BVerfGE 95, 28 - Werkszeitungen | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 04.04.2022, durch: A. Tschentscher | |||
Werkszeitungen genießen den Schutz der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 8. Oktober 1996 |
-- 1 BvR 1183/90 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Firma B... GmbH - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Konrad Redeker und Partner, Mozartstraße 4-10, Bonn - gegen a) den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 21. August 1990 - 1 ABN 20/90 -, b) den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Dezember 1989 - 13 Ta BV 18/89. |
Entscheidungsformel |
Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Dezember 1989 - 13 Ta BV 18/89 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen. |
Damit wird der Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 21. August 1990 - 1 ABN 20/90 - gegenstandslos. |
Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob ein Arbeitgeber in einer Werkszeitung Stellungnahmen von Mitarbeitern publizieren darf, die die Arbeit des Betriebsrats bewerten.
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I. | |
1. Die Beschwerdeführerin, ein Chemieunternehmen, gibt eine Werkszeitung heraus. Im Jahr 1985 führte sie unter der Bezeichnung "Offen-Gesagt-Programm" eine Rubrik ein, in der Zuschriften von Mitarbeitern des Unternehmens zu betrieblichen Themen veröffentlicht wurden. Die Namen der Verfasser waren dem Leiter des Programms bekannt, wurden aber in der Zeitung nicht mitgeteilt. Die von den Zuschriften betroffenen betrieblichen Stellen erhielten Gelegenheit, sich in derselben Ausgabe zu den Themen der veröffentlichten Zuschriften zu äußern.
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In der Oktoberausgabe 1988 der Werkszeitung wurde in der genannten Rubrik folgender Beitrag ohne Verfasserangabe veröffentlicht:
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"BM-Betriebsrat = Verweigerungsrat. Der BM-Betriebsrat hat mal wieder seinen miserablen Ruf als Verweigerungsrat bestätigt. Zu einem PC-Grundlagenkurs wurde von P-FK fristgerecht eingeladen. Nach Auskunft von P-FK hat der Betriebsrat seine Zustimmung zu diesem Kurs aus formalistischen Gründen verweigert. Die Verweigerung richtet sich auch diesmal wieder gegen diejenigen, die der Betriebsrat zu vertreten vorgibt; denn hiermit werden uns, den Mitarbeitern, Arbeitsmittel vorenthalten, die wir nach jahrelangen Bemühungen endlich bekommen haben und dringender denn je benötigen. Woher nimmt der BM- Betriebsrat
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- die Unverfrorenheit, gegen anstatt für die Mitarbeiter unseres gemeinsamen Unternehmens und damit gegen das Unternehmensziel zu agitieren, und das zum -zigstenmal?
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- die Verantwortungslosigkeit, dringend notwendige Arbeitsmittel zu blockieren?
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- die Arroganz machtherrlicher Fehlentscheidung, ohne sich mit denen abzustimmen, die's angeht - mit uns betroffenen Mitarbeitern nämlich?
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Wann endlich bekommen wir einen konstruktiven Betriebsrat, der für uns Mitarbeiter und unsere gemeinsame Firma arbeitet?!"
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In der Ausgabe vom Februar 1989 publizierte die Beschwerdeführerin einen Briefwechsel zwischen dem Betriebsrat und ihrer Personalleitung über den zitierten Beitrag sowie ohne Namensnennung die folgende Stellungnahme eines Beschäftigten:
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"Die BM-Bekanntmachung 61/88 kann jeder BM-Mitarbeiter, der für unser gemeinsames Unternehmen ist, voll unterschreiben. Schon die Einladung des BM-Betriebsrates zu den Betriebsversammlungen am 7. und 8.12.1988 hat den Konfrontationswillen des BR klargemacht. Das war keine Einladung, sondern ein Pamphlet voll flegelhafter Verhöhnungen unserer GF mit der Absicht negativer, destruktiver Stimmungsmache vor der Versammlung. Warum - zum Teufel - hat unsere GF hieraufhin dem BR nicht Haus- und Versammlungsverbot erteilt? So pöbelhaft geht man mit seinem Partner nicht um wie der BR mit der GF!
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Die GF beschließt und verwirklicht zum Jahresende großzügige Sonderzahlungen für die Belegschaft - und gleichzeitig agitiert dieser BR, für den wir alle mitarbeiten müssen, gegen unsere gemeinsame GF, gegen unser gemeinsames Unternehmen, und das heißt: gegen die Mitarbeiter, die der BR zu vertreten hat!
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Wann endlich begreift dieser untaugliche BR, daß nicht Konfrontation, sondern Kooperation das ist, was wir Belegschaftsmitglieder von ihm erwarten?"
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Der Betriebsrat verlangte daraufhin von der Beschwerdeführerin, Leserbriefe nur mit seiner Zustimmung in der Werkszeitung zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung solcher Briefe sei gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) mitbestimmungspflichtig. Außerdem verlangte er bei Veröffentlichung von Leserbriefen die Angabe des Verfassernamens. Die Beschwerdeführerin lehnte beides ab.
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2. a) In dem anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren beantragte der Betriebsrat, der Beschwerdeführerin die Wiedergabe von Zuschriften ohne Verfassernamen im Rahmen des "Offen-Gesagt-Programms" zu untersagen; hilfsweise beschränkte er den Antrag auf solche Zuschriften, die sich auf die Tätigkeit des Betriebsrats beziehen. Ferner beantragte er festzustellen, daß dem Betriebsrat bei der Durchführung des "Offen-Gesagt-Programms" ein Mitbestimmungsrecht zustehe, hilfsweise, daß das Mitbestimmungsrecht dann gegeben sei, wenn mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten erörtert würden. Schließlich beantragte er die Feststellung, daß ihm bei der Veröffentlichung von Mitarbeiterzuschriften im Rahmen des "Offen-Gesagt-Programms" ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Zur Begründung führte er aus, daß das "Offen- Gesagt-Programm" gegen den Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit, das Behinderungsverbot und zwingende Mitbestimmungsrechte (§§ 2 Abs. 1, 78, 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) verstoße. Das Arbeitsgericht wies die Anträge zurück.
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b) Der Betriebsrat verfolgte sein Anliegen mit der Beschwerde weiter. Die Beschwerdeführerin trat dem mit der Begründung entgegen, die Voraussetzungen des § 78 BetrVG lägen nicht vor. Das "Offen-Gesagt-Programm" enthalte auch nicht etwa Leserzuschriften, sondern redaktionelle Veröffentlichungen. Ein Verbot käme einer Zensur gleich.
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Das Landesarbeitsgericht änderte den Beschluß des Arbeitsgerichts und untersagte der Beschwerdeführerin, Stellungnahmen von Mitarbeitern ohne Angabe des Verfassernamens im Rahmen des "Offen-Gesagt-Programms" zu veröffentlichen, soweit sie sich in bewertender Weise auf die Tätigkeit des Betriebsrats beziehen. Die weitergehenden Anträge wies es zurück. In den Entscheidungsgründen heißt es: Der Arbeitgeber habe im Rahmen des genannten Programms nicht nur die Veröffentlichung von Stellungnahmen zu unterlassen, die sich in bewertender Weise auf die Tätigkeit des Betriebsrats bezögen, sondern alle Meinungsäußerungen von Mitarbeitern, die sich mit der Tätigkeit des Betriebsrats beschäftigten, gleichgültig, ob sie bewertender Art seien und ob die Namen der Verfasser genannt würden. Betriebsrat und Arbeitgeber seien nach dem System des Betriebsverfassungsrechts Gegenspieler. Sie dürften einander daher auch kritisch würdigen, wobei der Arbeitgeber nicht gehindert sei, dies in einer von ihm herausgegebenen Werkszeitung zu tun. Ihm sei jegliches betriebsverfassungsrechtlich relevante Verhalten, mit dem er als Gegenspieler des Betriebsrats auftrete, gestattet, sofern es die Mißbrauchsgrenze nicht überschreite und die Grundsätze der §§ 2 und 24 BetrVG einhalte. Der Arbeitgeber dürfe sich im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Systems aber nicht die Position eines neutralen Vermittlers zwischen Betriebsrat und Betriebsangehörigen beimessen. Das sei betriebsverfassungsrechtlich weder seine Verpflichtung noch seine Kompetenz. Ebensowenig habe er das Recht, sich zum Moderator kritischer Äußerungen aus dem Kreis der Beschäftigten gegenüber dem Betriebsrat zu machen, wie das im Rahmen des "Offen-Gesagt-Programms" geschehen sei. Den Ort für derartige kritische Äußerungen bilde nach dem Zusammenhang des Betriebsverfassungsgesetzes die Betriebsversammlung.
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c) Das Bundesarbeitsgericht wies die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht zurück. Das Landesarbeitsgericht habe keine Rechtssätze aufgestellt, die von abstrakten Rechtssätzen in den seitens der Beschwerdeführerin benannten Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Februar 1977 und 27. Juni 1989 abwichen.
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II. | |
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, hilfsweise auch ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Sie trägt dazu im wesentlichen vor:
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Die beanstandete Tätigkeit falle in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Auch eine Betriebszeitung sei als Druckerzeugnis Presse im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Nicht nur das Äußern eigener, sondern auch das fremder Meinungen und Behauptungen, selbst in anonymer Form, werde durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt. Das Landesarbeitsgericht habe seine Entscheidung auf das Betriebsverfassungsrecht gestützt, ohne eine konkrete grundrechtsbeschränkende Norm anzuführen. Mit seiner Erwägung, der Arbeitgeber dürfe sich im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Systems nicht die Position eines neutralen Vermittlers zwischen Betriebsrat und Betriebsangehörigen zumessen, weil das betriebsverfassungsrechtlich weder seine Verpflichtung noch seine Kompetenz sei, verkenne das Gericht die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts für die Auslegung des Betriebsverfassungsrechts. Offenbar sei es der Ansicht, der Arbeitgeber dürfe Äußerungen der Belegschaft über den Betriebsrat in einer Betriebszeitung nur verbreiten, wenn sich eine Verpflichtung oder Kompetenz dazu aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebe. Damit kehre es das von der Verfassung geforderte Verhältnis von Grundrecht und beschränkendem Gesetz um. Es verlange eine gesetzliche Grundlage für die Grundrechtsbetätigung statt für die Grundrechtsbeschränkung. Gleiches gelte für die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.
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III. | |
Zu der Verfassungsbeschwerde hat sich der Antragsteller des Ausgangsverfahrens geäußert. Er macht im wesentlichen geltend: Der Arbeitgeber sei ebenso wie der Betriebsrat ein mit Rechten und Pflichten ausgestattetes Organ der Betriebsverfassung. Zu seinen Pflichten gehöre es, sein Verhalten an dem betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit auszurichten. Damit sei es unvereinbar, Kritik von Mitarbeitern am Betriebsrat in der vom Arbeitgeber herausgegebenen Werkszeitung zu veröffentlichen. Das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Pressefreiheit werde dadurch nicht verletzt. Der Arbeitgeber habe Begrenzungen dieses Grundrechts hinzunehmen, die dazu dienten, die Funktionsfähigkeit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung zu gewährleisten. Der Beschwerdeführerin bleibe es nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts unbenommen, sich mit dem Verhalten des Betriebsrats in ihrer Zeitung auseinanderzusetzen. Hingegen sei ihr kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung kritischer Stellungnahmen von Arbeitnehmern zur Tätigkeit des Betriebsrats zuzubilligen. Das Betriebsverfassungsgesetz stelle dafür andere Möglichkeiten bereit.
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B. | |
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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I. | |
Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit.
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1. Dieses Grundrecht wird von dem Verbot, das "Offen-Gesagt-Programm" in seiner bisherigen Form fortzuführen, berührt.
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a) Der Beschluß ist am Grundrecht der Pressefreiheit und nicht an dem der Meinungsfreiheit zu messen. Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten nicht um die Zulässigkeit einer bestimmten Äußerung, die sich auch dann, wenn die Äußerung in einem Presseerzeugnis gefallen ist, nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG richtet (vgl. BVerfGE 85, 1 [12 f.]). Zwar hat eine in der Werkszeitung publizierte Äußerung über den Betriebsrat den Anlaß zu der gerichtlichen Auseinandersetzung gegeben. Diese bezieht sich aber unabhängig von dem Anlaß auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin derartige Beiträge überhaupt in ihrer Werkszeitung publizieren darf. Strittig sind also die Rolle, die sie mit ihrer publizistischen Tätigkeit im innerbetrieblichen Kommunikationsprozeß spielt, und die Gestalt, die sie ihrer Zeitung geben will. Dabei geht es um Fragen, die sich nicht anhand des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern allein anhand der Pressefreiheitsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beantworten lassen (vgl. BVerfG, a.a.O.).
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b) Die Beschwerdeführerin kann sich auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Die Pressefreiheit gehört nicht zu denjenigen Grundrechten, die ihrem Wesen nach nur natürlichen Personen zustehen können (vgl. BVerfGE 21, 271 [277 f.]). Daß die Beschwerdeführerin kein Presseunternehmen ist, sondern die Zeitung im Rahmen eines andersartigen Unternehmenszwecks herausgibt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Art. 19 Abs. 3 GG stellt hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft nicht auf den Zweck der juristischen Person, die das Grundrecht in Anspruch nimmt, sondern auf die Eigenart des Grundrechts ab. Dieses knüpft den Schutz aber nicht an die berufsmäßige oder vorwiegende Betätigung im Pressewesen, sondern allein an das Medium Presse an.
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c) Zur Presse im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gehören auch Werkszeitungen. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung waren bisher zwar nur Zeitungen oder Zeitschriften, die dem Publikum allgemein zum Kauf angeboten werden. Werkszeitungen unterscheiden sich von solchen Presseerzeugnissen vor allem dadurch, daß sie lediglich unternehmensintern verteilt werden. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG läßt aber nicht erkennen, daß es für die Pressequalität eines Druckerzeugnisses auf diesen Unterschied ankommen soll. Für die Funktion des Grundrechts, eine staatlich nicht reglementierte, offene Kommunikation zu gewährleisten, ist er unerheblich. Die Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, die Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will (vgl. BVerfGE 57, 295 [319]), wird nicht nur von allgemein zugänglichen, sondern auch von gruppeninternen Publikationen erfüllt. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht den Schutz der Pressefreiheit nicht von besonderen Eigenschaften der Publikation abhängig gemacht, solange diese nur in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form am Kommunikationsprozeß teilnimmt. Vielmehr ist es stets von einem weiten und formalen Pressebegriff ausgegangen (vgl. BVerfGE 34, 269 [283]; 66, 116 [134]). Das muß auch für die Verbreitungsmodalitäten gelten. Entscheidend für den Grundrechtsschutz der Presse ist allein das Kommunikationsmedium, nicht der Vertriebsweg oder Empfängerkreis.
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d) Der Schutz der Pressefreiheit erstreckt sich auch auf das "Offen-Gesagt-Programm" als Bestandteil der Werkszeitung. Eine Unterscheidung zwischen geschützten und nicht geschützten Teilen einer Zeitung läßt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erkennen. Das Grundrecht schützt den gesamten Inhalt eines Presseorgans (vgl. BVerfGE 21, 271 [278 f.]). Das folgt schon daraus, daß zur Pressefreiheit nicht nur die Bestimmung des Inhalts einer einzelnen Ausgabe oder des Themas eines einzelnen Artikels, sondern erst recht die Grundentscheidung über Ausrichtung und Gestaltung des Publikationsorgans insgesamt gehört. Darin ist auch die Entscheidung eingeschlossen, ob Zuschriften von Dritten in die Publikation aufgenommen werden. Geschützt sind daher nicht nur eigene Beiträge der Herausgeber oder redaktionellen Mitarbeiter. Der Schutz der Pressefreiheit umfaßt auch die Wiedergabe von Beiträgen Außenstehender, die sich nicht beruflich im Pressewesen betätigen.
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e) Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt schließlich auch die Entscheidung, Zuschriften Dritter anonym zu veröffentlichen. Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, daß sich die Freiheitsgarantie nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Publikation bezieht (vgl. BVerfGE 60, 234 [239 f.]). Zur Form gehört es auch, ob die Veröffentlichung eines Beitrags mit oder ohne Autorenangabe erfolgt. Soweit die Anonymität den Zweck hat, Autoren vor Nachteilen zu bewahren und der Zeitung den Informationsfluß zu erhalten, fällt ins Gewicht, daß sich die Pressefreiheit auch auf das Redaktionsgeheimnis sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informant erstreckt (vgl. BVerfGE 20, 162 [176]). Ob es besondere arbeitsrechtliche Gründe geben kann, die Publikation anonymer Zuschriften in Werkszeitungen zu unterbinden, ist keine Frage des Schutzbereichs der Pressefreiheit, sondern ihrer Schranken.
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f) Durch die angegriffene Entscheidung wird die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit beeinträchtigt. Sie hat danach eine bestimmte Art publizistischer Tätigkeit, für die sie sich entschieden hat, nämlich die Wiedergabe von Zuschriften aus dem Beschäftigtenkreis, zu unterlassen, sofern diese sich bewertend auf die Tätigkeit des Betriebsrats beziehen und der Verfasser nicht angegeben wird.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat den Anforderungen der Pressefreiheit bei seiner Entscheidung nicht hinreichend Rechnung getragen.
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a) Der Umstand, daß das Landesarbeitsgericht einen privatrechtlichen Streit zu entscheiden hatte, für den das Betriebsverfassungsgesetz maßgeblich war, entband es nicht von der Verpflichtung, dieses Grundrecht zu berücksichtigen. Auslegung und Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes sind zwar Sache der Arbeitsgerichte. Wirkt sich die einschlägige betriebsverfassungsrechtliche Norm oder ihre Anwendung im Einzelfall jedoch beschränkend auf eine grundrechtlich geschützte Tätigkeit aus, so haben die Arbeitsgerichte der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts bei der Rechtsanwendung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 7, 198 (205 ff.); stRspr). Das verlangt eine Abwägung der grundrechtlichen Belange einerseits und des gesetzlich geschützten Rechtsguts andererseits, die grundsätzlich im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des einschlägigen Gesetzes stattfindet und bei der die Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen sind.
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Die Beachtung dieser Grundsätze kann vom Bundesverfassungsgericht nachgeprüft werden. Dabei reicht seine Kontrollbefugnis gegenüber den Zivilgerichten aber nicht weiter als der Einfluß der Grundrechte auf das Privatrecht (vgl. BVerfGE 94, 1 [9 f.]). Da der Rechtsstreit ungeachtet des grundrechtlichen Einflusses ein privatrechtlicher bleibt, prüft es nur nach, ob die wertsetzende Bedeutung des betroffenen Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts ausreichend beachtet worden ist. Daran fehlt es insbesondere, wenn das Zivilgericht den grundrechtlichen Einfluß überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt hat und die Entscheidung auf der Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht.
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b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts läßt nicht erkennen, daß es sich der Auswirkung seines Beschlusses auf die Pressefreiheit der Beschwerdeführerin bewußt war. Es fehlt nicht allein an einer ausdrücklichen Erwähnung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Auch sinngemäß ist das Landesarbeitsgericht nicht auf das Grundrecht eingegangen. Es hat seine Entscheidung vielmehr losgelöst von dem Umstand, daß das beanstandete Verhalten im Rahmen einer Presseveröffentlichung stattfand, allein auf die Erwägung gestützt, dem Arbeitgeber komme nach dem betriebsverfassungsrechtlichen System nicht die Position eines neutralen Vermittlers oder die Rolle eines Moderators zwischen Betriebsrat und Betriebsangehörigen zu.
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Die vom Grundgesetz geforderte Abwägung zwischen dem vom Betriebsverfassungsgesetz geschützten und für die Entscheidung maßgeblich gewordenen Rechtsgut einerseits und der Pressefreiheit andererseits ist daher unterblieben. Zu der entscheidungserheblichen und vom Antragsteller des Ausgangsverfahrens nunmehr in seiner Stellungnahme angeschnittenen Frage, ob betriebsverfassungsrechtliche Regelungen - insbesondere das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder die Funktionsfähigkeit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung - die mit dem Entscheidungsausspruch verbundene Einschränkung der Pressefreiheit rechtfertigen können, dringt das Gericht folglich nicht vor.
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c) Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts beruht auf diesem Verstoß. Daran würde es nur fehlen, wenn selbst bei Berücksichtigung des Grundrechts kein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Das läßt sich hier aber nicht erkennen. Der Ausgleich widerstreitender Rechtspositionen ist verfassungsrechtlich regelmäßig nicht festgelegt. Er obliegt dem Gesetzgeber, der dabei beträchtlichen Gestaltungsspielraum besitzt. Aber auch für den gesetzesanwendenden Richter bleibt in der Regel ein Interpretationsspielraum, zumal wenn das Gesetz das umstrittene Problem - wie hier - nicht ausdrücklich geregelt hat, so daß zur Lösung des Falles auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden muß. Ein übersehener Abwägungsgesichtspunkt ist unter diesen Umständen regelmäßig ergebnisrelevant.
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Im vorliegenden Fall gilt das um so mehr, als das Landesarbeitsgericht keine bestimmte Vorschrift zur Begründung seiner Entscheidung angeführt hat. Dem von ihm angenommenen betriebsverfassungsrechtlich geschützten Interesse des Betriebsrats, den Arbeitgeber als betrieblichen Gegenspieler aus der Kommunikation zwischen Belegschaftsmitgliedern und Betriebsrat völlig herauszuhalten, kommt jedenfalls kein solches Gewicht zu, daß die Pressefreiheit trotz ihrer großen Bedeutung für einen möglichst umfassenden und offenen Kommunikationsprozeß (vgl. BVerfGE 10, 118 [121]; 20, 162 [174 f.]) dahinter unter allen Umständen zurücktreten müßte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß das Gericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es den wertsetzenden Gehalt von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Auslegung und Anwendung betriebsverfassungsrechtlicher Grundsätze berücksichtigt hätte.
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II. | |
Der ebenfalls angegriffene Beschluß des Bundesarbeitsgerichts, der sich auf die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde beschränkt und daher keinen selbständigen Verstoß gegen das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Pressefreiheit enthält, wird durch die Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts gegenstandslos.
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Seidl, Grimm, Kühling, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner | |
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