Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 23. Februar 1983
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– 2 BvR 1765/82 – | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Hans Wallow, Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundeshaus, Bonn 1, – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Heinrich Deubner, Dr. Christian Kirchberg, Schirmerstraße 8, Karlsruhe l – gegen die von der Bundesregierung in der Presse vom 18. bis 30. Dezember 1982 durchgeführte Anzeigenkampagne und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
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Entscheidungsformel: | |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, ob die Bundesregierung im Dezember 1982 durch mehrere Anzeigen in Tageszeitungen und daran geknüpfte andere Formen der Information unter Einsatz öffentlicher Mittel zugunsten oder zu Lasten bestimmter politischer Parteien und Wahlbewerber Partei ergriffen und dadurch das Recht des Beschwerdeführers auf chancengleiche Teilnahme an der bevorstehenden Bundestagswahl verletzt hat.
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I.
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1. Die Bundesregierung ließ im Dezember 1982 mehrere Zeitungsanzeigen veröffentlichen, die aus Haushaltsmitteln finanziert waren.
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a) Am 18. Dezember 1982 erschien in fünf überregional verbreiteten Zeitungen ("Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Frankfurter Rundschau", "Süddeutsche Zeitung", "Die Welt", "Bild") eine Einzelanzeige zum Thema "Mietrecht", am 20. Dezember 1982 erschien die gleiche Anzeige im "Handelsblatt". Die Kosten der Veröffentlichung betrugen insgesamt etwa 104 000 DM.
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In der Anzeige werden Einzelheiten des ab 1. Januar 1983 geltenden Mietrechts dargestellt. Die Einleitung erläutert die Änderungen des Mietrechts und das wohnungspolitische Sofortprogramm der Bundesregierung und stellt sie in den Rahmen eines der Wohnungs- und Arbeitsplatzbeschaffung dienenden Gesamtprogrammes. Am Schluß heißt es: "Soziale Wohnungspolitik darf sich nicht nur auf die Bürger beschränken, die eine Wohnung haben, sondern muß auch an die denken, die eine Wohnung suchen." Die Anzeige steht nach dem Satz "Die Bundesregierung informiert" unter der fettgedruckten Überschrift "Der beste Mieterschutz: Mehr Wohnungen!" Neben dem Bundesadler ist im unteren Teil der Anzeige das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung mit Postanschrift aufgeführt.
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b) In der Zeit vom 22. bis 30. Dezember 1982 erschien in 261 regionalen und fünf überregionalen Zeitungen mit einem Gesamtkostenaufwand von etwa 2,75 Mio. DM eine Anzeigenserie zu den Haushaltsbeschlüssen der Bundesregierung, zum Bundeshaushalt 1983, zum Haushaltsbegleitgesetz und anderen Ende 1983 verabschiedeten Gesetzen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Anzeigen: – 22. Dezember 1982: Anzeige des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung "Stichwort Arbeitsplätze" – 24. Dezember 1982: Anzeige des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung "Stichwort Wohnungsbau" – 27. Dezember 1982: Anzeige des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung "Stichwort Rentenversicherung" – 28. Dezember 1982: Anzeige des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung "Stichwort Arbeitslosenversicherung" – 29. Dezember 1982: Anzeige des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung "Stichwort Krankenversicherung" – 30. Dezember 1982: Anzeige des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung "Stichwort Familie" | |
Die Anzeigen sind einheitlich aufgemacht: Nach dem Rahmentext "Die Bundesregierung informiert", neben dem oben links der Bundesadler abgedruckt ist, folgt jeweils der Satz "Das müssen sie ab 1. Januar 1983 wissen zum Stichwort...". Das Stichwort folgt sodann graphisch hervorgehoben und im Fettdruck. Der Text der Anzeigen ist geteilt in einen – zumeist kürzeren – Abschnitt "Die Situation" und einen Abschnitt "Die Beschlüsse". Im ersten Abschnitt wird die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung jeweils wie folgt umschrieben:
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Die Situation. Bundesregierung und Parlament haben den Bundeshaushalt 1983 und seine Begleitgesetze verabschiedet. Zum Verständnis der Beschlüsse mit den Rechten, Pflichten und Opfern für den Bürger ist es erforderlich, über aktuelle Grundziele und Grundentscheidungen informiert zu sein: Bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Das heißt: Investitionserleichterungen für die Unternehmen, Moderne Technologie, die uns den Platz auf dem Weltmarkt und damit Arbeitsplätze sichert. Günstigere Zinsen für Kredite: Jedes Prozent Zinssenkung bringt viele Milliarden Mark mehr für die Wirtschaft. Gesunde öffentliche Finanzen. Das heißt: Abbau der staatlichen Verschuldung, damit auch Kredite für die Unternehmen billiger werden. Damit wir nicht die Zukunft unserer Kinder und Enkel belasten. Mehr Geld in den öffentlichen Haushalten für Investitionen. Das heißt: Sparen bei den staatlichen Konsumausgaben, damit wieder mehr Steuermittel frei werden für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Bundesregierung und Parlament haben jetzt mit ihren Beschlüssen zum Haushalt 1983 Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung getroffen. | |
Ein Schlußsatz leitet dann auf den besonderen Sachbereich im Abschnitt "Die Beschlüsse" über.
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Am Ende der Anzeigen findet sich der Hinweis "Dies ist eine Kurzinformation: Weiteres Informationsmaterial halten wir bereit". Es folgt ein Coupon, der mit dem Text "Bitte senden Sie mir zusätzliches Informationsmaterial" und bei den Anzeigen "Rentenversicherung", "Arbeitslosenversicherung" und "Krankenversicherung" mit der Anschrift des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, im übrigen mit der Anschrift des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung versehen ist.
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2. Die Bundesregierung gab seit dem Regierungswechsel im Oktober 1982 im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit durch das Presse- und Informationsamt und die einzelnen Ministerien u.a. Broschüren mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 13. Oktober 1982, der Haushaltsrede des Bundesministers der Finanzen vom 10. November 1982 und zu Fragen der Sozialversicherung ("Das müssen Sie 1983 wissen zum Stichwort Sozialversicherung") heraus; in der Reihe "Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik" erschienen die Ausgaben 90 und 91/82 vom 17. und 27. Dezember 1982 ("Maßnahmen der Bundesregierung zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung sowie zur Entlastung des Bundeshaushalts" und "Das Mietrecht ab 1. Januar"); ferner wurde das Faltblatt "Wie hilft der Staat beim Bauen?" (Ausgabe 1983) veröffentlicht.
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3. a) Mit Schreiben vom 25. November 1982 hat das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung dem Beschwerdeführer auf dessen mündliche Anfrage das Erscheinen der Anzeigenserie und einzelner Begleitbroschüren angekündigt.
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b) Der Abgeordnete Jahn (SPD) hat am 26. November 1982 die Bundesregierung schriftlich u.a. gefragt (BTDrucks. 9/2184; Fragen 66 und 67), ob sie an der Vereinbarung, die auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 zur Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen zwischen den Sprechern der Bundesregierung und den Landesregierungen getroffen worden und nach der die Vorwahlzeit auf fünf Monate festgelegt worden sei, festhalte.
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Für die Bundesregierung hat in der 133. Sitzung des 9. Deutschen Bundestages vom 2. Dezember 1982 Ministerialdirektor Dr. Liebrecht u.a. geantwortet (Sten. Ber. S. 8240, Anlage 14), die Bundesregierung unterwerfe sich unabhängig von einer bestimmten Festlegung des Beginns der Vorwahlzeit "schon jetzt" den besonderen Beschränkungen, wie sie für die Vorwahlzeit gelten.
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II.
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1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Abgeordneter des 9. Deutschen Bundestages. Eine Vertreterversammlung der SPD hat ihn am 12. Dezember 1982 als Wahlkreisbewerber für den Bundestagswahlkreis 147 Ahrweiler-Mayen gewählt.
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2. Mit der am 23. Dezember 1982 erhobenen Verfassungsbeschwerde beantragt er zu entscheiden:
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Die von der Bundesregierung in der überregionalen Presse unter der Überschrift "Die Bundesregierung informiert" nach einheitlichem Muster am 18. Dezember 1982 und am 22. Dezember 1982 durchgeführte und für den 24., 27., 29. und 30. Dezember 1982 geplante Anzeigenkampagne verletzt Grundrechte des Beschwerdeführers, insbesondere aus Art. 38 Abs. 1 und 2 GG i.V.m Art. 3 Abs. 1 GG. Die Bundesregierung wird deshalb verpflichtet, diese Anzeigenwerbung sofort einzustellen und Wiederholungen zu vermeiden. Sie hat ferner die Auslieferung der Informationsbroschüren zu unterlassen, die mittels eines auf die Anzeigen aufgedruckten Coupons durch den Anzeigenleser beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bzw. bei verschiedenen Ministerien angefordert werden können. Zur Begründung trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor:
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a) Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Bei der Veröffentlichung der Anzeigen – oder zumindest bei der ihrer Veröffentlichung vorausgehenden Entscheidung der Regierung – handle es sich um einen Akt öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, der ihn in seinem Recht auf Chancengleichheit verletze. Das grundsätzliche Gebot der vorherigen Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) stehe der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Das Verfahren sei von allgemeiner Bedeutung, da dessen Ausgang nicht nur seine Wahlchancen, sondern auch die der übrigen Kandidaten für die Bundestagswahl 1983 betreffe. Ihm entstünde auch ein schwerer und unabwendbarer Nachteil, wenn er zunächst auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen würde.
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b) Die Anzeigenkampagne der Bundesregierung verletze sein Recht auf Chancengleichheit bei der bevorstehenden Bundestagswahl 1983. Neben den Parteien hätten auch alle Aktivbürger, denen Art. 38 Abs. 2 GG die Wählbarkeit ausdrücklich garantiere, als Wahlbewerber ein Recht auf Chancengleichheit. Dieses werde verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirkten. Die Anzeigenserie stelle eine solche unzulässige Einwirkung auf den Wahlkampf dar.
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Nach den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 (BVerfGE 44, 125) gesetzten klaren Maßstäben handle es sich bei den Anzeigen nicht um zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, sondern um unzulässige Wahlwerbung. Diese vollziehe sich in der Art eines massiven Überraschungsangriffs auf den politischen Gegner zu Beginn der "heißen Phase des Wahlkampfs". Schon bei der Anzeige "Mietrecht" trete der Text hinter der reklamehaften Aufmachung zurück. Soweit im Inhalt das nunmehr geltende Mietrecht dargestellt werde, möge es sich um eine zulässige informierende Veröffentlichung handeln, die aus akutem Anlaß erfolgt sei. Bei Überschrift und Schlußsatz handle es sich jedoch um politische Kampfparolen.
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Noch deutlicher trete der Propagandagehalt bei der am 22. Dezember 1982 begonnenen Anzeigenserie hervor. Dies gelte für fast alle Ausführungen der mit "Die Situation" betitelten Kopfzeile. Wenn darin "Bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft" und "Gesunde öffentliche Finanzen" gefordert würden, so lege dies den Umkehrschluß nahe, daß unter der von der SPD/FDP-Koalition getragenen Bundesregierung die Rahmenbedingungen schlecht und die Finanzen ungesund gewesen seien. Vor allem der Satz "Damit wir nicht die Zukunft unserer Kinder und Enkel belasten" weise auf das "Erblast"-Argument hin, das einen Schlüsselbegriff im Wahlkampf der Christlich-Demokratischen Union (CDU) bilden solle. Der informierende Teil der Anzeigen sei schönfärberisch, lückenhaft und z. T. falsch. Werbung und Information seien im Stil "verdeckter Werbung" gemischt, die vermutlich wirkungsvoller sei als offene Werbung.
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Darüber hinaus enthielten die Broschüren, die man nach Einsendung des Coupons erhalten könne, auf Sympathiewerbung zielende Bilder des Bundesministers der Finanzen und der Bundesregierung sowie politische Bemerkungen, die über das in der Vorwahlzeit Zulässige hinausgingen.
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Im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht intendierte rigorose Beschneidung der Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen in Vorwahlzeiten sei es unzulässig, in großer Zahl und unter gesteigertem Einsatz öffentlicher Mittel zukunftsgerichtete und politisch-programmatische Ministerreden aus der Zeit des "Umbruchs" zu veröffentlichen. Der propagandistische Gehalt der Rede des Bundesministers der Finanzen werde auch dadurch belegt, daß diese Rede auszugsweise in einer gegen die Finanzpolitik der SPD gerichteten, bundesweit veröffentlichten Wahlanzeige der CDU (u.a. am 26. November 1982) abgedruckt worden sei. Auch im übrigen seien die Anzeigen mit der Wahlwerbung der CDU inhaltlich und zeitlich abgestimmt.
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Die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung sei auch deshalb überschritten, weil es sich um eine gesteigerte Zahl von Einzelmaßnahmen ohne akuten Anlaß in erheblichem Ausmaße (Auflage pro Anzeige: 15 Mio.) und unter gesteigertem Einsatz öffentlicher Mittel (2,75 Mio. DM) in Form von Arbeits-, Leistungs- und Erfolgsberichten handle.
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Ferner sei der Zeitpunkt überschritten, von dem an die Bundesregierung bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit äußerste Zurückhaltung zu üben habe. Die heiße Phase des Wahlkampfes habe spätestens mit dem Mißtrauensvotum vom 17. Dezember 1982 begonnen. Im Falle der vorzeitigen Wahlen sei die Vorwahlzeit besonders kurz. Dies müsse bei der Bewertung der Anzeigen berücksichtigt werden.
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Mit Hilfe der Coupons wirkten die Anzeigen überdies noch in die Zeit nach der Bestimmung des Wahltermins durch den Bundespräsidenten hinein. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß die Broschüre des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, die schon jetzt angefordert werden könne, wahrscheinlich erst im Januar/Februar 1983 zur Verfügung stehen werde. Zwischen der Anzeigenserie und der nachfolgenden Zeit bis zur Bundestagswahl am 6. März 1983 werde auf diese Weise eine enge, propagandistische Verklammerung hergestellt.
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Schließlich habe der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit ein Faltblatt "Das Kindergeld" in einer Auflage von einer Million herstellen lassen. Es habe zunächst im Zusammenhang mit der am 30. Dezember 1982 veröffentlichten Anzeige "Stichwort Familie" verteilt werden sollen. Davon sei zwar abgesehen worden. Der Beschwerdeführer vermute aber, daß dieses Faltblatt – wie im übrigen auch die Broschüre mit der Regierungserklärung – "auf anderen Wegen" unter die Wahlbevölkerung gebracht werde.
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3. Der Beschwerdeführer hatte ferner mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1982 beantragt, die Bundesregierung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
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Der Senat hat am 23. Dezember 1982 über den Antrag beraten. Er hat beschlossen, die Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der Bundesregierung zur Äußerung zuzustellen.
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In seinem Schriftsatz vom 10. Januar 1983 hat der Beschwerdeführer den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf die Erklärung der Bundesregierung hierzu für erledigt erklärt und beantragt, der Bundesrepublik Deutschland insoweit die Erstattung seiner notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
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III.
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Die Bundesregierung hat mit Schriftsatz vom 7. Januar 1983 wie folgt Stellung genommen:
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1. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung richte sich gegen die vom 24. bis zum 30. Dezember 1982 veröffentlichten Anzeigen. Diese Anzeigen würden nicht wiederholt; der Antrag habe sich deshalb erledigt.
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2. Die Verfassungsbeschwerde sei – ungeachtet möglicher Bedenken gegen ihre Zulässigkeit – jedenfalls unbegründet. Der Beschwerdeführer werde weder durch die veröffentlichten Anzeigen selbst noch durch die Versendung weiteren Informationsmaterials aufgrund dieser Anzeigen in seinen Grundrechten aus Art. 38 i.V.m Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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Es könne offenbleiben, ob zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeigen schon die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Vorwahlzeit zu beachtenden besonderen Maßgaben gegolten hätten. Die Entscheidung des Bundespräsidenten über die Auflösung des Bundestages sei noch nicht getroffen gewesen, die Bestimmung des Wahltages noch nicht erfolgt.
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Selbst unter den strengeren Voraussetzungen der Vorwahlzeit seien die strittigen Maßnahmen als zulässige und notwendige Öffentlichkeitsarbeit anzusehen. Sie orientierten sich nach Inhalt, Aufmachung und Umfang streng an den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Grundsätzen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Bundesregierung innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen ein Mindestmaß an pflichtgemäßem Ermessen bei der Konkretisierung der Öffentlichkeitsarbeit zukomme.
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Die Anzeigen und die wenigen zusätzlichen Druckschriften seien informierend, wettbewerbsneutral und aus akutem Anlaß geboten. Sie entsprächen den Schlußfolgerungen, die bereits im Jahre 1977 von der damals amtierenden Bundesregierung unter Beteiligung der Regierungen aller Bundesländer aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezogen und schriftlich niedergelegt worden seien.
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Unbeachtlich für die verfassungsrechtliche Bewertung der Maßnahmen der Bundesregierung sei, ob und in welchem Umfang von anderer Seite, etwa rein parteipolitisch, Öffentlichkeitsarbeit getrieben werde. Unerheblich seien auch bloße Planungen für die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, des Presse- und Informationsamtes oder einzelner Ressorts, weil es sich dabei zum Teil um noch völlig unverbindliche Vorüberlegungen handle.
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Die Prüfung beschränke sich daher auf die Veröffentlichung der sieben Zeitungsanzeigen und die Versendung des zusätzlichen Informationsmaterials, das dazu bestimmt und inhaltlich geeignet sei, die durch die Anzeigen erteilten Kurzinformationen zu ergänzen.
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Der informative Gehalt überwiege deutlich. Die Aufmachung sei zurückhaltend und angemessen. Sympathiewerbung für alle oder einzelne Mitglieder der Bundesregierung unterbleibe. Sämtliche Anzeigen stellten die Auswirkungen der Haushalts- und Gesetzesbeschlüsse, jeweils bezogen auf ein bestimmtes Rechtsgebiet, dar. Da alle Auswirkungen im Zusammenhang mit der übrigen, insbesondere Wohnungs-, Beschäftigungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik stünden, sei es notwendig gewesen, diesen Zusammenhang jeweils deutlich zu machen. Dies sei in der Anzeige "Mietrecht" in der anzeigenspezifischen Form des "Leseanreizes" (Überschrift) und des "Abbinders" (Schlußsatz) erfolgt. In der Anzeigenserie geschehe dies jeweils im ersten Abschnitt der Anzeige. Dabei habe der äußerlich gleichartige Aufbau der Anzeigen der Kennzeichnung als Serie gedient; Aufgabe der graphischen Hervorhebung des einzelnen Stichworts im Kopf sei es gewesen, dem Eindruck des flüchtigen Lesers zu begegnen, es handele sich bei den verschiedenen Anzeigen stets um ein und denselben Text oder um dieselbe Information. Bei allen Anzeigen sei es um das am 17. Dezember 1982 endgültig beschlossene Dringlichkeitsprogramm der Bundesregierung zur Wiederbelebung der Wirtschaft sowie zur Entlastung des Bundeshaushalts gegangen.
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Eine breite und intensive, einerseits übersichtliche, andererseits aber möglichst ins einzelne gehende Aufklärung sei unerläßlich gewesen, um zu bewirken, daß die mit einschneidenden Wirkungen im unmittelbaren Lebensbereich der Bürger verbundene Wirtschafts- und Haushaltspolitik von der Bevölkerung angenommen, private Investitionen angeregt und ein konjunkturwidriges Verhalten der von Sparmaßnahmen Betroffenen vermieden würden.
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Von den einer Anzeige beigegebenen Coupons würden erfahrungsgemäß ein Promille verwendet und eingesandt, davon 90 v. H. innerhalb der ersten zwei bis drei Wochen nach deren Erscheinen. Man rechne daher jeweils mit etwa 50 000 Anforderungen weiteren Informationsmaterials. Am 7. Januar 1983 hätten beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung etwa 23 000, beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung etwa 42 000 Anfragen vorgelegen. Auf diese Anforderungen würden vom Presse- und Informationsamt versandt:
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– Informationsdienst Nr. 90 "Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik" (Haushalt 1983 und Begleitgesetze) – Informationsdienst Nr. 91 "Mietrechtsinformation" – Faltblatt "Wie hilft der Staat beim Bauen?" | |
Bis zum 7. Januar 1983 seien von dort 3 000 bis 4 000 Anfragen beantwortet worden, wobei die Einsender auch die Broschüre "Regierungserklärung" erhalten hätten. Die Absender der an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gerichteten Abschnitte erhielten die Broschüre "Das müssen Sie 1983 wissen zum Stichwort Sozialversicherung". Die Versendung habe am 7. Januar 1983 begonnen.
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Es seien Vorkehrungen gegen einen Mißbrauch zu wahlwerbenden Zwecken getroffen. Jeder Einsender erhalte grundsätzlich nur ein Exemplar, auf ausdrückliche Anforderung bis zu fünf Exemplare. Anforderungen von Parteien und Parteifunktionären werde nur entsprochen, wenn der Besteller durch Unterschrift ausdrücklich bestätige, daß die Information nur für Mitglieder der eigenen Partei verwendet und nicht in die Wahlwerbung einbezogen werde.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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1. Die vom Beschwerdeführer gewählte Verfahrensart – das Verfassungsbeschwerdeverfahren – ist statthaft. Der Beschwerdeführer kämpft nicht um seinen Status als Abgeordneter, den er während der Legislaturperiode des 9. Deutschen Bundestages innehat – ein derartiger Streit wäre im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG auszutragen –, sondern greift als Wahlbewerber für den 10. Deutschen Bundestag Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung an, von denen er behauptet, durch sie in seinem passiven Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1, Abs. 2 GG i.V.m Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 40, 296 [308 f.]).
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2. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Akte öffentlicher Gewalt im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG. Die vom Beschwerdeführer angegriffenen Maßnahmen der Bundesregierung, des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung erzeugen Wirkungen, die geeignet sein können, das verfassungsmäßige Recht der davon nachteilig Betroffenen auf Chancengleichheit bei Wahlen zu verletzen (BVerfGE 44,125 [144]).
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3. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 38 GG, eines in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG aufgeführten Rechts. Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG genannte Grundsatz der Gleichheit der Wahl bezieht sich auch auf das passive Wahlrecht. Neben den Parteien untereinander haben alle Aktivbürger, denen Art. 38 Abs. 2 GG die Wählbarkeit ausdrücklich garantiert, als Wahlbewerber ein Recht auf Chancengleichheit (BVerfGE 7, 63 [70 f.]; 21, 196 [199 f.]; 41, 399 [413]; 48, 64 [81]), das durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt werden kann. Auf dieses Recht kann sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang berufen.
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4. Ob gegen die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung seines Rechts auf Chancengleichheit der Verwaltungsrechtweg (§ 40 VwGO) gegeben wäre, kann offenbleiben. Das Gericht entscheidet über die eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort, weil sie von allgemeiner Bedeutung ist (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in der besonders gearteten Vorwahlzeit 1982/83 betrifft nicht nur das passive Wahlrecht des Beschwerdeführers, sondern ist darüber hinaus für das aktive und passive Wahlrecht aller Wahlberechtigten ebenso wie für die Gleichheit der Wettbewerbschancen der politischen Parteien von Belang.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
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I.
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung anerkannt, daß Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften nicht nur zulässig, sondern auch notwendig ist, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. In den Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit fällt danach, die Politik der Regierung, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie künftig zu lösende Fragen darzulegen und zu erläutern. Insbesondere wenn unpopuläre Maßnahmen, etwa im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik, im Gesamtinteresse geboten erscheinen, ihre Notwendigkeit aber nicht unmittelbar einsichtig ist, muß es der hierfür verantwortlichen Regierung erlaubt sein, die Zusammenhänge mit Hilfe staatlicher Öffentlichkeitsarbeit offenzulegen und zu erläutern. Auch die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über Rechtsfragen, die den Bürger unmittelbar angehen, kann ein berechtigtes Anliegen im sozialen Rechtsstaat sein (vgl. zu alledem BVerfGE 20, 56 [100]; 44,125 [147 f.]).
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2. Zulässige Öffentlichkeitsarbeit findet indessen dort ihre Grenze, wo die Wahlwerbung beginnt. Die Rücksicht auf einen freien und offenen Prozeß der Meinungsbildung sowie auf die Chancengleichheit der Parteien und Wahlbewerber verbietet es staatlichen Organen, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen (BVerfGE 44, 125 [141, 145]). Unabhängig davon ist es mit dem Verfassungsprinzip, daß Bundestag und Bundesregierung nur einen zeitlich begrenzten Auftrag haben, nicht vereinbar, wenn die im Amt befindliche Bundesregierung im Wahlkampf dafür wirbt, daß sie "als Regierung wiedergewählt" wird; das schließt freilich nicht aus, daß Mitglieder der Bundesregierung außerhalb ihrer amtlichen Funktion für eine Partei in den Wahlkampf eingreifen (BVerfGE 44,125 [141]).
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Das Bundesverfassungsgericht hat den Bereich zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung nach folgenden Kriterien näher abgegrenzt (BVerfGE 44, 125 [149 ff.]): Öffentlichkeitsarbeit muß sich innerhalb des vom Grundgesetz der Bundesregierung zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitbereiches halten. Um eine offene oder versteckte Werbung für einzelne Parteien zu vermeiden, darf sich die Bundesregierung nicht als von bestimmten Parteien getragen darstellen oder sich mit negativem Akzent oder gar herabsetzend über die Oppositionsparteien und ihre Wahlbewerber äußern. Tritt der informative Gehalt einer Druckschrift oder Anzeige eindeutig hinter der reklamehaften Aufmachung zurück, kann das ein Anzeichen dafür sein, daß die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung überschritten ist. Auch wenn sich regierungsamtliche Veröffentlichungen weder durch ihren Inhalt noch durch ihre Aufmachung als Werbemaßnahmen zu erkennen geben, können sie unzulässig sein, wenn sie im nahen Vorfeld der Wahl ohne akuten Anlaß in so großer Zahl erscheinen und in solchem Umfang verbreitet werden, daß Auswirkungen auf das Wahlergebnis nicht mehr ausgeschlossen werden können. In dieser Phase tritt die Befugnis der Regierung, den Bürger auch über zurückliegende politische Tatbestände, Vorgänge und Leistungen sachlich zu informieren, zunehmend hinter das Gebot zurück, die Willensbildung des Volkes vor den Wahlen nach Möglichkeit von staatlicher Einflußnahme freizuhalten. Häufen sich in dieser Zeit Druckschriften oder Anzeigen der Regierung, die eher der Steigerung ihres Bekanntheitgrades und der Sympathiewerbung als der Befriedigung eines von der Sache her gerechtfertigten Informationsbedürfnisses der Bürger dienen, so kann dies ein Anzeichen für unzulässige Wahlwerbung sein. Veröffentlichungen, die sich dagegen im wesentlichen auf die Wiedergabe des Textes kürzlich verabschiedeter oder in naher Zukunft in Kraft tretender Gesetze beschränken, sind wettbewerbsneutral und durch einen "akuten" Anlaß gerechtfertigt (BVerfGE 44, 125 [153,164]).
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II.
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1. Für die Beurteilung der hier in Frage stehenden Veröffentlichungen der Bundesregierung wesentlich ist danach zunächst, wann die Vorwahlzeit beginnt, in der für die Öffentlichkeitsarbeit das Gebot äußerster Zurückhaltung gilt. Als Orientierungspunkt hierfür kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Wahlanordnung des Bundespräsidenten nach § 16 BWahlG gelten (BVerfGE 44, 125 [153]). Daß dieser Zeitpunkt wegen der vorzeitigen Auflösung des Bundestages erheblich näher am Wahltermin liegt als sonst, ändert hieran nichts. Bevor der Bundespräsident am 6. Januar 1983 Neuwahlen angeordnet hat, war offen, ob der Bürger zu einer Wahlentscheidung aufgerufen werden würde. Bis dahin gewährleisteten die Regeln, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung vor Beginn der Vorwahlzeit entwickelt hat, einen ausreichenden Schutz des Prozesses der freien Meinungsbildung und der Chancengleichheit von Parteien und Wahlbewerbern.
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2. Die vom 18. bis zum 30. Dezember 1982 veröffentlichten Anzeigen und die aufgrund dieser Anzeigen bis zum 7. Januar 1983 versandten Druckschriften der Bundesregierung überschreiten die hiernach geltenden Grenzen nicht.
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a) Die Anzeigen nennen weder die Parteien, die die seit Oktober 1982 im Amt befindliche Bundesregierung tragen, noch gehen sie in den Formulierungen über das zulässige Ziel, die neue Politik zu erläutern und Verständnis für unpopuläre Maßnahmen zu wecken, eindeutig hinaus. Das gilt sowohl für Sätze wie:
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Soziale Wohnungspolitik darf sich nicht nur auf die Bürger beschränken, die eine Wohnung haben, sondern muß auch an die denken, die eine Wohnung suchen. Damit wir nicht die Zukunft unserer Kinder und Enkel belasten. | |
als auch für schlagwortartige Aussagen wie:
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Der beste Mieterschutz: Mehr Wohnungen! Bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft Gesunde öffentliche Finanzen Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung usw. | |
Diese Texte sind neutral gehalten. Sie sind in keinen unmittelbaren Bezug zur Opposition gestellt.
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Zwar können aus einer wertenden Darstellung der Regierungspolitik zu bestimmten Sachfragen Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie die Regierung die politischen Vorstellungen der Opposition beurteilt; diese Nebenfolge ist aber nicht zu vermeiden, wenn es überhaupt Öffentlichkeitsarbeit geben soll. Dies gilt besonders dann, wenn ein Regierungswechsel gerade erst vollzogen wurde und die neue Regierung sich, wie hier, veranlaßt sieht, die in Verfolgung ihrer politischen Vorstellungen getroffenen Sofortmaßnahmen zu erklären, Zusammenhänge offenzulegen und um konjunkturgerechtes Verhalten zu werben.
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Die Anzeigen enthalten, ersichtlich aus diesem akuten Anlaß, ausführliche Informationen über die neue Rechtslage, wie sie sich aus den am 16. und 17. Dezember 1982 von den gesetzgebenden Körperschaften verabschiedeten Gesetzen ergibt. Es läßt sich nicht sagen, daß der informative Gehalt der Anzeigen hinter die politische Bewertung der wirtschaftlichen und sozialen Lage zurücktrete. Daß die Information in den Anzeigen auch auf den Zweck abgestimmt ist, Verständnis für die Politik der Bundesregierung zu wecken, macht sie nicht zu einer reklamehaften Werbung. Diesen Charakter gewinnen die Anzeigen auch nicht dadurch, daß einzelne ihrer Formulierungen in Werbeanzeigen politischer Parteien aufgegriffen und verwendet werden.
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b) Auch Aufmachung und Inhalte der Druckschriften, auf die in den Anzeigen hingewiesen wird und die auf Anforderung übersandt worden sind, halten sich im Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit. Dies gilt sowohl für die "Aktuellen Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik" Nr. 90 und 91/1982, die das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgibt, als auch für das Faltblatt des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau "Wie hilft der Staat beim Bauen?" und für die Broschüre des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung "Das müssen Sie 1983 wissen zum Stichwort Sozialversicherung". Alle vier Veröffentlichungen dienen weit überwiegend, manche ausschließlich, sachbezogener Unterrichtung über die kurz zuvor geänderten, insoweit neuen rechtlichen Regelungen; auf den politischen Zusammenhang und die Ziele der Bundesregierung wird nur übergreifend hingewiesen. Überdies ist am Ende des Textes oder auf einem beigefügten Blatt vermerkt, daß die Druckschriften nicht zur Werbung für bestimmte Parteien, Mandatsträger oder -bewerber verwendet werden dürfen.
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c) In der Zeit vor dem 7. Januar 1983 ist den ersten 3 000 bis 4 000 Einsendern, die sich auf die Anzeigen hin an das Presse- und Informationsamt wandten, aus der Reihe "Berichte und Dokumente" die Broschüre mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kohl vor dem Deutschen Bundestag am 13. Oktober 1982 übersandt worden, in der auch je ein Foto des Bundeskanzlers und der Bundesregierung wiedergegeben ist. In der Regierungserklärung, die sich kritisch mit der Opposition auseinandersetzt, werden selbstverständlich die Parteien genannt, die durch Koalition die neue Bundesregierung gebildet haben. All dies nimmt der Broschüre jedoch nicht den Charakter einer sachbezogenen Dokumentation anläßlich eines Regierungswechsels. Soweit sie auch ohne ausdrückliche Anforderung zusammen mit anderem Informationsmaterial übersandt worden ist, wird dies, wie die Stellungnahme der Bundesregierung ausweist, seit dem 7. Januar 1983 nicht mehr so gehandhabt. Gewicht kann dieser Verteilung wegen ihres geringen Umfangs nicht beigemessen werden. Ein Verfassungsverstoß kommt insoweit schon deshalb nicht in Betracht. Dies gilt auch für die Haushaltsrede des Bundesministers der Finanzen, deren Verteilung, wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt, eingestellt worden ist.
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d) Das Faltblatt des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit "Das Kindergeld", auf das der Beschwerdeführer durch Schriftsatz vom 10. Januar 1983 seinen Antrag in der Beschwerdeschrift erstreckt hat, ohne allerdings darzutun, ob und wie es zur Verteilung gelangt, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Einleitung dieses Faltblattes beginnt mit den Worten: "Die neue Bundesregierung hat bei ihrem Amtsantritt ein schweres finanzielles Erbe übernommen. Jeder weiß: Ohne Sparmaßnahmen kann es nicht wieder aufwärts gehen." Damit soll den Betroffenen im Rahmen einer ausreichend sachbezogenen Information das Motiv für die Neuregelung des Kindergeldes verständlich gemacht werden. Dieser Text geht – trotz seiner Einleitung – über den zulässigen Zweck nicht hinaus.
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3. a) Die beiden Informationsdienste des Presse- und Informationsamtes Nr. 90 und 91/1982 sowie das Faltblatt "So hilft der Staat beim Bauen" und die Broschüre "Das müssen Sie 1983 wissen zum Stichwort Sozialversicherung" wurden im wesentlichen erst nach dem 7. Januar 1983 und damit allerdings im nächsten Vorfeld der Wahl auf Anforderung hin weiter verteilt. Diese Druckschriften sind, wie bereits dargelegt, durch den akuten Anlaß der Änderung des Rechts und der Neuorientierung der Wirtschaftspolitik gerechtfertigt. Sie zeigen das Bemühen um eine möglichst wettbewerbsneutrale Gestaltung. Sie entsprechen daher in ihrem Charakter denjenigen Druckschriften, die nach dem Urteil vom 2. März 1977 ausnahmsweise auch in der Vorwahlzeit vertrieben werden dürfen (BVerfGE 44, 125 [164]).
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b) Auch aus der Summe dieser Publikationen ergibt sich kein Anzeichen für eine Grenzüberschreitung zur unzulässigen Wahlwerbung (BVerfGE 44, 125 [151]).
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Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung haben sich darauf eingerichtet, jeweils bis zu etwa 50 000 Nachfragen zu beantworten. Insgesamt wird also mit höchstens 100 000 Zuschriften gerechnet. Grundsätzlich erhalt jeder Einsender nur ein Exemplar der von ihm angeforderten Informationen, auf ausdrücklichen Wunsch höchstens fünf Exemplare.
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Legt man eine Zahl von rd. 43 Mio. Wahlberechtigten zugrunde (so für das Jahr 1980, Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 "Bevölkerung und Erwerbstätigkeit", Heft 6 S. 11), erreichen die Druckschriften, die nach dem 7. Januar 1983 noch auf die Anzeigen der Bundesregierung hin versandt werden, selbst dann nicht einmal 1 % aller Wahlberechtigten, wenn – was schon nicht der Fall ist – auf die meisten Anfragen fünf Exemplare versandt und vom Empfänger weiter verteilt würden. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977, in dem die Verteilung von Druckschriften der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit in der Vorwahlzeit für verfassungswidrig erklärt worden ist, ging es dagegen um Veröffentlichungen in drastisch höherem Ausmaß, die zum Teil sogar als Beilage zu regionalen Tageszeitungen oder von den Regierungsparteien gezielt als Werbematerial im Wahlkampf verteilt wurden (BVerfGE 44, 125 [161 und 165]). Jenes Ausmaß der Verbreitung und des Einsatzes von Haushaltsmitteln wird im vorliegenden Fall bei weitem nicht erreicht. Zwar hat die Bundesregierung erst zwei Monate vor dem Wahltag begonnen, Druckschriften zu versenden; sie beschränkt sich aber auf eine einmalige Zusendung an Personen, die eigens um zusätzliche Informationen gebeten haben. Vor allem aber fehlte es 1976 an einem akuten Anlaß, wie ihn hier die erst am 16. und 17. Dezember 1982 von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten und zum größten Teil am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Gesetze darstellen. Die hier in Frage stehenden Druckschriften beschränken sich nach Inhalt und Aufmachung auf eine sachbezogene Erläuterung dieser Gesetze. Nach alledem hat die Bundesregierung die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit auch insoweit nicht überschritten und die Chancengleichheit des Beschwerdeführers nicht verletzt.
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c) Die Bundesregierung hat dargelegt, Anforderungen regierungsamtlichen Informationsmaterials durch "Parteien, Mandatsträger und Wahlbewerber sowie sie bei der Wahl unterstützende Organisationen oder Gruppen" werde nur entsprochen, wenn der Besteller durch Unterschrift ausdrücklich bestätige, daß die Information nur für die eigenen Mitglieder
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verwendet und nicht in die Wahlwerbung einbezogen werde. Ob gegen eine solche Verteilung der hier in Frage stehenden wettbewerbsneutralen, lediglich informierenden Druckschriften – soweit sie in der Vorwahlzeit erfolgt – überhaupt verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden könnten, bedarf hier keiner Vertiefung. Der Beschwerdeführer hat hierzu keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich eine Verletzung seiner Grundrechte herleiten ließe.
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III.
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Die Bundesregierung hat im übrigen auf die Anfrage des Abgeordneten Jahn (SPD) am 2. Dezember 1982 im Deutschen Bundestag (Sten. Ber. S. 8240, Anl. 14) und in diesem Verfahren erklärt, daß sie die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 ihrer Arbeit zugrunde gelegt habe und auch in Zukunft beachten werde. Für die Annahme, daß die Bundesregierung sich nicht an diese Zusage halten werde, besteht – auch im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdeführers – kein Anhalt.
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D. | |
Bei dieser Sachlage war für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung von vornherein kein Raum.
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E. | |
Diese Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig ergangen.
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