Urteil | |
des Ersten Senats vom 5. August 1966 auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 1966
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-- 1 BvF 1/61 -- | |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Gesetzes zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen (Sammlungsgesetz) vom 5. November 1934 (RGBl. I S. 1086) in der Fassung vom 26. September 1939 (RGBl. I S. 1943) und vom 23. Oktober 1941 (RGBl. I S. 654) auf Antrag vom Mitgliedern des Deutschen Bundestages -- Bevollmächtigte: MdB Rechtsanwalt ..., MdB ...
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Entscheidungsformel:
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Das Gesetz zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen (Sammlungsgesetz) vom 5. November 1934 (RGBl. I S. 1086) in der zuletzt geltenden Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung des Sammlungsgesetzes vom 23. Oktober 1941 (RGBl. I S. 654) ist nichtig.
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Gründe: | |
A. | |
Auf Grund eines Antrages der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP hat der Deutsche Bundestag die Feststellung beantragt, daß das
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Der auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und § 13 Nr. 6 BVerfGG gestützte Antrag ist wie folgt begründet: Da das Sammlungsgesetz zum Polizeirecht gehöre, für das der Bund keine Gesetzgebungskompetenz besitze, könne der Bundestag seine Rechtsauffassung nur durch einen Antrag auf Normenkontrolle zur Geltung bringen.
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Nach seinem Inhalt habe das Sammlungsgesetz einen ausgesprochen totalitären Charakter. Es verstoße zunächst gegen das Rechtsstaatsprinzip. Das zur Kontrolle der Sammlungen eingeräumte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stehe in keinem Verhältnis zum Zweck des Gesetzes. Es bediene sich des polizeistaatlichen Mittels der Unterdrückung jeder Sammlungstätigkeit außer derjenigen der NSDAP. Allgemeine Verbote mit Erlaubnisvorbehalt dürften in einem Rechtsstaat nur dann ausgesprochen werden, wenn das Verbot sich gegen ein Verhalten richte, das in der Regel ein Unrecht sei. Sammeln und Spenden sei das Gegenteil davon. Es sei zwar nicht jede Kontrolle, aber doch dieses Mittel unzulässig. Ein Verbot dürfe sich nicht generell gegen das Sammeln und Spenden richten, sondern nur gegen Mißbräuche und Entartungen im Einzelfall. Dazu genügten weniger einschneidende Behelfe.
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Darüber hinaus stehe das Sammlungsgesetz im Widerspruch zu den Art. 2, 4, 5, 9 und 21 des Grundgesetzes. Das Recht auf freie Entfaltung schütze die Persönlichkeit in ihrer sittlichen Grundhaltung, zu der auch die Wohltätigkeit und der Liebesdienst gehörten. Die gesetzliche Regelung unterbinde die Spontaneität der Liebestätigkeit. Der nationalsozialistische Gesetzgeber habe das Gesetz als Waffe gegen die Kirchen geschaffen und es sei auch in diesem Sinne angewandt worden. Für Christen sei es auch außerhalb der Kirchen Gottesdienst, um Kollekten zu werben und zur Kollekte zu geben. Sie würden somit in der Ausübung ihres Glaubens verfassungswidrig beeinträchtigt. Selbst bei durch Rundfunk übertragenen Gottesdiensten falle der Aufruf zur Kollekte unter die Genehmigungspflicht. Mit der Freiheit der Meinungsäußerung sei das Gesetz ebenfalls unvereinbar. Dieses Grundrecht schütze auch die Willenshandlung, durch die sich eine Meinung offenbare. Im Sammeln und Spenden und in der Werbung hierzu komme eine religiöse oder politische Überzeugung zum Ausdruck. Diese werde durch das allgemeine Verbot unterdrückt. Schließlich werde das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit verletzt, das wesensgemäß die Befugnis umfasse, den Zweck der Vereinigung durch Beiträge und Spenden zu fördern und um Mitglieder zu werben. Insbesondere werde das Koalitionsrecht in seinem Wesensgehalt angetastet, wenn eine Gewerkschaft nicht öffentlich sammeln dürfe, um während eines legitimen Streiks Mittel zur Unterstützung auch der nicht organisierten Arbeiter zu beschaffen. Die politischen Parteien würden in ihrer Entfaltung unzulässig behindert, weil sie für jeden Spendenaufruf und jede Spende nicht nur eine Genehmigung brauchten, sondern der staatlichen Verwaltungsbehörde sogar Rechenschaft über die Sammlungstätigkeit, die Unkosten, den Zweck und eine Abrechnung schuldeten.
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Das Sammlungsgesetz werde von den Ländern auch vielfach in verfassungswidriger Weise angewandt, wofür eine Anzahl von Beispielen sprächen.
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Von den nach § 77 BVerfGG anhörungsberechtigten Bundesorganen und Länderorganen haben sich die Ministerpräsidenten von Bayern und Schleswig-Holstein und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen geäußert. Sie sind übereinstimmend der Auffassung, daß das Sammlungsgesetz mit dem Grundgesetz in Einklang stehe. Der objektive Inhalt des Gesetzes sei - abgesehen von wenigen Einzelvorschriften - nicht typisch nationalsozialistisch. Das Gesetz übernehme bewährte landesrechtliche Regelungen älterer Zeit; es solle in erster Linie die Sicherheit und Ordnung im Sammlungswesen gewährleisten, Belästigungen des Publikums und unlauteren Zwecken vorbeugen und damit die Spendenbereitschaft erhalten. Es seien auch keineswegs alle Sammlungen genehmigungspflichtig; im übrigen werde das Gesetz zurückhaltend angewandt. Seien die gesetzlichen Voraussetzungen einer Sammlung erfüllt, so bestehe ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung.
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Die Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen haben nach Abgabe ihrer Stellungnahmen neue Sammlungsgesetze erlassen.
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Das Sammlungsgesetz ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
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I.
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Nach seinem Inhalt lassen sich beim Sammlungsgesetz drei Vorschriftengruppen unterscheiden:
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1. Die §§ 1-6 erklären Sammlungen und sammlungsähnliche Veranstaltungen für genehmigungspflichtig und bestimmen, welche Art von Sammlungen hierunter fallen und was sammlungsähnliche Veranstaltungen sind. Nach § 7 ist die Genehmigung nur für eine bestimmte Zeit zu erteilen; sie kann jederzeit widerrufen und von Bedingungen abhängig gemacht werden. § 8 verbietet die öffentliche Ankündigung von Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen vor Erteilung der Genehmigung. Diese Vorschriften werden durch die §§ 4-6 der Verordnung zur Durchführung des Sammlungsgesetzes vom 14. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1250 - I. DVOSammlG -) sachlich ergänzt. In ihnen ist bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Veranstaltungen im Sinne des Sammlungsgesetzes "nur genehmigt werden" dürfen.
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2. Die zweite Gruppe enthält Vorschriften zur Überwachung der genehmigten Sammlungen und der sammelnden Organisationen. Nach § 9 hat die Behörde bei Vereinigungen, Stiftungen, Anstalten, sonstigen Unternehmen und Einzelpersonen, die eine öffentliche Sammlung oder sammlungsähnliche Veranstaltung durchführen (Sammlungsträger), weitgehende Kontrollrechte (Bücher- und Kassenprüfung, Auskunftsrecht, Recht zur Entsendung eines Vertreters). Die Behörde kann den Sammlungsträger bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen unter Verwaltung stellen (§§ 10, 11); sie hat die Befugnis, Unternehmen aufzulösen und über die Verwendung des Unternehmensvermögens bzw. Sammlungsertrages nach ihrem Ermessen zu entscheiden (§ 10 Abs. 2-4, § 11 Abs. 2-4). Die Entscheidung der Behörde über die Anordnung der Verwaltung wird als endgültig bezeichnet (§ 10 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 2). Gesammelte Erträge dürfen nicht ohne Genehmigung einem anderen Zweck zugeführt werden (§ 12).
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3. § 13 bewehrt die §§ 1-12 mit Gefängnisstrafen bis zu 6 Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen. § 14 läßt die Einziehung von Erträgen ungenehmigter Sammlungen zu; ist eine Einziehung nicht möglich, so kann eine Verfallserklärung ausgesprochen werden. Über die Verwendung entscheidet die zuständige Behörde. Nach § 15 findet das Gesetz keine Anwendung auf die NSDAP und ihre Gliederungen sowie auf Kollekten innerhalb der Kirchen. § 16 ermächtigt zum Erlaß der "zur Durchführung erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften".
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II.
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Die in den §§ 1-6 des Sammlungsgesetzes als Sammlungen und sammlungsähnliche Veranstaltungen umschriebenen Betätigungen sind Ausfluß der in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit. Dieses Grundrecht wird durch die für diese Tatbestände angeordneten Genehmigungsvorbehalte eingeschränkt. Die gesetzliche Regelung müßte also durch eine der drei Schranken dieses Grundrechts gerechtfertigt sein. In Betracht kommt nur die Schranke der "verfassungsmäßigen Ordnung". Das Sammlungsgesetz müßte also formell und inhaltlich mit der Verfassung voll vereinbar sein (vgl. BVerfGE 6, 32 [36 ff., bes. 41]). Das ist nicht der Fall.
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1. Aus der im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit folgt unmittelbar das Recht, die hieraus sich ergebenden Einzelbefugnisse zu verwirklichen. Das bedeutet jedoch nicht, daß der Gesetzgeber schlechthin gehindert wäre, die Ausübung solcher Befugnisse zu überwachen; er kann - unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen - ein präventives Prüfungsverfahren anordnen und darf die Rechtsausübung von einer behördlichen Erlaubnis abhängig machen (BVerfGE 8, 71 [76]). Voraussetzung ist jedoch, daß das angewendete Mittel den Grundsätzen rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns, insbesondere dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das Prüfungsverfahren muß der Gefahr angepaßt sein, der es begegnen soll. Art und Umfang der staatlichen Kontrolle müssen der tatsächlichen Situation, für die sie geschaffen wird, adäquat sein.
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Einem rechtsstaatlich ausgestalteten Erlaubnisvorbehalt kommt in diesem Bereich legitimerweise die Aufgabe zu, die Behörden rechtzeitig zur vorbeugenden Prüfung bei solchen Umständen und Vorgängen einzuschalten, die erfahrungsgemäß häufig Ordnungswidrigkeiten mit sich bringen. Die gesetzliche Verpflichtung, eine Erlaubnis einzuholen, besagt daher nicht, daß die erlaubnispflichtige Tätigkeit als solche verboten sei, sondern nur, daß mit der Rechtsausübung erst begonnen werden darf, wenn die Gesetzmäßigkeit des Vorhabens in einem geordneten Verfahren geprüft und festgestellt ist. Die rechtliche Bedeutung der Erlaubnis besteht also darin, daß eine vorläufige Sperre, die der Rechtsausübung zunächst gesetzt ist, aufgehoben wird.
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Da das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG aber nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit als solche, sondern auch die Ausübung der in ihr enthaltenen Befugnisse gewährleistet, muß der Grundrechtsträger notwendigerweise einen Rechtsanspruch auf die Erlaubnis haben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des objektiven Rechts vorliegen. Dem Wesen des Grundrechts entspricht ein Erlaubnisvorbehalt hiernach dann, wenn er das materielle, aus dem Grundrecht fließende Recht als solches unberührt läßt, und dem Grundrechtsträger in dem einfachen Gesetz, das den Erlaubnisvorbehalt enthält, das Recht eingeräumt ist, die Aufhebung der formellen Ausübungsschranke zu verlangen.
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Diesen Erfordernissen widersprechen die Genehmigungsvorbehalte nach dem Sammlungsgesetz in mehrfacher Richtung:
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Dem Sammlungsgesetz liegt "das Sammelprimat der NSDAP, ihrer Gliederungen und ihrer angeschlossenen Verbände" zugrunde (Pfundtner-Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht Ib 19 S. 19). Für diese politischen Einrichtungen war keine staatliche Genehmigung vorbehalten, wenn sie Sammlungen oder sammlungsähnliche Veranstaltungen durchführen wollten (§ 15 Nr. 3). Im Bereich der daneben noch verbliebenen Sammlungstätigkeit war das Genehmigungsverfahren in erster Linie als ein Lenkungsmittel zur Verfolgung staatspolitisch erwünschter Ziele und zur Unterbindung politisch nicht genehmer Zwecke gedacht. Seiner Funktion nach sollte der Genehmigungsvorbehalt vornehmlich dazu dienen, eine politisch erwünschte Ordnung im Spendenwesen zu schaffen und das Spenden in die vom Staat geförderte Richtung zu lenken. Die Behörden wurden ermächtigt, das Sammlungswesen nach ihrem Ermessen zu steuern und die individuelle Spendentätigkeit zu reglementieren. Das entsprach der damaligen staatspolitischen Tendenz, die allgemein die Lenkung als Verwaltungsaufgabe ansah, wobei sich der staatliche Führungsanspruch weitgehend auch auf die individuelle Lebensgestaltung erstreckte und subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber der Verwaltung grundsätzlich nicht anerkannt wurden.
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Dieser Grundanschauung, die in besonderem Maße auch in dem zum Vollzug des Sammlungsgesetzes ergangenen Runderlaß des Reichs- und Preuß. Minister des Innern vom 14. Dezember 1934 (MBliV S. 1531) zum Ausdruck gekommen ist, entsprechen die tatbestandlichen Voraussetzungen und die rechtstechnische Ausgestaltung der Genehmigungsvorbehalte: Das Gesetz bestimmt in den §§ 1-6, welche Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen der behördlichen Genehmigung bedürfen. Die Genehmigung darf "nur" erteilt werden, wenn die in den §§ 4-6 der I. DVOSammlG genannten Voraussetzungen vorliegen. Durch diese Fassung ist zum Ausdruck gebracht, daß eine Genehmigung schlechthin dann ausscheidet, wenn die dort genannten Umstände nicht vorliegen; dagegen normieren weder das Gesetz selbst noch die Durchführungsverordnung solche Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Behörde rechtlich verpflichtet wäre, die nachgesuchte Genehmigung zu erteilen. Es handelt sich somit nicht um eine gebundene, sondern um eine freie Genehmigung, bei der die Entscheidung im freien Ermessen der Behörde liegt. Der Sammlungsträger hat keinen Rechtsanspruch auf die Genehmigung, auch wenn er nachweist, daß die in der Durchführungsverordnung aufgestellten Mindesterfordernisse gegeben sind.
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Nach ihrem materiellen Gehalt handelt es sich bei den Genehmigungsvorbehalten des Sammlungsgesetzes um Verbote mit einem Befreiungsvorbehalt. Das Sammeln und die sammlungsähnlichen Veranstaltungen werden im Prinzip nicht als erlaubt angesehen mit der Möglichkeit, rechtswidriges Verhalten zu verbieten, sondern als grundsätzlich verboten mit der "Chance", von diesem Verbot eine Befreiung zu erhalten. Die Genehmigung besagt nicht mehr nur, daß dem Vorhaben keine gesetzlichen Hindernisse entgegenstehen, sondern gestattet die Tätigkeit erst. Die Genehmigung ist nicht lediglich eine zur präventiven Kontrolle vorgesehene formelle Voraussetzung für die rechtmäßige Ausübung einer an sich nicht verbotenen Betätigung, sondern enthält der Sache nach die Aufhebung eines repressiven Verbotes des objektiven Rechts. Sie ist somit eine materielle Voraussetzung für das Recht überhaupt. Durch die Genehmigung wird das Recht, eine Sammlung oder sammlungsähnliche Veranstaltung durchzuführen, erst konstitutiv begründet.
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Die aus Art. 2 Abs. 1 GG sich ergebende Befugnis, im Rahmen von Sammlungen und sammlungsähnlicher Veranstaltung karitativ tätig zu werden, ist also dem Grunde nach durch einfaches Gesetz beseitigt, ohne daß das öffentliche Interesse dies erfordert. Die Regelung enthält ein generelles Verbot grundrechtlicher Betätigung. Darüber hinaus sind die Genehmigungsvorbehalte grundrechtswidrig, weil dem Sammlungsträger kein Rechtsanspruch auf die Genehmigung eingeräumt ist.
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2. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Gewaltenteilung, das die Exekutive - jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung - auf die Ausführung der Gesetze beschränkt, gebietet, daß der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung die der staatlichen Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzt und dies nicht dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überläßt. Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren (BVerfGE 6, 32 [42]; 8, 71 [76], 274 [325]; 9, 83 [87]; 13, 153 [160]). Hält es der Gesetzgeber für erforderlich, der Ausübung grundrechtlicher Befugnisse ein Genehmigungsverfahren vorzuschalten, so muß sich aus der Rechtsvorschrift selbst ergeben, welche Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung gegeben sein müssen, bzw. aus welchen Gründen die Genehmigung versagt werden darf.
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Auch in dieser Richtung hält das Sammlungsgesetz einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand: Die Genehmigungsvorbehalte enthalten keine tatbestandsmäßige Festlegung der Genehmigungsvoraussetzungen. Im Gesetz selbst fehlt jeder Hinweis, nach welchen Merkmalen die Behörde zu entscheiden hat, wenn die Genehmigung einer Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung beantragt wird. Die in den §§ 4-6 I. DVO- SammlG enthaltenen Voraussetzungen binden die Verwaltung nur insoweit, als eine beantragte Genehmigung in jedem Fall versagt werden muß, wenn diese nicht vorliegen; die Behörde ist jedoch nicht gehindert, die Genehmigung auch aus anderen Gründen zu versagen. Die Versagungsgründe der I. DVOSammlG sind nur Beispiele und stellen keine tatbestandsmäßige fest umrissene Regelung dar; auch gesetzlich nicht normierte Versagungsgründe können einer behördlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Nicht das Gesetz selbst, sondern die Verwaltung bestimmt abschließend die Gesichtspunkte, die die Versagung einer Genehmigung rechtfertigen können. Das entspricht der grundsätzlichen Tendenz des Gesetzes, die auf eine umfassende behördliche Lenkung des Sammlungswesens ausgerichtet ist. Auch die bis in die neueste Zeit geübte Verwaltungspraxis geht hiervon aus, wie verschiedene zum Sammlungsgesetz ergangene Ländererlasse und die von den Ländern Bayern und Nordrhein-Westfalen vorgelegten Unterlagen ergeben (vgl. auch Urteil BVerwG vom 28. September 1965 - DÖV 1965 S. 848). Hiernach haben sich die Behörden - jedenfalls teilweise - für befugt erachtet, nach ihrer Auffassung das Sammlungswesen zu steuern und die Genehmigung selbst dann zu versagen, wenn die in den §§ 4-6 der I. DVO- SammlG festgelegten Mindestvoraussetzungen vorlagen.
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Da die Entscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Bereich der Versagungsgründe somit durch das Gesetz nicht ausreichend festgelegt sind, ist die Regelung auch insoweit verfassungswidrig.
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3. Der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht eine gesetzliche Regelung von Befugnissen, die aus einem Grundrecht hergeleitet werden können, nur dann, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen - also auch die negativen - inhaltlich mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Ist ein Genehmigungsverfahren zulässigerweise angeordnet, so müssen also die Gründe, die eine Versagung der behördlichen Erlaubnis ermöglichen, durch legitime öffentliche Interessen gerechtfertigt sein. Das gleiche gilt, wenn das Gesetz zuläßt, daß die Erteilung der Genehmigung von Bedingungen, Auflagen oder zeitlichen Begrenzungen abhängig gemacht wird. Je mehr der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, um so sorgfältiger müssen die zur Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden (BVerfGE 17, 306 [314]).
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Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind jedenfalls solche Versagungsgründe nicht gerechtfertigt, die eine Lenkung und Reglementierung des Sammlungswesens nach der Auffassung der Behörden ermöglichen. Das Bundesverwaltungsgericht hält daher zutreffend § 4 der I. DVOSammlG für grundrechtswidrig, soweit diese Vorschrift die Genehmigung von einem "hinreichenden öffentlichen Bedürfnis" abhängig macht (BVerwGE 10, 199 [201]). Ihm ist auch darin zuzustimmen, daß eine nach dem Belieben der Behörde ausgesprochene Befristung von Sammlungen (§ 7 Abs. 1) dann mit dem Grundrecht der freien karitativen Betätigung nicht in Einklang steht, wenn hiermit das Ziel verfolgt wird, das Sammlungswesen nach der Auffassung der Behörde zu steuern (Urteil BVerwG vom 28. September 1965 aaO).
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4. Die die Genehmigungsvorbehalte anordnenden Vorschriften des Sammlungsgesetzes können auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht aufrechterhalten werden.
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Das Sammlungsgesetz entstammt dem Verwaltungsdenken des totalitären Staates. Damals genossen die wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen den unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers. Verfassungskräftige Grundrechte gab es nicht mehr und subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber der Verwaltung wurden nicht anerkannt. Das Gesetz sollte ein Instrument der Machthaber zur Sicherung der NSDAP und ihrer Gliederungen sein und diente zur Bekämpfung der freien Wohlfahrtstätigkeit und der Kirchen. Das ist der Grund, warum der Verwaltung eine im Ergebnis unbegrenzte Ermächtigung für die Genehmigungspraxis eingeräumt ist und zwar ohne bindende Vorschriften, wann die Genehmigung erteilt werden muß.
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Auf Grund der dem zuständigen Minister in § 16 erteilten Befugnis zum Erlaß von Durchführungs- und Ausführungsvorschriften können die Genehmigungs- und Versagungsgründe jeweils von der Verwaltung geändert werden; sie ist ermächtigt, Vorschriften normativen Inhalts zu erlassen. Wie verschiedene in den Ländern der Bundesrepublik ergangene Erlasse zeigen, ist hiervon auch noch nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Gebrauch gemacht worden. In ihnen ist durch die Bestreitung jeglichen Rechtsanspruchs und die Festlegung sehr detaillierter Genehmigungsbedingungen der Vorrang der staatlichen Lenkungsbefugnis im Sammlungswesen zum Ausdruck gebracht.
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Selbst wenn die in den §§ 1-6 des Sammlungsgesetzes normierten Genehmigungsvorbehalte im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip in ein gebundenes Erlaubnisverfahren mit einem Rechtsanspruch auf die Genehmigung umgedeutet werden könnten - wie das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 10, 199 annimmt -, bliebe offen, ob die gesetzliche Regelung im übrigen, insbesondere hinsichtlich der Tatbestände, für die eine Genehmigung vorbehalten ist, den Intentionen eines demokratischen, die freiheitliche Grundordnung achtenden Gesetzgebers entspräche. Durch rechtsstaatliche Umdeutung erhielte also die auf die damaligen Verhältnisse und Anschauungen abgestellte Regelung den Charakter einer rechtsstaatlichen Dauereinrichtung, und der normative Gehalt eines entscheidenden Teiles des Sammlungsgesetzes würde neu bestimmt. Das kann nicht durch einen Spruch des Bundesverfassungsgerichts geschehen, sondern muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben.
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5. Bei dieser Rechtslage kann dahinstehen, ob die Normen, die die Überwachung genehmigter Sammlungen und der Sammlungsträger betreffen, mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Im Hinblick auf die Nichtigkeit der Genehmigungsvorbehalte sind die übrigen Vorschriften des Gesetzes und die Durchführungsverordnungen wegen ihres engen Zusammenhanges mit diesen Vorbehalten gegenstandslos geworden. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob das Sammlungsgesetz gegen andere Vorschriften der Verfassung verstößt.
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III.
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Der rechtspolitischen Entscheidung des zuständigen Landesgesetzgebers muß überlassen bleiben, ob und wie er das Sammlungswesen in Übereinstimmung mit der Verfassung regeln will. Art. 2 Abs. 1 GG verbietet nicht jede gesetzliche Regelung und Beaufsichtigung des Spenden- und Sammlungswesens. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zur Vermeidung von Betrügereien, von unlauterem Wettbewerb und sonstigen Ordnungswidrigkeiten das Sammlungswesen gesetzlich geordnet wird. Diese "polizeilichen" Gesichtspunkte müssen aber auch im wesentlichen für die Grenze staatlicher Beaufsichtigung maßgebend sein. Wenn auch ein generelles Verbot mit Genehmigungsvorbehalt, wie es im Sammlungsgesetz angeordnet ist, nicht verfassungsmäßig ist, so bestehen doch erhebliche Gründe des öffentlichen Wohles, die eine weniger stark eingreifende Kontrolle zulässig erscheinen lassen. Ob der Gesetzgeber eine Anzeigepflicht für ausreichend ansieht oder eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt für notwendig erachtet, muß seinem Ermessen überlassen bleiben.
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