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Informationen zum Dokument  BGHSt 1, 145 - Betäubungsmittel  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BVerfGE 92, 1 - Sitzblockaden II
BVerfGE 73, 206 - Sitzblockaden I
BGHSt 23, 46 - Laepple
BGHSt 19, 263 - Überholspur

Zitiert selbst:

Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: A. Tschentscher, Sven Broichhagen  
BGHSt 1, 145 (145)Gewalt im Sinne des § 249 StGB ("Wegnahme mit Gewalt") wird auch dadurch geübt, daß der Täter das Opfer durch ein BGHSt 1, 145 (145)BGHSt 1, 145 (146)ohne Gewaltanwendung beigebrachtes Betäubungsmittel seiner Widerstandskraft beraubt (Chloraethyl).  
 
Urteil
 
des 4. Strafsenats vom 5. April 1951 (Landgericht Lüneburg)  
-- 4 StR 129/51 --  
 
Gründe:
 
Der Abgeklagte ist wegen versuchten schweren Raubes verurteilt.
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Der Senat tritt der rechtlichen Würdigung der Strafkammer bei, der von dem Angeklagten unternommene Versuch, der schlafenden Frau überraschend und nicht gewaltsam ein Betäubungsmittel beizubringen, sei ein Versuch, Gewalt im Sinne des § 249 StGB anzuwenden. Zwar ist die Rechtsfrage streitig, ob das listige, nicht gewaltsame Beibringen eines Betäzbungsmittels "Gewalt gegen eine Person" im Sinne der §§ 249 ff StGB ist. Das reichsgericht hat das bis zuletzt verneint, immerhin aber ein rechtspolitisches Bedürfnis nach einer gegenteiligen Lösung der Frage in RGSt 58, 98 und 72, 349 anerkannt. Die Verneinung hat es darauf gestützt, daß zur Gewalt beim Täter körperliche Kraftanwendung gehöre (RGSt 58, 98); daran sei auch wegen der Wortfassung des § 177 StGB festzuhalten (RGSt 72, 349). Andererseits hat es aber auch von seinem Standpunkt aus Gewalt gegen Personen schon in der Freiheitsberaubung durch bloßes Einschließen erblickt (RGSt 73, 344, 345), ebenso auch in der Abgabe von Schreckschüssen - sowohl scharfer Schüsse wie solcher aus einer Schreckschußpistole -, und zwar sowohl bei der Nötigung (RGSt 60, 157) wie beim räuberischen Diebstahl (RGSt 66, 335), obwohl in keinem dieser Fälle feststand, daß zum Einschließen oder zum Schießen etwa ausnahmsweise nennenswerte körperliche Kraftanwendung der Täter gehört hat. Gewaltanwendung gegen eine Person hat das Reichsgericht in diesen Fällen deshalb angenommen, weil die Einwirkungen dieser Art von den vergewaltigten Personen nicht nur als ein seelischer, sondern als unmittelbarer körperlicher Zwang empfunden worden seien (RGSt 60, 158). Schon nach BGHSt 1, 145 (146)BGHSt 1, 145 (147)diesen Entscheidungen gehört es nicht notwendig zum Gewaltbegriff, daß der Täter erhebliche körperliche Kraft gegen das Opfer anwendet. Auch wenn eine solche Kraftanwendung der Regelfall sein mag, so kann sich nach dem Sinn des Gesetzes der Gewaltbegriff darin nicht erschöpfen. Entscheidend nach dem Zwecke der Strafdrohungen der §§ 249 ff StGB muß vielmehr sein, ob der Täter durch körperliche Handlung die Ursache dafür setzt, daß der wirkliche oder erwartete Widerstand des Angegriffenen durch ein unmittelbar auf dessen Körper einwirkendes Mittel gebrochen oder verhindert wird, gleichviel, ob der Täter dazu größere oder nur geringere Körperkraft braucht. Vom Opfer her gesehen ist die rasch lähmende Wirkung eines Betäubungsmittels ebenso eine körperliche Überwindung oder Verhinderung des Widerstandes wie etwa ein betäubender Schlag oder anderer Körperzwang, dessen Eigenschaft als Gewaltanwendung nicht bezweifelt wird. Auch eine mechanische Körperverletzung wird die von Widerstand brechende Wirkung - auf die es hier allein ankommt - häufig nicht durch Verletzungen, sondern durch eine Lähmung im Nervensystem ausüben. Wird die den Widerstand brechende Lähmung durch ein Betäubungsmittel herbeigeführt, dann ist es für die strafrechtliche Beurteilung unwesentlich, welches Maß körperlicher Betätigung der Täter zur Beibringung des Betäubungsmittels aufwenden muß.
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Für diese Auslegung sprechen im Grundgedanken schon die erwähnten Entscheidungen des reichsgerichts in den Schreckschußfällen, bei denen ebenfalls nicht der Fingerdruck des Täters, sondern die durch den Schuß verursachte lähmende Angst auf den Körper des Bedrohten wirkt. Die Auslegung entspricht aber auch allein der natürlichen Betrachtung, und zwar ganz besonders, nachdem auch im allgemeinen Leben die Betätigung reiner Körperkraft hinter der Heranziehung anderer Naturkräfte immer mehr zurückgetreten ist. Für die natürliche Betrachtung als Gewaltanwendung bleibt es gleich, ob sich der Täter zur körperlichen Überwältigung nur seiner Muskelkraft - in größerem oder geringerem Umfange -, oder auch anderer Naturkräfte bedient, etwa solcher physikalischer, chemischer BGHSt 1, 145 (147)BGHSt 1, 145 (148)oder anderer Art. Für die Ausnutzung der Schwerkraft oder der Hebelwirkung durch Schlagwerkzeuge ist das von jeher anerkannt. Es muß aber auch für solche nachdrückliche Einwirkungen auf das Nervensystems oder sonst den Körper des Betroffenen gelten, für die chemische Stoffe oder der elektrische Strom benutzt werden.
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Das Schrifttum vertritt weitgehend und zum Teil seit langem diese Ansicht (LK 7. Aufl § 176 Anm 3 a und ZStW 33, 898, 900; LK § 249 Anm B 1 c; Öhlshausen § 249 Anm 4 c und das dort angegebene Schrifttum; Schönke IV 1), ebenso auch die Entwürfe zum Allg DStGB, die ausdrücklich als "Gewalt im Sinne des Strafgesetztbuches" auch die Anwendung eines betäubenden Mittels zum Zwecke verstehen, jemand gegen seinen Willen widerstandsunfähig zu machen. In der Begründung wird ausgeführt, daß damit nur eine im geltenden Recht streitige Frage bejaht werde (Entwurf 1925 § 11 Nr. 6). Die früher vom Reichsgericht aus der Fassung des § 177 StGB hergeleiteten Schlüsse sprechen wegen des ganz anders gearteten Aufbaus und Zwecks der Vorschrift nicht entscheidend gegen diese Auslegung. Zum Schuldspruch ist der Strafkammer daher beizutreten.BGHSt 1, 145 (148)
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