheidung des Gesetzgebers eine Grundlage in verläßlichen und objektivierbaren Indikatoren. Die Kritik der Stadtstaaten hieran bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Die Vorgehensweise des Gutachtens wird zwar in mancher Hinsicht dem Zweck der Einwohnerwertung nicht gerecht. Das Gutachten vermag aber ohnehin nur eine Bandbreite angemessener Einwohnerwertungen zu ermitteln und verliert daher seine Funktion als geeignete Grundlage für die gesetzgeberische Entscheidung nicht bereits dann, wenn sich durch unzutreffende Berechnungen dieser Rahmen geringfügig verschiebt oder sich die Auswirkungen fehlerhafter Annahmen gegeneinander aufheben.
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aa) Das Gutachten hat einen Großstadtvergleich in der Weise durchgeführt, daß es die Indikatoren für die Einwohnerwertung der Stadtstaaten aus dem Verhältnis zwischen der durchschnittlichen Finanzausstattung je Einwohner der Vergleichsstädte und der der Flächenstaaten errechnet hat (indirekter Vergleich), während die Stadtstaaten einen direkten Vergleich zwischen ihrer Finanzausstattung und der der Vergleichsstädte bevorzugt hätten. Der Streit hierüber wurde bereits in der mündlichen Verhandlung beigelegt. Es hat sich herausgestellt, daß Unterschiede im Ergebnis allein daraus resultieren, welche Ansätze in den Vergleich eingestellt werden, nicht hingegen ist von Belang, ob der Vergleich direkt oder indirekt durchgeführt wird.
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bb) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, daß das Gutachten hinsichtlich der Hochschulausgaben die Auswirkungen von Varianten auf die Einwohnerwertung berechnet hat. Es nimmt neben der Ausgangsversion, die die Hochschulausgaben in den Vergleichsstädten voll ansetzt, in vier weiteren Varianten Abschläge für die "Kosten der Flächenversorgung" in den Vergleichsstädten vor. Diesen Korrekturen liegt die Annahme zugrunde, daß die Vergleichsstädte ihre Hochschulkapazitäten - als hypothetische Stadtstaaten - womöglich wesentlich reduzieren würden (Ifo-Gutachten, S. 73 ff.).
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Vom Ziel des Großstadtvergleichs her gesehen ist nicht zwingend erforderlich, die Hochschulausgaben in den Vergleichsstädten in voller Höhe einzubeziehen. Aus der Verfassung kann nicht abgeleitet werden, mit welcher Kapazität Hochschulen für die Stadtstaaten auszustatten sind. Dies ist eine wertende Entscheidung, die der Gesetzgeber zu treffen hat. Indem das Gutachten Varianten für die Hochschulausgaben ausgewiesen hat, bietet es eine hinreichende Grundlage für die gesetzgeberische Entscheidung.
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Vom Zweck des Großstadtvergleichs sind allerdings nicht alle Varianten des Gutachtens gedeckt. Variante I oder II hätten als Grundlage der Entscheidung über die Einwohnerwertung nicht dienen können. Variante I des Gutachtens unterstellt, daß die Vergleichsstädte - als Stadtstaaten genommen - die Zahl der angebotenen Studienplätze exakt an der Zahl der eigenen Studierenden ausrichten würden (Tabelle 6, S. 74). Eine solche Unterstellung trägt dem Sinn des Großstadtvergleichs nicht Rechnung. Eine Großstadt - erst recht, wenn sie zudem noch Hauptstadt ist - legt ihre Einrichtungen typischerweise nicht im Hinblick auf ihre Einwohnerzahl aus, teils wegen besonderer repräsentativer Aufgaben, teils aus Gründen der Umlandversorgung. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ausgerechnet für die Hochschulen anderes gelten sollte; die Vermutung spricht eher für die gegenteilige Annahme. In keiner einzigen der Vergleichsstädte weisen die Hochschulen lediglich so viele Studienplätze auf, wie zur Ausbildung der aus der Stadt kommenden Studierenden erforderlich wäre. In allen Vergleichsstädten außer Duisburg und Essen liegt die Eigennutzungsquote sogar deutlich unter 70 v.H. (Ifo-Gutachten, Tabelle 6, S. 74). Das Gutachten bezeichnet daher selbst die Varianten III und IV als plausibler (a.a.0., S. X). Aus entsprechenden Gründen wäre auch eine Einwohnerwertung, die sich an der Variante II orientiert, nicht als auf verläßlichen Indikatoren beruhend anzusehen. Variante II verändert nämlich Variante I nur geringfügig, indem nicht auf die Relationen von Hochschulkapazität und Studierenden in der Vergleichsstadt, sondern im zugehörigen Flächenstaat abgestellt wird.
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cc) Hinsichtlich der Pendlerproblematik, deren Berücksichtigung der Senat nicht als verfassungsrechtlich geboten angesehen hat (BVerfGE 72, 330 [416]), geht das Gutachten davon aus, daß sie sich typischerweise auch bei den in den Großstadtvergleich einbezogenen Vergleichsstädten stellt. Das ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht der Sinn der Einwohnerwertung des § 9 Abs. 2 FAG, die Folgen der Zerlegung der Einkommen- und Lohnsteuer nach dem Wohnsitzprinzip, die das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß beurteilt hat (vgl. BVerfGE 72, 330 [406 f.]), zu kompensieren.
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dd) Vom Zweck der Einwohnerwertung nicht gedeckt ist es, bei den Kosten politischer Führung fiktive Zusatzkosten der Kleinheit hinzuzurechnen. Da die Kostenprogression mit zunehmender Kleinheit des Landes ebenso für die kleinen Flächenländer gilt, wird damit keine stadtstaatenspezifische Besonderheit erfaßt. Überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung von Ländern mit geringer Einwohnerzahl können bei den Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt werden.
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ee) Nicht alle Großstädte mit über 500.000 Einwohnern sind in gleicher Weise als Vergleichsstädte geeignet. Der Zweck des Großstadtvergleichs verlangt zwar nicht, den Vergleich allein auf Hauptstädte zu beschränken. Die stadtstaatenspezifische Besonderheit, die durch die Einwohnerwertung erfaßt werden soll, liegt - neben der Hauptstadtfunktion - auch darin, daß Stadtstaaten Metropolen und Ballungszentren ohne Umland sind. Die Einbeziehung der Städte Frankfurt und Köln ist daher nicht zu beanstanden.
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Die Ruhrgebietsstädte können aber nach dem Zweck des Großstadtvergleichs nur eingeschränkt als Vergleichsstädte herangezogen werden. Bei den Städten Dortmund, Duisburg und Essen besteht wegen der räumlichen Nähe eine Funktionsteilung. Ihre Umlandversorgungsfunktion ist daher nicht mit der der beiden Hansestädte vergleichbar, deren Ausstrahlungskraft als solitäre Zentren weit in den Raum hineinreicht. Andererseits ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die Ruhrgebietsstädte bei der Bemessung der Einwohnerwertung völlig außer acht zu lassen. Durch einen Vergleich mit lediglich fünf Städten kann den Besonderheiten einer einzelnen Stadt zu großes Gewicht zukommen. Zur Neutralisierung solcher Zufälligkeiten sollte eine möglichst große Zahl von Städten in den Vergleich eingehen. Auch wenn die Ruhrgebietsstädte den Stadtstaaten nicht voll vergleichbar sind, ist es dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt, die Ruhrgebietsstädte als zusätzlichen Faktor bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Damit ist dem Gesetzgeber ein Wertungsspielraum eröffnet. Es ist ihm zwar untersagt, den Ruhrgebietsstädten als Vergleichsstädten volles Gewicht zuzumessen, es bleibt ihm aber unbenommen, die sich aus den Ruhrgebietsstädten ergebende Tendenz bei der Festlegung einer angemessenen Einwohnerwertung zu berücksichtigen, etwa in der Weise, daß das Mittel der Werte zugrundegelegt wird, die sich bei Einbeziehung und Ausklammerung der Ruhrgebietsstädte jeweils ergeben. Indem das Gutachten die Daten für die Ruhrgebietsstädte jeweils besonders ausgewiesen hat, hierfür eine Entscheidungsgrundlage gegeben.
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Das Gutachten hat im Ergebnis für Hamburg eine Bandbreite von 125 bis 141 und für Bremen von 127 bis 143 als Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG ermittelt (a.a.0., S. X). Diese Werte sind hinsichtlich der Vergleichsstädte einschließlich der Ruhrgebietsstädte sowie unter Einschluß der Kosten politischer Führung berechnet. Die Bandbreite ergibt sich aus den verschiedenen Varianten hinsichtlich der Hochschulausgaben.
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(1) Auch bei einem Ausschluß der Varianten I und II der Hochschulausgaben (s. oben bb) liegt die Einwohnerwertung in Höhe von 135 v.H. noch innerhalb der Bandbreite angemessener Einwohnerwertungen. Durch einen Ausschluß dieser beiden Varianten wird die Bandbreite für Hamburg auf 131 bis 141 und für Bremen auf 133 bis 143 reduziert (Tabellen 12 und 13, S. 92 f.; dortige Varianten III und IV entsprechen Varianten I und II bei den Hochschulausgaben, s. Erläuterung Tabelle 9, S. 86).
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(2) Die Auswirkungen der fehlerhaften Einbeziehung der zusätzlichen Kosten der Kleinheit (s. oben dd) werden durch die - nur qualifiziert zulässige - Betrachtung der Ruhrgebietsstädte (s. oben ee) jedenfalls so weit kompensiert, daß die Entscheidung für eine Einwohnerwertung von 135 v.H. ihre Grundlage in objektivierbaren Indikatoren behält. Ohne die fehlerhafte Berücksichtigung der zusätzlichen Kosten der Kleinheit wird der gesamte - durch die Varianten hinsichtlich der Hochschulen bestimmte - Rahmen um etwa 7 Prozentpunkte herabgesetzt, legt man die Zahlen der Vergleichsstädte einschließlich der Ruhrgebietsstädte zugrunde. Berechnet man aber diesen Rahmen auf der Basis der Vergleichsstädte abzüglich der Ruhrgebietsstädte, verschiebt er sich - die sonstigen Prämissen des Gutachtens beibehalten - um etwa 4 bis 10 Prozentpunkte nach oben. Wie weit die Ruhrgebietsstädte einbezogen werden sollen, hat der Gesetzgeber zu entscheiden, so daß insoweit präzisere Vorgaben verfassungsrechtlich nicht abgeleitet werden können. Aus diesen Berechnungen wird deutlich, daß auch bei solchen Korrekturen eine Einwohnerwertung von 135 v.H. jedenfalls innerhalb des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums liegt (Berechnungen aufgrund der Tabellen 11, 12 und 13 des Ifo-Gutachtens sowie aufgrund der Einwohnerzahlen der einzelnen Städte, die sich aus Tabelle 2a der "Ergänzende[n] Berechnungen zur Einwohnerwertung der Stadtstaaten" vom Februar 1991 ergeben).
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(3) Ob die gemeindliche Steuerkraft der Vergleichsstädte in voller Höhe, wie Bremen und Hamburg es für methodisch richtig halten, oder lediglich - wie im Ifo-Gutachten - in der Weise in den Großstadtvergleich einzustellen ist, wie sie nach § 8 Abs. 5 FAG in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen wäre, kann dahingestellt bleiben. Die vom Gesetzgeber bestimmte Einwohnerwertung liegt - unabhängig davon, ob die kommunale Steuerkraft voll oder lediglich in der Abgrenzung des Finanzausgleichsgesetzes anzusetzen ist - jeweils innerhalb der Bandbreite angemessener Einwohnerwertungen. Geht man, wie oben dargelegt, davon aus, daß die Kosten politischer Führung bei der Bestimmung der Einwohnerwertung nicht berücksichtigungsfähig sind (dd) und bei den Hochschullasten die Varianten I und II ausscheiden (bb), berücksichtigt man zudem die Ruhrgebietsstädte in der Weise, daß das Mittel der Werte angesetzt wird, die sich unter Einschluß und Ausklammerung der Ruhrgebietsstädte errechnen (ee), so ergibt sich - auf der Grundlage der vom Gesetzgeber verfolgten Konzeption - folgendes: Die Bandbreite der Einwohnerwertungen liegt für Hamburg - beim Ansatz der Steuerkraft in der Abgrenzung des Finanzausgleichsgesetzes - zwischen 125 und 138, für Bremen zwischen 127 und 140. Wäre die kommunale Finanzkraft in voller Höhe einzubeziehen, würde der gesamte Rahmen - unter ansonsten gleichen Prämissen - für Hamburg um bis zu 3, für Bremen um bis zu 8 Prozentpunkte nach oben verschoben. Die Einwohnerwertung in Höhe von 135 läge dann zwar nicht mehr im oberen Drittel der Bandbreite angemessener Einwohnerwertungen, aber jedenfalls noch - auch für Bremen - innerhalb des Rahmens. Daß der Gesetzgeber - unterstellt, die kommunale Finanzkraft sei voll einzubeziehen - zwar für Hamburg, nicht aber für Bremen einen etwa in der Mitte der Bandbreite liegenden Wert gewählt hat, ist nicht zu beanstanden. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, den Veredelungsfaktor bei den Stadtstaaten einheitlich festzulegen.
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Bei den zugrundegelegten Berechnungen wurde ein weiterer Korrekturfaktor einbezogen, um die aus dem Großstadtvergleich resultierende Einwohnerwertung in das System des Finanzausgleichsgesetzes einzupassen. Indem die Ermittlung der Einwohnerwertung für die Stadtstaaten in der Weise geschieht, daß die Finanzausstattung der Vergleichsstädte zur (durchschnittlichen) Finanzausstattung der Flächenstaaten ins Verhältnis gesetzt wird, ergibt sich eine Korrekturbedürftigkeit immer dann, wenn in den Großstadtvergleich kommunale Steuerkraft - sei es voll, sei es in der Abgrenzung des Finanzausgleichsgesetzes - eingeht. Die Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG bezieht sich nämlich nur auf die Landessteuerkraft, während für die gemeindliche Steuerkraft die Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 3 FAG Anwendung findet. Nach § 9 Abs. 3 FAG erreichen aber gegenüber dem Durchschnitt Bremen lediglich eine Einwohnerwertung von 109 v.H. und Hamburg von 117,2 v.H., während die nach der Finanzausstattung der Vergleichsstädte berechnete Einwohnerwertung deutlich höher liegt. Der Teil der durch § 9 Abs. 3 FAG nicht abgedeckten höheren Einwohnerwertung muß daher dieser zunächst berechneten Einwohnerwertung zugeschlagen werden. Eine solche Korrektur nimmt das Ifo-Gutachten auch vor (a.a.0., S. 93). Im Fall der vollen Einbeziehung des Finanzaufkommens muß diese Korrektur durch einen weiteren Korrekturschritt ergänzt werden, um den Großstadtvergleich auch unter diesen Bedingungen in das System des Länderfinanzausgleichs einzuführen. Dieser Korrekturfaktor berücksichtigt den im Finanzausgleichsgesetz nicht einbezogenen Teil der Gemeindesteuern; er setzt somit die im ersten Korrekturschritt zunächst erhöhte Einwohnerwertung anschließend wieder um einige Prozentpunkte herab. Er ist auf der Grundlage des von den Stadtstaaten nicht in den Länderfinanzausgleich eingebrachten Teils der Gemeindesteuern sowie der aus den obengenannten Tabellen sowie Tabelle 4a der Ergänzenden Berechnungen ersichtlichen Daten zu berechnen.
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2. Die besondere Situation des Saarlandes rechtfertigt keine Gewichtung der Einwohnerzahl; sie ist nicht durch Stadtstaatlichkeit geprägt.
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Das Saarland verfügt zwar nur über ein sehr kleines Staatsgebiet, dessen Größe und Zuschnitt durch die Kohleförderung im Saarrevier und die dort beheimatete Stahlindustrie im Zuge der Geschehnisse nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg bestimmt worden sind. Ihm werden noch auf längere Zeit die wirtschaftlichen Folgeprobleme anhaften, die sich aus dieser Ausrichtung ergeben. Weder diese Probleme noch wirtschaftliche Probleme aufgrund der geographischen Lage oder der Zugehörigkeit zum französischen Wirtschaftsgebiet vor dem Beitritt zur Bundesrepublik sind jedoch unverfügbar vorgegeben; sie sind grundsätzlich - wenn auch erst in größeren Zeitabständen - abänderbar. Umstände vergleichbarer Art könnte - in der einen oder anderen Ausprägung - jeder Flächenstaat geltend machen. Hingegen kann die strukturelle Eigenart der Stadtstaaten nicht verändert werden, ohne die Stadtstaaten als Stadtstaaten zu beseitigen.
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III. |
§ 7, § 8 Abs. 5 und § 9 Abs. 2 FAG sind mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit sie die Sozialhilfelasten nicht besonders berücksichtigen.
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1. Das bundesstaatliche System der Verteilung des Finanzaufkommens richtet sich - dem Konnexitätsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG folgend - an den Bund und Ländern verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben aus (vgl. BVerfGE 72, 330 [383]). Soweit von den Ländern ausgeführte Geldleistungsgesetze des Bundes nicht gemäß Art. 104a Abs. 3 GG bestimmen, daß die Geldleistungen vom Bund getragen werden, gehören die den Ländern aus der Ausführung dieser Gesetze entstehenden Lasten zu den Ausgaben, die sie aus ihrem Anteil an den Gesamteinnahmen des Bundesstaates zu decken haben.
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Diese Regelungssystematik des bundesstaatlichen Finanzausgleichs schließt es - entgegen der Auffassung des Hamburger Senats - aus, aus dem Regelungsziel eines "angemessenen" Ausgleichs in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG vorab unmittelbar das Gebot einer zusätzlichen Berücksichtigung der Sozialhilfelasten abzuleiten mit der Folge, daß nur noch die Frage nach dem geeigneten Regelungsort innerhalb des Finanzausgleichsgesetzes zu stellen wäre. Vielmehr kann nur bei den einzelnen in diesem Zusammenhang angegriffenen Vorschriften geprüft werden, ob jeweils unter dem speziell in ihnen erfaßten Aspekt eines angemessenen Ausgleichs eine besondere Berücksichtigung von Sozialhilfekosten geboten ist.
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2. a) Eine Abgeltung der Sozialhilfekosten als Sonderbelastung in der Weise, daß sie - vergleichbar den Hafenlasten - von den nach § 7 FAG in den Länderfinanzausgleich einzubeziehenden Einnahmen der Länder in Abzug gebracht werden, wäre mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GG unvereinbar. Wie bereits dem Urteil des Senats vom 24. Juni 1986 zu entnehmen ist, müssen (von der historisch begründeten Ausnahme der Seehafenlasten abgesehen) bei der Ermittlung der Finanzkraft im Sinne dieser Vorschrift Sonderbedarfe einzelner Länder unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 ff.]).
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b) Auch bei der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG ist eine besondere Berücksichtigung der Sozialhilfeausgaben der Stadtstaaten nicht geboten. Typischerweise haben alle Großstädte besonders hohe Sozialhilfeausgaben. Eine darüber hinausgehende stadtstaatenspezifische Besonderheit ist insoweit nicht ersichtlich. Den Sozialhilfelasten wird daher bei der Bemessung der Einwohnerwertung durch einen Großstadtvergleich, wie ihn das Ifo-Gutachten vorgenommen hat, ausreichend Rechnung getragen.
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c) Eine Berücksichtigung der (gemeindlichen) Sozialhilfekosten als Finanzbedarf der Gemeinden im Rahmen des § 8 Abs. 5 FAG scheidet aus. Der gemeindliche Finanzbedarf im Sinne des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG ist, wie oben (E II 4 a) dargelegt, ein abstrakter Bedarf, der den generellen Mehrbedarf bei der Erledigung der den Gemeinden obliegenden Aufgaben erfaßt, nicht aber einen besonderen Bedarf bestimmter Gemeinden. Nicht ausgeschlossen wird hierdurch allerdings eine mittelbare Berücksichtigung von Sozialhilfelasten etwa im Rahmen von § 9 Abs. 3 FAG. Insofern die Sozialhilfelasten großstadttypische Ursachen haben, können sie zu einem durch die Zunahme der Siedlungsdichte verursachten Mehraufwand auf sozialem Gebiet gehören. Auch über die mögliche Einbeziehung von Merkmalen der Bevölkerungsstruktur, wie etwa dem Anteil pflegebedürftiger Personen oder der Erwerbslosenquote, mögen Sozialhilfeausgaben indirekt miterfaßt werden können. Der Gesetzgeber ist, wie dargelegt, ohnehin zur Überprüfung und etwaigen Neuregelung des § 9 Abs. 3 FAG verpflichtet.
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IV. |
§ 10 Abs. 3 FAG ist mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. dem verfassungsrechtlichen Willkürverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar, soweit er bei der Berechnung der Fehlbeträge die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe je Einwohner ohne Berücksichtigung der Abzugsbeträge für die Hafenlasten gemäß § 7 Abs. 3 FAG und der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG ermittelt und soweit er die Aufbringung der Fehlbeträge regelt. Er ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er allein auf die Ländereinnahmen abstellt.
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1. Bei der sogenannten Ländersteuergarantie des § 10 Abs. 3 FAG handelt es sich nicht um eine "Kontrollrechnung", wie die Vorschrift in den Verordnungen zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern bezeichnet wird (siehe beispielsweise BRDrucks. 694/90, S. 7, Zeilen 49 bis 54); sie korrigiert vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen die Ergebnisse, zu denen das Ausgleichsverfahren gemäß §§ 4 bis 10 Abs. 2 FAG geführt hat. § 10 Abs. 3 FAG soll bewirken, daß einerseits jedes ausgleichsberechtigte Land im Ergebnis mindestens 95 v.H. der durchschnittlichen Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder erreicht, andererseits aber kein ausgleichspflichtiges Land unter 100 v.H. des Länderdurchschnitts dieser Einnahmen fällt.
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Eine gesetzliche Begrenzung der Ausgleichspflichten und Ausgleichsansprüche entspricht grundsätzlich dem Gebot des Art. 107 Abs. 2 GG, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder nur angemessen und ohne Nivellierung auszugleichen. Ausgleichsverpflichtungen dürfen insbesondere nicht dazu führen, daß die Reihenfolge der Finanzkraft der ausgleichspflichtigen Länder verändert wird (vgl. BVerfGE 72, 330 [418 f.]). § 10 Abs. 3 FAG verfährt aber bei der Berechnung der hiernach nur begrenzt auszugleichenden Fehlbeträge in mehrfacher Hinsicht nach anderen Maßstäben, als sie dem vorausgegangenen Ausgleichsverfahren zugrundeliegen. Zum einen wird allein auf die Finanzkraft der Länder abgestellt, während die Finanzkraft der Gemeinden im Unterschied zu § 8 FAG unberücksichtigt bleibt. Zum anderen werden von den Einnahmen der Länder Bremen, Hamburg und Niedersachsen nicht, wie nach § 7 Abs. 3 FAG bei Ermittlung der Finanzkraftmeßzahl, die Hafenlasten abgesetzt. Schließlich werden bei der Umrechnung auf die Einwohnerzahl die Einwohner der Stadtstaaten nicht wie nach § 9 Abs. 2 FAG veredelt. Die Fehlbeträge werden für den Fall, daß es ein ausgleichsberechtigtes Land auf 95 v.H. des Länderdurchschnitts zu heben gilt, von den ausgleichspflichtigen Ländern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 FAG), für den Fall, daß ein ausgleichspflichtiges Land unter 100 v.H. des Länderdurchschnitts fällt, von den anderen ausgleichspflichtigen Ländern aufgefüllt (Satz 2). Wenn ein nach Satz 2 in Anspruch genommenes ausgleichspflichtiges Land infolge von Leistungen nach Satz 2 selbst unter 100 v.H. des Länderdurchschnitts sinkt, wird der Restfehlbetrag auf die übrigen ausgleichspflichtigen und die ausgleichsberechtigten Länder im Verhältnis ihrer Finanzkraft verteilt (Satz 3). In der Praxis wird diese Regelung auch dann angewandt, wenn es kein weiteres ausgleichspflichtiges Land gibt, welches nach Satz 2 herangezogen werden könnte; in diesem Fall werden alle Länder im Verhältnis ihrer Finanzkraft in Anspruch genommen.
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2. Dem Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein verwehrt, das Ergebnis des von ihm festgelegten Verfahrens, das auf einen angemessenen Ausgleich zielt und diesen an sich zu bewirken in der Lage ist, aus besonderen Gründen noch einmal zu korrigieren. Doch muß eine solche Korrektur dem verfassungsrechtlichen Willkürverbot genügen; er ist nicht nur grundrechtlich im allgemeinen Gleichheitssatz gesichert, sondern zugleich ein Element des das Grundgesetz beherrschenden Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) und gilt daher auch im Verhältnis von Hoheitsträgern untereinander (vgl. BVerfGE 21, 362 [369 f.]; 23, 353 [372 f.]; 26, 228 [244 f.]). Zudem muß die Korrektur das Nivellierungsverbot beachten. Eine Regelung im Finanzausgleichsgesetz, die hiergegen verstößt, könnte nicht einen angemessenen Ausgleich bewirken und stellte somit zugleich einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Das Willkürverbot ist in diesem Zusammenhang dann verletzt, wenn der Gesetzgeber selbstgesetzte Maßstäbe für die - stufenweise - Bewirkung des angemessenen Ausgleichs ohne irgendwie einleuchtenden Grund wieder verläßt und dies Ergebnisse hervorruft, die zu den selbstgesetzten Maßstäben und Ausgleichsschritten in Widerspruch stehen. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Berechnung der nach § 10 Abs. 3 FAG aufzubringenden Fehlbeträge (nachfolgend a) als auch für die Regelung ihres Aufbringens (nachfolgend b).
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a) aa) Bei der abschließenden Schlußkorrektur allein auf die für den Finanzausgleich relevanten Einnahmen der Länder abzustellen, verletzt nicht das verfassungsrechtliche Willkürverbot. Da die Ausgleichsleistungen im Länderfinanzausgleich allein von den Ländern erbracht werden und die Länder haushaltsrechtlich nur über ihre Ländereinnahmen verfügen können, ist es nicht willkürlich, in Grenzfällen durch eine Sicherungsklausel einerseits eine zu starke Belastung der Länderhaushalte zu vermeiden, andererseits den ausgleichsberechtigten Ländern einen Mindestprozentsatz an Ländereinnahmen zu gewährleisten. Eine solche Korrektur, die die Gemeindefinanzkraft völlig außer Ansatz läßt, ist jedoch nur für Ausnahmefälle zulässig. Sie darf nicht dazu führen, daß die durch Art. 107 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GG angeordnete Berücksichtigung der Finanzkraft der Gemeinden umgangen oder aufgehoben wird. Das ist hier nicht der Fall.
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bb) Daß bei der Umrechnung der Einnahmen auf die Einwohnerzahl in § 10 Abs. 3 FAG die Einwohner der Stadtstaaten nicht wie nach § 9 Abs. 2 FAG veredelt werden, steht in Widerspruch zu der vom Gesetzgeber vorgenommenen Bemessung der Finanzkraft der Stadtstaaten. Mit der Einwohnerwertung in § 9 Abs. 2 FAG hat der Gesetzgeber anerkannt, daß Stadtstaaten aufgrund ihrer vorgegebenen strukturellen Eigenart einen Mehrbedarf gegenüber Flächenstaaten aufweisen (s. oben II 1 a). Weshalb die strukturelle Andersartigkeit der Stadtstaaten im Hinblick auf die Ländersteuergarantie anders zu beurteilen sein sollte als im Rahmen des vorangegangenen Verfahrens des Finanzausgleichs, ist nicht ersichtlich. Weder in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht noch im Gesetzgebungsverfahren ist ein Grund für diese abweichende Regelung überhaupt genannt worden. Die Umrechnung der Steuereinnahmen auf die ungewichteten Einwohnerzahlen kann beispielsweise dazu führen, daß die Finanzausstattung, die einem Stadtstaat gemäß der gesetzgeberischen Entscheidung durch die Einwohnerwertung als eigene verbleiben soll, nach § 10 Abs. 3 FAG in vollem Umfang abgeschöpft wird, oder dazu, daß ausgleichsberechtigte Stadtstaaten nicht auf 95 v.H. einer solchen Finanzausstattung angehoben werden.
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cc) Dem selbstgesetzten Maßstab widerspricht es auch, die nach § 7 Abs. 3 FAG abzusetzenden Hafenlasten bei den für die sogenannte Ländersteuergarantie des § 10 Abs. 3 FAG erforderlichen Berechnungen außer Betracht zu lassen. Zwar ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die Kosten für die Unterhaltung von Seehäfen von der Finanzkraft bestimmter Länder abzusetzen, doch ist kein Grund ersichtlich, weshalb die einmal getroffene und in sich sachlich begründete Entscheidung, daß Hafenlasten als Sonderlasten die Finanzkraft bestimmter Länder mindern, für die Zwecke der Ländersteuergarantie anders zu beurteilen wäre. Daß die Hafenlasten bei der Schlußkorrektur nicht mehr angesetzt werden, kann dazu führen, daß ein ausgleichspflichtiges Land den Teil seiner Finanzkraft, der zur Deckung der Hafenlasten dienen sollte, doch noch in den Ausgleich einzubringen hat, und umgekehrt einem ausgleichsberechtigten Land die Verminderung seiner Finanzkraft durch die Hafenlasten bei der Hebung auf 95 v.H. nicht angerechnet wird.
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b) aa) Durch § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FAG i.V.m. der Festlegung einer ausgleichsfreien Zone in § 10 Abs. 2 FAG kann sich die Reihenfolge der Länder hinsichtlich ihrer Finanzkraft verändern. Nach dieser Vorschrift werden zur Deckung der nach der Regelung anfallenden Fehlbeträge die ausgleichspflichtigen Länder - wenn ein Fehlbetrag eines ausgleichspflichtigen Landes zu erstatten ist, nur die anderen ausgleichspflichtigen Länder - herangezogen. Da § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 FAG für diesen Fall eine Erhöhung der Ausgleichsbeiträge anordnet, sind im Sinne dieser beiden Sätze "ausgleichspflichtig" nicht - wie nach § 5 Abs. 1 FAG - alle Länder, deren Finanzkraftmeßzahl ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt, sondern nur die Länder, die nach § 10 Abs. 2 FAG zur Zahlung von Ausgleichsbeiträgen herangezogen werden. "Ausgleichspflichtig" im Sinne des § 10 Abs. 3 FAG sind also nicht die Länder, deren Finanzkraft in der "ausgleichsfreien Zone" liegt. Es kann somit der Fall eintreten, daß ein ausgleichspflichtiges Land mit einem hohen Anteil an Landessteuern zu Leistungen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 FAG herangezogen wird und dadurch seine Finanzkraft unter die in § 10 Abs. 2 FAG vorgesehene Grenze der ausgleichsfreien Zone absinkt; möglicherweise kann seine Finanzkraft damit hinter die eines an der oberen Grenze der ausgleichsfreien Zone angesiedelten Landes zurückfallen. Eine solche Verkehrung der Reihenfolge der Finanzkraft widerspräche dem Gebot, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder nur angemessen und ohne Nivellierung auszugleichen (vgl. BVerfGE 72, 330 [418 f.]).
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Für den verfassungsrechtlichen Mangel kommt es nicht darauf an, ob dieser Fall bereits in einem Ausgleichsjahr eingetreten ist, sondern daß er, da es sich um eine generelle Regelung handelt, eintreten kann.
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bb) Auch § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG verstößt gegen das Gebot des angemessenen Ausgleichs. Diese Vorschrift wurde 1990 in das Finanzausgleichsgesetz eingefügt und sollte ein Problem lösen, welches sich erst in letzter Zeit ergeben hatte. Die Fehlbeträge nach Satz 1 und 2 konnten nicht mehr voll aufgefüllt werden, weil die hierzu gemäß der Regelung herangezogenen ausgleichsbeitragspflichtigen Länder ihrerseits unter das ihnen durch § 10 Abs. 3 Satz 2 FAG garantierte Mindestniveau gesunken wären oder bereits darunter lagen.
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(1) Seinem Wortlaut nach greift § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG freilich nur für den Fall, daß der Fehlbetrag eines ausgleichsbeitragspflichtigen Landes infolge von Leistungen nach Satz 2 - also zur Auffüllung des Fehlbetrages eines anderen ausgleichsbeitragspflichtigen Landes - entstanden ist. Für den Fall, daß alle ausgleichsbeitragspflichtigen Länder Fehlbeträge aufweisen, besteht bei wörtlicher Auslegung weiterhin eine Regelungslücke. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich jedoch, daß die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG auch für diese Fälle gedacht ist (BTDrucks. 11/6339, S. 1 und 5). In der Praxis wird § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG denn auch auf alle Konstellationen von Fehlbeträgen ausgleichsbeitragspflichtiger Länder angewandt, die nach Satz 2 nicht mehr aufzubringen sind. Dabei wird folgendermaßen vorgegangen: Zunächst wird festgestellt, ob ausgleichsbeitragspflichtige Länder unter 100 v.H. der länderdurchschnittlichen Einnahmen liegen. Ist dies der Fall und gibt es weitere ausgleichsbeitragspflichtige Länder, die über 100 v.H. der länderdurchschnittlichen Einnahmen liegen, werden zunächst diese mit weiteren Ausgleichsleistungen belastet, bis sie ihrerseits die Grenze von 100 v.H. erreichen. Bleibt danach noch ein Restbetrag unaufgefüllt, wird dieser auf alle übrigen Länder im Verhältnis ihrer Finanzkraft verteilt. Weisen hingegen alle ausgleichsbeitragspflichtigen Länder Fehlbeträge auf, werden diese von allen Ländern im Verhältnis ihrer Finanzkraft aufgebracht. (Siehe beispielsweise Schnellbrief des Bundesministers der Finanzen vom 22. November 1991 - V A 6 FV 3100 - 13/91 - Anlage 1, Zeilen 54 bis 56; BRDrucks. 696/90, S. 7, Rechenzeilen 52 bis 54; Schnellbrief des Bundesministers der Finanzen vom 30. Januar 1990 - V A 3 - FV 3100 - 4/90 - Anlage 1, Zeilen 52 bis 55.)
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(2) Der Grundgedanke des § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG, Fehlbeträge, die nach Satz 2 nicht mehr aufzufüllen sind, auf alle Länder im Verhältnis ihrer Finanzkraft zu verteilen, entspricht dem Regelungsziel des angemessenen Ausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Ihm widerspricht es jedoch, von dieser gemeinsamen Last die Länder auszunehmen, die bereits nach § 10 Abs. 3 Satz 2 FAG in Anspruch genommen worden sind. So werden nicht mehr - wie vom Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft gefordert - alle Mitglieder des Bundes gleichmäßig nach ihrer Leistungsfähigkeit zum Ausgleich herangezogen. Denn noch so geringe Zahlungspflichten nach Satz 2 führen automatisch zur völligen Befreiung von Leistungen nach Satz 3.
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Daß hieraus ungereimte Ergebnisse entstehen können, zeigt das Ausgleichsjahr 1989. In diesem Jahr waren allein Baden-Württemberg und Hessen nach § 10 Abs. 2 FAG ausgleichspflichtig. Baden-Württemberg war durch seine Ausgleichsbeiträge unter die Ländersteuergarantie von 100 v.H. des Länderdurchschnitts gefallen und konnte einen Fehlbetrag in Höhe von fast 350 Mio. DM geltend machen. Nach der vorläufigen Abrechnung waren Hessens Ländersteuereinnahmen leicht überdurchschnittlich, so daß Hessen etwa 7,7 Mio. DM nach § 10 Abs. 3 Satz 2 FAG hätte übernehmen müssen; damit war es dann von Leistungen nach § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG befreit (Schnellbrief des Bundesministers der Finanzen vom 30. Januar 1990 - V A 3 - FV 3110 - 4/90 - Anlage 1, Zeilen 52 bis 56). Bei der endgültigen Abrechnung für das Ausgleichsjahr 1989 lag Hessen jedoch nach seinen Ausgleichsleistungen gemäß § 10 Abs. 2 FAG leicht unter dem Länderdurchschnitt, so daß es nach Satz 2 nicht herangezogen werden konnte. Damit blieb Hessen aber nach Satz 3 leistungspflichtig und mußte für den Fehlbetrag Baden-Württembergs einen Betrag von über 30 Mio. DM übernehmen (BRDrucks. 696/90, S. 7, Zeilen 52 bis 54). Die verhältnismäßig geringe Zahlung nach Satz 2 - wie in der vorläufigen Abrechnung - hätte Hessen also einen ganz erheblichen Vorteil gebracht. Nachdem Hessen in diesem Zeitraum doch etwas geringere Ländersteuereinnahmen - wie in der endgültigen Abrechnung - hatte, mußte es sich am Aufbringen des Fehlbetrages von Baden-Württemberg mit einer wesentlich höheren Summe beteiligen. Ein solches Ergebnis, das seine Ursache in der sprunghaften Abstufung der Ausgleichspflichten ohne fließende Übergänge hat, verletzt Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.
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c) Geradezu widersinnige Auswirkungen der Berechnung der Fehlbeträge und ihres Ausgleichs zeigen sich schließlich bei den Stadtstaaten. Solange ein Stadtstaat nicht ausgleichsbeitragspflichtig ist, wird er zur Auffüllung der Fehlbeträge nach § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG lediglich zusammen mit den anderen Ländern und zwar im Verhältnis ihrer Finanzkraft, insgesamt also mit relativ geringen Beträgen, herangezogen. Sobald ein Stadtstaat aber, wenn auch nur geringfügig, ausgleichsbeitragspflichtig wird, wird er nach § 10 Abs. 3 Satz 2 FAG solange mit anderen ausgleichspflichtigen Ländern, gegebenenfalls sogar allein zur Auffüllung der gesamten Fehlbeträge herangezogen, bis er seinerseits an die Grenze von 100 v.H. des Durchschnitts der Ländereinnahmen gelangt. Da bei der Umrechnung der Einnahmen auf die Einwohnerzahl die Einwohner der Stadtstaaten nicht wie nach § 9 Abs. 2 FAG veredelt werden, kann der Stadtstaat so zu außerordentlich hohen Leistungen verpflichtet werden, die in keinerlei Zusammenhang zu den Ausgleichsbeiträgen stehen, zu denen er nach § 10 Abs. 2 FAG herangezogen wird (vgl. die Beispiele bei Michalk, Wirtschaftsdienst 1989, S. 446 ff., 450 ff.). Damit wird die Heranziehung zu Ausgleichsbeiträgen auch völlig unkalkulierbar; es ist nahezu unmöglich, sich im Sinne einer ordnungsgemäßen Haushalts- und Finanzwirtschaft darauf im vorhinein einzustellen.
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In der neuerdings vorliegenden vorläufigen Abrechnung für das Jahr 1991 ist ein solcher Fall auch tatsächlich eingetreten. In den Jahren 1989 und 1990 lag Hamburg in der ausgleichsfreien Zone, so daß es an dem Aufbringen der Fehlbeträge nur nach § 10 Abs. 3 Satz 3 FAG mit relativ geringen Beträgen beteiligt war. Im Jahr 1989 hatte es etwa 13 Mio. DM (BRDrucks. 696/90, S. 7, Zeile 54) und nach der vorläufigen Abrechnung für 1990 etwa 3,3 Mio. DM zu bezahlen (BRDrucks. 556/90, S. 11, Zeile 55). Nach der vorläufigen Abrechnung für 1991 wird Hamburg erstmals wieder ausgleichspflichtig; als Ausgleichsbeiträge muß es ca. 109 Mio. DM leisten. Wegen § 10 Abs. 3 Satz 2 FAG wird es jedoch darüber hinaus zu Zahlungen in Höhe von fast 150 Mio. DM herangezogen (Schnellbrief des Bundesministers der Finanzen vom 10.02.1992 - V A 6 - FV 3110 - 3/92 - Anlage 1, Zeilen 45 und 53).
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3. Aus dem Vorstehenden erhellt, zu welchen Verwerfungen es bei der Anwendung des § 10 Abs. 3 FAG kommen kann. Der Vertreter der Bundesregierung hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Bundesregierung sei sich des Hamburger Problems bewußt und werde sich um eine Lösung bemühen, sobald dieses Problem praktisch werde. Ein solches Bemühen, von Fall zu Fall Lösungen für auftretende Verzerrungen zu finden, reicht verfassungsrechtlich jedoch nicht aus. Führt der Gesetzgeber im Rahmen einer Schlußkorrektur des Länderfinanzausgleichs neue Bedingungen ein - hier eine Garantie hinsichtlich der Ländersteuern -, ist er verpflichtet, sich der Wirkungsweise und Tragweite einer solchen nachträglichen Änderung des Ausgleichsverfahrens zu vergewissern. Die Regelung des § 10 Abs. 3 FAG hat auch bereits insofern praktische Bedeutung erlangt, als bei Berücksichtigung der Einwohnerwertung der Stadtstaaten nach § 9 Abs. 2 FAG der Länderdurchschnitt gesunken wäre, so daß sich die Finanzkraft der Flächenländer relativ um etwa 1,3 v.H. erhöht hätte (Michalk, a.a.O., S. 450). Dies hätte zur Folge gehabt, daß beispielsweise in den Ausgleichsjahren 1988 und 1989 keine Ausgleichsleistungen nach § 10 Abs. 3 FAG zu erbringen gewesen wären (vgl. BRDrucks. 695/90, S. 7, Zeile 52; BRDrucks. 556/90, S. 11, Zeile 52). Es mag schwierig sein, zusätzliche Korrekturbedingungen in das fein austarierte System des Finanzausgleichs einzufügen. Das befreit den Gesetzgeber jedoch nicht davon, die Berechnung und das Verfahren zur Aufbringung von - sich etwa ergebenden - Fehlbeträgen in einer Weise zu regeln, die dem Regelungsziel eines angemessenen Ausgleichs entspricht und dabei den Erfordernissen der Normenklarheit und -verständlichkeit genügt.
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G. - I. |
§ 11a Abs. 3 FAG ist mit Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG derzeit vereinbar, soweit darin der Vorabbetrag wegen der Haushaltsnotlage des Saarlandes mit 75 Mio. DM bemessen wird; er ist mit Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG unvereinbar, soweit (in der der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 zugrundeliegenden Fassung) Bremen für die Jahre 1987 und 1988 ein Vorabbetrag wegen Haushaltsnotlage nicht gewährt worden ist und (i.d.F. vom 20. Dezember 1988 und i.d.F. vom 24. Juni 1991) für die Jahre danach für Bremen ein solcher Vorabbetrag nur in Höhe von 50 Mio. DM vorgesehen ist.
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1. Das Saarland und Bremen befinden sich in einer Haushaltsnotlage.
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a) Als ein Indikator für eine Haushaltsnotlage können die Finanzierungsquoten der jeweiligen Haushalte dienen, die das Verhältnis zwischen Netto-Kreditaufnahme und den Einnahmen oder Ausgaben des Haushalts aufweisen. Ebenso kann eine Haushaltsnotlage in den Belastungsquoten zum Ausdruck kommen, welche die Zinsausgaben ins Verhältnis zu den (steuerlichen) Einnahmen und den Ausgaben des Haushalts setzen. Beide Quoten vermögen, insbesondere wenn ihre Entwicklung und die Anstrengungen zu ihrer Verbesserung über die Jahre hinweg verfolgt werden, einzeln oder auch in ihrer Kombination anzuzeigen, inwieweit Kreditfinanzierung, eine daraus hervorgehende und möglicherweise kontinuierlich steigende Schuldenlast sowie damit korrespondierende Zinsausgaben die haushaltswirtschaftliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigen oder gar - mit der Tendenz zur Leistungsunfähigkeit im Blick auf die verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben - ganz aufheben.
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b) Welche einzelne Quote oder welche Kombination von Quoten ab welcher Größe eine Haushaltsnotsituation präzise definieren, kann hier offenbleiben. Jedenfalls liegt eine Haushaltsnotlage vor, wenn, wie im Saarland (ohne Kommunen), die Kreditfinanzierungsquote für 1986 mit 14,1 v.H. gegenüber dem Durchschnitt der Bundesländer (6,9 v.H.) mehr als doppelt so hoch war und die Zins-Steuer-Quote zur selben Zeit mit 19,8 v.H. weit über dem Durchschnitt der Bundesländer (11,8 v.H.) lag (siehe zu diesen und folgenden Angaben die Stellungnahme der Bundesregierung vom 06. September 1991, Anlage, korrigiert insoweit, als die Zahlungen im horizontalen Länderfinanzausgleich sowie die Bundesergänzungszuweisungen abzüglich der Vorabbeträge zur Abgeltung von Sonderlasten nach § 11a Abs. 3 FAG den Steuereinnahmen zugerechnet wurden). Bei Einbeziehung der Kommunen betrug 1986 die Kreditfinanzierungsquote des Saarlandes 11,3 v.H. gegenüber einem Durchschnitt der Bundesländer von 5,3 v.H. und die Zins-Steuer-Quote 20,6 v.H. gegenüber einem Durchschnitt der Bundesländer von 12,0 v.H. Für Bremen betrug die Kreditfinanzierungsquote für 1986 19,3 v.H., also mehr als das Dreifache des Durchschnitts der Bundesländer, die Zins-Steuer-Quote 26,3 v.H., mithin mehr als das Zweifache des Länderdurchschnitts (einschließlich Kommunen).
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Diese Haushaltsnotlage hat sich seitdem, ungeachtet zwischenzeitlich gewährter Hilfen des Bundes, nicht gebessert. Für das Haushaltsjahr 1990 beträgt die Kreditfinanzierungsquote des Saarlandes (ohne Kommunen) - nach einem vorübergehenden Anstieg auf über 17 v.H. im Jahr 1988 - 14,3 v.H. bei einem Länderdurchschnitt von 6,4 v.H., die Zins-Steuer-Quote 23,3 v.H. gegenüber einem Länderdurchschnitt von 11,1 v.H. Bezogen auf die Länder einschließlich der Kommunen stellt sich die Lage des Saarlandes 1990 mit einer Kreditfinanzierungsquote von 10,3 v.H. gegenüber einem Länderdurchschnitt von 5,1 v.H. und einer Zins- Steuer-Quote von 22,5 v.H. gegenüber einem Länderdurchschnitt von 11,2 v.H. kaum besser dar. Für Bremen liegt die Kreditfinanzierungsquote - nach einem Rückgang auf 9,2 bzw. 9,4 v.H. für 1988 und 1989 - für das Haushaltsjahr 1990 bei 16 v.H., die Zins-Steuer-Quote bei 23,9 v.H., d.h. weiterhin über dem Zweifachen des Länderdurchschnitts (11,2 v.H. einschließlich Kommunen). Zum Vergleich: Die Kreditfinanzierungsquoten Baden- Württembergs und Bayerns für 1990 (ohne Kommunen) betragen 5,7 und 2,4 v.H., die Zins-Steuer-Quoten 8,0 und 5,7 v.H.
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Diese Entwicklung zeigt zweierlei: Einerseits haben das Saarland und vor allem Bremen durchaus Anstrengungen unternommen, ihre Netto-Kreditaufnahme - möglicherweise unter Einsatz der durch Bundesergänzungszuweisungen erhaltenen Mittel - zu verringern und insofern ihre Haushaltswirtschaft auf Stabilisierung ausgerichtet. Andererseits hat die Rückführung der Kreditaufnahme nur bewirken können, daß sich die Zins-Steuer-Quote für Bremen leicht verringert hat, für das Saarland hat sie sich gleichwohl leicht erhöht. Der Grund dafür liegt in langjährig angestiegener Schuldenlast, deren mittel- und längerfristige zinsmäßige Auswirkung zunehmend jeden haushaltswirtschaftlichen Handlungsspielraum einschnürt: Das Saarland und Bremen müssen etwa ein Viertel ihrer steuerlichen Einnahmen allein für Zinszahlungen aufwenden, ohne damit eine Mark ihrer Schulden getilgt und eine ihrer ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben erledigt zu haben.
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2. Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG können im Rahmen ihrer generellen Zweckbestimmung, eine Leistungsschwäche einzelner Länder auszugleichen, auch dazu eingesetzt werden, Sonderlasten zu berücksichtigen (BVerfGE 72, 330 [402]). Zwar sind sie nicht dazu bestimmt, finanziellen Schwächen abzuhelfen, die eine unmittelbare und voraussehbare Folge eigener politischer Entscheidungen des Landes bilden. Ungeachtet dessen können aber bei einer Haushaltsnotsituation eines Landes, wenn eine Abhilfe auf andere Weise nicht möglich ist, auch Lasten, die durch diese Notsituation bedingt sind, als berücksichtigungsfähiger Sonderbedarf in Betracht kommen (vgl. BVerfG, a.a.0., S. 404 f.).
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a) Berücksichtigt der Gesetzgeber im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen Sonderlasten aus einer Haushaltsnotlage, so kann dies nur in dem Umfang geschehen, der der Funktion der Bundesergänzungszuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs als dessen letzter Stufe entspricht. Die Unterstützung muß im Wege der Bundesergänzungszuweisungen geleistet werden können (vgl. BVerfGE 72, 330 [405]). Dabei ist das föderative Gleichbehandlungsgebot zu beachten (vgl. BVerfGE 72, 330 [404]).
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Die Bundesergänzungszuweisungen sind in der geltenden Finanzverfassung nur als Ergänzung, nicht als Ersatz des horizontalen Finanzausgleichs gedacht. Sie sollen weder diesen noch auch die vertikale Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern nach Art. 106 GG überlagern (vgl. BVerfG, a.a.0., S. 387, 402), sind vielmehr dem horizontalen Finanzausgleich als ein abschließendes vertikales Ausgleichselement nachgeschaltet. Es sollen ergänzende Korrekturen angebracht werden können, wenn die Steuerverteilung innerhalb der Ländergesamtheit und auch der angemessene Ausgleich unter den Ländern eine Finanzausstattung erbringen, die unter dem Gesichtspunkt des bündischen Prinzips des Einstehens füreinander noch als änderungsbedürftig erscheint. Das begrenzt auch ihren Umfang im Verhältnis zum Volumen des horizontalen Finanzausgleichs. Bezogen auf Sonderlasten wegen einer Haushaltsnotlage bedeutet dies, daß sie zwar insoweit berücksichtigungsfähig sind, als sich dafür gewährte Bundesergänzungszuweisungen der Sache und dem Umfang nach noch als (vorübergehende) Hilfe zur Selbsthilfe des betroffenen Landes darstellen; nicht mehr gedeckt von dieser Funktion der Bundesergänzungszuweisungen ist hingegen eine Unterstützung, die einer Haushaltssanierung durch den Bund anstelle des Landes, das dazu aus eigener Kraft nicht mehr fähig ist, gleichkommt. Erweist sich eine solche Unterstützung als erforderlich, entzieht das freilich vorübergehenden Hilfen, die im Sinne der Funktion der Bundesergänzungszuweisungen gewährt werden, nicht ihre Berechtigung; sie vermögen als Überbrückungshilfe wirksam zu sein, die dazu beiträgt, eine weitere Verschlechterung der Haushaltslage hintanzuhalten.
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b) Die Haushaltsnotlage des Saarlandes und Bremens hat, wie sich aus dem oben Dargelegten (siehe 1 b) ergibt, im Vergleich zu den übrigen am Finanzausgleich beteiligten Ländern ein extremes Ausmaß; ihr kann mit Bundesergänzungszuweisungen, die sich im Rahmen ihrer normalen Funktion halten, nicht wirksam abgeholfen werden.
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Die übermäßig hohe Kreditfinanzierungsquote beider Länder (Saarland - ohne Kommunen - 1990 14,3 v.H., Bremen 1990 16,0 v.H.) ist nicht auf entsprechend hohe Investitionsausgaben zurückzuführen. Die Haushalte beider Länder weisen seit etwa 10 Jahren eine erhebliche Unterdeckung auf. Die zur Finanzierung des Haushalts getätigte Nettokreditaufnahme hat nahezu ununterbrochen die in der Verfassung oder gesetzlich festgelegte Begrenzung auf die Höhe der Investitionsausgaben (Art. 108 Abs. 2 saarl.Verf.; § 18 brem.Landeshaushaltsordnung) deutlich, zumeist um die im Verhältnis zum jeweiligen Haushaltsvolumen beträchtliche Summe von weit über 200 Mio. DM, überschritten (vgl. Antragsschrift des Saarlandes, S. 66; Bericht zur Haushaltslage der Freien Hansestadt Bremen vom Juli 1991, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung, S. 14).
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Der Umfang der Mittel, die für das Saarland und Bremen als angemessene Hilfe zur Überwindung ihrer Haushaltsnotlage erforderlich wären, würde den Rahmen, der den Bundesergänzungszuweisungen nach ihrer ergänzenden Funktion als letztes Glied des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gezogen ist, eindeutig sprengen. Das verdeutlicht eine Modellrechnung zur Ermittlung des notwendigen finanziellen Aufwands, um etwa die Zins-Steuer-Quote innerhalb von fünf Jahren - dem Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung - auf den Satz zurückzuführen, den das Land mit der nächsthöchsten Zins-Steuer-Quote, gegenwärtig Schleswig-Holstein (Land und Kommunen 1990) mit 13,7 vom Hundert bzw. (ohne Kommunen) 15,1 vom Hundert aufweist. Nähme man dabei an, daß die Steuereinnahmen jährlich im Durchschnitt um 6,5 vom Hundert anstiegen, was in etwa den Einschätzungen des Finanzplanungsrates von Juni 1991 entspricht, und der Zinssatz durchschnittlich bei 7,5 vom Hundert läge, ergäbe sich folgendes: Für den notwendigen Ersatz der normal üblichen Nettokreditaufnahme und die stufenweise Entschuldung entstünde ein Finanzbedarf, der für das Saarland (allein Landeshaushalt) von 1992 bis 1996 von knapp 1 Mrd. DM auf über 1,5 Mrd. DM im Jahr, für Bremen von etwa 1,4 Mrd. DM auf 2 Mrd. DM im Jahr ansteigen würde. Die Gesamtlast für eine solche Haushaltsstabilisierung würde für das Saarland über 6 Mrd. DM, für Bremen über 8,5 Mrd. DM betragen. Für eine Rückführung der Zins-Steuer-Quote des Saarlandes einschließlich seiner Kommunen auf die entsprechende Zielgröße Schleswig-Holsteins wäre - unter ansonsten gleichen Prämissen - sogar ein Aufwand von über 7,6 Mrd. DM erforderlich.
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Dies zeigt eindeutig, daß es sich beim Saarland und bei Bremen um Sanierung, nicht mehr um Hilfe zur Selbsthilfe handelt. Die über einen Zeitraum von fünf Jahren notwendigen Unterstützungsleistungen würden ihrem Umfang nach für das Saarland (ohne Kommunen) und Bremen jeweils 20 v.H. und mehr des Haushalts ausmachen. Sie würden einen durchschnittlichen jährlichen Aufwand von geschätzt 2,5 Mrd. DM erfordern. Auch wenn das Stabilisierungsziel niedriger angesetzt oder zeitlich gestreckter verfolgt würde, ließe sich der Aufwand kaum nennenswert unter 2 Mrd. DM halten. Bei der Abwägung des Finanzbedarfs der Länder Bremen und Saarland gegenüber der Finanzkraft der anderen Länder und des Bundes müßte deshalb von einem gegenwärtigen Bedarf von annähernd dieser Größe ausgegangen werden. Handelte es sich beim Saarland und Bremen nicht um die nach Bevölkerungszahl und Haushaltsvolumen kleinsten Länder der Bundesrepublik, müßten die Beträge noch wesentlich höher ausfallen.
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3. Im Fall der extremen Haushaltsnotlage eines Landes, wie sie gegenwärtig für das Saarland und Bremen besteht, ist das bundesstaatliche Prinzip als solches berührt. Aus ihm erwächst den anderen Gliedern der bundesstaatlichen Gemeinschaft die Pflicht, mit konzeptionell aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem betroffenen Land beizustehen. Dabei dürfen im Rahmen eines von dem betroffenen Land aufzustellenden Programms zur Haushaltssanierung Bundesergänzungszuweisungen auch in einem über das normale Maß hinausgehenden Umfang geleistet werden, wenn sie innerhalb dieses Konzepts geeignet sind, zur Behebung der Haushaltsnotlage beizutragen.
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a) Die finanzverfassungsrechtlichen Normen des Grundgesetzes sollen insgesamt eine Finanzordnung sicherstellen, die Bund und Länder am Finanzaufkommen sachgerecht beteiligt und finanziell in die Lage versetzt, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 55, 274 [300]; 72, 330 [388]). Ihr Sinn und Zweck ist nicht allein, eine geordnete öffentliche Finanzwirtschaft der verschiedenen staatlichen Aufgabenträger zu ermöglichen, sondern ebenso, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden, ihre politische Autonomie sich in der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung und der Haushaltswirtschaft (Art. 109 Abs. 1 GG) entfalten (vgl. auch BVerfGE 72, 330 [383]) und die gemeinsame Verpflichtung auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) erfüllt werden kann. Sie sind darin zugleich Ausdruck der im Bundesstaat bestehenden Solidargemeinschaft von Bund und Ländern und des bündischen Prinzips des Einstehens füreinander, das zur bundesstaatlichen Ordnung (Art. 20 Abs. 1 GG) gehört. Befindet sich ein Glied der bundesstaatlichen Gemeinschaft - sei es der Bund, sei es ein Land - in einer extremen Haushaltsnotlage, die seine Fähigkeit zur Erfüllung der ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben in Frage stellt und aus der es sich mit eigener Kraft nicht befreien kann, so erfährt dieses bundesstaatliche Prinzip seine - hier mit der durch Art. 109 Abs. 2 GG gebotenen Wahrung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verknüpfte - Konkretisierung in der Pflicht aller anderen Glieder der bundesstaatlichen Gemeinschaft, dem betroffenen Glied mit dem Ziel der haushaltswirtschaftlichen Stabilisierung auf der Grundlage konzeptionell aufeinander abgestimmter Maßnahmen Hilfe zu leisten, damit es wieder zur Wahrung seiner politischen Autonomie und zur Beachtung seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtungen befähigt wird.
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aa) Diese verfassungsrechtliche Pflicht trifft nicht den Bund allein, sondern - dem bundesstaatlichen Prinzip entsprechend - Bund und Länder. Sie bedingt Kooperationspflichten zwischen Bund und Ländern wie auf seiten des betroffenen Landes. Sie ist bezogen auf eine extreme Haushaltsnotlage in dem dargelegten Sinn und daran gebunden; das schließt freilich nicht aus, daß schon im Vorfeld Maßnahmen ergriffen werden, um eine solche Notlage vorbeugend abzuwehren.
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Handlungssubjekt aus dieser Pflicht ist zunächst der Bund. Nach der gegebenen Kompetenzaufteilung verfügt er allein über die einschlägigen Handlungsinstrumente, insbesondere die weitreichenden Gesetzgebungsbefugnisse im Bereich des Steuer-, Finanzausgleichs-, Haushaltsgrundsätzerechts (Art. 105 bis 107, 109 Abs. 3 GG) sowie nach Art. 91a, Art. 91b und Art. 104a Abs. 4 GG. Bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse prägt er auch weitgehend die Haushalts-, Einnahme- und Ausgabenstruktur der Länder vor. Das ändert jedoch nichts daran, daß Bund und Länder im bündischen Einstehen füreinander dem von der extremen Haushaltsnotlage betroffenen Bundesglied zum gemeinsamen Beistand verpflichtet sind. Diese Pflicht ergreift auch das Verfahren des Bundesgesetzgebers und damit die an ihm beteiligten Organe des Bundes. Die finanziellen Lasten, die sich aus der Wahrnehmung dieser Pflicht ergeben, haben sowohl der Bund als auch die Länder zu tragen.
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bb) Die Pflicht bundesstaatlicher Hilfeleistung, die im Bundesstaatsprinzip wurzelt, begründet allerdings nicht aus sich heraus eigene Regelungs- und Eingriffsbefugnisse neben den im Grundgesetz, insbesondere in der Finanzverfassung, vorgesehenen; ein solcher unmittelbarer Schluß von der Aufgabe auf die Befugnisse ist der rechtsstaatlichen Verfassung fremd. Sie vermag aber - und darin liegt ihre normative Wirkung - die Wahrnehmung bestehender Befugnisse nach Grund und Umfang zu dirigieren, bestehende Verpflichtungen zu intensivieren und als Interpretationsgesichtspunkt für die Auslegung von Art und Umfang bestehender Handlungsmöglichkeiten zu wirken.
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cc) Demgemäß besteht für den Bund im Zusammenwirken mit den Ländern die Verpflichtung, die nach dem Grundgesetz eröffneten Handlungsmöglichkeiten, die zur Behebung oder Abwehr der Notlage in Betracht kommen, zu prüfen und je nach ihrer Eignung einzeln, nebeneinander oder in Verbindung miteinander so einzusetzen, daß eine stabilisierende Abhilfe erreicht wird. Rührt die Haushaltsnotlage aus einer Kombination von wirtschaftlicher Strukturschwäche und hierdurch mitverursachter übermäßiger Verschuldung her, ist zu berücksichtigen, daß in einer solchen Lage schwerlich allein der Einsatzmittel- und längerfristig wirksamer Maßnahmen zur Verstärkung der Wirtschaftskraft, so unentbehrlich sie sein mögen, weiterhelfen kann, noch allein der Abbau der akuten, in der Schuldenlast sich manifestierenden Haushaltsnotlage - auch wenn dieser dringlich sein mag, um einer weiteren Verschlechterung der Lage entgegenzutreten -, sondern nur das Ineinandergreifen verschiedener Maßnahmen.
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b) Als vom Grundgesetz eröffnete Handlungsmöglichkeiten sind insbesondere die folgenden in Betracht zu ziehen:
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aa) Zuvörderst nötig und besonders dringlich ist es, Bund und Länder gemeinsam treffende Verpflichtungen und Verfahrensregelungen festzulegen, die der Entstehung einer Haushaltsnotlage entgegenwirken und zum Abbau einer eingetretenen Haushaltsnotlage beizutragen geeignet sind. Dem Bundesgesetzgeber bietet hierzu Art. 109 Abs. 3 GG die Regelungskompetenz.
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Die durch Haushaltsnotlagen der hier in Rede stehenden Art Betroffenen sind daran gehindert, durch ihre Haushaltswirtschaft und die Gestaltung der Haushaltspolitik den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen; sie verlieren die Fähigkeit zu einem konjunkturgerechten Haushaltsgebaren und zu konjunktursteuerndem Handeln. Normative Vorkehrungen hiergegen - etwa im Rahmen des Haushaltsgrundsätzegesetzes - sind daher durch Art. 109 Abs. 2 GG nicht nur nahegelegt sondern geboten. Regelungsgegenstand könnten beispielsweise Grundsätze über die Obliegenheit von Bund und Ländern sein, in ihrer Haushaltsplanung - unter Berücksichtigung der Nebenhaushalte - gewisse durch finanzwirtschaftliche Kennziffern bezeichnete Grenzen, etwa bei der Kreditfinanzierung und beim Schuldensockel, zu beachten, und, sollten diese Grenzen überschritten sein, ein (verbindliches) Sanierungsprogramm aufzustellen, das die Haushaltswirtschaft in eine Normallage zurückführen soll.
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Regelungen dieser oder ähnlicher Art sind nicht nur für die Erhaltung oder Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit nach Art. 109 Abs. 2 GG von Bedeutung, sie sollen zugleich eine Grundlage dafür bieten, daß finanzwirksame Instrumentarien, die als Hilfe zum Einsatz kommen, die erstrebte stabilisierende Wirkung herbeiführen.
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bb) Weitere Handlungsmöglichkeiten eröffnen die verfassungsrechtlichen Instrumente der Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a und Art. 91b GG), der Investitionshilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG, und der Leistungen nach Art. 106 Abs. 8 GG sowie Standortentscheidungen, für die der Bund zuständig ist oder an denen er mitwirkt.
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(1) Maßnahmen zur Aktivierung von Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und Art. 91b GG, können, je nach den Gegebenheiten, dazu geeignet sein, die Wirtschafts- und Einnahmestruktur eines Landes mittel- und längerfristig nachhaltig zu verbessern. Das kann durch öffentliche Investitionen, beispielsweise im Bereich der Förderung regionaler Wirtschaftsstruktur (Art. 91a Abs. 1 Ziff. 2 GG), oder durch Standortentscheidungen für wissenschaftliche Forschungseinrichtungen (Art. 91b GG) geschehen. Beides vermag nicht zuletzt im Blick auf dadurch angeregte private Investitionen dauerhaft zur Konsolidierung der Finanzlage eines Landes beizutragen.
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(2) Die Investitionshilfen des Bundes für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gemäß Art. 104a Abs. 4 GG können gezielt auch für Länder eingesetzt werden, die sich in einer extremen Haushaltsnotlage befinden. Soweit eine solche Haushaltsnotlage durch das Zusammenwirken von wirtschaftlicher Strukturschwäche und Überschuldung gekennzeichnet ist, bietet der Förderungszweck des Ausgleichs unterschiedlicher Wirtschaftskraft eine hinreichende Handlungsermächtigung. Der Bund ist dabei durch das föderative Gleichbehandlungsgebot nicht gehindert, die Investitionsförderung gerade auf solche Länder auszurichten und zu beschränken, die von der Haushaltsnotlage betroffen sind. Der gesamtstaatlich rechtfertigende Grund seiner Hilfe liegt gerade in der Qualität der Haushaltsnotlage, in der sich so nur die betroffenen Länder befinden. Der Bund bleibt allerdings darauf beschränkt, die förderungsfähigen Investitionsbereiche zu bestimmen (vgl. BVerfGE 39, 96 [115]).
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Werden Investitionshilfen durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung gewährt, ist es dem Bund unbenommen, sie davon abhängig zu machen, daß das betroffene Land sich zu Absprachen über ein Sanierungsprogramm verpflichtet. So kann die Stabilisierungswirkung der Investitionshilfen gesichert und insbesondere ausgeschlossen werden, daß vom Land ersparte Mittel nicht stabilisierungsbezogen verwendet werden. Das entspricht der Kooperationspflicht, die im Rahmen bundesstaatlicher Hilfeleistung das betroffene Land ebenso wie den Bund trifft.
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(3) Wie weit Leistungen nach Art. 106 Abs. 8 GG in Frage kommen, ist nach den konkreten Gegebenheiten zu beurteilen. Es ist nicht auszuschließen, daß eine extreme Haushaltsnotlage in einem Land auch durch besondere Einrichtungen bestimmt wird, die vom Bund veranlaßt sind und besondere Belastungen verursachen. Unter diesen Voraussetzungen kann sogar eine Leistungspflicht bestehen.
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(4) Schließlich sind auch Standortentscheidungen, für die der Bund zuständig ist oder an denen er mitwirkt, ein geeignetes Mittel, um der wirtschaftlichen Strukturschwäche eines Landes ein Stück weit abzuhelfen. Dafür kommen etwa Entscheidungen über den Sitz von Behörden ebenso in Frage wie solche über den Standort wissenschaftlich-technischer Forschungseinrichtungen und Anstalten.
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c) Bezogen auf die Verwirklichung der bundesstaatlichen Hilfeleistungspflicht zur Überwindung einer extremen Haushaltsnotlage gewinnt auch die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG eine über die zunächst gegebene Funktion hinausgehende Bedeutung.
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aa) Die Vorschrift des Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG schließt es nach ihrem Wortlaut nicht aus, in einer extremen Haushaltsnotlage eines Landes, aus der dieses sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien kann, zur Verwirklichung der bundesstaatlichen Hilfeleistungspflicht angewandt zu werden. In einem solchen Ausnahmefall erweitert sich, von der verfassungsbegründeten bundesstaatlichen Hilfeleistungspflicht normativ dirigiert, ihr Sinn und Zweck. Der Umfang der Bundesergänzungszuweisungen kann dann das sonst zulässige Ausmaß (s. oben 2 a) vorübergehend überschreiten. Im Hinblick auf die im Prinzip bundesstaatlicher Hilfeleistung angelegte und in Art. 109 Abs. 2 GG ausdrücklich niedergelegte Kooperationspflicht von Bund und Ländern kann dabei die Gewährung der Bundesergänzungszuweisungen daran gebunden werden, daß das betreffende Land sich zur Aufstellung und Durchführung eines Sanierungsprogramms verpflichtet. Dem steht die Festlegung in Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG, daß Bundesergänzungszuweisungen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs gewährt werden, nicht entgegen. Die Verpflichtung des Landes auf ein Sanierungsprogramm stellt keine vom Bund verordnete Zweckbindung der Bundesergänzungszuweisungen dar, sondern nimmt ein in Art. 109 Abs. 2 und 3 GG angelegtes, durch die extreme Haushaltsnotlage zu konkreten Handlungspflichten verdichtetes Handlungsrichtmaß auf.
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bb) Die Zulässigkeit des umfangmäßig erweiterten Einsatzes von Bundesergänzungszuweisungen zur Abhilfe in einer extremen Haushaltsnotlage eines Landes besagt nicht, daß der Bundesgesetzgeber hierzu verfassungsrechtlich verpflichtet ist. Welche der mehreren gegebenen Handlungsmöglichkeiten in einer solchen Notlage zu ergreifen und in welchem Umfang die einzelnen Instrumentarien einzusetzen sind, obliegt gesetzgeberischer Entscheidung. Hierbei besteht ein Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum. Da die bundesstaatliche Hilfeleistungspflicht indes zu mehr als einer bloßen Prüfung verpflichtet, kann sich je nach Beschaffenheit der extremen Haushaltsnotlage und ihrer Ursachen der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers dahin verengen, daß bestimmte Mittel zur Abhilfe nicht nur eingesetzt werden können, sondern auch müssen.
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Allerdings hat der Bund bei der Entscheidung über die Anwendung der verfügbaren Handlungsmöglichkeiten seinerseits - im Blick auf seine eigene und die Belastung der übrigen Länder - Art. 109 Abs. 2 GG zu beachten; auch die Fähigkeit des Bundes und der anderen Länder zur Erfüllung der ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben darf nicht in Frage gestellt werden. Not, die kraft einer Solidaritätspflicht gemeinsam zu beseitigen ist, erfordert Anstrengungen und Einschränkungen auf allen Seiten. Die Pflicht zu finanzieller Beistandsleistung kann dadurch begrenzt werden.
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Besteht eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, zum Abbau der gegebenen extremen Haushaltsnotlage Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG zu gewähren, so obliegt es, wie auch sonst, dem Bundesgesetzgeber zu entscheiden, ob und inwieweit die zu gewährenden Leistungen zu Lasten nur des Bundes durch eine Erhöhung des Gesamtvolumens der Bundesergänzungszuweisungen aus Bundesmitteln - die freilich auch durch eine Belastung der Ländergesamtheit (vgl. Art. 106 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 GG) gewonnen werden können -, zu Lasten sowohl des Bundes wie der Länder oder auch zu Lasten der anderen Empfänger von Bundesergänzungszuweisungen zu erbringen sind.
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d) Insgesamt ergibt sich, daß der Bund und - was die Mitwirkung im Verfahren und die Verteilung der sich daraus ergebenden finanziellen Lasten angeht - auch die Länder verpflichtet sind, der extremen Haushaltsnotlage eines Landes nach Maßgabe der im Grundgesetz eingeräumten Befugnisse und der im Gesamtstaat verfügbaren Mittel abzuhelfen. Erweist sich das vorhandene Finanzvolumen als dafür nicht ausreichend, so bleibt allerdings nur der Ausweg größerer Sparsamkeit oder einer Erhöhung der Einnahmen; insoweit enthält das Verfassungsrecht lediglich die Vorgabe, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen (Art. 109 Abs. 2 GG).
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Schließlich ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, das Bundesgebiet neu zu gliedern, um, wie es in Art. 29 Abs. 1 GG heißt, zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.
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4. Nach dem vorstehend Dargelegten ergibt sich im Hinblick auf die Anträge des Saarlandes und der Freien Hansestadt Bremen folgendes:
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a) Die Zuweisung von 75 Mio. DM Bundesergänzungszuweisungen, die das Gesetz dem Saarland wegen seiner Haushaltsnotlage gewährt, ist derzeit mit Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG vereinbar. Zwar besteht für das Saarland eine extreme Haushaltsnotlage, aus der es sich mit eigener Kraft nicht mehr befreien kann und die sich als Sanierungsfall darstellt (s. oben 2 b). Die vorübergehend gewährte Hilfe von 75 Mio. DM verliert dadurch aber nicht ihre Berechtigung. Sie hält sich im Rahmen der normalen Funktion der Bundesergänzungszuweisungen und ist auch kein "verlorenes" Geld. Sie vermag dazu beizutragen, eine weitere Verschärfung der Haushaltsnotlage des Saarlandes hintanzuhalten.
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Ein Anspruch auf Bundesergänzungszuweisungen in dem Umfang, der angesichts der gegebenen extremen Haushaltsnotlage für eine wirksame Sanierungshilfe zur Haushaltsstabilisierung erforderlich wäre, besteht derzeit nicht. Dem Bundesgesetzgeber ist zunächst noch im Rahmen seines Einschätzungs- und Entscheidungsspielraums die Bestimmung überlassen, auf welchen Wegen er die dem Grunde nach bestehende bundesstaatliche Hilfeleistungspflicht aktualisiert. Es kann deshalb nicht vorab entschieden werden, daß und in welchem Umfang er dieser Hilfeleistungspflicht von Verfassungs wegen gerade durch Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen nachzukommen hat. Im übrigen fehlt es bislang für das Saarland auch an einem Sanierungsprogramm (s. oben b, aa), dessen Festlegung auch möglich ist, bevor das Gesetz auf der Grundlage von Art. 109 Abs. 3 GG ergangen ist.
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Der Bundesgesetzgeber ist aber gehalten, sich unverzüglich über die Wege klarzuwerden, auf denen die alle Glieder des Bundes treffende Hilfeleistungspflicht verwirklicht werden soll und dann die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Entschließt er sich dabei, die Stabilisierungshilfe im wesentlichen durch Bundesergänzungszuweisungen zu leisten, kann es bei dem Betrag von 75 Mio. DM bei weitem nicht sein Bewenden haben.
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Für die Haushaltsnotlage der Freien Hansestadt Bremen gelten die gleichen Grundsätze wie für die des Saarlandes. Der Gesetzgeber hat für das Saarland eine berücksichtigungsfähige Haushaltsnotlage angenommen und zur Abgeltung der damit verbundenen Sonderlast Bundesergänzungszuweisungen gewährt. Hierbei hat er seinen Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum ersichtlich nicht überschritten. Dann aber war er nach dem föderativen Gleichbehandlungsgebot gehalten, für die Freie Hansestadt Bremen ebenfalls eine Sonderlast wegen gegebener Haushaltsnotlage zu berücksichtigen und dementsprechend Bundesergänzungszuweisungen zu gewähren (vgl. BVerfGE 72, 330 [404, 405 f.]). Denn die finanzwirtschaftlichen Daten, die als Indikatoren zur Qualifizierung einer Haushaltsnotlage in Betracht kommen (s. oben 2 a), sind für Bremen, nimmt man sie einzeln oder in Kombination miteinander, sämtlich nicht nur gleich ungünstig, sondern deutlich schlechter als für das Saarland.
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aa) Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß durch die Gewährung des Nachteilsausgleichs an Bremen in den Jahren 1987 und 1988 sowie die Erhöhung der Abgeltung der Hafenlasten und die Berücksichtigung der Kosten politischer Führung im Zuge der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs eine bedeutende Haushaltserleichterung eingetreten und eine zusätzliche Haushaltshilfe für Bremen nicht mehr unabweisbar gewesen wäre. Diese Leistungen an Bremen beruhten jeweils auf eigenen Rechtsgründen und können daher nicht ohne Verletzung des föderativen Gleichbehandlungsgebots auf eine andere, ebenfalls auf Rechtsgründen beruhende Leistung angerechnet werden. Der Nachteilsausgleich soll Bremen für die Nachteile entschädigen, die es dadurch erlitten hat, daß es in verfassungswidriger Weise von den Bundesergänzungszuweisungen in den Jahren 1983 bis 1986 ausgeschlossen war. Dieser Ausgleich für eine frühere verfassungswidrige Benachteiligung ist grundsätzlich unabhängig von sonstigen Leistungspflichten zu gewähren. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Abgeltung der Hafenlasten und der Kosten politischer Führung.
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Eine Handlungspflicht des Bundes bestünde allerdings nicht, wenn der Tatbestand der Haushaltsnotlage für Bremen entfallen wäre und damit die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des föderativen Gleichbehandlungsgebots gefehlt hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar hat sich die Haushaltslage Bremens in den Jahren 1987 und 1988 etwas verbessert und seine Kreditaufnahme 1988 und 1989 nach Erhalt des Nachteilsausgleichs vermindert. Dies konnte aber seine - längerfristig entstandene und strukturell wirksame - Haushaltsnotlage nicht nennenswert verbessern (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung vom 6. September 1991, Anlage).
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bb) Die Berücksichtigung der Haushaltsnotlage Bremens seit 1989 mit 50 Mio. DM gegenüber 75 Mio. DM für das Saarland läßt sich nicht auf die Anwendung eines sachbezogenen gleichen Maßstabs zurückführen. Im Gesetzgebungsverfahren ist die unterschiedliche Höhe der jeweils gewährten Haushaltshilfe nicht näher begründet worden. Sie würde als in sich folgerichtig erscheinen, wenn man die unterschiedliche Bevölkerungszahl des Saarlandes und Bremens als Maßstab zugrundelegte. Indes ist die Einwohnerzahl eines Landes für sich genommen kein sachgerechtes Kriterium bei der Zuteilung von Bundesergänzungszuweisungen wegen Sonderlasten. Berücksichtigt werden muß vielmehr das Ausmaß der Sonderlasten in seiner Belastungswirkung für den jeweiligen Haushalt. Hiervon ist auch der Bundesrat bei der Beratung des Strukturhilfegesetzes ausgegangen (BTDrucks. 11/3263, S. 13 f.).
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Hinsichtlich der relevanten finanzwirtschaftlichen Haushaltskennziffern liegt aber Bremen deutlich unter dem Saarland, seine Haushaltsnotlage hat also größeres Ausmaß. Ungeachtet des geringeren Haushaltsvolumens in Bremen überstiegen bis 1988 auch die Zinsausgaben Bremens in absoluten Zahlen die des Saarlandes (einschließlich seiner Kommunen) und liegen seither nur wenig darunter. Bei Anwendung des gleichen Maßstabs läßt sich daher unter diesen Umständen eine geringere Haushaltshilfe für Bremen schlechterdings nicht rechtfertigen.
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c) Findet sich eine extreme Haushaltsnotlage, die Handlungspflichten des Bundesgesetzgebers auslöst, in mehr als einem Land, kann die Leistung nicht auf nur ein Land beschränkt werden. Danach gilt das für die Auswirkungen der bundesstaatlichen Hilfeleistungspflicht auf die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen für das Saarland Gesagte (s. oben a) für Bremen entsprechend. Das schließt es nicht aus, in verschiedenen Ländern unterschiedliche Instrumentarien einzusetzen, so wie dies nach den jeweiligen Gegebenheiten angezeigt erscheint.
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Reichen indes die verfügbaren Mittel auch bei Mobilisierung aller Möglichkeiten nicht aus, mehreren Ländern zur gleichen Zeit eine ihrem Umfang nach wirksame Stabilisierungshilfe zu leisten, darf die Hilfeleistung ausnahmsweise zeitlich versetzt erfolgen, möglicherweise mit einer vorläufigen Überbrückungshilfe für das nachfolgende Land, damit sich seine Haushaltsnotlage nicht weiter verschlimmert. Dabei muß aber sichergestellt sein, daß im Ergebnis eine gleiche Behandlung der mehreren Länder stattfindet.
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II. |
§ 11a Abs. 3 Satz 1 FAG ist mit Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG unvereinbar, insoweit er Bremen als Vorabbetrag für die Kosten politischer Führung einen Betrag zuweist, der pauschal 50 v.H. unter dem für das Saarland ausgewiesenen Betrag liegt. Soweit er Hamburg einen Vorabbetrag für Kosten politischer Führung nicht zuweist, ist er mit dem Grundgesetz vereinbar.
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1. Die Berücksichtigung der überdurchschnittlichen Kosten politischer Führung für Länder mit geringer Einwohnerzahl im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen hat der Senat im Urteil vom 24. Juni 1986 für zulässig erklärt (vgl. BVerfGE 72, 330 [405]). Sie wurde mit dem Achten Finanzausgleichsänderungsgesetz eingeführt und besteht seither unverändert. Es erhalten das Saarland 100 Mio. DM, Schleswig- Holstein und Bremen je 50 Mio. DM und Rheinland-Pfalz 20 Mio. DM.
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a) Der Gesetzgeber hat den im Vergleich zum Saarland geringeren Betrag für Bremen damit begründet, daß für Bremen bereits ein Grundansatz der Kosten politischer Führung mit der Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG erfaßt sei; der zusätzliche Vorabbetrag diene in dieser Höhe lediglich zum Spitzenausgleich der besonderen überproportionalen Belastung des kleinsten Gliedstaates (BTDrucks. 11/789, S. 9).
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Dies hält verfassungsrechtlicher Prüfung nicht stand. Überdurchschnittliche Kosten politischer Führung für Länder mit geringer Einwohnerzahl dürfen bei der Einwohnerwertung der Stadtstaaten nicht berücksichtigt werden und sind deshalb dort außer Ansatz zu lassen (s. oben F II 1 b) dd). Somit fehlt es an einer Rechtfertigung, Bremen unter Berufung auf die Einwohnerwertung nach § 9 Abs. 2 FAG lediglich einen geringeren Betrag an Bundesergänzungszuweisungen zu gewähren. Geschieht dies dennoch, wird das föderative Gleichbehandlungsgebot verletzt.
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b) Soweit der Gesetzgeber die überdurchschnittlichen Kosten politischer Führung bei der Bemessung der Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt, ist er nicht zur vollen Abgeltung dieses Sonderbedarfs verpflichtet. Der Gesetzgeber ist befugt, die Abgeltung zu pauschalieren und auf einen angemessenen Teilausgleich zu beschränken. Verfassungsrechtlich vorausgesetzt ist lediglich, daß die diese Entscheidung tragende Einschätzung vertretbar ist.
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Allerdings muß aufgrund des föderativen Gleichbehandlungsgebots die pauschale Abgeltung in gleicher Weise auf die Län- der, bei denen der entsprechende Sonderbedarf vorliegt, angewandt werden. Bezugspunkt für die Abgeltung ist das Ausmaß des Sonderbedarfs. Jedes Bundesland braucht eine Mindestausstattung an staatsleitenden Organen, um sowohl nach innen als auch nach außen - wie etwa durch die Mitwirkung an der Willensbildung im Bund - politische Führung wahrnehmen zu können. Diese Mindestausstattung verursacht bei einem Land mit geringer Einwohnerzahl überdurchschnittlich hohe Kosten. Dabei müssen die überdurchschnittlichen Kosten politischer Führung nicht in gleichem Maß ansteigen, in dem die Bevölkerungszahl des Landes sinkt. Weiter kann möglicherweise die Zusammenfassung kommunaler und staatlicher Verwaltung in den Stadtstaaten einem Anstieg der Kosten entgegenwirken. Der Gesetzgeber hat sich über die angemessene Höhe, die dem Gebot der föderativen Gleichbehandlung Rechnung trägt, ein eigenes Urteil zu bilden und die Bundesergänzungszuweisungen dementsprechend festzusetzen.
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2. Die Nichtberücksichtigung Hamburgs ist deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei der Freien und Hansestadt Hamburg nicht um ein leistungsschwaches Land handelt. Die Auffassung des Hamburger Senats, daß das Kriterium der fehlenden Leistungsschwäche einen Ausschluß von Bundesergänzungszuweisungen wegen überdurchschnittlicher Kosten politischer Führung nicht rechtfertige, wenn diese für andere Länder mit geringer Bevölkerungszahl gewährt würden, geht fehl. Schon der Wortlaut des Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG läßt dies erkennen. Voraussetzung für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen an ein Land ist danach dessen Leistungsschwäche (vgl. BVerfGE 72, 330 [403]). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage im Urteil vom 24. Juni 1986 (a.a.0., S. 404 f.), daß es möglich sei, "Zuweisungen auch solchen Ländern zu gewähren, deren Finanzkraft nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs den Länderdurchschnitt erreicht oder überschritten hat". Diese Formulierung bringt, liest man sie in ihrem Kontext, lediglich zum Ausdruck, daß ein Land, auch wenn seine Finanzkraft den Länderdurchschnitt erreicht, wegen einer Sonderlast leistungsschwach sein kann. Dies aber ist bei Hamburg im Blick auf seine Belastung mit Kosten politischer Führung ersichtlich nicht der Fall.
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III. |
§ 11a Abs. 2 FAG ist insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar, als er den für Bremen und Nordrhein-Westfalen gewährten Nachteilsausgleich gegenüber dem Betrag, der sich aus dem zugrundegelegten Fehlbetragsschlüssel ergibt, gekürzt hat. Die Regelung verstößt gegen die aus Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG sich ergebende, im Urteil des Senats vom 24. Juni 1986 (vgl. BVerfGE 72, 330 [423]) ausgesprochene Verpflichtung, die durch die verfassungswidrige Nichtbeteiligung an den Bundesergänzungszuweisungen erlittenen Nachteile angemessen auszugleichen.
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Der Freien Hansestadt Bremen sind als Nachteilsausgleich insgesamt 200 Mio. DM, verteilt auf die Jahre 1987 und 1988, dem Land Nordrhein-Westfalen 75 Mio. DM im Jahre 1987 zuerkannt worden. Beide Länder sind der Auffassung, daß die Höhe des ihnen zugekommenen Nachteilsausgleichs verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genügt, wobei in erster Linie Einwände gegen den angewandten Fehlbetragsmaßstab für die Berechnung des Nachteils sowie gegen den vorgenommenen pauschalen Abschlag von 30 v.H. von der so ermittelten Ausgleichssumme geltend gemacht werden.
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1. Die Berechnung des Nachteils allein anhand des zugrundegelegten Fehlbetragsschlüssels genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es bestand keine Verpflichtung, den Fehlbetragsschlüssel statt, wie geschehen, nach dem in den Jahren 1983 bis 1986 für den horizontalen Finanzausgleich geltenden Recht nach dem auf der Grundlage des Senatsurteils vom 24. Juni 1986 erst zu schaffenden Rechts zu ermitteln. Dies ergibt sich aus Charakter und Funktion des Nachteilsausgleichs.
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Der Senat hat im Urteil vom 24. Juni 1986 festgestellt, daß, obwohl bestimmte Vorschriften des damaligen Finanzausgleichsgesetzes während seines gesamten Geltungszeitraumes mit der Verfassung unvereinbar waren, eine Neuregelung für die Vergangenheit nicht angezeigt sei. Er hat sich dafür neben der Rechtssicherheit auf Gründe der verläßlichen und in ihren Wirkungen kalkulierbaren Finanz-, Ausgaben- und Haushaltswirtschaft bezogen, die rückwirkenden Eingriffen und Umverteilungen entgegenstünden (vgl. BVerfGE 72, 330 [422]). Gemäß der Eigenart des horizontalen Finanzausgleichs führt eine nachträgliche Korrektur zu rückwirkenden Veränderungen der zwischen den Ländern bestehenden Relationen, die regelmäßig alle Länder betreffen und in ihren summenmäßigen Effekten oft unerwartet gestreut sind. Bei den vertikal gewährten Bundesergänzungszuweisungen lassen sich dagegen die Finanzmittel, die einem Land vorenthalten wurden, ohne größere Schwierigkeiten ermitteln und ohne größere Folgewirkungen und, ohne daß in bereits abgeschlossene Perioden der Haushalts- und Ausgabenwirtschaft eingegriffen werden müßte, bei der Neufestsetzung der Bundesergänzungszuweisungen - also in der Zukunft - wiedergutmachen. Das Prinzip der verläßlichen und kalkulierbaren Haushalts- und Finanzwirtschaft wird insoweit nicht in Frage gestellt. Deshalb ist, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, eine Rückabwicklung im Bereich der Bundesergänzungszuweisungen zum Nachteilsausgleich ausnahmsweise zulässig. Dabei geht es aber nur darum, diejenigen Nachteile auszugleichen, die Ländern durch ihre Nichtberücksichtigung entgegen den hierfür geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben entstanden sind (a.a.0., S. 423). Dem entspricht es, daß bei der Berechnung der Höhe des auszugleichenden Nachteils im übrigen von den Regelungen des bisherigen Finanzausgleichsgesetzes ausgegangen worden ist.
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2. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist hingegen der pauschale Abschlag von 30 v.H. von der ermittelten Fehlbetragssumme. Ihm fehlt es an einem rechtfertigenden Grund.
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Der Nachteilsausgleich wird gewährt, weil bestimmte Länder den verfassungsrechtlichen Maßstäben zuwider nicht an den Bundesergänzungszuweisungen beteiligt, mithin verfassungswidrig benachteiligt wurden. Das Prinzip des angemessenen Ausgleichs, von dem der Länderfinanzausgleich insgesamt normativ dirigiert wird, verlangt in diesem Zusammenhang eine volle, nicht lediglich eine geminderte Abgeltung, wenn auch keinen Schadensersatz in zivilrechtlichem Sinn. Es steht hier nicht der angemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder oder der Leistungsschwäche einzelner Länder in Frage, der nach der Struktur des Länderfinanzausgleichs nur im Wege einer Annäherung, nicht aber einer Nivellierung der Unterschiede zu erfolgen hat (BVerfGE 72, 330 [387, 398]). Vielmehr handelt es sich um einen Ausgleich dafür, daß auf der Grundlage und in Anwendung dieses angemessenen Ausgleichs zu gewährende Leistungen verfassungswidrig nicht gewährt worden sind. Hierbei wiederum nur eine Annäherung statt einer vollen Abgeltung vorzunehmen, würde die benachteiligten Länder noch einmal benachteiligen und den angeordneten Ausgleich in einen unangemessenen umschlagen lassen. Dies ist um so weniger hinzunehmen, als die verfassungswidrig von den Bundesergänzungszuweisungen ausgeschlossenen Länder besonders leistungsschwach sind. Ohnehin bleiben, auch wenn für den Nachteilsausgleich die Fehlbetragssummen zugrundegelegt werden, den benachteiligten Ländern die durch die notwendige Kreditaufnahme bedingten Finanzierungskosten für die nicht gewährten Bundesergänzungszuweisungen.
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H. |
Soweit die Regelung des § 10 Abs. 3 FAG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, bestand diese Unvereinbarkeit für den gesamten Geltungszeitraum der Vorschrift. Eine Rückabwicklung ist jedoch für bereits abgeschlossene Haushaltsperioden nicht angezeigt. Insoweit stehen Gesichtspunkte der verläßlichen und in ihren Wirkungen kalkulierbaren Finanz-, Ausgaben- und Haushaltswirtschaft rückwirkenden Eingriffen entgegen (vgl. BVerfGE 72, 330 [423]). Für das Ausgleichsjahr 1991, welches noch nicht endgültig abgerechnet ist, darf die Vorschrift jedoch nicht mehr angewendet werden. Will der Gesetzgeber die Regelung einer Ländersteuergarantie beibehalten, so ist er zu einer Neuregelung auch für das Ausgleichsjahr 1991 berechtigt.
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Die Nachteile, die Bremen und Nordrhein-Westfalen dadurch erlitten haben, daß sie verfassungswidrig zu niedrige Bundesergänzungszuweisungen erhalten haben, sind auszugleichen.
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