Beschluß | |
des Ersten Senats vom 26. Februar 1969
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-- 1 BvR 619/63 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Journalisten Ernst-August A... ... gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 1963 - I b ZR 214/62 -.
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Entscheidungsformel:
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Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 1963 - I b ZR 214/62 - verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben; die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
Die Verlagshäuser Axel Springer & Sohn KG, Hammerich & Lesser KG und Die Welt Verlags-GmbH - im folgenden: die Beklagten - waren in dem hier maßgeblichen Zeitraum Herausgeber der Zeitungen "Bild", "Bild am Sonntag", "Hamburger Abendblatt", "Die Welt", "Welt am Sonntag", der Zeitschrift "Das Neue Blatt", der Rundfunkzeitschrift "Hör zu" und der illustrierten Zeitschrift "Kristall". Ende August 1961 versandten die Beklagten an sämtliche Zeitungs- und Zeitschriftenhändler in Hamburg ein Rundschreiben folgenden Inhalts:
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"Lieber Geschäftsfreund,
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die rücksichtslosen Gewaltakte, unter denen die Bevölkerung in Ost- Berlin und in der Zone seit Wochen schwer zu leiden hat, haben überall in der freien Welt Empörung ausgelöst. Die Kette der Rechtsbrüche und der Zwangsmaßnahmen gegen unsere Brüder und Schwestern im Osten reißt nicht ab. Wir im freien Teil Deutschlands dürfen es nicht dabei bewenden lassen, in stummer Erbitterung täglich davon zu lesen und im übrigen tatenlos zu bleiben. Jeder Einzelne hat die Pflicht, in seinem Bereich die Freiheit zu schützen. Auch vom deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenhandel verlangen besondere Ereignisse der letzten Zeit klare Entscheidungen. Es zeigt sich immer mehr, daß die Machthaber der Zone Rundfunk und Fernsehen als reines Propaganda-Instrument gebrauchen. Filme und Unterhaltungssendungen, die sich in der Programmankündigung unpolitisch ausnehmen, werden willkürlich unterbrochen, damit die SED-Propagandisten ihre Hetzreden auf uns loslassen können. Dabei werden wir alle in niederträchtiger Weise verleumdet und die Berliner Ereignisse in der übelsten Art verfälscht. Ganz unbegreiflich erscheint es deshalb, daß es immer noch Spekulanten gibt, die sich zu dem Abdruck der Ostzonenprogramme für die Verbreitung der Lügen aus Pankow hergeben. In dieser Bewährungsprobe unseres Volkes muß man von verantwortungsvollen Zeitungs- und Zeitschriftenhändlern erwarten, daß sie sich vom Vertrieb derjenigen Blätter distanzieren, die auch jetzt nicht bereit sind, auf den Abdruck der ostzonalen Rundfunk- und Fernsehprogramme zu verzichten, wie z.B. "Bildfunk", "Fernsehprogramme" und "Lotto-Toto-Expreß". Die Verlagshäuser AXEL SPRINGER und DIE WELT sind überzeugt davon, daß die überwältigende Mehrarbeit ihrer Geschäftsfreunde diese Ansicht teilt und danach handelt. Dabei kann es selbstverständlich nicht in unserem Sinne sein, daß die Einsichtigen durch ihre Haltung Nachteile haben. Sollte es deshalb einzelne Händler geben, die aus der Situation Profit schlagen möchten und trotzdem weiterhin Objekte führen, die der Ulbricht-Propaganda Vorschub leisten, so werden die genannten Verlagshäuser prüfen, ob sie es verantworten können, zu solchen Händlern die Geschäftsbeziehungen fortzusetzen. Sie werden in der augenblicklichen Situation die Notwendigkeit dieses Appells verstehen. Damit Sie Ihre Kundschaft in der geeigneten Form unterrichten können, wird Sie Ihr Großhändler mit Handzetteln versorgen (siehe beiliegendes Muster). Zeigen Sie durch Ihre Haltung, daß Sie sich als Zeitungs- und Zeitschriftenhändler Ihrer Verantwortung den deutschen Lesern gegenüber bewußt sind.
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Mit den besten Empfehlungen
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VERLAGSHAUS AXEL SPRINGER
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VERLAGSHAUS DIE WELT"
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Diesem Rundschreiben war ein Muster des angekündigten Handzettels angefügt, der folgenden Wortlaut hatte:
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"Keine Ostprogramme mehr!
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Die politisch bewegte Zeit verlangt von uns allen eine klare Entscheidung. Der deutsche Zeitschriftenhandel hat diese Entscheidung jetzt getroffen. Er ist der Meinung, daß es zu einer selbstverständlichen nationalen Pflicht gehört, vorläufig keine Zeitschriften mehr anzubieten, die das ostzonale Rundfunk- und Fernsehprogramm abdrucken. Rundfunk und Fernsehen aus dem Osten sind zu einem reinen Propaganda-Instrument geworden. Wir alle werden in niederträchtiger Weise verleumdet und besudelt, die Berliner Ereignisse in übelster Weise verfälscht. Gute Unterhaltungssendungen und wertvolle alte Filme werden unterbrochen, um Hetzreden von SED-Propagandisten auf uns loszulassen. Der deutsche Zeitschriftenhandel weiß, was er zu tun hat: er ist nicht bereit, sich auf diese Weise von Ulbricht mißbrauchen zu lassen. Es gibt viele gute Programmzeitschriften, die Sie über Fernsehen und Rundfunk eingehend informieren. Ich will Sie jederzeit dabei gern beraten. Aber für Zeitschriften mit Ostprogramm ist bei mir ab heute kein Platz mehr. Das müssen Sie verstehen.
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IHR
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ZEITUNGS- und ZEITSCHRIFTENHÄNDLER"
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Mit der Begründung, die Beklagten führten gegen ihn einen unlauteren Wettbewerb, weil die versandten Rundschreiben einen gegen seinen Betrieb gerichteten Boykottaufruf enthielten, erhob der Beschwerdeführer Klage auf Feststellung, daß die Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet seien. Das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht entsprachen dem Begehren. Auf die Revision der Beklagten hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10. Juli 1963 (NJW 1964, S. 29 = JZ 1964, S. 95) das Berufungsurteil auf, wies die Klage ab und bürdete dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsstreits auf. Nach Ansicht des Revisionsgerichts liegt der Annahme des Berufungsurteils, das vom Beschwerdeführer beanstandete Rundschreiben sei nicht aus wettbewerblichen, sondern aus staatspolitischen Gründen herausgegeben worden, kein Rechtsirrtum zugrunde. Der in dem Rundschreiben enthaltene Hinweis der Beklagten, sie würden die Fortsetzung ihrer Geschäftsbeziehungen zu denjenigen Händlern prüfen, die aus spekulativen Gründen weiterhin Druckschriften mit den sowjetzonalen Sendeprogrammen feilhielten, habe dahin verstanden werden können, daß die Beklagten damit lediglich ein etwaiges Hindernis für die Durchsetzung ihres politischen Anliegens ausräumen wollten. Das Ziel des Rundschreibens sei nicht gewesen, den Beschwerdeführer "mundtot" zu machen und über sein Unternehmen einen Boykott zu verhängen; es habe sich nur gegen die Verbreitung der sowjetzonalen Sendeprogramme gerichtet. Sowohl in der Zielsetzung wie hinsichtlich des angewendeten Mittels sei die Verteilung des Rundschreibens durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt, das nicht nur die bloße Äußerung, sondern auch die mit ihr bezweckte Wirkung auf andere umfasse. Eine Abwägung der von den Beklagten ergriffenen Maßnahmen und der dadurch beeinträchtigten Belange des Beschwerdeführers ergebe, daß dem von den Beklagten in Anspruch genommenen Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vor der gewerblichen Betätigung des Beschwerdeführers, soweit durch das Rundschreiben in sie eingegriffen wurde, der Vorrang gebühre. Zu der in dem beanstandeten Rundschreiben geübten Kritik seien Presseunternehmen bevorzugt legitimiert, auch wenn das Rundschreiben keine eigentliche Presseverlautbarung dargestellt habe. Die Nachteile, die dem Beschwerdeführer durch die den Händlern von den Beklagten in Aussicht gestellte Maßnahme möglicherweise zugefügt worden seien, stünden nicht in einem solchen Mißverhältnis zu dem angestrebten Zweck, daß das nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schutzwürdige Interesse der Beklagten an einem Erfolg ihrer politischen Meinungsäußerung hinter den beeinträchtigten gewerblichen Belangen des Beschwerdeführers hätte zurücktreten müssen. Einem Umsatzrückgang des Unternehmens des Beschwerdeführers in Höhe von 10% könne keine rechtliche Bedeutung beigemessen werden. Die Wahl der Mittel, deren die Beklagten sich in Verfolgung ihres Anliegens bedienen durften, sei durch das Maß der herausforderung, die Vorkommnisse an der Zonengrenze und der Berliner Sektorengrenze, mitbestimmt worden. Es könne ihnen deshalb nicht verwehrt werden, zur Durchsetzung ihrer Meinung auch diejenigen geschäftlichen Maßnahmen anzukündigen und durchzuführen, die ihnen in einer die Lebensinteressen des eigenen Volkes weniger berührenden Angelegenheit und sicherlich etwa im Rahmen einer rein wirtschaftlichen Auseinandersetzung nicht offengestanden hätten. Die Beklagten wären unglaubwürdig erschienen, wenn sie nicht ihr eigenes geschäftliches Verhalten mit ihrer in dem Rundschreiben vertretenen Gesinnung in Einklang gebracht hätten. Darüber hinaus hätten die Beklagten ohne dieses Vorgehen sogar gerade Händler, die ihrem Aufruf nicht nachgekommen wären, mittelbar gefördert und damit selbst einen Anreiz zur Nichtbefolgung des Aufrufs gegeben. Da der Eingriff in den Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers somit nicht rechtswidrig sei und schon deshalb nicht gegen die guten Sitten verstoße, stehe ihm ein Schadensersatzanspruch nicht zu.
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II.
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Gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Darin rügt er Verstöße gegen die Art. 2, 3 und 5 GG. Das Rundschreiben der Beklagten sei in Wettbewerbsabsicht versandt worden und stelle eine Nötigung dar. Wer sich in Ausnutzung seiner beherrschenden Marktstellung des Mittels des Boykotts und der Androhung einer Liefersperre für den Fall der Nichtbefolgung einer bestimmten Meinungsäußerung in einem Rundschreiben bediene, könne sich nicht auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. Die These des Bundesgerichtshofs, es sei abzuwägen zwischen dem Wert, den das beeinträchtigte Recht am Gewerbebetrieb für den Beschwerdeführer und das Recht zur freien Meinungsäußerung der Beklagten habe, sei falsch; der Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers sei ebenfalls ein Zeitungsverlag, dem das Recht auf Meinungsfreiheit zustehe. Das Grundrecht der Pressefreiheit habe das Revisionsgericht auch dadurch verletzt, daß es die vorzunehmende Güterabwägung nicht auf die Prozeßparteien beschränkt habe. Da die Veröffentlichung der mitteldeutschen Funkprogramme rechtmäßig sei, stelle das Vorgehen der Beklagten eine unzulässige Zensur dar. Es sei schlechterdings unzulässig, durch Urteil eines Gerichts festzustellen, daß eine politische Meinung den Vorrang über eine andere habe. Die Erwägung des Bundesgerichtshofs, die Beklagten wären vor der Öffentlichkeit unglaubwürdig erschienen, wenn sie nicht ihr eigenes geschäftliches Verhalten mit ihrer in dem Rundschreiben vertretenen Meinung in Einklang gebracht hätten, widerspreche dem Art. 5 GG und sei unverständlich, weil die Glaubwürdigkeit kein Schutzgut darstelle. Zudem würden in der Zeitschrift "Hör zu" vom September 1964 an wiederum die mitteldeutschen Sendeprogramme abgedruckt; den Beklagten habe es daher schlecht angestanden, sich als Hüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aufzuspielen. Der dem Beschwerdeführer durch das Verhalten der Beklagten entstandene Schaden von etwas mehr als 10% könne entgegen der Ansicht des Revisionsgerichts nicht als geringfügig angesehen werden.
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Der Bundesminister der Justiz ist der Auffassung, das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit des Beschwerdeführers sei nicht durch die öffentliche Gewalt beeinträchtigt worden, weil der Bundesgerichtshof dem Beschwerdeführer keine Meinungsäußerung untersagt, sondern es lediglich abgelehnt habe, einen anderen zum Schadensersatz wegen einer Boykottandrohung zu verurteilen.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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Zwar hat der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens über die Verfassungsbeschwerde die Wochenzeitung "Blinkfüer" mit Wirkung vom 1. Januar 1967 "mit allen Aktiva und Passiva" veräußert. Dabei wurde vereinbart, daß der Beschwerdeführer alle laufenden Prozesse zu Ende führe und Beträge, die ihm auf Grund dieser Verfahren etwa zufließen sollten, an den Käufer abzuführen habe, während der Käufer die Prozeßkosten tragen solle.
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Durch die Veräußerung der Wochenzeitung "Blinkfüer" ist das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers jedoch nicht entfallen. Würde man sein Rechtsschutzinteresse wegen der Veräußerung oder Abtretung verneinen, so würde dies zu dem unbilligen Ergebnis führen, daß in diesem Falle ein Urteil überhaupt nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte. Gegen den Käufer der Wochenzeitung "Blinkfüer" ist das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht ergangen; es konnte deshalb dessen Grundrechte nicht verletzen. Zwar ist es durch die Rechtsnachfolge auch ihm gegenüber wirksam geworden (§ 325 Abs. 1 ZPO). Jedoch erwächst ihm hieraus keine Beschwerdebefugnis hinsichtlich des schon zuvor und zum Nachteil seines Rechtsvorgängers angeblich begangenen Grundrechtsverstoßes. Eine Prozeßstandschaft im Verfassungsbeschwerdeverfahren hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (BVerfGE 2, 292 [294]; 10, 134 [136]; 11, 30 [35]; 12, 139 [143]; 13, 1 [9]; 13, 54 [89]; 19, 323 [329]).
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Aus diesen Gründen kann dahinstehen, ob das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers sich auch aus seiner vertraglichen Verpflichtung ergibt, alle noch laufenden Prozesse, die im Zusammenhang mit der veräußerten Wochenzeitung stehen, für den Käufer zu Ende zu führen und so das Drittinteresse zu liquidieren (vgl. RGZ 170, 246 [251]; Danckelmann-Heinrichs in Palandt, Kommentar zum BGB, 28. Aufl., 1969, Vorbem. 6 zu § 249).
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Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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Das Verfahren vor den Instanzgerichten war ein bürgerlichrechtlicher Rechtsstreit, der nach der Privatrechtsordnung zu entscheiden war. Die vom Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt aufgerichtete objektive Wertordnung wirkt jedoch auf die Auslegung dieser Vorschriften ein, soweit sie einer solchen im Lichte der verfassungsrechtlichen Normen fähig sind (BVerfGE 7, 198 [205]). Im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ist das Verfassungsrecht für die Feststellung der Widerrechtlichkeit der Verletzung von Bedeutung. Einerseits ist dabei zu prüfen, inwieweit ein Boykott durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist, andererseits aber auch, inwieweit der Beschwerdeführer das Grundrecht der Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen kann. Der Bundesgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil die Tragweite des Rechts auf Meinungsfreiheit auf der Seite der Beklagten verkannt; auf der Seite des Beschwerdeführers hat er das Grundrecht der Pressefreiheit nicht in Erwägung gezogen.
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1. Der Bundesgerichtshof hält sowohl die Aufforderung der Beklagten an die Händler, den Vertrieb von Zeitungen mit mitteldeutschen Sendeprogrammen einzustellen, wie den Hinweis auf die Möglichkeit einer Liefersperre durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG für gerechtfertigt. Dadurch hat er den vom Wesen des Grundrechts her bestimmten Schutzbereich zu weit ausgedehnt.
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Die Aufforderung der Beklagten an die Zeitschriftenhändler stellt ungeachtet der zugrunde liegenden Motive als Aufruf zur organisierten, mindestens teilweisen Absperrung des Beschwerdeführers vom Absatz des "Blinkfüer" eine Aufforderung zum Boykott dar. Infolge der wirtschaftlichen Machtstellung der Beklagten und der den Zeitungshändlern angedrohten Liefersperren war diese Aufforderung geeignet, den Adressaten die Möglichkeit einer freien Entscheidung zu nehmen.
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Ein Boykottaufruf, dem eine bestimmte Meinungskundgabe zugrunde liegt, ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG insbesondere dann geschützt, wenn er als Mittel des geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage eingesetzt wird, wenn ihm also keine private Auseinandersetzung, sondern die Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit zugrunde liegt (BVerfGE 7, 198 [212]). Die Aufforderung zu einem Boykott kann selbst dann im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG liegen, wenn der Verrufer zu dem Boykottierten in einem beruflichen, gewerblichen oder sonstigen geschäftlichen Konkurrenzverhältnis steht, weil diese Situation eine geistige Auseinandersetzung an sich noch nicht ausschließt. Besitzt der Verrufer eine gewisse wirtschaftliche Machtstellung, so kann seiner Meinungsäußerung und dem ihr dienenden Boykottaufruf schon aus diesem Grunde zwar ein bedeutendes Gewicht zukommen. Diese wirtschaftliche Ungleichheit der Positionen allein macht aber die Aufforderung zum Boykott noch nicht unzulässig, weil es nach der Verfassung auch dem wirtschaftlich Stärkeren nicht verwehrt ist, einen geistigen Meinungskampf zu führen.
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Jedoch müssen die Mittel, deren sich der Verrufer zur Durchsetzung der Boykottaufforderung bedient, verfassungsrechtlich zu billigen sein. Ein Boykottaufruf wird durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung dann nicht geschützt, wenn er nicht nur auf geistige Argumente gestützt wird, sich also auf die Überzeugungskraft von Darlegungen, Erklärungen und Erwägungen beschränkt, sondern darüber hinaus sich solcher Mittel bedient, die den Angesprochenen die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidung in voller innerer Freiheit und ohne wirtschaftlichen Druck zu treffen. Dazu gehören insbesondere Androhung oder Ankündigung schwerer Nachteile und Ausnutzung sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit, wenn dies dem Boykottaufruf besonderen Nachdruck verleihen soll. Die Freiheit der geistigen Auseinandersetzung ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der freiheitlichen Demokratie, weil nur sie die öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeinem Interesse und staatspolitischer Bedeutung gewährleistet (vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [212, 219]; 20, 162 [174 ff.]). Die Ausübung wirtschaftlichen Druckes, der für den Betroffenen schwere Nachteile bewirkt und das Ziel verfolgt, die verfassungsrechtlich gewährleistete Verbreitung von Meinungen und Nachrichten zu verhindern, verletzt die Gleichheit der Chancen beim Prozeß der Meinungsbildung. Sie widerspricht auch dem Sinn und dem Wesen des Grundrechts der freien Meinungsäußerung, das den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten soll.
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Eine Beurteilung des Vorgehens der Beklagten nach diesen Kriterien zeigt, daß der Bundesgerichtshof den Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit zu weit ausgedehnt hat. Dabei kann mit den erkennenden Gerichten davon ausgegangen werden, daß das vom Beschwerdeführer beanstandete Rundschreiben nicht aus wettbewerblichen, sondern aus politischen Gründen herausgegeben worden ist. Es entstand wenige Wochen nach dem Bau der Mauer entlang der Berliner Sektorengrenze, der die öffentliche Meinung in der westlichen Welt und insbesondere in der Bundesrepublik stark bewegt und zur Abwehr herausgefordert hat. Zugleich wurden damals in der DDR weitere Freiheits- und Freizügigkeitsbeschränkungen eingeführt; auch wurde die gegen die politischen Organe der Bundesrepublik gerichtete Propaganda verstärkt. Dieser Propaganda wollten die Beklagten nach dem Inhalt ihres Rundschreibens entgegenwirken, nachdem sie selbst bereits seit dem Sommer des Jahres 1960 den Abdruck von Programmen der mitteldeutschen Sender mit der Begründung mangelnder Gegenseitigkeit eingestellt hatten.
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Die Mittel, die die Beklagten zur Durchsetzung des Boykottaufrufs angewandt haben, stehen mit dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Einklang. Hätten die Beklagten ihre Meinung über den Abdruck der mitteldeutschen Sendeprogramme in der Öffentlichkeit, etwa in den von ihnen herausgegebenen Blättern, geäußert und sich darauf beschränkt, die Leser zum Boykott der in Betracht kommenden Zeitungen und Zeitschriften aufzufordern, so wäre gegen dieses Vorgehen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Dann hätten sich die Beklagten, die sich öffentliche Interessen zu eigen gemacht haben, an die gewandt, die es angeht. Dagegen war ihr an die Zeitungs- und Zeitschriftenhändler gerichtetes Rundschreiben nicht geeignet, eine geistige Auseinandersetzung über Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Veröffentlichung der Programme mitteldeutscher Sender in der Öffentlichkeit herbeizuführen, weil diese Adressaten von den Beklagten wirtschaftlich oder rechtlich abhängig waren. Die Beklagten besaßen im Zeitpunkt der Entscheidung der im Ausgangsverfahren erkennenden Gerichte als Zeitungs- und Zeitschriftenverleger eine marktbeherrschende Stellung. Das gilt besonders für den Hamburger Raum, auf den sich der Verkauf der Wochenzeitung "Blinkfüer" konzentrierte. Diese Machtposition gegenüber den Händlern als Adressaten ihres Rundschreibens haben die Beklagten dazu benutzt, ihrem Boykottaufruf größere Wirksamkeit zu verleihen, indem sie ihn mit dem Hinweis auf eine mögliche Liefersperre gegenüber Boykottbrechern verbanden. Daß die in die Form einer bloßen Erwägung gekleidete Ankündigung als ernstgemeintes Druckmittel verstanden werden sollte, nimmt auch der Bundesgerichtshof an. Mit wirtschaftlichen Mitteln unter Ausnutzung der monopolartigen Stellung der Beklagten sollte also ein politischer Meinungskampf ausgetragen werden. Der Sachverhalt unterscheidet sich insoweit wesentlich von dem des sog. Lüth-Urteils (BVerfGE 7, 198 ff.). Die nur an die moralische und politische Verantwortung appellierende Meinungsäußerung des Senatsdirektors Lüth konnte die künstlerische und menschliche Entfaltungsmöglichkeit des Filmregisseurs Harlan unmittelbar und wirksam überhaupt nicht beschränken; denn Lüth standen keinerlei Zwangsmittel zu Gebote, um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Er konnte sich nur an das Verantwortungsbewußtsein und die sittliche Haltung der von ihm Angesprochenen wenden und mußte es ihrer freien Willensentschließung überlassen, ob sie ihm folgen wollten. Dagegen hätte die von den Beklagten angedrohte Liefersperre infolge ihrer marktbeherrschenden Stellung den von ihr betroffenen Zeitungsgrossisten und Einzelhändlern spürbare, unter Umständen existenzbedrohende Nachteile zufügen können. Sie hätte wohl auch die Abwanderung von Kunden zur Folge gehabt, die neben einigen der von den Beklagten herausgegebenen Blättern andere Zeitungen oder Zeitschriften zu kaufen pflegen. Unter diesen Umständen waren die in dem Rundschreiben angesprochenen Händler angesichts des massiven Drucks der in Aussicht gestellten Liefersperre notwendigerweise darauf beschränkt, Vorteile und Nachteile einer Nichtbefolgung des Appells der Beklagten gegeneinander abzuwägen und auf Grund dieser ausschließlich wirtschaftlichen Erwägungen zu handeln. Daher kann das Vorgehen der Beklagten nicht mehr als ein angemessenes Mittel zur Verwirklichung ihres Appells angesehen werden.
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2. Das angefochtene Urteil hat in seinen Entscheidungsgründen im Rahmen des Revisionsvortrags zwar die Behauptung der Beklagten erwähnt, der Beschwerdeführer könne sich nicht auf das Grundrecht des Art. 5 GG berufen, weil er es mißbrauche. Der Bundesgerichtshof ist jedoch auf dieses Vorbringen nicht eingegangen. Diese Prüfung hätte aber nahegelegen, weil der Beschwerdeführer Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung "Blinkfüer" war. Zu den Informationen über mitteldeutsche Sendeprogramme, die die Beklagten dem Inhalt des Rundschreibens zufolge verhindern wollten, war der Beschwerdeführer auf Grund der Pressefreiheit befugt. Zwar hält auch der Bundesgerichtshof die Programmwiedergabe in der Wochenzeitschrift "Blinkfüer" nicht für gesetzlich verboten, sondern durchaus für erlaubt. Er hat aber hieraus nicht die Konsequenz gezogen, dem von den Beklagten in Anspruch genommenen Grundrecht der freien Meinungsäußerung die dem Beschwerdeführer für den Abdruck der mitteldeutschen Funkprogramme seinerseits zustehende Pressefreiheit entgegenzustellen, sondern hat nur einen Widerstreit des Grundrechts der Meinungsfreiheit der Beklagten "mit einem nach bürgerlichem Recht geschützten Rechtsgut" des Beschwerdeführers angenommen. Dadurch hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung der Pressefreiheit für die materielle Rechtsposition des Beschwerdeführers verkannt.
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Zwar können sich Presseorgane gegenüber der Ausübung der Meinungsfreiheit durch andere grundsätzlich auch dann nicht auf die Pressefreiheit berufen, wenn sie wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Meinungs- und Pressefreiheit wollen die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinungsbildung in der freiheitlichen Demokratie schützen; sie dienen nicht der Garantie wirtschaftlicher Interessen. Zum Schutz des Instituts der freien Presse muß aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden (BVerfGE 20, 162 [175 f.]). Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten.
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Der Boykott der Wochenzeitung "Blinkfüer" verstieß gegen diese verfassungskräftig gewährleistete Freiheit. Er war nämlich dazu bestimmt, die weitere Veröffentlichung der mitteldeutschen Funk- und Fernsehprogramme zu verhindern und dem Publikum Informationen vorzuenthalten, indem er den weiteren Vertrieb dieser Wochenzeitung durch die Zeitungshändler ausschließen sollte. Der Beschwerdeführer war aber auf diesen Vertriebsapparat angewiesen. Das Verhalten der Beklagten richtete sich der Freiheit der Berichterstattung zuwider auf ein Unterdrücken von Nachrichten mit vornehmlich wirtschaftlichen Mitteln.
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Demnach ist die Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verstöße gegen Art. 5 Abs. 1 GG begründet, ohne daß noch geprüft werden müßte, ob das angefochtene Urteil auch andere Grundrechte verletzt. Es ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen.
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