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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 9. Juli 1997
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-- 2 BvR 1371/96 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn F... -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dirk Winkler, Gerstäckerstraße 15, Braunschweig -- gegen a) den Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 20. Mai 1996 -- 37 Ns 302 Js 42247/95 --, b) das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 18. März 1996 -- 5 Ds 302 Js 42247/95 --.
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. ![]() | |
A. | |
Die Entscheidung betrifft vor allem die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Beschwerdeführer durch die Versagung der Sachentscheidung über eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung richtet, ein besonders schwerer Nachteil entsteht (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b Halbsatz 2 BVerfGG).
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I.
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1. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Widerstandes gegen einen Vollstreckungsbeamten (§ 113 StGB) zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 70 DM. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich: Ein uniformierter Polizeibeamter hatte beabsichtigt, die in dem Mehrfamilienhaus des Beschwerdeführers wohnende Halterin eines verbotswidrig geparkten Personenkraftwagens aufzusuchen, um sie aufzufordern, ihr Fahrzeug aus der Verbotszone zu entfernen. Nachdem er vergeblich an der Haustür geklingelt hatte, wurde diese zufällig von dem Beschwerdeführer geöffnet. Dieser stellte sich als Hauseigentümer vor und fragte nach dem Grund des polizeilichen Einsatzes. Der Polizeibeamte antwortete darauf nicht, sondern versuchte den Hausflur zu betreten, um zur Wohnung der Kraftfahrzeughalterin zu gelangen. Zu diesem Zweck stellte er seinen Fuß vor die halbgeöffnete Haustür und drückte mit einer Hand leicht von außen gegen diese. Der Beschwerdeführer verhinderte indessen zunächst das Vorhaben des Polizeibeamten, indem er dessen Dienstausweis mit der Begründung zu sehen verlangte, daß "jeder eine Uniform anziehen könne". Zugleich versuchte er, die Tür zuzuziehen; dadurch drückte das Türblatt leicht gegen den in die Türöffnung gestellten Fuß des Beamten. Um Weiterungen zu vermeiden, zog der Beamte seinen Fuß zurück. Der Beschwerdeführer ließ die Tür in das Schloß fallen. Erst nachdem der Polizeibeamte seinen Dienstausweis vorgezeigt und dem Beschwerdeführer die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angedroht hatte, gestattete dieser ihm das Betreten des Hauses.
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2. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Berufung ein und beantragte, das Rechtsmittel gemäß § 313 StPO anzunehmen. ![]() ![]() | |
Das Landgericht nahm die Berufung nicht an und verwarf sie als unzulässig. Dazu führte es aus, die Berufung sei offensichtlich unbegründet. Es beständen weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen Bedenken gegen das erstinstanzliche Urteil. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei nicht zu beanstanden. Auch die rechtliche Bewertung begegne keinen Bedenken. Der Polizeibeamte sei zur Vollstreckung von Gesetzen und Rechtsverordnungen berufen gewesen. Er habe eine rechtmäßige Vollstreckungshandlung vorgenommen und sei hieran seitens des Beschwerdeführers durch Gewalt, nämlich durch Zuziehen der Haustür bis zu deren Schließen, gehindert worden. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung des Beschwerdeführers sei nicht verletzt worden; denn der Polizeibeamte habe das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses betreten wollen.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts und den Beschluß des Landgerichts. Er rügt eine Verletzung der Art. 2 Abs. 1, 13 und 103 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf einer unzutreffenden Beurteilung des Gewährleistungsgehalts des Art. 13 GG und stellten eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit dar. Dazu wiederholt und vertieft der Beschwerdeführer seinen Vortrag aus dem Berufungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, ihm sei durch das ![]() ![]() | |
Die Verfassungsbeschwerde kann nicht gemäß § 93a Abs. 1 BVerfGG zur Entscheidung angenommen werden. Die in § 93a Abs. 2 BVerfGG geregelten Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor.
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1. a) Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Diese ist nur gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten läßt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist. Im einzelnen schließt sich der Senat dem hierzu vom Ersten Senat entwickelten Maßstab an (vgl. BVerfGE 90, 22 [24 f.]).
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b) Die hier mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind hinreichend geklärt; sie lassen sich mit Hilfe der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäbe ohne weiteres entscheiden.
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2. a) Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das ist der Fall, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Gewährleistungen besonderes Gewicht hat oder dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht. Eine solche existentielle Betroffenheit eines Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. BVerfGE 90, 22 [25 f.]). ![]() | |
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Aus diesen Erwägungen folgt, daß ein Beschwerdeführer im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG regelmäßig dann existentiell betroffen ist, wenn er sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen den Schuldspruch wendet. Eine Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn die gegen den Schuldspruch gerichtete Rüge nur einen Punkt von untergeordneter Bedeutung betrifft; beispielhaft seien ![]() ![]() | |
Da sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Falle gegen die Verurteilung im ganzen wendet, ist nach den vorstehenden Grundsätzen eine existentielle Betroffenheit zu bejahen.
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c) Damit ist für die Annahme der Verfassungsbeschwerde maßgeblich, ob sie hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das ist zu verneinen. Sowohl die Anwendung des § 113 StGB durch die Strafgerichte wie auch die Handhabung des § 313 Abs. 2 StPO durch das Berufungsgericht halten sich in dem den Fachgerichten zukommenden Rahmen einer vertretbaren Auslegung und Anwendung des Straf- und Strafprozeßrechts. Eine Grundrechtsverletzung, die zu einem Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts nötigen würde, ist nicht ersichtlich. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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