BGE 143 I 388 |
36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Verein Dignitas gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_234/2016 vom 24. Mai 2017 |
Regeste |
Art. 7, 8, 27 und 94 BV; § 55 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Zürich vom 2. April 2007 (GesG/ZH); § 29 Bestattungsverordnung des Kantons Zürich vom 20. Mai 2015; gewerbsmässige Bestattungen ausserhalb von öffentlichen Friedhöfen. |
Sachverhalt |
"1 Urnen und Kremationsasche dürfen ausserhalb von Friedhöfen nur beigesetzt oder ausgebracht werden, wenn
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a. die Bestimmungen des Forst-, Gewässerschutz-, Luftfahrt-, Bau- und Umweltrechts eingehalten werden,
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b. Urnen und Kremationsasche nicht als solche erkennbar sind und nach kurzer Zeit nicht mehr wahrgenommen werden können.
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2 Die Gemeinden können das Beisetzen von Urnen oder das Ausbringen von Kremationsasche ausserhalb von Friedhöfen einschränken oder verbieten, wenn sich dies störend auswirkt. Für Flächen des Kantons, insbesondere öffentliche Gewässer, ist die Direktion zuständig.
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3 Das gewerbsmässige Beisetzen von Urnen oder Ausbringen von Kremationsasche ausserhalb von Friedhöfen ist verboten."
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Am 5. Juni 2015 wurde im kantonalen Amtsblatt der Beschluss des Regierungsrates publiziert, wonach die BesV/ZH erlassen und auf den 1. Januar 2016 unter Aufhebung der bisherigen in Kraft gesetzt werde.
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B. Gegen diesen am 5. Juni 2015 publizierten Beschluss des Regierungsrates liess der Verein Dignitas am 4. Juli 2015 Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht erheben und beantragen, § 29 Abs. 3 BesV/ZH sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben. Am 15. September 2015 setzte der Regierungsrat die BesV/ZH unter Ausnahme dessen § 29 Abs. 3 in Kraft. Mit Urteil vom 28. Januar 2016 wies das kantonale Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
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C. Mit Beschwerde vom 14. März 2016 an das Bundesgericht beantragt der Verein Dignitas, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Januar 2016 und § 29 Abs. 3 BesV/ZH seien unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Kantons Zürich aufzuheben.
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Die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung. Der Regierungsrat des Kantons Zürich, vertreten durch die Gesundheitsdirektion, schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer repliziert mit Eingabe vom 23. Mai 2016.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: |
2.1 Art. 27 BV gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit, insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (BGE 142 I 162 E. 3.2.1 S. 164 f.; BGE 138 I 378 E. 6.1 S. 384 f.; BGE 136 I 29 E. 3.2 S. 32 f.; JOHANNES REICH, Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, 2011, S. 70; ETIENNE GRISEL, Liberté économique, 2. Aufl. 2006, S. 130 ff.). Gemäss Art. 94 Abs. 1 BV halten sich Bund und Kantone an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit. Abweichungen von diesem Grundsatz, insbesondere Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind (Art. 94 Abs. 4 BV). Art. 27 BV schützt damit den individualrechtlichen Gehalt, Art. 94 BV als grundlegendes Ordnungsprinzip einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Wirtschaftsordnung die systembezogene oder institutionelle Dimension der Wirtschaftsfreiheit, wobei diese beiden Aspekte freilich eng aufeinander bezogen sind und nicht isoliert betrachtet werden können (BGE 142 I 162 E. 3.2.1 S. 165 mit zahlreichen Hinweisen; Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 1, 175 ff., 293, 296; REICH, a.a.O., S. 436). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Handels- und Gewerbefreiheit gemäss der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (vgl. Art. 31 Abs. 2 aBV, in der Fassung der Wirtschaftsartikel von 1947) ist es den Kantonen gestattet, neben den vom Regalvorbehalt gewährleisteten historischen Grund- und Bodenregalien (wie das Jagd-, Fischerei-, Berg- und Salzregal) auch weitere Monopole zu errichten, sofern dies durch hinreichende Gründe des öffentlichen Wohls, namentlich polizeiliche oder sozialpolitische Gründe, gerechtfertigt und verhältnismässig ist; insbesondere im Lichte von Art. 94 Abs. 4 BV grundsätzlich unzulässig sind solche Monopole zur Verfolgung von rein fiskalischen Interessen (BGE 132 I 282 E. 3.3 S. 287 f.; BGE 128 I 3 E. 3a S. 9 f.; BGE 125 I 209 E. 10a S. 221 f.; BGE 124 I 11 E. 3b S. 15 f. mit Hinweisen auf Lehre und Praxis). |
2.2 Gemäss § 55 Abs. 1 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Zürich vom 2. April 2007 (GesG/ZH; LS 810.1) erfolgt die Bestattung auf dem Friedhof der Gemeinde, wo die oder der Verstorbene den letzten Wohnsitz hatte; hatte der oder die Verstorbene nicht im Kanton Zürich Wohnsitz und wird die Leiche nicht an den ausserkantonalen Friedhof überführt, erfolgt die Bestattung auf dem Friedhof der Gemeinde, wo der Tod eingetreten oder die Leiche aufgefunden worden ist (§ 55 Abs. 2 GesG/ZH). In der Wohngemeinde ist die Bestattung unentgeltlich (§ 56 GesG/ZH). Die Gemeinden stellen auf den Friedhöfen genügend Grabplätze für Erd- und Urnenbestattungen zur Verfügung (§ 57 GesG/ZH). Bei Kremationen können die Angehörigen der verstorbenen Person über die in einer Urne gesammelte Leichenasche im Rahmen der Schicklichkeit verfügen (§ 55 Abs. 4 GesG/ZH; vgl. BGE 129 I 173 E. 2.1 S. 177 mit zahlreichen Hinweisen; so auch PETER REMUND, Die rechtliche Organisation des Bestattungswesens im Aargau, 1948, S. 152 ff.). Das Bestattungswesen ist im Kanton Zürich, wie in anderen Kantonen auch (vgl. etwa für den Kanton Wallis § 129 Abs. 4 des Gesundheitsgesetzes vom 14. Februar 2008, abweichend die Rechtslage im Kanton Bern gemäss Art. 5 Abs. 2 der Verordnung über das Bestattungswesen vom 27. Oktober 2010), monopolisiert und als öffentliche Aufgabe der Gemeinde ausgestaltet worden (zu Art. 53 Abs. 2 aBV bereits BGE 43 I 167 E. 3 S. 178; 45 I 119 E. 5 S. 132; Urteil 2P.156/1991 vom 31. Januar 1992 E. 8; REMUND, a.a.O., S. 72 ff.; und neustens RENÉ PAHUD DE MORTANGES, Historische Entwicklung des Bestattungsrechts in der Schweiz, in: Konfessionelle Grabfelder auf öffentlichen Friedhöfen, 2016, S. 17 f.; vgl. auch die Übersicht bei BURIM RAMAJ, Dokumentation des Friedhofrechts in der Schweiz, in: Konfessionelle Grabfelder auf öffentlichen Friedhöfen, 2016, S. 65 ff.). Die rechtliche Monopolisierung des Bestattungswesens im Kanton Zürich hält vor den Schranken von Art. 36 BV (BGE 132 I 282 E. 3.2 und 3.3 S. 287; BGE 128 I 3 E. 3a und b S. 9 ff.; Urteil 2C_1007/2015 vom 10. Mai 2016 E. 4.2) und von Art. 94 Abs. 4 BV (BGE 142 I 99 E. 2.4.1 S. 111, BGE 142 I 162 E. 3.2.1 S. 165) stand, wie nachfolgend aufzuzeigen ist. |
2.2.1 Gemäss § 55 Abs. 1 GesG/ZH erfolgt die Bestattung auf dem Friedhof der Gemeinde, wo die oder der Verstorbene den letzten Wohnsitz hatte. Unter Beachtung der langjährigen höchstrichterlichen Praxis, wonach die (Leichen-)Bestattung sowohl die Erd- wie auch die Feuerbestattung umfasst (BGE 43 I 167 E. 3 S. 179; 45 I 119 E. 5 S. 132), beruht die Monopolisierung des Bestattungswesens im Kanton Zürich auf einer formell-gesetzlichen und damit einer Art. 36 Abs. 1 BV genügenden rechtlichen Grundlage. Die Monopolisierung ist des Weiteren aus überwiegenden sozialpolitischen und polizeilichen Gründen gerechtfertigt (Art. 36 Abs. 2 und Abs. 3 BV; Urteil 2P.156/1991 vom 31. Januar 1992 E. 8b). Die Wurzeln des Bestattungswesens als öffentliche Aufgabe des Gemeinwesens liegen in seiner Säkularisierung. Ausgehend von der Überlegung, dass gemäss "Sitte sämtlicher gebildeter Völker" dem Leichnam Achtung gebührt (grundlegend ALBERT MÄCHLER, Das Begräbniswesen nach schweizerischem Bundesrecht, 1892, S. 48; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 464; PETER KARLEN, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, 1987, S. 380; ebenso BGE 125 I 300 E. 2a S. 305), wurde das Begräbniswesen nicht mehr als religiös, sondern als bürgerlich (im Sinne von "weltlich" [BGE 45 I 119 E. 6 S. 134]) eingestuft, und dem Gemeinwesen aus Gründen der Menschenwürde die Aufgabe übertragen, dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich begraben werden kann (Art. 53 Abs. 2 aBV; vgl. ausführlich MÄCHLER, a.a.O., S. 36 ff.; PAHUD DE MORTANGES, a.a.O., S. 12 ff.; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 160; zur Rechtslage seit Inkrafttreten von Art. 7 BV siehe Botschaft, a.a.O., S. 141 zu Art. 6; bestätigt in BGE 129 I 302 E. 1.2.5 S. 311; BGE 125 I 300 E. 2a S. 306; PAHUD DE MORTANGES, a.a.O., S. 29 f.; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 161; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, a.a.O., N. 464, 508). Seit Inkrafttreten raumplanungs- und gewässerschutzrechtlicher Vorschriften insbesondere rechtfertigt sich eine Monopolisierung des Bestattungswesens auch aus polizeilichen Gründen, wird auf diesem Weg doch zuverlässig verhindert, dass etwa öffentliche Gewässer als Entsorgungsstätten für Urnen mit Totenasche zweckentfremdet werden (siehe "Versenkte Urnen im Zürichsee", Zeitungsartikel NZZ vom 19. April 2010; "Anzeige wegen 'Störung des Totenfriedens' nach Urnenfund", Zeitungsartikel Tagesanzeiger vom 19. April 2010). Angesichts dessen, dass gemäss der anwendbaren gesetzlichen Grundlage (§ 56 GesG/ZH) die Bestattung in der Wohngemeinde unentgeltlich ist, wird von vornherein ausgeschlossen, dass die Monopolisierung des Begräbniswesens aus fiskalischen Gründen erfolgt, weshalb ihre Vereinbarkeit mit Art. 94 BV offensichtlich vorliegt. |
2.2.2 Wie aufgezeigt (oben, E. 2.2.1) erstreckt sich die Monopolisierung des Bestattungswesens im Kanton Zürich sowohl auf Erd- wie auch auf Feuerbestattungen und wurde das Bestattungswesen in seiner Gesamtheit gesetzlich der Gemeinde zur Erfüllung zugewiesen. Durch die zulässige Monopolisierung (oben, E. 2.2.1) wurde das Bestattungswesen im Kanton Zürich dem sachlichen Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) entzogen (BGE 140 II 112 E. 3.1.1 S. 116; BGE 130 I 26 E. 4.1 S. 40; Urteil 2C_1007/2015 vom 10. Mai 2016 E. 4.1). § 55 Abs. 4 GesG/ZH, wonach die Angehörigen im Rahmen der Schicklichkeit über die in einer Urne gesammelte Totenasche verfügen können, weicht, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, dieses Bestattungsmonopol nicht auf. Er bringt vielmehr das im Anspruch auf schickliches Begräbnis mitenthaltene negative Abwehrrecht zum Ausdruck, durch das staatliche Recht, sofern vom Gesichtspunkt der polizeilichen Interessen und der Schicklichkeit nicht zu beanstanden, nicht in der Wahl der Bestattung (Erd- oder Feuerbestattung) eingeschränkt zu werden (BGE 45 I 119 E. 6 S. 132 ff.; BGE 123 I 112 E. 4c S. 119; BGE 125 I 300 E. 2a S. 305; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 161; CLA RETO FAMOS, Religiöse Gräberfelder auf öffentlichen Friedhöfen, verfassungsrechtliche Überlegungen, in: Konfessionelle Grabfelder auf öffentlichen Friedhöfen, 2016, S. 40 f.) und in Fragen der Betätigung der geistigen und sittlichen Individualität betreffend keinen Zwang zu erleiden (BGE 45 I 119 E. 6. S. 133). Dieser als individuelles Abwehrrecht zu verstehende Anspruch des Verstorbenen bzw. seiner Angehörigen, über den Leichnam zu bestimmen und insbesondere die Art und den Ort der Bestattung festzulegen, kann jedoch bereits angesichts der zulässigen Monopolisierung keinen aus der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) fliessenden Anspruch darauf vermitteln, das Bestattungswesen ausserhalb von öffentlichen Friedhöfen nach der Art eines Gewerbes zu betreiben und damit als eigentliche privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben zu können. Die Rüge der Verletzung der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, ohne dass näher zu prüfen wäre, inwiefern der Beschwerdeführer zur Verfolgung seines ideellen Vereinszweckes überhaupt ein Gewerbe betreiben könnte (vgl. dazu BGE 90 II 333 E. 2 S. 335, E. 7 S. 345, bestätigt in BGE 131 III 97 E. 3.1 S. 103). (...) |