Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 16. Dezember 1980 gemäß § 24 BVerfGG
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-- 2 BvR 419/80 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Rudolf Hess, Alliierte Haftanstalt Spandau, Wilhelmstraße 23, Berlin 20, gesetzlich vertreten durch seinen Abwesenheitspfleger Wolf-Rüdiger Hess, Grosostraße 17, Gräfeling, - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Alfred Seidl und Dr. Axel Heublein, Neuhauser Straße 3, München 2 - gegen a) das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) vom 21. Dezember 1979 - BGBl. I S. 2308 -, b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 1979 - I A 615/78 -, c) die Nichtanberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über die Revision gegen das Urteil zu b) durch das Bundesverwaltungsgericht.
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
1. Der 1894 geborene Beschwerdeführer war seit 1933 "Stellvertreter des Führers der NSDAP" und Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Im Mai 1941 flog er als "Parlamentär aus eigenem Entschluß" nach Großbritannien, um eine Verständigung zum Frieden zwischen dem Deutschen Reich und dem Vereinigten Königreich herbeizuführen. Er wurde dort inhaftiert, im Oktober 1945 von der britischen Regierung nach Nürnberg überstellt und einem Internationalen Militärtribunal als Angeklagter vorgeführt. Dieses Tribunal war von den Hauptsiegermächten des Zweiten Weltkriegs gemäß Art. 1 des Londoner Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten von ![]() ![]() | |
2. Durch Entscheidung vom 30. September und 1. Oktober 1946 sprach das Tribunal den Beschwerdeführer der Verbrechen gegen den Frieden (Art. 6 Buchst. a des Statuts) für schuldig und verurteilte ihn zu lebenslangem Freiheitsentzug. Von der Anklage der Kriegsverbrechen (Art. 6 Buchst. b des Statuts) und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 6 Buchst. c des Statuts) wurde er freigesprochen (vgl. Trial of the Major War Criminals before the International Military Tribunal, Vol. XXII, p. 411 ff., 527 ff., 588).
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3. Zur Vollstreckung der Entscheidungen des Tribunals stellte die Alliierte Kommandantur für Berlin auf Anordnung des Kontrollrates für Deutschland das Gefängnis in Berlin-Spandau als Alliiertes Gefängnis bereit (vgl. Art. 29 des Statuts). Die oberste Exekutivgewalt über das Gefängnis lag zunächst bei der Alliierten Kommandantur. Nach dem Auszug des sowjetischen Vertreters aus der Kommandantur am 1. Juli 1948 blieb die Viermächteverwaltung und -beaufsichtigung des Gefängnisses bestehen, die sowjetischen Behörden nahmen insoweit ihre Stellung weiterhin wahr. Nach wie vor obliegt einer aus vier Direktoren bestehenden Exekutivbehörde der Besatzungsmächte in Berlin die Verwaltung des Gefängnisses. ![]() | |
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4. Der Beschwerdeführer wurde im Juli 1947 in das Alliierte Gefängnis in Spandau übergeführt und befindet sich seither dort in Haft. Nach der Entlassung der letzten Mitgefangenen am 1. Oktober 1966 ist der Beschwerdeführer der einzige Insasse des Gefängnisses. Seine Familienangehörigen, sein Prozeßbevollmächtigter und die 1967 gegründete "Hilfsgemeinschaft Freiheit für Rudolf Hess" haben sich durch zahlreiche Eingaben bislang ohne Erfolg bemüht, seine Freilassung zu erwirken.
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a) Eine Beschwerde der Ehefrau des Beschwerdeführers gegen das Vereinigte Königreich bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte wurde für unzulässig erklärt.
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Über eine vom Beschwerdeführer im eigenen Namen am 23. Juli 1979 erhobene Beschwerde hat die Kommission -- soweit ersichtlich -- bislang nicht entschieden.
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b) Mit Schreiben vom 16. Juli 1979 bat der Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers den Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen, den Fall des Beschwerdeführers der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen ![]() ![]() | |
c) Eingaben des Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers bei den Präsidenten des Rechnungshofs von Berlin und des Bundesrechnungshofs wegen der Übernahme der Kosten für das Alliierte Gefängnis in Spandau wurden unter Hinweis auf die Hoheitsgewalt der Besatzungsmächte abschlägig beschieden. Auf eine entsprechende Klage beim Verwaltungsgericht Berlin teilte das Gericht mit, daß die Alliierte Kommandantur die Ausübung der Gerichtsbarkeit in diesem Fall untersagt habe.
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d) Auf Eingaben des Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers beim Bundeskanzler und beim Bundesminister des Auswärtigen teilte dieser ihm mit Schreiben vom 9. März 1979 mit, daß das hohe Alter und die angegriffene Gesundheit des Beschwerdeführers nach Auffassung der Bundesregierung seit langem seine Freilassung rechtfertigten. Der Bundespräsident und die Bundesregierung setzten sich dafür -- ebenso wie die Staats- und Regierungschefs der Drei Mächte -- seit langem ein. Sie würden dies auch weiterhin tun. Allerdings sei darauf hinzuweisen, daß die Drei Mächte Bedenken dagegen hätten, daß die Frage der Rechtmäßigkeit des Urteils des Internationalen Militärgerichtshofs aufgeworfen werde. Sie seien der Auffassung, daß für eine Freilassung des Beschwerdeführers nur hu ![]() ![]() | |
Mit Schreiben vom 30. Juni 1980 teilte der Staatssekretär des Auswärtigen Amts dem Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, die Bundesregierung vertrete die Rechtsauffassung, daß die Verurteilung und Inhaftierung ihren Rechtsgrund in Maßnahmen der Siegermächte hätten, die sich auf Deutschland als Ganzes (im Sinne des Art. 2 Satz 1 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 [BGBl. 1955 II S. 305] -- Deutschlandvertrag -) bezögen und die der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland folglich entzogen seien. Die Siegermächte könnten sich gegenüber einem Antrag auf Überprüfung ihrer Maßnahmen durch die Organe der Vereinten Nationen nach wie vor auf Art. 107 SVN berufen.
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5. a) Im Juni 1977 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Er begehrte, die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland auszusprechen, bestimmte diplomatische Schritte zu seiner alsbaldigen Freilassung zu unternehmen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 19. Dezember 1977 ab. Eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (1 BvR 70/78) nahm der gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG berufene Ausschuß mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung an. Die Bundesregierung habe überzeugend dargelegt, daß sie in den vergangenen Jahren mehrmals von ihr als geeignet angesehene Schritte zugunsten des Beschwerdeführers unternommen habe. Ein Anspruch auf eine oder bestimmte von ihr zu treffende Maßnahmen stehe dem Beschwerdeführer nicht zu.
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b) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts legte der Beschwerdeführer Berufung ein. Durch Urteil vom 14. Mai 1979 (I A 615/78) wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Berufung zurück; die Revision wurde zugelassen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Zwar habe ![]() ![]() ![]() | |
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c) Über die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision hat das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht entschieden. Auf Anfrage hat der Vorsitzende des zuständigen Senats dem Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers mitgeteilt, daß mit einer Terminierung "jedenfalls vor den Ferien in diesem Jahr" (1980) nicht mehr zu rechnen sei. ![]() | |
Mit seiner Verfassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer
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I. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 1979 aufzuheben und die Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, durch ihre Organe den Bundespräsidenten den Bundeskanzler den Bundesminister des Auswärtigen den Bundesminister der Justiz 1. zu erklären und zu veröffentlichen, daß die Fortdauer der bisher 38jährigen Einschließung des im 86. Lebensjahr stehenden Klägers Rudolf Hess, davon in den letzten 13 Jahren in Isolierhaft, gegen zwingendes Völkerrecht und fundamentale Menschenrechte verstößt; 2. bei den vier Gewahrsamsmächten alle geeigneten offiziellen Schritte zu seiner alsbaldigen Freilassung zu tun, insbesondere bei der Gewahrsmacht Großbritannien, die Rudolf Hess dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg ausgeliefert hat; 3. insbesondere unverzüglich bei den Vereinten Nationen (UNO) zu beantragen, a) daß die Fortdauer der 38jährigen Einschließung des Klägers, davon in den letzten 13 Jahren in Isolierhaft, von der Vollversammlung wegen Verstoßes gegen zwingendes Völkerrecht und fundamentale Menschenrechte mißbilligt und verurteilt wird, b) daß die Vollversammlung die vier Gewahrsamsmächte anweist, den Kläger unverzüglich aus der Haft freizulassen; 4. beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu beantragen, daß die 38jährige Einschließung des Klägers, davon in den letzten 13 Jahren in Isolierhaft, wegen Verstoßes gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten mißbilligt und verurteilt wird; 5. den Fall des Beschwerdeführers dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit dem Antrag vorzulegen, festzustellen, daß die Einschließung des Beschwerdeführers mit Art. 107 der Charta der Vereinten Nationen nicht ![]() ![]() | |
II. der Bundesrepublik Deutschland wird verboten, weiterhin Zahlungen an die vier Gewahrsamsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Republik Frankreich, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) für Zwecke der Vollstreckung des Urteils des Internationalen Militärtribunals vom 1. Oktober 1946, insbesondere für die Unterhaltung des Spandau Allied Prison in Berlin zu leisten;
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III. festzustellen, daß das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 vom 21. Dezember 1979 (BGBl. 1979 I, S. 2308) nichtig ist, soweit in ihm Staatsausgaben für die Verwaltung und die Unterhaltung des Alliierten Militärgefängnisses in Berlin-Spandau ausgewiesen sind;
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IV. festzustellen, daß die bisherige Nichtanberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Mai 1979 durch das Bundesverwaltungsgericht gegen das Grundrecht auf gerichtlichen Rechtsschutz verstößt.
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Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Art. 1, 2, 19 Abs. 4, 101, 103 und 104 GG.
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1. Er hält seine Verurteilung durch das Internationale Militärtribunal und den Vollzug des gegen ihn ergangenen Spruchs für rechtswidrig. Das Völkerrecht kenne keinen Rechtssatz, wonach ein staatlicher Organträger wegen eines Verbrechens gegen den Frieden persönlich verantwortlich gemacht werden könne. Die Verurteilung stelle somit eine fundamentale Verletzung der Menschenrechte dar; sie verstoße insbesondere auch gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Offenbar habe auch die UdSSR bei ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |
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3. Der Beschwerdeführer hält es für verfassungswidrig, daß das Bundesverwaltungsgericht in dem Verfahren über seine am 15. Mai 1979 eingelegte Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts noch keinen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt habe. Auf die besondere Dringlichkeit des Verfahrens angesichts des hohen Alters und des schlechten Gesundheitszustands des Beschwerdeführers sei das Bundesverwaltungsgericht mehrfach nachdrücklich hingewiesen worden. Die Sachbehandlung durch das Revisionsgericht komme in Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles einer Rechtsverweigerung gleich. Der zu entscheidende Fall sei in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht einfach gelagert.
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4. Zur weiteren Begründung seiner Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer eine Reihe von Dokumenten zu seiner Verurteilung und seiner Inhaftierung und zu den damit zusammenhängenden völkerrechtlichen Fragen vorgelegt.
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III.
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Namens der Bundesregierung hat sich der Bundesminister des Auswärtigen geäußert. ![]() | |
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Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) vom 21. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2308) richtet. Der Beschwerdeführer ist insofern nicht beschwerdebefugt.
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1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ist grundsätzlich, daß der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz in Grundrechten betroffen ist. Setzt das Gesetz für seinen Vollzug rechtsnotwendig einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Gewalt beeinflußten Vollziehungsakt voraus, so fehlt es an der unmittelbaren Betroffenheit (BVerfGE 1, 97 [101 ff.]; ständige Rechtsprechung).
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2. Der Beschwerdeführer ist durch die gemäß § 1 des Haushaltsgesetzes 1980 in dem Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1980 getroffene Feststellung einzelner Ausgaben für Besatzungskosten in Berlin (Einzelplan 35, Kapitel 3502, Titel 429 01, 518 03 und 812 02) nicht unmittelbar in Grundrechten betroffen. Es mag dahinstehen, ob ein Einzelner durch die Feststellung von Ausgaben in dem Haushaltsplan überhaupt jemals unmittelbar in Rechten betroffen sein kann. Ihm gegenüber entfaltet der Haushaltsplan in der Regel keine rechtlichen Wirkungen. Er ermächtigt lediglich die Exekutive, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen (vgl. § 3 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung); Ansprüche oder Verbindlichkeiten werden durch ihn weder begründet noch aufgehoben (§ 3 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung).
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Die Bundesrepublik Deutschland ist für den gegen den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsentzug weder in seinem Ursprung noch für seine Fortdauer oder die Art und Weise seines Vollzugs verfassungsrechtlich oder völkerrechtlich verant ![]() ![]() | |
Die Gewahrsamsmächte nehmen ihre im Hinblick auf den Vollzug der gegen den Beschwerdeführer verhängten Maßnahme ausgeübte Gewalt jedenfalls nicht kraft einer von der Bundesrepublik Deutschland abgeleiteten Gewalt wahr. Dementsprechend haben sich auch die Drei Mächte gemäß Art. 2 Satz 1 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 in der Fassung vom 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II S. 305) ausdrücklich "die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes" vorbehalten. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt die von dem Tribunal verhängte Maßnahme, deren Vollzug und die insoweit geltend gemachten Besatzungskosten als Folge der Niederlage Deutschlands zwar hin; sie wirkt dadurch aber weder an der Fortdauer des Freiheitsentzugs noch an den Haftbedingungen, denen der Beschwerdeführer ausgesetzt wird, mit. In dieser Hinnahme liegt jedoch keine völkerrechtliche Anerkennung dieser Maßnahme oder ihres Vollzugs. Eine Ablehnung der Übernahme der Kosten für das Alliierte Gefängnis in Spandau durch den Bund würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit insoweit nichts ändern.
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Das Bundesverfassungsgericht kann deshalb in diesem Zusammenhang auch nicht über die Frage befinden, ob -- zumal im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und die sonstigen Umstände -- die Fortdauer des Freiheitsentzugs gegen völkerrechtliches Besatzungsrecht oder gegen den als zwingendes Völkerrecht verbindlichen menschenrechtlichen Mindeststandard verstößt, wie der Beschwerdeführer ausführt.
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3. Soweit das Verhalten von Berliner Organen und Behörden in Rede steht, übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit im Hinblick auf die Vorbehalte der Drei Mächte in ![]() ![]() | |
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wendet, ist sie -- ihre Zulässigkeit unterstellt -- unbegründet.
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a) Insoweit kann der Beschwerdeführer allerdings nur die aus § 95 BVerfGG ersichtlichen Ziele verfolgen. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG ist das Bundesverfassungsgericht nur befugt, die angegriffene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das zuständige Gericht zurückzuverweisen. Dem Bundesverfassungsgericht ist es hingegen verwehrt, entsprechend den vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestellten Anträgen selbst die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Erklärungen und Handlungen auszusprechen. Dies gilt -- jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang -- auch für den Antrag, der Bundesrepublik Deutschland zu verbieten, weiterhin Zahlungen an die vier Gewahrsamsmächte zu leisten. Die hierauf gerichteten Anträge des Beschwerdeführers sind unstatthaft.
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b) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt nicht Grundrechte des Beschwerdeführers.
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Das Oberverwaltungsgericht hat nicht verkannt, daß den Organen der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Bundesregierung, von Verfassungs wegen die Pflicht zum Schutz deutscher Staatsangehöriger und ihrer Interessen gegenüber fremden Staaten obliegt (vgl. BVerfGE 6, 290 [299]; 40, 141 [177 f.]; 41, 126 [182]; OVG Münster, OVGE 17, 106; vgl. zur Schutzpflicht: Geck, ZaöRV 17 [1956/57], S. 476 ff.; Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, 1959; Klein, DÖV 1977, S. 704 ff. m.w.N.). Es ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß der Bundesregierung hinsichtlich der Frage, ob und in welcher Weise sie Auslandsschutz gewährt, ein weites Ermessen zusteht und ![]() ![]() | |
Die Weite des Ermessens im auswärtigen Bereich hat ihren Grund darin, daß die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen. Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt einen sehr weiten Spielraum in der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens.
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Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung, derzufolge die Bundesregierung das ihr zustehende Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt habe, die Tragweite der Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verkannt. Von Verfassungs wegen ist es nicht geboten, daß die Bundesregierung gerade die vom Beschwerdeführer beantragten Maßnahmen zu seinem Schutz ergreift. Die im Berufungsurteil hierzu im einzelnen angestellten Erwägungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Die Bundesregierung hat in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren und in dem Verfahren der Verfassungsbeschwerde dargelegt, daß sie bereits wesentliche Schritte unternommen hat, um die Freilassung des Beschwerdeführers, dessen Inhaftierung ihrem Machtbereich entzogen ist, zu erwirken; sie will auch weiterhin entsprechende Vorstöße gegenüber den Gewahrsams ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Dabei mag dahinstehen, ob die Rechtsauffassung der Bundesregierung zur Anwendbarkeit des Art. 107 SVN auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffend ist. Selbst eine nach Auffassung eines deutschen Gerichts völkerrechtlich unzutreffende Rechtsauffassung, von der die Bundesregierung bei Prüfung der Ermessensvoraussetzungen und der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Auslandsschutzes im Einzelfall ausginge, vermöchte nicht schon die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung zu begründen. Der gegenwärtigen Völkerrechtsordnung gebricht es weithin an institutionellen Vorkehrungen, etwa einer obligatorischen internationalen Gerichtsbarkeit (vgl. Art. 36 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs; Waldock, Decline of the optional clause, The British Year Book of International Law, Vol. 32, 1955-56, p. 244 ff.), vermittels deren die Richtigkeit von Rechtsauffassungen im Streitfall verbindlich festgestellt werden könnte. Der Behauptung des eigenen Rechtsstandpunktes durch einen Staat kommt daher auf internationaler Ebene eine sehr viel größere Tragweite zu als in einer innerstaatlichen ![]() ![]() | |
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch im übrigen unbegründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht dadurch die Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt, daß es in dem Verfahren der Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil ![]() ![]() | |
Die Entscheidung darüber, wann im einzelnen Verfahren ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt wird, obliegt in erster Linie dem mit der Sache befaßten Gericht im Rahmen des ihm im Hinblick auf die Verfahrensführung durch die einschlägige Prozeßordnung eingeräumten Ermessens. Sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zuläßt, muß das Gericht hierfür zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festlegen. Dabei darf es freilich das aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht außer acht lassen. Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle bezüglich des ihn betreffenden Handelns oder Unterlassens der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 40, 272 [275]; ständige Rechtsprechung). Wirksamer Rechtsschutz bedeutet zumal auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen.
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Die Dauer des Revisionsverfahrens des Beschwerdeführers ist -- auch unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten dieses Verfahrens -- derzeit noch nicht unangemessen lang. Der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß sich die Terminierung des Verfahrens verzögere, weil der Senat mit Revisionssachen stark überlastet sei; insofern erscheint die bisherige Verfahrensdauer nicht ungewöhnlich. Es ist auch nicht erkennbar, daß die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung aus sachwidrigen Erwägungen bislang unterblieben wäre. Ohnehin steht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen, hinsichtlich etwaiger Rechtsbeeinträchtigungen vorläufigen Rechtsschutz zu begehren. Es liegt freilich auf der Hand, daß das mit der ver ![]() ![]() | |