§ 24 BVerfGG gilt nach Wortlaut, Sinn und Zweck für alle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Er kann daher auch in Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG angewandt werden, in denen sich die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts als offensichtlich unbegründet erweist. Entsprechend dem Charakter dieser Verfahrensart und im Hinblick auf § 31 BVerfGG ist in solchen Fällen jedoch die Vorlage nicht zu verwerfen, vielmehr muß ausgesprochen werden, daß die Vorschrift, die das vorlegende Gericht für verfassungswidrig hält, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 16. Juni 1959 gem. § 24 BVerfGG
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-- 2 BvL 10/59 -- | |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Art. 8 Abs. 6 Satz 1 des Finanzvertrages in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. März 1955 (BGBl. II S. 381) und des Art. 142a GG - Vorlage des Landgerichts Nürnberg-Fürth, 4. Zivilkammer, vom 19. Februar 1959 (4 O 178/58) -.
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Artikel 8 Absatz 6 Satz 1 des Finanzvertrages in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. März 1955 (BGBl. II S. 381) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar.
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Gründe: | |
1. Das vorlegende Gericht hat über eine Schadensersatzklage gegen die Bundesrepublik zu entscheiden. Der Schadensersatzanspruch wird aus einem Zusammenstoß zwischen einem Autobus des Klägers und einem amerikanischen Militärfahrzeug hergeleitet. Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Bundesrepublik ist Art. 8 des Finanzvertrages in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. März 1955 in Verbindung mit den Bestimmungen des dazugehörigen Anhangs B (BGBl. II S. 381 ff., 403), wonach Schadensersatzansprüche, die aus Handlungen von Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte entstehen, durch die zuständige deutsche Behörde geprüft werden.
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Nach Art. 8 Abs. 6 Satz 1 FinV gilt es als Verzicht auf Ansprüche der angegebenen Art, wenn sie nicht binnen 90 Tagen nach ihrer Entstehung geltend gemacht werden, es sei denn, daß ein triftiger Grund für die spätere Anspruchserhebung vorliegt. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, daß die Ansprüche des Klägers durch diese Vorschrift ausgeschlossen werden. Es hält jedoch Art. 8 Abs. 6 Satz 1 FinV für nichtig und hat demgemäß das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Gültigkeit dieser Vorschrift angerufen. Zur Begründung seiner Ansicht hat es im Vorlegungsbeschluß ausgeführt:
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"Nach § 852 BGB kann sich der Schuldner frühestens nach Ablauf von drei Jahren, nach § 14 StVG frühestens nach Ablauf von zwei Jahren gegenüber dem Verletzten auf Verjährung berufen. Diese Verjährungsfrist hat die Bundesrepublik als Beteiligte einseitig zu ihren Gunsten und zum Nachteil des Geschädigten sowie gegen dessen Willen durch eine gesetzliche Ausschlußfrist von nur 90 Tagen abgeändert und ihre Schuldnerposition, wie sie sich unter sonst gleichen Umständen bestimmen würde, wesentlich verbessert. Durch diese Maßnahme hat sich die Bundesrepublik ungerechtfertigt eine einseitige Besserstellung vor dem Gesetz verschafft und zwingt den Richter, den gleichen Tatbestand ungleich zu behandeln, wenn nämlich die Bundesrepublik aus Ansprüchen laut dem Finanzvertrag haftet. Diese einseitige willkürliche Besserstellung verstößt gegen den Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). ... Der Gleichheitssatz gilt für alle Menschen, also auch für Ausländer, aber auch für juristische Personen, wie im vorliegenden Falle für die Bundesrepublik (vgl. BVerfGE 3, 391 ff.)."
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Die Nichtigkeit des Art. 8 Abs. 6 FinV wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG werde auch nicht durch Art. 142 a GG beseitigt. Denn auch diese Bestimmung sei nichtig, weil sie gegen übergeordnete Verfassungsgrundsätze verstoße, nämlich
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a) gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG); b) gegen den Grundsatz der Urkundlichkeit und Einsichtbarkeit jeder Verfassungsänderung (Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG); daß Art. 142 a den Erfordernissen des Art. 79 Abs. 1 Satz 2 genüge, sei ohne Bedeutung, weil Art. 79 Abs. 1 Satz 2 ebenfalls nichtig sei; c) gegen den Grundsatz des richterlichen Entscheidungsmonopols bzw. der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 92, 93 Abs. 1 GG. | |
Der gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG gebildete Ausschuß des Bundesverfassungsgerichts hat die Vorlage dem Zweiten Senat zur Entscheidung zugewiesen.
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a) § 24 BVerfGG gilt nach Wortlaut, Sinn und Zweck für alle Verfahren. Er kann daher auch in Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG angewandt werden, in denen sich die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts als offensichtlich unbegründet erweist. Entsprechend dem Charakter dieser Verfahrensart und im Hinblick auf § 31 BVerfGG ist in solchen Fällen jedoch die Vorlage nicht zu verwerfen, vielmehr muß ausgesprochen werden, daß die Vorschrift, die das vorlegende Gericht für verfassungswidrig hält, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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b) Art. 3 Abs. 1 GG stellt, soweit er hier in Betracht kommt, ein den Gesetzgeber bindendes Willkürverbot dar. Er verbietet willkürlich ungleiche Behandlung des -- trotz gewisser Verschiedenheiten -- in den wesentlichen Punkten Gleichen. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, hat regelmäßig der Gesetzgeber zu entscheiden. Sein Spielraum endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, anders ausgedrückt wo ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen (vgl. BVerfGE 1, 14 [52]; 3, 58 [135]; 4, 219 [243]; 4, 352 [357 f.]; 9, 20 [28]; 9, 201 [206]).
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In Art. 8 Abs. 6 Satz 1 FinV hat der Gesetzgeber gewisse Schadensersatzansprüche, die sich von anderen deutlich dadurch unterscheiden, daß sie aus dem Verhalten von Angehörigen ausländischer Streitkräfte erwachsen sind, einer Sonderregelung unterstellt. Ob diese Regelung auf Wünsche der Staaten zurückgeht, mit denen die Bundesrepublik den Finanzvertrag abschloß, und welche Folgerungen sich daraus etwa ergeben, kann hier unerörtert bleiben. Auch wenn man die Regelung nur unter innerstaatlichen Aspekten betrachtet, liegen ihr Sinn und Zweck offen: Da bei den Angehörigen der fremden Streitkräfte mit einem Wechsel des Stationierungsortes oder einer Rückkehr in ihre Heimat gerechnet werden muß, besteht ein besonders starkes Bedürfnis nach rascher Klärung der Tatsachengrundlagen der Schadensersatzansprüche. Ohne diese rasche Klärung besteht die Gefahr, daß unberechtigte Ansprüche durchgesetzt oder berechtigte Ansprüche nicht erfüllt werden können, weil ihre Geltendmachung bis zu einem Zeitpunkt hinausgeschoben worden ist, in dem die beteiligten Angehörigen der Streitkräfte nicht mehr als Zeugen zur Verfügung stehen. Die Geschädigten sollen daher gezwungen werden, ihre Forderungen möglichst bald anzumelden. -- Die getroffene Regelung im Zusammenhang mit ihren erkennbaren Zielen ist angemessen. Die 90-tägige Frist ist lang genug, um dem Anspruchsinhaber Zeit zur Überlegung und zur Vorbereitung einer Anmeldung zu geben. Bei triftigen Gründen für eine spätere Geltendmachung von Ansprüchen, insbesondere wenn unbekannt ist, gegen wen der Anspruch sich richtet, entfällt die Frist, so daß Härten vermieden werden. Von einer Willkür des Gesetzgebers, einer Überschreitung der Grenzen, die durch eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise gezogen sind, kann nach alledem keine Rede sein. Art. 8 Abs. 6 Satz 1 des Finanzvertrages ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes offensichtlich vereinbar.
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