2. Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens nach Art. 41 Abs. 2 GG, § 48 BVerfGG überprüft das Bundesverfassungsgericht den angegriffenen Beschluß des Deutschen Bundestages in formeller und materieller Hinsicht. Mängel im Verfahren des Bundestages können für die Beschwerde allerdings nur dann beachtlich sein, wenn sie der Entscheidung des Deutschen Bundestages die Grundlage entziehen.
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b) Eine wirksame Beteiligungsanzeige ist nicht davon abhängig, daß die Vereinigung einen nach § 4 Abs. 1. des Parteiengesetzes zulässigen Namen führt.
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 23. November 1993
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-- 2 BvC 15/91 -- | |
in dem Verfahren über die Wahlprüfungsbeschwerde des Herrn T... -- Bevollmächtigter Rechtsanwalt Dr. Walter Truckenbrodt, Am Waldhang 6, Bonn -- gegen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 19. September 1991 -- WP 82/90 -- (BTDrucks. 12/1002, Anlage 64).
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Entscheidungsformel:
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Die Wahlprüfungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Die Wahlprüfungsbeschwerde betrifft im wesentlichen die Frage, ob die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses über die Zulassung von Parteien und Listenvereinigungen zur Wahl des 12. Deutschen Bundestages fehlerhaft getroffen worden sind.
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I.
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Rechtsgrundlagen für die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses waren insbesondere § 18 Abs. 2 und 4 Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1990 (BGBl. I S. 2059) und vom 19. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2218) -- BWahlG a. F. -- (jetzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993 [BGBl. I S. 1288]) in Verbindung mit den Übergangsregelungen für die Wahl zum 12. Deutschen Bundestag in § 53 Abs. 2 und 4 BWahlG a. F. Die Vorschriften lauten, soweit hier von Interesse:
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(2) Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem Landtag seit deren letzter Wahl nicht auf Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten waren, können als solche einen Wahlvorschlag nur einreichen, wenn sie spätestens am vierzigsten Tage vor der Wahl dem Bundeswahlleiter ihre Beteiligung an der Wahl schriftlich angezeigt haben und der Bundeswahlausschuß ihre Parteieigenschaft festgestellt hat ...
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(4) Der Bundeswahlausschuß stellt spätestens am siebenunddreißigsten Tage vor der Wahl für alle Wahlorgane verbindlich fest,
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1. welche Parteien im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag seit deren letzter Wahl auf Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten waren,
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2. welche Vereinigungen, die nach Absatz 2 ihre Beteiligung angezeigt haben, für die Wahl als Parteien anzuerkennen sind.
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§ 53 BWahlG a. F.:
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(2) Parteien und andere politische Vereinigungen oder deren Landesverbände, die am 3. Oktober 1990 ihren Sitz im Gebiet der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Sachsen oder der Wahlkreise 257 bis 261 in Berlin hatten, können gemeinsame Wahlvorschläge einreichen (Listenvereinigungen) ... Soweit sich die Vorschriften dieses Gesetzes auf Wahlvorschläge von Parteien beziehen, gelten sie sinngemäß für Listenvereinigungen. Zusätzlich gilt folgendendes:
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1. Die Absicht zu einer Listenvereinigung ist dem Bundeswahlleiter bis spätestens zum vierzigsten Tage vor der Wahl durch die Landesleitungsorgane (Vorstände) aller an der Liste Beteiligten schriftlich zu erklären. Bis zur Einreichung der Wahlvorschläge können einzelne Beteiligte ihre Erklärung zurücknehmen. Die Regelung über die Beteiligtenanzeige (§ 18 Abs.2) bleibt unberührt.
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2. Der Bundeswahlausschuß stellt spätestens am siebenunddreißigsten Tage vor der Wahl auch fest, ob die Voraussetzungen für eine Listenvereinigung vorliegen.
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...
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(4) § 18 Abs. 2 Satz 1 gilt mit der Maßgabe, daß auch die Vertretung in der Volkskammer zu berücksichtigen ist und die Wörter "mit mindestens fünf Abgeordneten" entfallen.
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In seiner Sitzung vom 26. Oktober 1990 prüfte der Bundeswahlausschuß gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahlG, ob die politischen Vereinigungen ihre Beteiligung jeweils in rechtswirksamer Weise angezeigt hatten (§ 18 Abs. 2 BWahlG) und ob sie nach ihrer Zielrichtung sowie dem Gesamtbild ihrer tatsächlichen Verhältnisse dem Parteibegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz (PartG) entsprachen. Dabei legte der Ausschuß für die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie für Berlin (Ost) -- Wahlgebiet Ost -- die Regelungen in Art. 1 Abs. 3 des Vertrags zur Vorbereitung und Durchführung der ersten gesamtdeutschen Wahl des Deutschen Bundestages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 3. August 1990 (BGBl. II S. 822 -- Wahlvertrag --) und in Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes vom 29. August 1990 zu dem Vertrag vom 3. August 1990 zur Vorbereitung und Durchführung der ersten gesamtdeutschen Wahl des Deutschen Bundestages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sowie dem Änderungsvertrag vom 20. August 1990 (BGBl. II S. 813 -- Gesetz zum Wahlvertrag --) zugrunde.
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Diese Bestimmungen lauten:
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Art. 1 Abs. 3 des Wahlvertrages:
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Politische Vereinigungen im Sinne des Gesetzes über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990 vom 20. Februar 1990 (GBl. I S. 60) werden den Parteien im Sinne des § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt.
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Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zum Wahlvertrag:
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Für die Feststellung der Parteieigenschaft durch den Bundeswahlausschuß nach § 18 ist auch für das Gebiet der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie für Berlin (Ost) § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 1989 (BGBl. I. S. 327) maßgeblich.
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Der Bundeswahlausschuß versagte neben anderen Vereinigungen auch der Deutschen Sozialen Union (DSU) mit Sitz in Bonn die Anerkennung als Partei. Seine abweisenden Entscheidungen begründete er überwiegend -- und insoweit gleichlautend -- damit, daß die jeweilige Vereinigung nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung biete.
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II.
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Der Beschwerdeführer ist Generalsekretär der am 2. April 1990 gegründeten Vereinigung Deutsche Soziale Union mit Sitz in Bonn. Er hat im eigenen Namen und als Vertreter der DSU gegen die Gültigkeit der Wahl zum 12. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt und ihn mit vielfältigen Beanstandungen begründet, auf die im einzelnen in den Entscheidungsgründen eingegangen wird. Vor allem hat der Beschwerdeführer gerügt:
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1. Sämtliche vom Bundeswahlausschuß in seiner Sitzung vom 26. Oktober 1990 getroffenen Entscheidungen seien ungültig, weil der Ausschuß entgegen § 10 BWahIG (a. F.) mehrfach und gerade in Fragen von besonderer Bedeutung nicht öffentlich beraten und entschieden habe.
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Neben dem großen Sitzungssaal des Reichstags, in dem die Presse, die Öffentlichkeit und die Vertreter der Antragsteller Platz gefunden hätten, sei ein nahe gelegener Fraktionssaal für geheime Beratungen und Abstimmungen des Bundeswahlausschusses vor, während und nach der öffentlichen Sitzung vorgesehen gewesen. Vor Beginn des öffentlichen Teils der Sitzung habe der Ausschuß erstmals geheim getagt. In dieser Versammlung habe der Bundeswahlleiter den Beisitzern des Ausschusses gemäß § 33 Abs. 2 Bundeswahlordnung (BWahlO) das Ergebnis der Vorprüfung über die Anträge bekanntgegeben. Der Bundeswahlausschuß habe in geheimer Beratung und Abstimmung beschlossen, die Listenvereinigung Bündnis 90/Grüne zuzulassen. Im geheimen Teil der Sitzung habe der Ausschuß zudem die Rechtsgrundlagen für eine Beurteilung der Parteieigenschaft beraten und dabei beschlossen, neben dem in § 2 Abs. 1 PartG enthaltenen Merkmal "Ernsthaftigkeit der Zielsetzung" als weiteres selbständiges Kriterium die Organisationsstärke der Vereinigung zu prüfen, außerdem -- unter Verletzung des Gleichheitsgebots -- bei Parteien aus dem Wahlgebiet Ost an den Nachweis der Parteieigenschaft geringere Anforderungen zu stellen. Im öffentlichen Teil der Sitzung habe der Bundeswahlausschuß demgegenüber in keinem Fall beraten; die öffentliche Verhandlung habe sich in einer Befragung der Antragsteller durch einzelne Ausschußmitglieder und in Abstimmungen ohne Aussprache erschöpft. Auch die nach § 33 Abs. 3 BWahlO erforderliche Angabe der Gründe jeder Entscheidung sei nicht einmal in pauschaler Kürze erfolgt. Zum Ergebnis der Vorprüfung habe kein Antragsteller Stellung nehmen können.
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Die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes enthalte einen so schwerwiegenden Mangel, daß sämtliche Beschlüsse und Feststellungen des Bundeswahlausschusses -- und in weiterer Folge die gesamte Wahl zum 12. Deutschen Bundestag -- ungültig seien.
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2. Den Vorwurf "formal ungültiger" Feststellung hat der Beschwerdeführer gegenüber einem jeden Beschluß des Bundeswahlausschusses über die Zulassung oder Nichtzulassung von Parteien oder Listenvereinigungen wiederholt. Bei zahlreichen unter § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWahlG fallenden Parteien und politischen Vereinigungen hat der Beschwerdeführer darüber hinaus ohne Angabe von Einzelheiten und mit gleichlautenden Formulierungen vorgebracht, sie erfüllten auch nicht die formellen Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Wahl als Partei im Sinne des Parteiengesetzes, weil der satzungsgemäße Name (gelegentlich auch: die satzungsgemäße Kurzbezeichnung), die Satzung selbst, das Programm und der Nachweis satzungsmäßiger Vorstandswahl fehlten. Ihre Parteieigenschaft sei nicht festgestellt worden.
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3. In einzelnen Fällen sei es im Blick auf die stark philosophisch oder religiös geprägten Auffassungen der Vereinigungen zu einer unzulässigen politischen Ausforschung und einer "Gesinnungsschnüffelei" durch den Bundeswahlausschuß gekommen. Unverständlich sei im übrigen, wie der Partei Bibeltreuer Christen eine ernsthafte politische Zielsetzung abgesprochen werden könne, wenn diese gleichzeitig bei ihrer Partnerpartei der Listenvereinigung bejaht worden sei. Entsprechendes gelte im Verhältnis des Bundes für Gesamtdeutschland zu seinem Partner EINHEIT jetzt, zumal der Bund für Gesamtdeutschland als Partei der Vertriebenen über mehrere hundert Mitglieder in verschiedenen Landesverbänden verfüge.
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4. Für die politischen Vereinigungen aus der ehemaligen DDR hat der Beschwerdeführer dem Inhalt des Wahlvertrags (Art. 1 Abs. 3) ein "Privileg der pauschalen Gleichstellung" mit Parteien des alten Bundesgebiets entnommen und hieraus eine Verpflichtung des Bundeswahlausschusses zur Anerkennung als Partei abgeleitet.
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5. Zu Unrecht habe der Bundeswahlausschuß die vom Beschwerdeführer vertretene Deutsche Soziale Union (Bonn) nicht als Partei anerkannt. Der Bundeswahlausschuß habe eine namensrechtliche Auseinandersetzung der DSU vor einem Zivilgericht zum Anlaß genommen, über das Gesetz hinausgehende Hürden für die Wahlzulassung aufzubauen.
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Die Nichtanerkennung der DSU als Partei, weil sie "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung biete", sei rechtswidrig. Die Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung der DSU sei zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Zweifel gezogen worden.
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6. Der Beschwerdeführer hat ferner den mit dem Wahltermin vom 2. Dezember 1990 verbundenen Zeitdruck sowie Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz infolge mehrfacher Änderungen der Wahlvorschriften kurz vor Ablauf der wahlrechtlichen Fristen gerügt. Jede Partei habe Anspruch darauf, sich auf eine Wahl ordentlich vorbereiten zu können. Es verstoße gegen die Chancengleichheit, wenn eine Entscheidung über die Anerkennung einer Partei erst wenige Tage vor Ablauf der Einreichungsfristen für Wahlvorschläge getroffen werde. Sämtliche unter § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahIG fallenden Parteien seien damit gezwungen gewesen, auf Verdacht und Risiko Wahlkampfvorbereitungen zu treffen und Unterstützungsunterschriften zu sammeln.
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Gleichheitswidrig seien endlich die Vergünstigungen, die das Bundesverfassungsgericht wenige Tage vor Ablauf der Fristen einzelnen "neuen" Parteien durch die einstweilige Anordnung vom 17. Oktober 1990 (BVerfGE 82,353) gewährt habe.
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1. Der Wahlprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages holte zum Wahleinspruch eine Stellungnahme des Bundeswahlleiters ein. Nach § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPrüfG sah er von einer mündlichen Verhandlung ab. Entgegen einer Anregung des Beschwerdeführers zog er auch keine Akten des Bundeswahlleiters oder des Bundeswahlausschusses bei.
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2. Der Deutsche Bundestag hat die Wahleinsprüche in seinem Beschluß vom 19. September 1991 (BTDrucks. 12/1002, Anl. 64) zurückgewiesen.
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IV.
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Gegen den Beschluß des Deutschen Bundestages hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. Sie wird von mehr als 100 Wahlberechtigten unterstützt.
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Der Beschwerdeführer rügt an erster Stelle Mängel im Verfahren des Deutschen Bundestages und beantragt Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. In der Sache wiederholt er die bereits im Wahleinspruch vorgetragenen Beanstandungen.
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V.
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Das Bundesverfassungsgericht hat dem Deutschen Bundestag, der Bundesregierung und dem Bundeswahlleiter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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1. Der Wahlprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages hat auf Anfrage mitgeteilt, die Rügen des Beschwerdeführers zur Anerkennung oder Nichtanerkennung von Parteien gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahIG habe der Bundestag als unsubstantiiert behandelt.
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2. Der Bundeswahlleiter hat zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers ausführlich Stellung genommen. Insbesondere hat er die Behauptung nichtöffentlicher Beratung des Bundeswahlausschusses bestritten.
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Über die Wahlprüfungsbeschwerde kann der Senat entscheiden, obwohl der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. November 1993 ihre Rücknahme erklärt hat. Gegenstand der Wahlprüfung ist in erster Linie nicht die Verletzung subjektiver Rechte, sondern die Gültigkeit der Wahl als solche (vgl. BVerfGE 66, 369 [378]; 85,148 [158 f.]). Ist eine Wahlprüfungsbeschwerde eingelegt, kommt es für den weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens stets auch auf Gesichtspunkte des öffentlichen Interesses an. Das öffentliche Interesse an einer Klärung von nicht unwichtigen wahlrechtlichen Zweifelsfragen steht hier einer Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung zur Sache entgegen (vgl. auch § 2 Abs. 6 WahlPrüfG).
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Die Wahlprüfungsbeschwerde ist unbegründet.
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I.
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Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens überprüft das Bundesverfassungsgericht den angegriffenen Beschluß des Deutschen Bundestages in formeller und materieller Hinsicht. Mängel im Verfahren des Bundestages, wie sie der Beschwerdeführer vorab geltend macht, können für die Beschwerde allerdings nur dann beachtlich sein, wenn sie wesentlich sind und der Entscheidung des Bundestages die Grundlage entziehen. Solche Verfahrensverstöße sind hier nicht erkennbar.
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Eine unzulängliche Sachaufklärung kann dem Deutschen Bundestag nicht vorgeworfen werden. Insbesondere verpflichtete ihn der hier geltende Untersuchungsgrundsatz nicht, die Verwaltungsvorgänge des Bundeswahlleiters und des Bundeswahlausschusses beizuziehen, um dem Beschwerdeführer eine Substantiierung seiner Rügen zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen.
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Daß der Wahlprüfungsausschuß des Bundestages von der -- grundsätzlich gebotenen (§ 6 Abs. 1 WPrüfG) -- mündlichen Verhandlung über den Wahleinspruch des Beschwerdeführers gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPrüfG abgesehen hat, weil er den Einspruch für offensichtlich unbegründet hielt, ist im Ergebnis ebensowenig zu beanstanden. Die der Beschlußempfehlung des Wahlprüfungsausschusses (BTDrucks. 12/1002) vorangestellte Darstellung von Fällen offensichtlicher Unbegründetheit mag zwar lückenhaft sein und die angegriffene Entscheidung nicht tragen. Darauf kommt es jedoch nicht an. Ein Antrag ist offensichtlich unbegründet, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung kein Gesichtspunkt erkennbar ist, der ihm zum Erfolgt verhelfen kann. Die Beurteilung setzt nicht voraus, daß die Unbegründetheit des Rechtsbehelfs auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (BVerfGE 82, 316 [319 f.] zu der inhaltlich übereinstimmenden Regelung des §24 BVerfGG). So war es hier aus der insoweit maßgebenden Sicht des Deutschen Bundestages.
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Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe des Beschwerdeführers gegen die fehlende Begründung des Bundestagsbeschlusses, soweit es um beanstandete Einzelfallentscheidungen des Bundeswahlausschusses geht. Wie der Deutsche Bundestag auf Anfrage des Senats klargestellt hat und sich auch dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe entnehmen läßt, hat er die nicht ausdrücklich behandelten Rügen des Beschwerdeführers durchweg für unsubstantiiert gehalten. Das genügt den Mindestanforderungen an eine Begründung der Entscheidung.
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II.
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Bedenken, die der Beschwerdeführer aus dem Gebot der Wahlrechtsgleichheit gegen die Verfassungsmäßigkeit einzelner Vorschriften des Bundeswahlgesetzes sowie gegen die am 17. Oktober 1990 erlassene einstweilige Anordnung des Senats (BVerfGE 82, 353) hergeleitet hat, hat der Deutsche Bundestag -- entsprechend ständiger Übung im Wahlprüfungsverfahren und gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG -- nicht überprüft. Die Bedenken greifen nicht durch.
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1. Differenzierungen zwischen parlamentarisch schon vertretenen und neuen Parteien bei der Zulassung zur Wahl sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig, soweit sie darauf abzielen, daß nur ernsthafte politische Vereinigungen und keine Zufallsbildungen von kurzer Lebensdauer sich um die Stimmen der Wähler bewerben (vgl. BVerfGE 3, 19 [27]; 5, 77 [84]; 12, 10 [27 f.]; 12, 135 [137]; 82, 353 [364 f.]). Deshalb ist es insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von neuen Parteien den Nachweis ernsthaften politischen Wollens fordert und seit der Novelle vom 14. Februar 1964 (BGBl. I S. 61) dafür eine Prüfung vor dem Bundeswahlausschuß vorsieht (jetzt § 18 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 2 BWahlG), während er bei parlamentarisch vertretenen Parteien allein deren frühere Wahlerfolge ausreichen läßt (vgl. hierzu BVerfGE 3, 19 [27]; 12, 10 [27 f.]). Auch das neuen Parteien hierdurch zwangsläufig auferlegte Risiko, vorab bereits Mühen und Kosten für die Wahlvorbereitung aufwenden zu müssen, die sich im Falle einer Nichtanerkennung als nutzlos erweisen, erschwert ihnen den Zugang zur Wahl nicht in einem unvertretbaren Maß. Durch eine zeitliche Vorverlegung des Zeitpunkts für die Anerkennungsentscheidung ließe sich das Risiko allenfalls mindern, nicht beseitigen. Ein früherer Termin mag es darüber hinaus zwar erleichtern, eine Anfechtungsmöglichkeit einzuführen und mag damit rechtsstaatlichen Anforderungen besser entsprechen können. Andererseits könnte ein früherer Termin aber neuen Parteien gerade die erwünschte Gelegenheit beschneiden oder nehmen, während des Wahlkampfs weitere Mitglieder zu werben und eine festere Organisationsstruktur aufzubauen, um dadurch die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Partei noch zu schaffen. Unter diesen Vor- und Nachteilen eines Prüfungszeitpunkts abzuwägen, ist Sache des Gesetzgebers; es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu entscheiden, ob der Gesetzgeber die gerechteste und zweckmäßigste Regelung gefunden hat.
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2. a) Die gesetzlichen Fristen für Beteiligungsanzeigen neuer Parteien (§ 18 Abs. 2 Satz 1 BWahIG), für die Feststellungen des Bundeswahlausschusses (§ 18 Abs. 4 BWahIG) und für die Einreichung von Wahlvorschlägen (§ 19 BWahIG) sind durch § 53 Abs. 3 BWahIG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2218) für die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl erheblich verkürzt worden. In § 18 Abs. 2 Satz 1 BWahIG trat an die Stelle des 90. Tages vor der Wahl der 40. Tag, in § 18 Abs. 4 BWahIG an die Stelle des 72. Tages der 37. Tag und in § 19 BWahIG an die Stelle des 66. Tages vor der Wahl der 34. Tag. Diese Änderungen waren durch die kurzfristig vollzogene Ausdehnung des Wahlgebiets aufgrund des Wahlvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen DDR vom 3. August 1990 bedingt. Im Blick auf die Einmaligkeit der politischen Lage und die Verwirklichung der Wiedervereinigung war diese Fristverkürzung für die Parteien und andere Wahlvorschlagsträger nicht unzumutbar.
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b) Welche weiteren kurzfristigen Änderungen wahlrechtlicher Vorschriften der Beschwerdeführer mit seiner Wahlanfechtung zur Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts stellen will, kann der Begründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden; insoweit genügt die Rüge nicht den Substantiierungsanforderungen des § 2 Abs. 3 WPrüfG.
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3. Im Rahmen der vorliegenden Wahlprüfungsbeschwerde ist es nicht erforderlich, auf die Angriffe des Beschwerdeführers gegen die vom Senat auf Antrag der ÖDP und der NPD erlassene einstweilige Anordnung (BVerfGE 82, 353) einzugehen. Durch diese Entscheidung ist, wie der Senat ausgeführt hat (BVerfGE 82, 353 [370]), eine verfassungsrechtlich unangreifbare Rechtsgrundlage für die erste gesamtdeutsche Wahl geschaffen worden.
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III.
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Die Überprüfung der Rügen, die der Beschwerdeführer sowohl zum Verfahren des Bundeswahlausschusses als auch zur Anwendung wahlrechtlicher Vorschriften erhoben hat, ergibt:
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1. Die Rüge, der Bundeswahlausschuß habe seine Entscheidungen nach geheimer Beratung getroffen, greift nicht durch. Auf den Beweis dieser vom Bundeswahlleiter bestrittenen Behauptung kommt es nicht an, weil eine nicht öffentliche Beratung zwar ein Wahlfehler wäre (a), dieser aber auf das Ergebnis der Wahl und die Mandats Verteilung keinen Einfluß hätte (b).
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a) § 10 Satz 1 BWahIG a. F., der vorschreibt, daß die Wahlausschüsse und Wahlvorstände in öffentlicher Sitzung "verhandeln und entscheiden", war -- entgegen der Auffassung des Deutschen Bundestages -- dahin auszulegen, daß nicht allein die Beschlußfassung des Bundeswahlausschusses in öffentlicher Sitzung erfolgen mußte, sondern auch die ihr vorangehende Beratung.
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Eine "Entscheidung", die ein Gremium trifft, entsteht durch die Elemente der Willensbildung und der Abstimmung. Vorschläge, Beratung und Abstimmung bilden einen einheitlichen Prozeß. Fordert das Gesetz für eine "Entscheidung" ein bestimmtes Verfahren, so gilt dies grundsätzlich für alle ihre Elemente.
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Hierfür sprechen auch die Entstehungsgeschichte des § 10 Satz 1 BWahIG a. F. sowie die Neufassung des Bundeswahlgesetzes in § 10 Abs. 1 durch Gesetz vom 21. Juli 1993 (BGBl. I S. 1217) und deren Begründung. Während noch das zweite Bundeswahlgesetz (Wahlgesetz zum zweiten Bundestag und zur Bundesversammlung vom 8. Juli 1953 [BGBl. I S. 470]) lediglich die Bestimmung enthielt: "Die Wahlausschüsse entscheiden in öffentlicher Sitzung", fügte der Wahlrechtsausschuß des Deutschen Bundestages gemäß seinem Sitzungsprotokoll vom 9. März 1956 (S. 6) "der Klarheit halber" in den Entwurf des auch für die Wahl zum 12. Deutschen Bundestag geltenden dritten Bundeswahlgesetzes (damals § 9) die Worte "verhandeln und" ein. Die Novelle vom 23. Juli 1993 schließlich setzte noch das Wort "beraten" hinzu. Auch diese letzte Erweiterung des Normtextes bezweckt nach der Entwurfsbegründung (BTDrucks. 12/4616, S. 36) ausschließlich eine Klarstellung.
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Es liegt damit nahe, daß das Gesetz mit dem Merkmal "verhandeln" den gesamten der Entscheidungsfindung vorgeschalteten Prozeß erfassen wollte, der die Beratungen des Ausschusses ebenso wie dessen Beschlußfassung einschließt. Mit einem solchen Inhalt wird der Begriff etwa auch in Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 52 Abs. 3 Satz 3 GG für die Sitzungen von Bundestag und Bundesrat gebraucht.
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Dieses Verständnis einer "öffentlichen Verhandlung" erschließt sich auch aus dem Zweck der Norm, die Einhaltung der Wahlrechtsvorschriften nachprüfbar zu machen. Dies spricht dafür, daß in den Wahlausschüssen der gesamte Entscheidungsprozeß im Lichte der Öffentlichkeit stattfinden soll.
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b) Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu gewährleisten. Die Beschwerde nach §48 BVerfGG kann daher nur auf solche Wahlfehler gestützt werden, die auf die Sitzverteilung von Einfluß sind oder sein können (vgl. BVerfGE 4, 370 [Leitsatz]; 85, 148 [158 f.]). Dabei darf es sich nicht nur um eine theoretische Möglichkeit handeln; sie muß eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende sein.
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Hier bieten weder die Beschwerdebegründung noch die Lebenserfahrung einen hinreichenden, konkreten und greifbaren Anhalt dafür, daß die beanstandeten Entscheidungen des Bundeswahlausschusses bei durchgängiger Öffentlichkeit seiner Sitzung anders als geschehen ausgefallen wären und im Ergebnis dadurch zu einer Mandatsverschiebung geführt hätten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, daß der Bundeswahlausschuß durch geheime Beratung die Kontrollierbarkeit seiner Rechtsanwendung zu verhindern suchte, um etwa mit den Zulassungsentscheidungen politische Zielvorstellungen oder sachwidrige Beweggründe zu verfolgen. Die vom Bundeswahlausschuß bekanntgegebenen und vom Bundeswahlleiter im Wahlprüfungsverfahren mitgeteilten Maßstäbe, deren Anwendung der Beschwerdeführer nicht in Frage stellt, orientieren sich ausschließlich an den Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengesetzes; es liegt fern, daß sie bei öffentlicher Beratung zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätten.
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2. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die vom Bundeswahlausschuß nicht als Parteien anerkannten politischen Vereinigungen seien über die Ergebnisse der Vorprüfung durch den Bundeswahlleiter (§ 33 Abs. 2 Satz 2 BWahlO) und die den Ausschuß in seinen Entscheidungen leitenden Gründe während der Sitzung vom 26. Oktober 1990 nicht hinreichend unterrichtet worden, so daß sie hierzu nicht hätten Stellung nehmen können. Die Rüge ist unzulässig. Nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG erfolgt die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen für eine Nachprüfung enthalten (BVerfGE 40, 11 [30]; 48, 271 [276]; 85, 148 [159 f.]). Bei einer Gehörsrüge -- wie hier -- ist außerdem anzugeben, was der Betroffene bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte; nur dann kann geprüft und entschieden werden, ob die angegriffene Entscheidung auf dem behaupteten Verstoß beruht (vgl. BVerfGE 28, 17 [20]; st. Rspr.). Zu alledem enthält die Wahlprüfungsbeschwerde nichts Konkretes; soweit der Beschwerdeführer die Nichtzulassung der von ihm vertretenen DSU (Bonn) angreift, fehlt es jedenfalls an Ausführungen zu dem zuletzt genannten Gesichtspunkt.
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3. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgt nicht, daß der Bundeswahlausschuß bei der ihm obliegenden Entscheidung, welche politischen Vereinigungen den gesetzlichen Anforderungen an eine Anerkennung als Partei genügen (§ 18 Abs. 4 BWahIG), die gesetzlichen Voraussetzungen verkannt hätte (a) bis d); allerdings hat der Bundeswahlausschuß zu Unrecht die Auffassung vertreten, daß die bei der Anerkennung gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahIG von ihm zu prüfende Wirksamkeit der Beteiligungsanzeige (§ 18 Abs. 2 BWahIG) voraussetze, daß der Parteiname den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 PartG genüge (e).
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a) Auch wenn § 18 Abs. 3 BWahIG die Vorprüfung der formellen Voraussetzungen einer Beteiligungsanzeige durch den Bundeswahlleiter vorsieht, hatte der Bundeswahlausschuß -- entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers -- in seine gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahIG zu treffende Entscheidung diese formellen Voraussetzungen miteinzubeziehen. Die Kompetenzen des Bundeswahlausschusses unterscheiden sich insofern nicht von denen der Landeswahlausschüsse und der Kreiswahlausschüsse, denen das Bundeswahlgesetz trotz gleichartiger Vorabprüfung der Landeswahlleiter und Kreiswahlleiter (§§ 25, 27 Abs. 5 BWahIG) in § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahIG und § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahIG ausdrücklich eine uneingeschränkte und letztverantwortliche Kontrolle der eingereichten Wahlvorschläge zuweist. Zwar kann der Bundeswahlausschuß vom Vorstand einer Partei gemäß § 18 Abs. 3 Satz 6 BWahIG schon gegen Mängelrügen des Bundeswahlleiters angerufen werden -- wie im übrigen ebenso die Kreis- und Landeswahlausschüsse gegen Verfügungen der Kreis- und Landeswahlleiter (§§ 25 Abs. 4, 27 Abs. 5 BWahIG) --; damit wird im Vorfeld der Wahlzulassung der Rechtsschutz erweitert, nicht aber werden die Prüfungskompetenzen des Bundeswahlausschusses für alle die Fälle eingeschränkt, in denen es nicht schon zu seiner Anrufung wegen einer Mängelrüge des Bundeswahlleiters gekommen war.
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b) Auch die Rüge, der Bundeswahlausschuß habe die materiellen Kriterien für die Anerkennung als Partei (§ 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahIG) verkannt, ist nicht gerechtfertigt. Grundlage ist die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG. Danach ist wesentliches Merkmal einer politischen Partei, das sie von anderen politischen Vereinigungen unterscheidet, der ernsthafte Wille zur parlamentarischen Vertretung und damit auch zur Beteiligung an Parlamentswahlen auf Bundes- und Landesebene. Die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung kann nur anhand äußerer Merkmale ermittelt werden, von denen den im Gesetz besonders hervorgehobenen Umständen -- Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, Zahl ihrer Mitglieder und Hervortreten in der Öffentlichkeit -- regelmäßig das größte Gewicht zukommen wird.
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Von diesen gesetzlichen Vorgaben ist ersichtlich auch der Bundeswahlausschuß ausgegangen. Mit Recht hat er deshalb den antragstellenden Vereinigungen politische Zielvorstellungen abverlangt und aus einer geringen Mitgliederzahl zumeist negative Schlüsse auf mangelnde Ernstlichkeit der politischen Zielsetzung gezogen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Bundeswahlausschuß dementgegen, wie der Beschwerdeführer meint, bisweilen ausschließlich die Größe einer Vereinigung oder deren politische Position bewertet und hiervon die Anerkennung als Partei abhängig gemacht hätte. Entsprechendes gilt von dem nicht belegten weiteren Vorwurf des Beschwerdeführers, der Bundeswahlleiter habe systematisch in telefonischen Vorgesprächen die Anwesenheit eines Vertreters der Vereinigung als nicht notwendig bezeichnet, um dessen Fehlen sodann als Zeichen fehlender Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung werten zu können.
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c) Für die politischen Vereinigungen mit Sitz im Wahlgebiet Ost galten entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Grundsatz keine anderen Maßstäbe. Durch Art. 1 Abs. 3 des Wahlvertrages wurden sie den Parteien im Sinne des § 2 Abs. 1 PartG gleichgestellt. Infolgedessen hatte der Bundeswahlausschuß bei der Feststellung ihrer Parteieigenschaft § 2 Abs. l PartG ebenfalls anzuwenden (Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zum Wahlvertrag).
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Damit war indessen keine schematische Gleichbehandlung gefordert. Der Deutsche Bundestag hat in der angegriffenen Entscheidung zutreffend und in Übereinstimmung mit den im Urteil des Senats vom 29. September 1990 (BVerfGE 82, 322 [340 bis 342, 350]) dargestellten Maßstäben ausgeführt, daß das Gebot der Wahlrechtsgleichheit den Bundeswahlausschuß nicht hinderte, mit Rücksicht auf die besondere Lage der Parteien aus der ehemaligen DDR an deren Organisationsgrad, Mitgliederzahl und Präsentation vor dem Ausschuß andere Anforderungen zu stellen als bei Parteien aus dem bisherigen Bundesgebiet.
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d) Substanzlos ist die Rüge des Beschwerdeführers, der Bundeswahlausschuß habe die Chancengleichheit der Parteien dadurch verletzt, daß er bei der Durchführung des Anerkennungsverfahrens für die Entscheidungsfindung zwei Gruppen "neuer" Parteien gebildet habe, indem er zunächst über die Zulassung der Vereinigungen entschieden habe, die in den vorausgegangenen drei Jahren ereits an Wahlen teilgenommen hatten, und sodann die Voraussetzungen für die Zulassung der übrigen Antragsteller geprüft habe. Es ibt keine Anhaltspunkte dafür, daß sich diese Gestaltung des Verfahrens vor dem Bundeswahlausschuß diskriminierend auf den Entscheidungsinhalt selbst ausgewirkt hat, zumal der Bundeswahlausschuß aus beiden Gruppierungen Vereinigungen sowohl als Parteien anerkannt als auch nicht anerkannt hat.
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e) Zu Unrecht hat der Bundeswahlausschuß die Wirksamkeit einer Beteiligungsanzeige allerdings auch davon abhängig gemacht, daß die Vereinigung einen nach § 4 Abs. 1 PartG zulässigen Namen führt. Hierauf beruht jedoch in keinem der gerügten Fälle die ablehnende Entscheidung des Bundeswahlausschusses (vgl. dazu unten 4. b).
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 PartG muß sich zwar der Name einer Partei von dem Namen einer bereits bestehenden Partei deutlich unterscheiden; das gleiche gilt für Kurzbezeichnungen. Die Vorschrift gewährleistet jedoch keinen öffentlich-rechtlichen Namensschutz, dem die Wahlorgane Beachtung verschaffen müßten, sondern sie modifiziert und erweitert lediglich den bereits nach § 12 BGB bestehenden zivilrechtlichen Schutz des Parteinamens (vgl. BGHZ 79, 265 [267 ff.] mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte der Norm). Wahlrechtlich haben die Landeswahlausschüsse und die Kreiswahlausschüsse lediglich die Befugnis, bei Verwechslungsgefahren zwischen den Namen oder Kurzbezeichnungen verschiedener Parteien einem der Wahlvorschläge eine Unterscheidungsbezeichnung beizufügen (§§36 Abs. 4 Satz 3, 41 Abs. 1 Satz 2 BWahlO). Einer solchen Regelung bedürfte es nicht, soweit die Gefahr der Verwechslung von Parteinamen oder Kurzbezeichnungen schon im Zulassungsverfahren vor dem Bundeswahlausschuß zu prüfen und sogar Grund für die Nichtzulassung der Partei wäre. Für eine solche Maßnahme und den mit ihr verbundenen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien gäbe es auch keinen rechtfertigenden zwingenden Grund, weil dem Wahlrecht mit der Beifügung einer Unterscheidungsbezeichnung ein Mittel zur Verfügung steht, das die Verwechslungsgefahr vermeiden kann und geringer belastet als die Nichtzulassung der "jüngeren" Partei.
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4. Im Ergebnis greifen alle Rügen gegen die einzelnen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses über die Zulassung oder Nichtzulassung von Parteien oder Listenvereinigungen nicht durch.
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a) Die Rügen sind ganz überwiegend nur pauschal und weitgehend ohne inhaltliche Substanz; insoweit sind sie unzulässig. Dem Beschwerdeführer kann die ihm gemäß § 2 Abs. 3 WPrüfG obliegende Substantiierungspflicht auch nicht nachgelassen werden, weil ihm -- wie er behauptet -- infolge nichtöffentlicher Beratung der Einblick in den Willensbildungsprozeß des Bundeswahlausschusses erschwert ist. Der für den einzelnen Wahlberechtigten etwa bestehenden Unmöglichkeit, sich hinreichend Kenntnis von den als fehlerhaft empfundenen Wahlvorgängen zu verschaffen, steht ausgleichend das amtliche Einspruchsrecht der in § 2 Abs. 2 WPrüfG genannten, über größere Informations- oder Ermittlungsmöglichkeiten verfügenden Personen gegenüber. Es bietet für das Erreichen des grundsätzlich alleinigen Ziels der Wahlprüfung, den Schutz des objektiven Wahlrechts, jedenfalls soweit Gewähr, daß die Aufdeckung erheblicher Wahlfehler nicht an der Unkenntnis einzelner Bürger oder daran scheitert, daß diese nicht zu substantiierter Anfechtung in der Lage sind (vgl. BVerfGE 40, 11 [32]; 59, 119 [124]; 6. 369(379]).
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b) Soweit die Wahlanfechtung substantiiert begründet worden ist, sind Wahlfehler nicht gegeben.
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b 1) Zu Unrecht vermißt der Beschwerdeführer bei den parlamentarisch bereits vertretenen Parteien (§ 18 Abs. 4 Nr. 1 BWahIG) den Nachweis ihrer Parteieigenschaft sowie der in § 18 Abs. 2 BWahIG genannten formellen Voraussetzungen einer Wahlbeteiligung. Diese Parteien sind weder zu einer Beteiligungsanzeige verpflichtet, noch ist es Aufgabe des Bundeswahlausschusses, ihre Parteieigenschaft festzustellen. Mit Recht hat deshalb der Bundeswahlausschuß bei allen seinerzeit im Bundestag, in einem Landtag oder der Volkskammer der früheren DDR aufgrund eigener Wahlvorschläge vertretenen Parteien und politischen Vereinigungen von einer solchen Prüfung abgesehen. Satzungsmäßige Kurzbezeichnungen müssen gegebenenfalls erst die Wahlvorschläge dieser Parteien enthalten (§§ 20 Abs. 4, 27 Abs. 2 BWahIG).
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b 2) Der zutreffenden Feststellung des Bundeswahlausschusses, daß die beiden namensgleichen Parteien "Die Grünen" (Wahlgebiet Ost) und "DIE GRÜNEN" (Wahlgebiet West) ebenfalls die Voraussetzungen de? § 18 Abs. 4 Nr. l BWahIG erfüllten, standen -- entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers -- etwaige namensrechtliche Bedenken nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt (oben 3. e), gewährt das durch § 4 Abs. 1 PartG normierte Unterscheidungsgebot zwischen den Namen politischer Parteien keinen öffentlich-rechtlichen Namensschutz. Das für parlamentarisch bereits vertretene Parteien in § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWahIG geregelte Feststellungsverfahren gibt nach seinen Voraussetzungen im übrigen auch keine Veranlassung, die Verwechslungsgefahr der Parteinamen zu prüfen.
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b 3) Aus den oben zu 3. e) dargestellten Gründen durfte die Beteiligungsanzeige der vom Beschwerdeführer vertretenen DSU (Bonn) nicht wegen einer Namensgleichheit mit der im Gebiet der ehemaligen DDR kandidierenden Deutschen Sozialen Union (mit Sitz in Leipzig) zurückgewiesen werden. Auch die auf Antrag der DSU Leipzig gegen die DSU Bonn ergangene einstweilige Verfügung des Landgerichts Bonn und des Oberlandesgerichts Köln, mit der der DSU Bonn der weitere Gebrauch des Namens "Deutsche Soziale Union" untersagt wurde, konnte -- schon wegen ihrer auf die Parteien des Rechtsstreits beschränkten Bindungswirkung (§ 325 Abs. 1 ZPO) -- die ablehnende Entscheidung des Bundeswahlausschusses nicht rechtfertigen.
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Das verhilft der Wahlanfechtung indes nicht zum Erfolg. Der vom Bundeswahlausschuß an zweiter Stelle angeführte, selbständige Grund für eine Nichtanerkennung der DSU (Bonn) trägt für sich allein die angegriffene Entscheidung. Der Bundeswahlausschuß und die Wahlprüfungsentscheidung des Deutschen Bundestages gehen mit Recht davon aus, daß die unzureichenden tatsächlichen Angaben des Beschwerdeführers über Mitgliederzahlen und Organisationsstruktur der DSU (Bonn) es nicht zulassen, gemäß § 2 Abs. 1 PartG ihre Parteieigenschaft festzustellen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Vereinigung habe am 1. Oktober 1990 insgesamt 608 Mitglieder gehabt und zumindest über einen Landesverband Nordrhein-Westfalen mit vollständiger Parteiorganisation verfügt, ist -- trotz vorausgegangener Bitte des Bundeswahlleiters um ergänzende (und hinreichende) Informationen -- durch keinerlei Einzelheiten oder Belege (dazu zählten etwa Namen und Anschriften von Vorstandsmitgliedern, Mitgliederlisten, Niederschriften über Mitgliederversammlungen, Schriftverkehr, Publikationen) untermauert oder auch nur glaubhaft gemacht worden. Aktivitäten der DSU im Wahlkampf oder das Sammeln von Unterstützungsunterschriften sind ebensowenig nachgewiesen wie ein Auftreten des Verbands in der Öffentlichkeit.
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b 4) Zu Recht hat der Bundeswahlausschuß die Bürgerbewegung "Demokratischer Aufbruch" (Sitz Pirna) als eine Partei behandelt, die gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahIG der Anerkennung bedarf. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft des Bundeswahlleiters und den hierzu vorgelegten Unterlagen bestand trotz Namensgleichheit keine Identität der antragstellenden Vereinigung "Demokratischer Aufbruch" mit der früheren Partei "Demokratischer Aufbruch" (Sitz Berlin), die bei der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 vier Sitze errungen und sich später mit der CDU zusammengeschlossen hatte. Die weitere Feststellung des Bundeswahlausschusses, daß die neu gegründete Vereinigung nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse den an eine Partei zu stellenden Anforderungen nicht entsprach, hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert in Frage gestellt.
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b 5) Die Rüge des Beschwerdeführers, die Sächsische Humanistische Bewegung habe bei nur 50 Mitgliedern nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 PartG an eine Partei erfüllt und sei daher zu Unrecht anerkannt worden, hat keinen Erfolg, weil ein etwaiger Zulassungsfehler sich nicht auf die Wahl ausgewirkt hat. Der Bundeswahlleiter hat nämlich auf Anfrage mitgeteilt, daß die Sächsische Humanistische Bewegung trotz ihres Erfolges vor dem Bundeswahlausschuß an der Wahl zum 12. Deutschen Bundestag nicht teilgenommen hat.
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b 6) Ebensowenig Erfolg hat die Rüge des Beschwerdeführers, der Bundeswahlausschuß habe die Beteiligungsanzeige der Christlich-Sozialen Union in Sachsen nicht aus formellen Gründen zurückweisen dürfen; die vom Ausschuß vermißten Unterlagen über die Parteisatzung, das Programm und den Nachweis satzungsgemäßer Vorstandswahl hätten sich in den Akten befunden, die die Präsidentin der Volkskammer dem Bundeswahlleiter nach der Vereinigung übergeben habe. Die weitere -- vom Beschwerdeführer nicht angegriffene -- Begründung des Bundeswahlausschusses, die Beteiligungsanzeige sei außerdem nicht von den hierzu berechtigten Personen unterzeichnet worden, rechtfertigt bereits für sich allein die ablehnende Entscheidung des Bundeswahlausschusses.
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b 7) Die weitere Rüge des Beschwerdeführers, die Christlich-Soziale Union Mecklenburg und Vorpommern e.V. sei zu Unrecht nicht als Parte: anerkannt worden, ist im Ergebnis gleichfalls unbegründet. Der Bundeswahlausschuß hat diese Vereinigung nur deswegen nicht als Partei anerkannt, weil ein satzungsgemäßer Name fehle. Tatsächlich war, wie der Bundeswahlleiter klargestellt hat, nicht das Fehlen eines Namens Grund der Beanstandung, sondern dessen mangelnde Unterscheidbarkeit vom Parteinamen der CSU in Bayern (§ 4 Abs. 1 PartG). Wenn diese Begründung auch aus den oben zu 3. e) dargestellten Gründen der Nachprüfung nicht standhält, so lagen die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Partei gleichwohl deshalb nicht vor, weil die CSU in Mecklenburg-Vorpommern nach dem Inhalt eines vom Bundeswahlleiter vorgelegten Telegramms vom 22. Oktober 1990 ihre Parteiauflösung bereits eingeleitet und zugleich die Rücknahme ihrer Beteiligungsanzeige erklärt hatte. Mit der Aufgabe des Willens zu parlamentarischer Vertretung waren die rechtlichen Grundlagen für die Parteieigenschaft nach § 2 Abs. 1 PartG entfallen. Auf die -- vom Bundeswahlleiter wegen der Unterzeichnung nur durch zwei Vorstandsmitglieder verneinte -- Frage einer wirksamen Rücknahmeerklärung kommt es nicht mehr an.
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b 8) Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die Zulassung der Listenvereinigung Bündnis 90/Grüne bekämpft, beruht sein Vorbringen im Wahleinspruch und auch noch in der Wahlprüfungsbeschwerde auf bloßen Vermutungen und ist ohne hinreichenden Tatsachengehalt; die Rüge ist damit unzulässig. Der Beschwerdeführer hat hierzu lediglich pauschal behauptet, daß die erforderlichen Unterschriften der Landesleitungsorgane über die Absicht zur Listenvereinigung (§ 53 Abs. 2 Satz 7 Nr. 1 BWahIG) nicht vorgelegen hätten, ohne auch nur die beteiligten Parteien und vor allem die Parteiorgane im einzelnen zu benennen. Ebensowenig wird mitgeteilt, welche Personen eine solche Erklärung abgegeben hatten. Dieser Sachvortrag läßt eine rechtliche Überprüfung nicht zu und genügt damit nicht den Begründungsanforderungen des § 2 Abs. 3 WPrüfG. Er gewinnt auch nicht dadurch an Substanz, daß sich der Beschwerdeführer zugleich auf angebliche frühere Äußerungen des Bundeswahlleiters selbst beruft, deren Inhalt nicht im einzelnen angegeben wird. Dasselbe gilt für die pauschale Bezugnahme auf ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das von den an der Listenvereinigung beteiligten Parteien und politischen Vereinigungen eingeleitet worden war. Erst die im Beschwerdeverfahren eingeholte Stellungnahme des Bundeswahlleiters vermittelt in tatsächlicher Hinsicht ein klareres Bild. Nach Ablauf der Einspruchsfrist kann die fehlende substantiierte Begründung aber nicht mehr nachgeholt werden.
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