BVerfGE 6, 121 - Unterschriftenquorum für Wahlvorschläge | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher, Djamila Strößner | |||
Urteil |
des Zweiten Senats vom 23. Januar 1957 |
-- 2 BvR 6/56 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Kaufmanns Wilfried Th. gegen § 16 Abs. 2 Satz 3 ff., § 17 Abs. 1 Satz 3 und § 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz) vom 12. Juni 1954 (GVBl. S. 226). |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe: | |
A. | |
1. Der Beschwerdeführer ist Bürger der Stadt Essen und dort zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt. Er ist Mitglied der sogenannten Freien Sozialen Union (FSU), einer politischen Partei, die sich an den Gemeindewahlen beteiligt.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 20. Juni 1955, eingegangen am 22. Juni 1955, wendet er sich gegen die §§ 16 Abs. 2 Satz 3 ff., 17 Abs. 1 Satz 3 und 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1954 -- KWG -- (GVBl. S. 226). Diese Bestimmungen lauten:
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§ 16 Abs 2:
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"Die Wahlvorschläge von politischen Parteien müssen von der für das Wahlgebiet zuständigen Parteileitung unterzeichnet sein. Ist die politische Partei in der im Zeitpunkt der Wahlausschreibung (§ 15 Abs. 1) laufenden Wahlperiode des Landtags nicht ununterbrochen mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten, so kann sie einen Wahlvorschlag nur einreichen wenn sie nachweist, daß sie einen nach demokratischen Grundsätzen gewählten Vorstand, eine schriftliche Satzung und ein Programm hat. Die Wahlvorschläge dieser Parteien müssen ferner in Wahlbezirken bis zu 5 000 Einwohnern von 5, in Wahlbezirken von 5 000 bis 10 000 Einwohnern von 10, in Wahlbezirken von mehr als 10 000 Einwohnern von 20 Wahlberechtigten des Wahlbezirks persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein; dies gilt auch für Wahlvorschläge von parteilosen Bewerbern. Die ordnungsmäßige Unterzeichnung bis zum Ablauf der Einreichungsfrist ist Voraussetzung für das Vorliegen eines gültigen Wahlvorschlags." | 4 |
§ 17 Abs. 1:
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"Für die Reserveliste können nur Bewerber benannt werden, die für eine politische Partei auftreten. Die Reserveliste muß von der für das Wahlgebiet zuständigen Parteileitung unterzeichnet sein. Ist die politische Partei in der im Zeitpunkt der Wahlausschreibung (§ 15 .Abs. 1) laufenden Wahlperiode des Landtags nicht ununterbrochen mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten, so muß die Reserveliste von 1 vom Tausend der Wahlberechtigten des Wahlgebiets, und zwar mindestens von fünf und höchstens von 100 Wahlberechtigten persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein."
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§ 30 Abs. 6:
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"Bei der Verteilung" der Sitze aus der Reserveliste werden nur politische Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben."
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2. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die genannten Bestimmungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen und daß die §§ 16 Abs. 2 Satz 3 ff. und 17 Abs. 1 Satz 3 außerdem den Grundsatz der geheimen Wahl verletzen. Durch die genannten Bestimmungen werde er als Bürger der Stadtgemeinde Essen und als Mitglied der FSU in der Ausübung seines aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt.
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3. Sowohl das Unterschriftenquorum für die Einreichung von Wahlvorschlägen wie die 5 v. H.-Sperrklausel finden sich bereits in dem Gesetz über die Gemeindewahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Gemeindewahlgesetz) vom 6. April 1948 (GVBl.S. 185).
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a) Dort war das Unterschriftenquorum für die Einreichung von Wahlvorschlägen in den §§ 19 und 20 geregelt:
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"III. Wahlvorbereitungen 1... . 2. Einreichung der Wahlvorschläge. | 12 |
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(1) Beim Wahlleiter können bis 18 Uhr eines von der Landesregierung festzusetzenden Tages Wahlvorschläge für die Wahlen in den einzelnen Wahlbezirken des Wahlgebiets unter Benutzung des bei ihm erhältlichen amtlichen Vordrucks eingereicht werden. Die Wahlvorschläge müssen von mindestens 10 Wählern des Wahlbezirks unterschrieben sein, von denen der erste als Vertrauensmann für den Wahlvorschlag, der zweite als sein Stellvertreter gilt ...
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(2) ... (3) ...
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§ 20
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(1) Die Wahlvorschläge für die Reserveliste des Wahlgebiets müssen spätestens bis 18 Uhr eines von der Landesregierung festzusetzenden Tages beim Wahlleiter eingereicht werden. Für ihren Inhalt gilt § 19.
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(2) Für die Reserveliste können nur Bewerber benannt werden, die für eine der zugelassenen politischen Parteien auftreten.
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(3) ... (4) ..."
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Die Gesetze zur Abänderung des Gemeindewahlgesetzes vom 22. Dezember 1949 (GVBl. 1950 S. 5) und vom 30. Januar 1951 (GVBl. S. 31) ließen die Bestimmungen über das Unterschriftenquorum unberührt. Die Neufassung des Gemeindewahlgesetzes vom 18. August 1952 (GVBl. S. 161) brachte in § 19 Abs. 1 die Änderung, daß die Wahlvorschläge nunmehr von mindestens 20 Wählern des Wahlbezirks unterschrieben sein mußten und daß bei Wahlvorschlägen der auf Landesebene bestehenden politischen Parteien die Unterschrift des für das Wahlgebiet zuständigen Parteivorsitzenden oder seines Stellvertreters genügte.
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b) Die 5 v. H.-Sperrklausel war in dem Gesetz über die Gemeindewahlen vom 6. April 1948 (GVBl. S. 185) in folgender Fassung enthalten:
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"V. Wahlsystem und Verteilung der Sitze. 1. Wahlsystem. | 22 |
§ 33
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(1) - (2) ...
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(4) Der Verhältniswahl werden die für politische Parteien im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen unter Nichtberücksichtigung der Stimmen für diejenigen Parteien zugrunde gelegt, die weniger als 5 v. H. der Gesamtstimmenzahl aller politischen Parteien erhalten haben.
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(5) - (7) ...
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3. Wahlergebnis auf der Reserveliste.
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§ 35
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(1) ...
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(2) Der Wahlleiter zählt zunächst die für alle parteiangehörigen Bewerber im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen nach Parteien getrennt zusammen. Er bringt dann die auf die Parteien, die weniger als 5 v. H. der Gesamtstimmenzahl der Parteien erhalten haben, entfallenen Stimmen von der Gesamtstimmenzahl in Abzug. Weiter stellt er fest, wieviel Prozent von der zu berücksichtigenden neuen Gesamtstimmenzahl auf jede Partei entfällt und wieviel Prozent der direkt zu vergebenden Sitze ihr demgemäß zustehen würden. Parteien, die diese Sitzzahl in der direkten Wahl nicht erreicht haben, weist er von der Reserveliste zusätzlich Sitze bis zur Höhe der ihnen zustehenden Zahl zu.
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(3) - (4) ...
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Durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen vom 22. Dezember 1949 (GVBl. 1950 S. 5), vom 30.Januar 1951 (GVBl. S. 31) und vom 9. August 1952 (GVBl. S. 159) haben die §§ 33 Abs. 4 und 35 Abs. 2 GWG weder nach Form noch nach Inhalt eine Änderung erfahren. Sie haben lediglich in der durch den Innenminister unter dem Datum des 18. August 1952 (GVBl. S. 161) erfolgten neuen Bekanntmachung des Gesetzes neue Ziffern erhalten: Der bisherige § 33 Abs. 4 wurde zu § 32 Abs. 4, und 35 Abs. 2 wurde zu § 34 Abs. 2.
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5. Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 94 BVerfGG der Landesregierung und dem Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen vom Eingang der Verfassungsbeschwerde Kenntnis gegeben. Dazu Stellung genommen hat lediglich die Landesregierung, die auch in der mündlichen Verhandlung vertreten war. Sie hält die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die §§ 16 Abs. 2 Satz 3 und 17 Abs. 1 Satz 3 KWG richtet, zwar für zulässig, aber für unbegründet. Nach ihrer Ansicht kommt es auch bei Kommunalwahlen darauf an, festzustellen, ob der eingereichte Wahlvorschlag ernst gemeint ist. Einen zulässigen Weg hierzu bilde die Einführung des Unterschriftenquorums; die in dem Gesetz vom 12. Juni 1954 vorgesehene Mindestzahl der Unterschriften sei keineswegs außergewöhnlich, sondern liege im Vergleich mit den entsprechenden Vorschriften anderer Länder im Mittel.
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Die gegen den § 30 Abs. 6 KWG erhobene Rüge hält die Landesregierung deshalb für unzulässig, weil es sich hierbei nur um die Übernahme einer Vorschrift aus den früheren Gesetzen handle, die in ihrem Wesen durch die letzte Neufassung nicht verändert worden sei. Die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG sei verstrichen, weil die Verfassungsbeschwerde bereits gegen das frühere Gesetz hätte erhoben werden müssen. Hilfsweise macht die Landesregierung geltend, daß die gegen § 30 Abs. 6 erhobene Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes unbegründet sei, weil auch im kommunalen Bereich die Bekämpfung der Splitterparteien ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers sei und die Einführung der 5 v. H.-Sperrklausel eine auf einem zureichenden Grund beruhende Differenzierung der Wahlgleichheit sei.
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B. | |
1. Nach § 93 Abs. BVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen ein Gesetz richtet, nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Bestimmungen des unter dem Datum vom 12. Juni 1954 neu bekanntgemachten Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen. Dieses Gesetz ist in seiner Neufassung ebenso wie das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeindewahlen vom 9. Juni 1954, auf dem die Neufassung beruht, am Tage der Verkündung, nämlich dem 24. Juni 1954, in Kraft getreten. Wenn das Gesetz von 1954 die grundrechtsverletzende Vorschrift ist, dann ist die Frist gewahrt.
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2. Im vorliegenden Falle war sowohl hinsichtlich des Unterschriftenquorums für Wahlvorschläge wie auch hinsichtlich der 5 v. H.-Sperrklausel die gesetzliche Norm im Grundsatz schon früher in Kraft. Vorschriften über das Unterschriftenquorum, wie auch über die 5 v. H.-Klausel, waren bereits in dem ersten Gesetz über die Gemeindewahlen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 6. April 1948 enthalten. Bei dieser Rechtslage könnte man die Ansicht vertreten, daß die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 nicht erst vom 24. Juni 1954 an, dem Tag des Inkrafttretens des letzten Gesetzes, laufe, sondern daß die Verfassungsbeschwerde sich gegen die früher erlassenen Normen hätte richten müssen und daß daher, wenn sie erst am 22. Juni 1954 erhoben sei, die Frist abgelaufen sei. Die Frage ist also die, ob eine Verfassungsbeschwerde, die nach § 90 BVerfGG auch gegen ein Gesetz als einen Akt öffentlicher Gewalt zulässig ist, sich gegen die vom Gesetzgeber erlassene konkrete Norm oder gegen ein die Grundrechte verletzendes Verhalten des Gesetzgebers richtet. Der Wortlaut der Fristbestimmung des § 93 Abs. 2: "Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ..." spricht dafür, daß Gegenstand der Verfassungsbeschwerde nur die konkrete, durch einen einmaligen gesetzgeberischen Akt gesetzte Norm ist. Die Entscheidung dieser Frage kann jedoch hier dahingestellt bleiben, weil sie überhaupt nur gestellt werden kann, wenn die in verschiedenen aufeinander folgenden gesetzgeberischen Akten enthaltenen Normen miteinander nach Form und Inhalt identisch sind. Eine solche Identität liegt aber hier nicht vor.
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a) Die angegriffenen Bestimmungen über das Unterschriftenquorum (§§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 1), die in dem Änderungsgesetz von 1954 enthalten sind, haben gegenüber der Fassung des Jahres 1952 insofern eine inhaltliche Änderung erfahren als nach § 19 der Fassung vom 9. August 1952 alle Wahlvorschläge, die nicht von auf Landesebene bestehenden politischen Parteien eingereicht wurden, von mindestens 20 Wählern des Wahlbezirks unterschrieben sein mußten, während § 16 Abs. 2 der Fassung vom 12. Juni 1954 die Zahl der für die Einreichung der Wahlvorschläge erforderlichen Unterschriften nach der Einwohnerzahl der Wahlbezirke differenziert, indem er in Wahlbezirken bis zu 5 000 Einwohnern fünf, in Wahlbezirken von 5-10 000 Einwohnern zehn und nur in Wahlbezirken von mehr als 10 000 Einwohnern mindestens zwanzig Unterschriften fordert. Außerdem sind von dem Erfordernis der Beibringung von Unterschriften nicht mehr die Parteien auf Landesebene schlechthin ausgenommen, sondern nur noch diejenigen Parteien, die in der im Zeitpunkt der Wahlausschreibung laufenden Wahlperiode des Landtags ununterbrochen mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten sind. Ferner stellt erstmalig § 17 Abs. 1 der Fassung vom 12. Juni 1954 für Wahlvorschläge von nicht im Landtag vertretenen politischen Parteien auch für die Reserveliste das Erfordernis eines Quorums auf.
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b) Die Bestimmungen über die 5 v. H.-Sperrklausel sind von 1948 bis 1952 nach Form und Inhalt nicht geändert worden. Das Gesetz von 1954 hat die Fassung der Bestimmung und ihre Stellung in der Gesetzessystematik geändert: Was bisher in den §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 stand, ist in der Neufassung von 1954 auf Grund des Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1954 in § 30 Abs. 6 zusammengezogen worden. Auch eine sachliche Änderung ist vorgenommen worden: Die 5 v. H. werden jetzt von allen im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen gerechnet, nicht mehr, wie bisher, von der Gesamtstimmenzahl aller politischen Parteien.
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c) Schließlich bestimmt Art. V des Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1954 ausdrücklich, daß das alte Gesetz vom 6. April 1948 in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1952 außer Kraft tritt. Eine solche Bestimmung fehlt z. B. in dem Änderungsgesetz vom 6. April 1952, auf Grund dessen ebenfalls eine Neufassung des Gemeindewahlgesetzes bekanntgemacht wurde.
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Man muß also zu dem Ergebnis kommen, daß es sich bei den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen §§ 16 Abs. 2 Satz 3, 17 Abs. 1 Satz 3 und 30 Abs. 6 KWG vom 12. Juni 1954 um neue, mit den früheren weder nach Form noch nach Inhalt identische Normen handelt. Wenn dies aber der Fall ist, so beginnt die Frist des § 93 Abs. 2 erst mit dem neuen gesetzgeberischen Akt, also mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1954, zu laufen. Die Verfassungsbeschwerde ist also fristgerecht eingelegt.
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3. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz in seinen Grundrechten verletzt ist.
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a) Daß ein Wähler und Wahlkandidat zu einer Verfassungsbeschwerde gegen eine in einem Wahlgesetz enthalte Sperrklausel aktiv legitimiert ist, hat der Senat bereits in BVerfGE 1, 208 (237) entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist also, soweit sie sich gegen § 30 Abs. 6 KWG richtet, zulässig.
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b) § 16 Abs. 2 verlangt für Einzelwahlvorschläge von politischen Parteien, die in der im Zeitpunkt der Wahlausschreibung laufenden Wahlperiode des Landtags nicht ununterbrochen mit mindestens 3 Abgeordneten im Landtag vertreten waren, je nach der Größe des Wahlbezirks 5, 10 oder 20 Unterschriften; dasselbe gilt auch für Wahlvorschläge von parteilosen Bewerbern. Diese Bestimmung richtet sich in ihrem ersten Teil zunächst einmal gegen die betroffene Partei: sie muß die Unterschriften beibringen, wenn sie einen Wahlvorschlag einreichen will. Ob diese Vorschrift darüber hinaus auch das aktive Wahlrecht des einzelnen Wählers verletzen kann, der sich etwa vorgenommen hat, einen Kandidaten der betreffenden Partei zu wählen, kann hier dahingestellt bleiben, denn der Beschwerdeführer würde zweifellos in seiner Eigenschaft als Wahlkandidat, also in seinem passiven Wahlrecht, durch den zweiten Teil der Vorschrift betroffen, die dasselbe Unterschriftenquorum auch für Wahlvorschläge von parteilosen Bewerbern fordert. Man muß jedenfalls annehmen, daß er, falls er nicht für die FSU kandidieren könnte, zumindest als Einzelbewerber auftreten wollte. Insoweit wäre daher der Beschwerdeführer aktiv legitimiert, eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl durch § 16 geltend zu machen.
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c) § 17 Abs. 1 fordert für die Benennung von Bewerbern für die Reserveliste bei politischen Parteien, die in der laufenden Wahlperiode des Landtags nicht ununterbrochen mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten sind, ein Unterschriftenquorum von 1 vom Tausend der Wahlberechtigten des Wahlgebietes, und zwar mindestens fünf, höchstens hundert Unterschriften. Durch diese Vorschrift kann der Beschwerdeführer weder in seinem aktiven noch in seinem passiven Wahlrecht verletzt sein; § 17 kennt nur den Parteibewerber, nicht den Einzelbewerber. Das Unterschriftenquorum kann hier nur die Chancen der Partei verletzen. Das passive Wahlrecht des Beschwerdeführers könnte nur dann verletzt sein, wenn er sich als parteiloser Bewerber dagegen wenden würde, daß nur Parteien Vorschläge für die Reserveliste aufstellen können. Dies wäre aber sinnwidrig, da begrifflich mit der Aufstellung einer solchen "Reserveliste" der Einzelbewerber zum Parteikandidaten würde. In seinem aktiven Wahlrecht könnte der Beschwerdeführer durch § 17 nur dann verletzt sein, wenn man annehmen würde, daß die Unterschriftenleistung für die Erfüllung des Quorums für den Wahlvorschlag zum Stimmrecht gehört. Dies ist aber abzulehnen; die Verfassungsbeschwerde ist also insoweit unzulässig.
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C. | |
1. Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung kann nur Art. 3 GG sein, obwohl der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit für die Kommunalwahlen in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG enthalten ist. Aber Art. 28 GG ist in § 90 BVerfGG nicht aufgeführt; Art. 38 GG, der in § 90 BVerfGG erwähnt wird, ist nicht anwendbar, da er sich lediglich auf die Wahl zum Bundestag bezieht.
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2. Soweit mit der Verfassungsbeschwerde die Bestimmung des § 30 Abs. 6 KWG angegriffen wird, ist sie unbegründet, da die hierdurch vorgenommene Differenzierung der Wahlrechtsgleichheit auf einem zureichenden Grund beruht. Im einzelnen wird hierzu auf die Ausführungen in Abschnitt C IV des gleichzeitig verkündeten Urteils über die Vereinbarkeit des § 30 Abs. 6 KWG mit dem Grundgesetz -- 2 BvF 3/56 -- verwiesen.
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3. Auch soweit die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch § 16 Abs. 2 Satz 3, zweiter Halbsatz KWG (Unterschriftenquorum für Einzelbewerber) geltend macht, ist sie unbegründet. Eine Differenzierung zwischen Wahlvorschlägen politischer Parteien, die mit drei Abgeordneten im Landtag vertreten sind, einerseits, und dem Wahlvorschlag eines Einzelbewerbers andererseits, d. h. also zwischen Parteibewerber und Einzelbewerber, behandelt nicht Gleiches ungleich, denn der Einzelbewerber kann nur mit einem anderen Einzelbewerber verglichen werden, nicht aber mit einem Bewerber, der von einer politischen Partei aufgestellt ist. Mindestens gilt dies unter dem hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt der Ernsthaftigkeit der Wahlvorschläge, auf den die Forderung eines Unterschriftenquorums abzielt. Für den Wahlvorschlag einer politischen Partei, die mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten ist, genügt die Unterschrift der für das Wahlgebiet zuständigen Parteileitung, weil sie durch ihren Erfolg bei der Landtagswahl die Ernsthaftigkeit ihres Wahlvorschlages erwiesen hat. In dieser Sicht kann es nicht als eine unsachgemäße Differenzierung angesehen werden, wenn von dem Einzelbewerber je nach der Größe des Wahlbezirks fünf, zehn oder zwanzig Unterschriften verlangt werden, da dies nur als entsprechender Nachweis für die Ernsthaftigkeit seines Wahlvorschlags anzusehen ist.
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4. Es erhebt sich noch die Frage, ob in diesem Verfahren auch geprüft werden muß, ob für die verschiedene Behandlung kleiner und großer Parteien in § 16 ein zureichender Grund besteht, da eine Norm, die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen ist, einer umfassenden verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden muß. Eine solche Prüfung kann aber hier deshalb entfallen, weil § 16 KWG in Wirklichkeit zwei Normen enthält: Er verlangt zunächst für Wahlvorschläge von Parteien, die nicht mit mindestens drei Abgeordneten im Landtag vertreten sind, ein Unterschriftenquorum und differenziert insoweit zwischen kleinen und großen Parteien. Dann bestimmt er in dem letzten Satzteil von Abs. 2 Satz 2: "Dies" -- nämlich das Unterschriftenquorum- "gilt auch für Wahlvorschläge von parteilosen Bewerbern." Der Beschwerdeführer wird aber nur durch die zweite Norm berührt, nämlich durch die, die für Einzelbewerber das Unterschriftenquorum fordert. Die Differenzierung zwischen kleinen und großen Parteien spielt insoweit keine Rolle. Es geht hier nur um den Gegensatz zwischen dem Einzelbewerber, der die Unterschriften beibringen muß, und den großen Parteien, die im Landtag mit mindestens drei Abgeordneten vertreten und von der Beibringung von Unterschriften befreit sind.
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5. Der Beschwerdeführer hat auch die Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl durch die Bestimmungen der §§ 16, 17 KWG über das Unterschriftenquorum geltend gemacht. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl überhaupt geltend machen könnte. Denn der Grundsatz der geheimen Wahl ist hier nicht verletzt. Nach den Ausführungen, die der erkennende Senat in der Entscheidung BVerfGE 4, 375 (386/87) zu dieser Frage gemacht hat, kann nicht gesagt werden, daß im vorliegenden Falle die Zahl der geforderten Unterschriften über das zulässige Maß hinausgeht und den Grundsatz der Geheimhaltung der Stimmabgabe verletzt.
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