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Urteil | |
des Ersten Senats vom 13. Februar 2007 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2006
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-- 1 BvR 421/05 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn S. . . -- Bevollmächtigte: Anwaltskanzlei Zuck, Vaihinger Markt 3, 70563 Stuttgart -- gegen a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 -- XII ZR 227/03 --, b) das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Oktober 2003 -- 15 UF 84/03 --, c) das Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 4. März 2003 -- 37 F 37525/02 Kl --.
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Entscheidungsformel:
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1. Der Gesetzgeber hat es unter Verletzung von Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unterlassen, ein rechtsförmiges Verfahren bereitzustellen, in dem die Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater geklärt und nur ihr Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden kann.
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2. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. März 2008 eine derartige Regelung zur Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen.
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3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
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4. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Gründe: | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verwertbarkeit eines heimlich, ohne Zustimmung des betroffenen Kindes oder seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin zur Klärung der Vaterschaft eingeholten DNA-Gutachtens im Rahmen eines gerichtlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens und damit auch die Frage, ob das ![]() ![]() | |
I.
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1. § 1592 BGB bestimmt, dass Vater eines Kindes entweder der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1) oder der, der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2), und schließlich der, dessen Vaterschaft nach § 1600 d BGB oder § 640 h Abs. 2 ZPO gerichtlich festgestellt ist (Nr. 3). Die Anerkennung der Vaterschaft bedarf der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB).
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Bei späteren Zweifeln an der Vaterschaft kann gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, ebenso wie der Mann, der aufgrund der Ehe mit der Mutter als rechtlicher Vater des von ihr geborenen Kindes angesehen wird, die Vaterschaft vor dem Familiengericht anfechten. Die Anfechtung hat nach § 1600 b Abs. 1 BGB binnen zwei Jahren ab dem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem der Mann von Umständen erfahren hat, die gegen seine Vaterschaft sprechen. Dabei gilt im Verfahren zunächst die Vermutung, dass das Kind von ihm abstammt (§ 1600 c Abs. 1 BGB). Stellt sich im Anfechtungsverfahren heraus, dass der Mann nicht biologischer Vater des betroffenen Kindes ist, wird dies gerichtlich festgestellt mit der Rechtsfolge, dass er nicht mehr rechtlicher Vater des Kindes ist (§ 1599 Abs. 1 BGB). Ein Verfahren, das lediglich dazu dient, Kenntnis darüber zu erlangen, ob das Kind von seinem rechtlichen Vater abstammt, sieht das geltende Recht nicht vor.
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2. In der familienrechtlichen Literatur ist umstritten, welche Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierung des Vortrags zu stellen sind, mit dem im Anfechtungsverfahren Zweifel an der Vaterschaft dargelegt werden müssen. Der Bundesgerichtshof hat dazu wiederholt ausgeführt, die schlichte Behauptung, nicht leiblicher Vater des Kindes zu sein, reiche nicht aus. Vielmehr müsse der Anfechtende Umstände vortragen, die objektiv geeignet seien, Zweifel an der Abstammung des Kindes zu wecken ![]() ![]() | |
3. Molekulargenetische Erkenntnisse und darauf fußende Untersuchungsmethoden machen es seit einiger Zeit möglich, erheblich präziser als mit früher angewandten Verfahren und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit festzustellen, ob ein Kind von dem Mann, der rechtlich als sein Vater gilt, abstammt. Dies geschieht durch Abgleich der genetischen Erbsubstanzen von Vater und Kind, zur noch besseren Bestimmung auch von der Mutter, wobei jeweils kleinste Körperpartikel als Untersuchungsmaterial ausreichen (siehe hierzu Ritter/Martin, Der Amtsvormund 1999, S. 663). Auf einer solchen so genannten DNA-Analyse basieren die Gutachten, die die Gerichte heute üblicherweise in Vaterschaftsanfechtungsverfahren einholen, wenn sie nach entsprechendem schlüssigen Vortrag des Anfechtenden in die Beweisaufnahme eintreten.
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Mittlerweile werden solche Untersuchungen, für die sich die Bezeichnung "Vaterschaftstest" eingebürgert hat, auch von privaten Laboren zu erschwinglichen Preisen für jedermann angeboten. Dies ermöglicht es Männern, die Zweifel an ihrer Vaterschaft hegen, mit Hilfe kleinster, vom Kind und von sich genommener Körperpartikel als genetische Untersuchungsproben auch heimlich und ohne Wissen des Kindes und seiner Mutter oder gar gegen deren Willen eine solche Untersuchung in Auftrag zu geben und hierdurch zu erfahren, ob ihre Zweifel an ihrer Vaterschaft begründet sind. Allerdings entsprechen die Labore nicht immer den inzwischen für solche Analysen in den Richtlinien der Bundesärztekammer für die Erstattung von Abstammungsgutachten (vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 99, Heft 10, S. A 665) aufgestellten ![]() ![]() | |
4. Das Land Baden-Württemberg hat im Jahre 2005 dem Bundesrat den "Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Persönlichkeitsrechte bei Abstammungsuntersuchungen" zugeleitet (BRDrucks 280/05). Nach diesem Entwurf soll § 1600 BGB ein Absatz 5 hinzugefügt werden, nach dem es einer anfechtungsberechtigten Person im Sinne von § 1600 Abs. 1 BGB erlaubt sein soll, ohne Einwilligung des betroffenen Kindes und seiner Mutter zur Vorbereitung einer Anfechtung der Vaterschaft eine genetische Untersuchung durchführen zu lassen und zu diesem Zwecke Proben vom Kind zu gewinnen, sofern die Untersuchung nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft die Klärung der Vaterschaft verspricht.
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Auch der Freistaat Bayern hat dem Bundesrat einen "Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie" zugeleitet (BRDrucks 369/05). Danach soll ein neuer § 1600 f BGB geschaffen werden, der einer anfechtungsberechtigten Person im Sinne von § 1600 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen das Kind auf Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung und auf Gewinnung einer hierfür erforderlichen genetischen Probe einräumt. Außerdem soll § 1628 BGB ein zweiter Absatz hinzugefügt werden, nach dem das Familiengericht dem anderen Elternteil auf dessen Antrag die Entscheidung über die Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung und die Gewinnung von genetischen Proben überträgt, wenn sich die Eltern über die Durchführung der Untersuchung nicht einigen können. Schließlich sieht der Entwurf vor, § 1629 Abs. 2 BGB einen weiteren Satz anzufügen, nach dem bei einer Entscheidung nach § 1600 f BGB auch ein Entzug der Vertretung des Kindes nach Absatz 2 Satz 3 in Betracht kommen soll.
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Ein im Juni 2006 vorgestellter Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein "Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit" sieht eine Neuregelung des Verfahrens in ![]() ![]() | |
Zur Begründung dieser beabsichtigten Neuregelung wird ausgeführt, damit werde die Verfahrensposition des Anfechtenden gegenüber dem geltenden Recht wesentlich gestärkt. Durch die Überführung des Abstammungsverfahrens in ein streitiges Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit könne das Begründungserfordernis eines Anfechtungsantrags gänzlich entfallen. Auf eine zivilprozessuale Schlüssigkeit des Antrags komme es dann nicht mehr an. Das Gericht habe den Sachverhalt einschließlich der Frage, ob die jeweilige Anfechtungsfrist eingehalten worden ist, von Amts wegen aufzuklären.
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II.
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1. Der Beschwerdeführer hatte 1994, kurz nach der Geburt des später beklagten Kindes, wirksam anerkannt, Vater dieses Kindes zu sein. Er hatte während der gesetzlichen Empfängniszeit des Kindes mit der Kindesmutter Geschlechtsverkehr und lebte nach der Geburt des Kindes mit diesem und der Mutter, die allein für das Kind sorgeberechtigt ist, bis Anfang 1997 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im Jahre 2001 erhob er erstmals eine Vaterschaftsanfechtungsklage, bei der er sich auf ein Gutachten stützte, das ihm eine auf 10% verminderte Zeugungsfähigkeit attestiert hatte. Mit seinem Begehren blieb er in beiden Instanzen ohne Erfolg. Nach Auffassung der Fachgerichte war das Gutachten nicht geeignet, Zweifel an der Vaterschaft des Beschwerdeführers zu wecken.
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a) Im Jahre 2002 holte der Beschwerdeführer ohne Kenntnis der Mutter des Kindes bei einem privaten Labor ein gendiagnostisches ![]() ![]() | |
b) Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Oberlandesgericht mit Urteil vom 29. Oktober 2003 zurück. Zur Begründung führte es aus, das vorgelegte Untersuchungsergebnis sei nicht geeignet, Zweifel an der Vaterschaft des Beschwerdeführers zu wecken. Es enthalte entgegen den Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten keinerlei Identitätsfeststellung der untersuchten Personen. Somit stehe nicht fest, ob das untersuchte Material von den Parteien des Ausgangsverfahrens stamme. Darüber hinaus sei der heimlich eingeholte Vaterschaftsnachweis prozessual nicht verwertbar, weil er auf rechtswidrige Weise erlangt worden sei. Eine heimliche genanalytische Untersuchung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, denn die Entscheidung über die Preisgabe der genetischen Daten eines Menschen stehe allein ihm oder im Falle seiner noch nicht hinreichenden Einsichts- und Urteilsfähigkeit seinem sorgeberechtigten Elternteil zu. Diesem verfassungsrechtlich geschützten Recht des ![]() ![]() | |
c) Schließlich wies der Bundesgerichtshof die hiergegen gerichtete Revision mit Urteil vom 12. Januar 2005 zurück. Die Weigerung der Mutter und gesetzlichen Vertreterin des Kindes, die Einholung des DNA-Gutachtens nachträglich zu genehmigen und in seine Verwertung einzuwilligen, begründe noch keinen, die Anfechtungsklage schlüssig machenden Anfangsverdacht. Sie stelle auch keine Beweisvereitelung dar, denn ein solches Verhalten sei Ausfluss des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Kindes. Dieses Recht würde ausgehöhlt, wenn eine solche Weigerung die Vaterschaftsanfechtungsklage eröffnen würde mit der Folge, dass die Informationen, die dieses Grundrecht schützen wolle, dann immer im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme gegen den Willen des Betroffenen preisgegeben werden müssten. Erst recht könne die Weigerung der Mutter, der Verwertung bereits rechtswidrig erlangter Informationen nachträglich zuzustimmen, nicht als ein die Anfechtungsklage eröffnender Umstand gewertet werden. Wenn das Gesetz eine Verpflichtung zur Duldung von Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsehe, könne die Weigerung der Mutter nicht dazu herangezogen werden, diese Voraussetzungen zu bejahen.
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Auch die Vorlage eines heimlich eingeholten DNA-Gutachtens sei zur Darlegung von Umständen, die einen Anfangsverdacht erwecken, nicht geeignet. Insoweit komme es nicht auf die Rüge des Beschwerdeführers an, das Berufungsgericht habe versäumt, Beweis darüber zu erheben, ob eine der untersuchten Proben auch tatsächlich von dem Kinde stamme. Auch wenn feststünde, dass das untersuchte genetische Material von den Parteien herrühre, sei dieses Gutachten weder als Beweismittel noch als Parteivortrag im Vaterschaftsanfechtungsverfahren verwertbar. Das Recht ![]() ![]() | |
Dieses Recht sei auch bei der Verwertung von Beweisen und Erkenntnissen im gerichtlichen Verfahren zu beachten. Denn der Richter habe kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob bei der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berührt würden. Treffe dies zu, habe er diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden, die bei deren Anwendung berührt würden. Dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes stehe ein ebenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitendes Recht des Vaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft gegenüber, das nicht als höherwertig anzusehen sei. Dies zeige sich schon daran, dass seine Durchsetzung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren durch die gesetzliche Fristenregelung wesentlich eingeschränkt sei, während das Recht des Kindes, der Erhebung und Verwertung seiner genetischen Daten zu widersprechen, keiner zeitlichen Schranke unterworfen sei. ![]() ![]() | |
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Im Ergebnis begnüge sich der Bundesgerichtshof mit der Feststellung, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des (Nicht-)Vaters sei nicht höherrangig gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes. Mit der abstrakten Thematisierung der Vorrangfrage habe der Bundesgerichtshof verkannt, dass es vorliegend um eine konkrete Grundrechtskollision gehe, deren Auflösung im Sinne einer praktischen Konkordanz dadurch erschwert werde, dass die beiden Grundrechtsträger nicht isoliert einander gegenüberstünden. Die Gerichte hätten deshalb die Frage nach dem Vorrang der jeweiligen Positionen bezogen auf den zu beantwortenden Einzelfall klären müssen. Dies sei nicht geschehen. So hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer nur kurze Zeit mit dem Kind zusammengelebt habe, das bei der Trennung erst zweieinhalb Jahre alt gewesen sei, sodass insoweit keine intensive soziofamiliäre Vater-Kind-Beziehung zwischen ihnen entstanden sei. Dementsprechend sei das Persönlichkeitsrecht des Kindes durch die Infragestellung und Überprüfung der Vaterschaft nicht stark beeinträchtigt. Auch hätte die Tatsache der erheblich eingeschränkten Zeugungsfähigkeit des Beschwerdeführers in die anzustellende Gesamtbetrachtung der Sach- und Rechtslage einbezogen werden müssen. Dass im Vorprozess zur Bedeutung dieses Umstands rechtskräftig entschieden worden sei, ändere daran nichts. Zusammen mit dem widersprüchlichen Verhalten der Kindesmutter, die erst nach Kenntnis des gutachterlichen Ergebnisses dessen Verwertung im Verfahren die Zustimmung verweigert habe, habe dies einen hinreichenden An ![]() ![]() | |
Die vorliegende Einzelfallkonstellation spreche damit für eine Verwertbarkeit des heimlich eingeholten Vaterschaftstests. Der Gesetzgeber habe weder die Möglichkeit eröffnet, sich auf anderem Wege Kenntnis über die Abstammung eines Kindes zu verschaffen noch Vorkehrungen getroffen, wie die berührten Grundrechtspositionen in solchen Fällen im Anfechtungsverfahren auszugleichen seien. Die Rechtsprechung habe den insofern bestehenden Interpretationsfreiraum in einer für den Beschwerdeführer unzumutbaren Weise genutzt. Mit ihren hohen Anforderungen an die Darlegungslast und die Schlüssigkeit des Vortrags zu Umständen, die Zweifel an der Vaterschaft wecken, stehe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, weil diese Anforderungen es einem Vater praktisch unmöglich machten, seine Vaterschaft überprüfen zu lassen und anzufechten. Insofern sei zu begrüßen, dass nunmehr in Reaktion auf die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen der Bundesgesetzgeber in Überlegungen eingetreten sei, die Hürden für eine verfahrensrechtliche Klärung der Vaterschaft und deren Anfechtung herabzusetzen, beziehungsweise dass es gesetzgeberische Initiativen gebe, die es ermöglichen wollten, auch privat eingeholte Vaterschaftstests in das gerichtliche Verfahren einzuführen.
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III.
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Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung, das Justizministerium Baden-Württemberg namens der Landesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Juristinnenbund, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht, der Väteraufbruch für Kinder sowie der Verein Väter für Kinder Stellung genommen. ![]() | |
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Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ergebe sich zwar das Gebot, eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen, was auch verfahrensmäßig abgesichert sein müsse. Der Gesetzgeber habe bei den Regelungen über die Anfechtung der Vaterschaft aber auch den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 ![]() ![]() | |
Allerdings könne auch ein privat eingeholter Vaterschaftstest im Verfahren verwertbar sein, wenn das Kind oder sein gesetzlicher Vertreter dem zustimme. Einem möglichen Interessengegensatz in der Position der Mutter bei der Frage der Zustimmung zur Einholung eines Gentests habe der Gesetzgeber durch die Vorschriften der §§ 1629, 1795, 1796 BGB Rechnung getragen. Danach könne die Vertretungsmacht der Mutter ausgeschlossen sein oder bei erheblichen Interessengegensätzen entzogen werden.
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Die Bundesregierung beabsichtige, die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung und damit auch die Frage des Verbots heimlicher Vaterschaftstests in einem Gendiagnostikgesetz zu regeln. Zudem werde im Bundesministerium der Justiz geprüft, wie durch flankierende Regelungen im Familienrecht und Familienverfahrensrecht dem Recht auf Kenntnis der Abstammung stärker Rechnung getragen werden könne. Außerdem sehe der Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit" eine Absenkung der Anforderungen an die Substantiierung einer Vaterschaftsanfechtungsklage vor.
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2. Das Justizministerium Baden-Württemberg teilt die Auffassung des Beschwerdeführers, dass in den der Verfassungsbeschwerde vorangegangenen gerichtlichen Verfahren bei der gebotenen Abwägung der kollidierenden Verfassungsrechtspositionen ![]() ![]() | |
Der Bundesgerichtshof habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die betroffenen Grundrechtspositionen im Rahmen praktischer Konkordanz unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abzuwägen seien. Das Gewicht dieser Rechtspositionen hinge im Einzelfall vor allem davon ab, wer den Test in Auftrag gebe und wie die familienrechtliche Situation sei.
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Werde DNA-Material des Kindes ohne dessen Zustimmung beziehungsweise ohne Zustimmung des oder der Sorgeberechtigten erhoben und untersucht, liege bei Nutzung des Testergebnisses ein Eingriff in das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung vor. Wenn eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kind, Mutter und rechtlichem Vater bestehe, erscheine es denkbar, dass bei einem heimlichen Vaterschaftstest -- etwa durch den biologischen Vater -- ein überwiegendes Interesse insbesondere auch des Kindes an der Beibehaltung des Status quo bestehe, zumal eine bestehende soziale Familie zusätzlich durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG geschützt werde. Es sei in diesem Falle konsequent und sachgerecht, heimliche Abstammungstests insbesondere durch den biologischen Vater als unzulässig und gerichtlich nicht verwertbar zu behandeln.
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Der zu beurteilenden Verfassungsbeschwerde liege allerdings eine solche Konstellation nicht zugrunde. Hier habe der rechtliche Vater den Test in Auftrag gegeben. Selbst wenn in der Verwertung ![]() ![]() | |
Gewichte man die Rechtsbeeinträchtigung des Kindes und der sorgeberechtigten Mutter und vergleiche sie mit der Beeinträchtigung des rechtlichen Vaters durch die Nichtverwertung bereits vorhandener Kenntnisse, gebühre der vom Bundesgerichtshof nicht ausreichend berücksichtigten Rechtsposition des Vaters der Vorrang.
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Auch die Berücksichtigung der Rechte der Mutter führe zu keiner anderen Bewertung: Es bestehe kein schutzwürdiges, die genannten Interessen des rechtlichen Vaters überwiegendes Interesse der Mutter, die dem rechtlichen Vater nicht offenbarten wahren Abstammungsverhältnisse geheim zu halten und seine Pflichten als rechtlicher Vater möglicherweise zu Unrecht fortbestehen zu lassen. Zudem sei ein heimlicher Vaterschaftstest durch den rechtlichen Vater für das Kindeswohl sowie den Familienfrieden in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle die "familienschonendste" und auch eine zumutbare Maßnahme. In mindestens 80% der Fälle stelle sich nämlich heraus, dass der rechtliche auch der biologische Vater sei. In diesen Fällen sei der Vater nicht gezwungen, in einem gerichtlichen Verfahren seine Zweifel offenzulegen, was den Familienfrieden -- unabhängig vom Ergebnis des Tests -- zerstören könnte.
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3. Ungeachtet der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen hält die Bayerische Staatsregierung die derzeitige Rechtslage für unbefriedigend. Sie entspreche nicht mehr dem Stand der modernen Gendiagnose. Väter würden in Tests abgedrängt, die ihnen keine rechtlich verwertbaren Ergebnisse liefern ![]() ![]() | |
Mit dieser Zielsetzung habe die Bayerische Staatsregierung dem Bundesrat den "Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie" vorgelegt. Mit ihm solle dem privaten Gentest die Heimlichkeit und damit die Anstößigkeit genommen werden und das Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes in Ausgleich gebracht werden.
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4. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beschränkt seine Stellungnahme auf die Frage der Zulässigkeit heimlicher Gentests, die er für heimliche Vaterschaftstests verneint. Bei der genetischen Untersuchung von Körpermaterialien zum Zwecke der Abstammungsbestimmung würden genetische Daten des Kindes erhoben, die im Vergleich mit genetischen Daten des angeblichen Vaters genaue Aussagen über die Verwandtschaftsverhältnisse zuließen. Somit handele es sich um personenbezogene Daten und einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der regelmäßig nur aufgrund eines Gesetzes oder mit Einwilligung des Betroffenen zulässig sei. Ein solches Erlaubnisgesetz gebe es derzeit noch nicht. Da die Entnahme von Untersuchungsmaterial von den jeweiligen Vätern heimlich ohne Wissen der betroffenen Kinder erfolge, liege auch keine wirksame Einwilligung in die Erhebung und Nutzung der Untersuchungsergebnisse vor.
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Die Handlungen des Vaters würden dabei nicht dem Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes unterliegen, das aus seinem Anwendungsbereich ausschließlich familiäre Tätigkeiten herausnehme. Das beauftragte Labor sei jedoch eine nichtöffent ![]() ![]() | |
5. Der Deutsche Familiengerichtstag hält die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für verfassungsgemäß, schlägt aber eine klarstellende Gesetzesänderung dahingehend vor, die Schwelle für den Anfangsverdacht nach § 1600 b BGB abzusenken. Kenntnis und Geheimhaltung der eigenen Identität und Abstammung für Vater und Kind seien jeweils Ausflüsse des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Insofern könne es keinen Vorrang des einen oder anderen Rechts geben. Das ändere indes nichts daran, dass bei Gleichrangigkeit der Rechte ein Verstoß der Entscheidung des Bundesgerichtshofs gegen Verfassungsrecht nicht festgestellt werden könne. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei nicht verletzt, wenn nur einem von zwei gleichrangigen Rechten der Vorzug gegeben werde.
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Um die Vaterschaft nicht auf Dauer in der Schwebe zu lassen, sollte überlegt werden, innerhalb der Zweijahresfrist die schlichte Behauptung genügen zu lassen, dass das Kind nicht von dem Mann abstamme, der die Vaterschaft anerkannt habe. Innerhalb der Zweijahresfrist wäre dann unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht stets auf Antrag die Vaterschaft zu untersuchen. Unabhängig davon könne der Vater auch später geltend machen, dass das Kind nicht von ihm abstamme; nach Ablauf der Zweijahresfrist müsse er aber vortragen und beweisen, erst nach Ablauf der Zweijahresfrist von den Umständen erfahren zu haben.
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6. Der Deutsche Juristinnenbund hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Das Verfahren werfe die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Ausgestaltung des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens sowie die nach der Verwertbarkeit einer DNA-Analyse auf, die heimlich eingeholt worden sei. Die gesetz ![]() ![]() | |
Der Gesetzgeber müsse bei der Gestaltung des Anfechtungsverfahrens mehrere kollidierende Grundrechte miteinander ausgleichen. Auf der einen Seite stünden die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgenden Rechte des rechtlichen, aber möglicherweise nicht biologischen Vaters, der das Interesse habe, die rechtliche Zuordnung nachträglich wieder aufzulösen. Auf der anderen Seite seien die Grundrechte der Kindesmutter zu berücksichtigen, die einer Anfechtung entgegenstünden. Wesentlich sei ihr von Art. 6 Abs. 2 GG geschütztes Interesse als Sorgeberechtigte für das Kind daran, dass ihr Kind keinen Schaden dadurch nehme, dass die Vaterschaft in Zweifel gezogen werde. Hinzu komme das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Interesse, dass ihre bestehende familiäre Beziehung zu dem Kind nicht gestört werde. Außerdem gewährleiste das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frau Schutz davor, einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren ausgesetzt zu werden, ohne dass es für nachträgliche Zweifel an der Vaterschaft einen hinreichenden Anlass gebe. Schließlich werde das Interesse der Frau, ihre Sexualbeziehungen nicht offenzulegen, grundsätzlich durch das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre geschützt.
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Wichtig seien daneben die Grundrechte des betroffenen Kindes. Aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folge nicht nur ein grundsätzliches Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, sondern auch das -- negative -- Recht, dass die eigene Abstammung nicht ohne sein Einverständnis durch einen genetischen Test oder ein förmliches Gerichtsverfahren geklärt werde. Das Kind habe außerdem einen Anspruch auf Schutz seiner Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG.
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Angesichts dieser unterschiedlichen Grundrechtspositionen sowie Interessenlagen seien die gegenwärtigen Regelungen verfassungsgemäß. Die zweijährige Anfechtungsfrist nach Kenntnis von Umständen für Zweifel an der Vaterschaft solle vor allem der Rechtssicherheit und dem Schutz der sozialen Familie dienen. Auch die angegriffenen Entscheidungen seien nicht zu beanstan ![]() ![]() | |
Es sei keine Missachtung der Grundrechte des Beschwerdeführers, wenn die Gerichte die Einholung heimlicher Vaterschaftstests als rechtswidrig einstuften und es ablehnten, die rechtswidrig erlangten Analyseergebnisse zu verwerten. Dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Kindes, dass niemand seine Abstammung ohne sein Einverständnis testen lassen dürfe, das von den Zivilgerichten bei der rechtlichen Beurteilung heimlicher Vaterschaftstests zu berücksichtigen sei, stehe das Interesse des Mannes gegenüber, mit Hilfe eines heimlichen Vaterschaftstests seine Vaterschaft zu klären und gegebenenfalls aufzulösen. Die angegriffenen Entscheidungen hätten diese Grundrechtspositionen beider Seiten weder verkannt noch fehl gewichtet. Die Abwägung ergebe einen Vorrang zu Gunsten der Grundrechte des Kindes. Die Anfertigung einer heimlichen DNA-Analyse stelle einen Eingriff in das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht des Kindes sowie in das Personensorgerecht der Mutter dar und sei schon aus diesem Grund als rechtswidrig einzustufen. Zudem gelte für das zivilgerichtliche Verfahren, dass Beweismittel, die einer der Beteiligten rechtswidrig erlangt habe, nicht verwertet werden dürften. Die zur zivilrechtlichen Verwertbarkeit heimlich mitgehörter Telefonate entwickelten Grundsätze seien auf die familiengerichtliche Verwertbarkeit heimlicher DNA-Analysen übertragbar.
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7. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter hält die angegriffenen Entscheidungen im Ergebnis für verfassungsgemäß. ![]() ![]() | |
Angesichts des technischen Fortschritts bei der Gendiagnostik werde es immer notwendiger, die Bürger und Bürgerinnen vor dem unbefugten Zugriff auf ihre genetischen Daten zu schützen. Solche Untersuchungen müssten generell von dem Einverständnis des oder der Betroffenen abhängig sein.
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Vaterschaft bedeute mehr als die Feststellung der genetischen Abstammung. Das Kind mit seinem Anspruch auf Rechtssicherheit dürfe bei der Diskussion um die Rechte der Väter nicht aus dem Blick geraten. Erkenne ein Mann eine Vaterschaft an, müsse er zu diesem Zeitpunkt prüfen, ob er auch tatsächlich der biologische Vater des Kindes sein könne. Durch die Möglichkeit der Überprüfung einer Vaterschaft zu diesem Zeitpunkt würden die Persönlichkeitsrechte des Vaters geschützt. Verzichte der Vater auf diesen Nachweis, sei dies ebenso seine freie Entscheidung wie die Anerkennung der Vaterschaft. Um dem Kind Rechtssicherheit zu geben, sei es notwendig, die Hürden zur Anfechtung der Vaterschaft in bisheriger Form beizubehalten.
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8. Nach Auffassung des Interessenverbandes Unterhalt und Familienrecht verkennt der Bundesgerichtshof in seiner angegriffen Entscheidung die grundsätzliche Gleichrangigkeit der verfassungsrechtlich geschützten Positionen des Kindes und des Vaters. ![]() ![]() | |
Der Bundesgerichtshof habe sich in den angefochtenen Entscheidungen nicht mit der Kritik auseinandergesetzt, die an seiner Rechtsprechung zu den Schlüssigkeitsanforderungen einer Vaterschaftsanfechtungsklage geübt worden sei. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleibe dem Vater, der sich auf eine Genanalyse berufe, die er ohne Zustimmung des Kindes eingeholt habe, trotz der erlangten Gewissheit über das Nichtbestehen der Vaterschaft ein Anfechtungsprozess verschlossen.
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Der Gesetzgeber habe versäumt, durch entsprechende Vorkehrungen den zwischen den Betroffenen bestehenden Interessenkonflikt zu neutralisieren. Der Verband befürworte insofern die Gesetzesinitiative Bayerns, dem Anfechtungsberechtigten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung einzuräumen.
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Der hiermit verbundene Eingriff in das Grundrecht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung sei im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Mannes auf Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstamme oder nicht, verhältnismäßig.
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9. Der Väteraufbruch für Kinder weist darauf hin, das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, der Mann, von dem ein Kind abstamme, sei Vater eines Kindes, auch wenn er von der Rechtsordnung nicht als solcher anerkannt sei. Gleichzeitig betone es, dass nach der Verfassung möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft erreicht werden solle. Dann müsse konsequenterweise gelten, dass der Mann, von dem ein Kind nicht abstamme, nicht Vater des Kindes sei, auch wenn er von der Rechtsordnung als solcher anerkannt sei. ![]() | |
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Kinder spielten im Glücksstreben von Männern dieselbe überragende Rolle wie bei Frauen. Nicht nur das Wissen, wer die eigenen Kinder seien, sei von existentieller Bedeutung für die übergroße Mehrzahl aller Menschen, wie sich anhand einer Sozialstudie des International Social Survey Programme gezeigt habe, sondern auch zu wissen, von wem man selbst abstamme.
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Die Vorstellungen der Instanzgerichte, das Kind werde in gewohnten sozialen Bindungen aufwachsen, wenn die Anfechtungsklage des Scheinvaters abgewiesen worden sei, auch wenn es diese Klage mitbekommen habe, gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei. Die sich bei einem Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Abstammung ergebenden Gefahren für minderjährige Kinder machten den zur Klärung der Abstammung erforderlichen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich.
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In Deutschland nehme durch Abnahme der Eheschließungen und Zunahme der Scheidungen der Anteil der nichtehelich Geborenen dramatisch zu. Viele Kinder erlebten bis zur Volljährigkeit gleich mehrere neue Partner der Mutter oder Partnerinnen des Vaters. Damit gehe ein gesteigertes öffentliches Interesse an einer eindeutigen, unaufhebbaren rechtlichen Bindung eines Kindes an ![]() ![]() | |
10. Der Verein Väter für Kinder hält es für absurd, dass das Begehren des gesetzlichen Vaters auf Feststellung der tatsächlichen Abstammung seines Kindes in den angegriffenen Entscheidungen mit der Begründung abgewiesen worden sei, die Darlegung des erforderlichen Anfangsverdachts sei unzureichend gewesen, obwohl dieser Verdacht mit praktisch hundertprozentiger Sicherheit durch ein heimlich eingeholtes DNA-Gutachten bestätigt worden sei. Allerdings müsse die Problematik heimlicher Vaterschaftstests und deren Zulassung als Beweismittel deutlicher als bisher von der Frage des Erfordernisses eines gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Abstammung getrennt werden. Bestünde eine tatsächlich praktikable Möglichkeit, ein gerichtliches Verfahren herbeizuführen, erledigte sich auch weitgehend die Frage heimlicher Vaterschaftstests.
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Eine zeitgemäße praktikable Verfahrensweise sei nur gegeben, wenn die Anforderungen für die Einleitung eines Verfahrens niedrig seien. Die Tatsache, dass jemand bereit sei, die Mühen sowie die nicht unerheblichen Kosten eines gerichtlichen Verfahrens und einer gerichtlich angeordneten DNA-Analyse auf sich zu nehmen und dabei möglicherweise zusätzlich noch das Verhältnis zur Mutter des Kindes und eventuell zum Kind selbst weiter zu belasten, stelle als solche bereits einen ernsthaften Grund für die Einleitung eines Verfahrens dar. Die Kenntnis der tatsächlichen Abstammung habe für das Kind ebenso wie für den Vater eine hohe psychologische Bedeutung. Demgegenüber sei der für einen genetischen Vaterschaftstest erforderliche Eingriff beim Kind gerechtfertigt.
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Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist insoweit begründet, als es der Gesetzgeber unter Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unterlassen hat, ein rechtsförmiges Verfahren bereitzustellen, in dem die Abstammung eines Kindes ![]() ![]() | |
Darüber hinaus bleibt die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg.
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Die mit ihr angegriffenen Entscheidungen halten verfassungsrechtlichen Maßstäben stand. Es entspricht der Verfassung, die Ergebnisse heimlich, also ohne Einwilligung des Kindes oder seines allein sorgeberechtigten Elternteils eingeholter, gendiagnostischer Vaterschaftsgutachten in Vaterschaftsanfechtungsverfahren gerichtlich nicht zu verwerten (III.).
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I.
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Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet als Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht nur das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts. Der Gesetzgeber hat es unter Verletzung dieses Grundrechtsschutzes unterlassen, eine gesetzliche Regelung zur Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen.
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1. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde sichern gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 35, 202 [220]). Verständnis und Entfaltung der Individualität sind dabei mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählt auch die Abstammung (vgl. BVerfGE 79, 256 [268]). Sie nimmt im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für seine Individualitätsfindung wie für sein Selbstverständnis und sein familiäres Verhältnis zu anderen ein. Die Möglichkeit, sich als Individuum nicht nur sozial, son ![]() ![]() | |
2. Zum Recht eines Mannes auf Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstammt, gehört auch das Recht, die Möglichkeit eröffnet zu bekommen, in einem Verfahren die Abstammung eines Kindes von ihm klären und feststellen zu lassen.
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a) Zwar verleiht das Persönlichkeitsrecht kein Recht auf Verschaffung von Kenntnissen, es schützt aber vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen (vgl. BVerfGE 79, 256 [269]). Dieser Schutz ist nur dann gewährleistet, wenn ein Verfahren eröffnet ist, das einem Mann Zugang zu den ihm vorenthaltenen Informationen ermöglicht, die für die Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm erforderlich sind. Solche Informationen liegen aufgrund des heutigen Standes der Wissenschaft insbesondere in den genetischen Erbsubstanzen des Kindes begründet, die in Abgleich mit den genetischen Daten des Vaters im Wege der DNA-Analyse zu einer gesicherten Kenntnis darüber führen, ob das Kind von dem Mann abstammt. Die genetischen Informationen aus der Erbanlage des Kindes sind somit der Schlüssel zur Kenntnis des Mannes, ob er der Vater des Kindes ist.
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b) Allerdings wird das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, ![]() ![]() | |
Eine Verletzung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit liegt auch dann vor, wenn der Gesetzgeber es unterlässt, die Verwirklichung des Grundrechts auf Kenntnis der Abstammung in einem dafür geeigneten Verfahren zu ermöglichen. Die Grundrechte enthalten nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt, sondern stellen zugleich Wertentscheidungen der Verfassung dar, aus denen sich Schutzpflichten für die staatlichen Organe ergeben. Die Verfassung gibt solchen Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen. Sie ist Aufgabe der jeweils zuständigen staatlichen Organe, denen bei der Erfüllung der Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. BVerfGE 96, 56 [64]). Notwendig ist jedoch ein unter Berücksichtigung anderer, möglicherweise entgegenstehender Rechtsgüter angemessener Schutz, der auch wirksam ist (vgl. BVerfGE 88, 203 [254]).
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3. Der Gesetzgeber hat es unter Verletzung seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unterlassen, einen Verfahrensweg zu eröffnen, auf dem das Recht auf Kenntnis der Abstammung in angemessener Weise geltend gemacht und durchgesetzt werden kann.
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a) Für einen Mann, der bei Zweifeln an seiner Vaterschaft für ein Kind klären möchte, ob dieses von ihm abstammt, besteht zwar die Möglichkeit, auf privatem Wege mit Einwilligung des Kindes beziehungsweise seiner sorgeberechtigten Mutter unter Verwendung auch von Genmaterial des Kindes ein Vaterschaftsgutachten einzuholen und dadurch Kenntnis über die Abstammung zu erlangen. Dieser Weg ist jedoch allein vom Willen anderer abhängig und rechtlich verschlossen, wenn Kind oder Mutter ![]() ![]() | |
aa) Das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]). Zu diesen grundrechtlich geschützten Daten gehören auch solche, die Informationen über genetische Merkmale einer Person enthalten, aus denen sich in Abgleich mit den Daten einer anderen Person Rückschlüsse auf die Abstammung ziehen lassen (vgl. BVerfGE 103, 21 [32]).
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Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Insbesondere muss der Einzelne Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen ergeben und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 65, 1 [44]). So kann verfahrensrechtlich, wie beispielsweise durch § 372 a ZPO, geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen auch sensible Daten, die Auskunft über die eigene Abstammung geben können, mittels Preisgabe entsprechender Körperpartikel als Untersuchungsproben offengelegt werden müssen, wenn dies unter Berücksichtigung auch der Grundrechte anderer, wie hier des Vaters auf Kenntnis der Ab ![]() ![]() | |
bb) Vor ungewollten Zugriffen auf das genetische Datenmaterial eines Kindes ist auch dessen sorgeberechtigte Mutter zu schützen. Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistet den Eltern das Recht und die Verantwortung, Sorge für ihr Kind zu tragen. Zur elterlichen Sorge gehört auch, im Interesse des Kindes darüber zu entscheiden, ob jemand genetische Daten des Kindes erheben und verwerten darf. Um dem Sorgeberechtigten hierbei den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz zukommen zu lassen, kann von der Rechtsordnung nicht toleriert werden, dass ein heimlich eingeholter Vaterschaftstest der Kenntniserlangung über die Abstammung eines Kindes dient.
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b) Allerdings muss die Rechtsordnung auch ein Verfahren bereitstellen, um die Möglichkeit zur Feststellung der Vaterschaft zu eröffnen. Das Fehlen eines solchen Verfahrens rechtfertigt sich nicht allein aus Grundrechtspositionen des Kindes oder der Mutter.
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aa) (1) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob -- wie der Bundesgerichtshof annimmt -- das Kind ein Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung hat. Jedenfalls würde ein solches Recht es nicht rechtfertigen, ein Verfahren vorzuenthalten, in dem ein Mann Kenntnis über die Abstammung des ihm rechtlich zuge ![]() ![]() | |
Es ist schon fraglich, ob ein solches Recht überhaupt als negative Kehrseite des Rechts auf Kenntnis der Abstammung vom Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG mit umfasst wird. Denn die Nichtkenntnis eröffnet anders als die positive Kenntnis der Abstammung dem Einzelnen mit der Information nicht die Möglichkeit, sich zu konkreten Personen in Beziehung zu setzen und den persönlichen familiären Zusammenhang zu erfahren, an dem sich die eigene Identität ausrichten kann. Insofern ist im Falle eines Verfahrens zur Klärung der Abstammung eines Kindes in Wahrheit auch nicht dessen Nichtwissen über die Abstammung betroffen, sondern sein möglicherweise nur vermeintliches Wissen über die Abstammung von seinem rechtlichen Vater, das durch Kenntnis der wahren Abstammung erschüttert werden könnte.
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Ein Recht aber, das eine möglicherweise fehlerhafte Annahme schützt und das Kind vor einer Klärung der tatsächlichen Abstammung bewahrt, hätte, selbst wenn es vom Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts umfasst wäre, grundsätzlich ein geringeres Gewicht gegenüber dem Recht auf Kenntnis der Abstammung, weil allein dieses letztlich einen dauerhaften Beitrag zur eigenen Identitätsfindung sowohl des Mannes als auch des Kindes leisten kann. Allerdings können es besondere Lebenslagen und Entwicklungsphasen, in denen sich ein Kind befindet, im Einzelfall rechtfertigen, wegen besonderer Gefährdung des Kindeswohls für begrenzte Zeit von der Eröffnung eines Verfahrens abzusehen, mit dem dem Recht des Mannes auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm zur Durchsetzung zu verhelfen ist.
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(2) Ebenso wenig vermag das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung es zu rechtfertigen, seinem rechtlichen Vater auf Dauer die Kenntnis von der Abstammung des Kindes vorzuenthalten. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht schützt die selbstbestimmte Weitergabe und Verwendung persönlicher Daten. Bei Zweifeln über die Vaterschaft können jedoch allein diese Daten in Abgleich mit den genetischen Daten des ![]() ![]() | |
(3) Der Gesetzgeber ist zwar nicht verpflichtet, die rechtliche Anerkennung der Elternschaft stets von der Prüfung abhängig zu machen, von wem das Kind im Einzelfall abstammt (vgl. BVerfGE 108, 82 [100]). Im Hinblick auf den Schutz familiärer sozialer Beziehungen aus Art. 6 Abs. 1 GG und den Schutz der Intimsphäre aus Art. 2 Abs. 1 GG ist es ausreichend, aus bestimmten tatsächlichen Umständen und sozialen Situationen, vor allem auch einer bestehenden Ehe, auf die Abstammung eines Kindes zu schließen und aufgrund dieser Vermutung die Zuweisung der rechtlichen Elternschaft vorzunehmen, wenn dies in aller Regel zu einem Zusammentreffen von leiblicher und rechtlicher Elternschaft führt (vgl. BVerfGE 108, 82 [100] unter Bezugnahme auf BVerfGE 79, 256 [267]). Konsequenz dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Vermutungsregelungen, die der Gesetzgeber in § 1592 Nr. 1 und 2 BGB aufgestellt hat, ist, dass sie zu Zweifeln über die wahre Vaterschaft führen können. Entscheidet sich der Gesetzgeber für diesen rechtlichen Weg, die leibliche Vaterschaft in weiten Teilen nicht zu klären, sondern zu vermuten, hat er aber zugleich ein Verfahren vorzusehen, in dem im Einzelfall derartige ![]() ![]() | |
Mit der Eröffnung eines solchen Verfahrens zur Klärung und Feststellung der Abstammung schränkt der Gesetzgeber über den hiermit notwendigerweise verbundenen Zugriff auf die genetischen Daten des Kindes zwar das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dies ist jedoch dem Schutz geschuldet, den Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG auch dem Manne zukommen lässt. Da es sich um Daten handelt, die in Beziehung zu denen des Mannes stehen können, der rechtlicher Vater des Kindes ist, ist das Recht des Kindes, diese Daten nicht preiszugeben, ihm gegenüber weniger schützenswert. Dem Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung des Kindes ist in dieser Grundrechtskonstellation größeres Gewicht beizumessen als dem Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung, insbesondere auch, weil der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nur nachkommen kann und Genüge leistet, wenn er ein Verfahren bereitstellt, in dem unter Zuhilfenahme der genetischen Daten des Kindes in Abgleich mit den Daten des rechtlichen Vaters geklärt werden kann, ob das Kind wirklich von diesem abstammt.
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Die Klärung, ob ihr Kind von dem Mann abstammt, der als sein rechtlicher Vater gilt, berührt zwar auch das Persönlichkeitsrecht der Mutter aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, das ihr das Recht einräumt, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und ihr Geschlechtsleben gibt (vgl. BVerfGE 96, 56 [61]). Allerdings ist damit kein unzulässiger Eingriff in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung der Mutter verbunden. Der Eingriff dient dem vorrangigen Ziel der Klärung, ob das Kind aus ihrer Beziehung mit dem rechtlichen Vater hervorgegangen ist, der wiederum ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis hat, ob das Kind aus dieser Beziehung hervorgegangen ist und von ihm abstammt (vgl. BVerfGE 96, 56 [61]). Bei der Abwägung der hier widerstreitenden Grundrechtspositionen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Mutter dem Mann schon Zugang zu ihrer Intimsphäre eröffnet hat, ihn an ihrem Geschlechtsleben hat teilnehmen lassen und dadurch ein Kenntnisinteresse des Mannes an der Abstammung ihres Kindes mitbegründet hat.
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cc) Andere Grundrechtspositionen von Kind und Mutter stehen der Durchsetzung des Rechts eines Mannes allein auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm mittels eines dafür vorgesehenen Verfahrens nicht entgegen. Auch ein gesetzgeberisches Interesse, den Familienfrieden der rechtlich verbundenen Familie nicht mit einem Verfahren zur Klärung der Abstammung eines Kindes stören zu wollen, rechtfertigt nicht, ein solches Verfahren vorzuenthalten, denn nur dieses bietet dem grundrechtlich verbürgten Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung wirksamen Schutz und Verwirklichung. Auch kann der Familienfriede allein schon durch geäußerte Zweifel eines rechtlichen Vaters an der Abstammung seines Kindes von ihm beeinträchtigt werden, nicht erst durch ein Verfahren, das die bezweifelte Abstammung klärt. ![]() | |
Das Anfechtungsverfahren gemäß §§ 1600 ff. BGB ist kein Verfahren, das dem Recht des Vaters allein auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm in verfassungsgemäßer Weise Rechnung trägt. Sein Ziel wie seine Anforderungen sind nicht auf die Durchsetzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG beschränkt, sondern dienen der Umsetzung des in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Gebots, möglichst eine Übereinstimmung von biologischer und rechtlicher Vaterschaft zu erreichen (vgl. BVerfGE 108, 82 [104]). Dadurch geht dieses Verfahren über das Begehren nach Kenntnis der Abstammung hinaus und stellt zudem übermäßige Anforderungen an die Erlangung dieser Kenntnis, die für ein allein auf die Feststellung der Vaterschaft gerichtetes Verfahren verfassungsrechtlich nicht erforderlich sind.
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1. Das Anfechtungsverfahren dient dazu, die rechtliche und biologische Vaterschaft für ein Kind zusammenzuführen und beendet die rechtliche Vaterschaft, wenn sich im Verfahren erweist, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt. Die Klärung der Vaterschaft ist im Anfechtungsverfahren lediglich ein Mittel zu diesem Ziel.
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a) Damit steht hier, anders als bei der bloßen Kenntniserlangung über die Abstammung eines Kindes, dem von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Interesse des rechtlichen Vaters, sich von der Vaterschaft zu lösen, wenn sich herausstellt, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist, das von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Interesse eines Kindes am Erhalt seiner rechtlichen und sozialen familiären Zuordnung gegenüber (vgl. BVerfGE 38, 241 [251]; 108, 82 [107 f.]). Dieses Interesse des Kindes wiegt schwer, ist es doch für seine Persönlichkeitsentwicklung von maßgeblicher Bedeutung, einen stabilen familiären Rahmen zu haben, in dem es sich einem Vater und einer Mutter zugehörig fühlen kann. Zudem kann eine erfolgreiche Anfechtung, bei der das Kind mit dem rechtlichen Vater auch einen ihm gegenüber Verantwortlichen und Unterhaltspflichtigen verliert, mit erheblichen Auswirkungen auf seine Lebensumstände verbunden sein. Das betrifft auch die ![]() ![]() | |
b) Den Konflikt dieser miteinander kollidierenden Grundrechtspositionen von Vater, Kind und Mutter hat der Gesetzgeber dadurch auszugleichen versucht, dass er dem Vater zur Wahrung seines Rechts den Verfahrensweg der Anfechtungsklage eröffnet und bei Feststellung einer Nichtübereinstimmung von biologischer und rechtlicher Vaterschaft keine weitere Notwendigkeit einer Abwägung mit den Interessen der Mutter und des Kindes vorgesehen hat, sondern die Nichtübereinstimmung ausreichen lässt, um das rechtliche Band zwischen dem Kind und seinem bisherigen rechtlichen Vater zu lösen. Den Interessen insbesondere des Kindes und seiner Mutter nach Stabilität der bestehenden rechtlichen und sozialen familiären Zuordnung hat der Gesetzgeber demgegenüber dadurch Rechnung getragen, dass er die Vaterschaftsanfechtung an besondere Voraussetzungen gebunden hat. So hat er in § 1600 b BGB bestimmt, dass die Anfechtung binnen zwei Jahren zu erfolgen hat, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der rechtliche Vater von den Umständen erfährt, die gegen seine Vaterschaft sprechen. Überdies hat er mit § 1600 c BGB die Vermutung aufgestellt, dass das Kind von dem Mann abstammt, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 BGB besteht, und damit dem rechtlichen Vater die Darlegungslast auferlegt, diese Vermutung zu widerlegen. Dieser Interessenausgleich des Gesetzgebers, der in der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Anfechtungsklage zum Tragen kommt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Er berücksichtigt beide Grundrechtspositionen gleichermaßen und greift mit seinen Anforderungen an die Anfechtung nicht in unzumutbarer Weise in das Recht des Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG ein, sich bei mangelnder Übereinstimmung seiner rechtlichen mit der biologischen Vaterschaft von der Rechtsposition des Vaters lösen zu können.
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c) Auch die Auslegung der Anfechtungsvoraussetzungen durch die Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Schutz des rechtlichen und sozialen Familienverbandes ![]() ![]() | |
Andererseits dürfen aber die Anforderungen an die Darlegungslast des rechtlichen Vaters auch nicht zu hoch angesetzt werden, damit sein Interesse, sich von der rechtlichen Vaterschaft zu lösen, wenn er nicht biologischer Vater ist, im Anfechtungsverfahren in ausreichendem Maße Berücksichtigung finden kann. Insofern ist von ihm nur zu verlangen, dass er, wie der Bundesgerichtshof dies in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH, NJW 1998, S. 2976 [2977]), Umstände vorträgt, die es nicht ganz fernliegend erscheinen lassen, nicht er, sondern ein anderer Mann könne möglicherweise biologischer Vater des Kindes sein.
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2. Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren kommt es nach einem der Darlegungslast genügenden Vortrag eines anfechtenden recht ![]() ![]() | |
a) Bei Zweifeln an seiner Vaterschaft wird der rechtliche Vater zwar oftmals schon den Entschluss gefasst haben, die rechtliche Bindung zum Kind lösen zu wollen, sollte sich herausstellen, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist. In diesen Fällen decken sich der Wunsch nach Kenntnis der Abstammung des Kindes und der nach Beendigung der rechtlichen Bande zum Kind, sodass in der Regel das Vaterschaftsanfechtungsverfahren der geeignete und dafür vorgesehene Weg für sein Ziel ist, die Beendigung der rechtlichen Vaterschaft zu erreichen. Doch kann sich der Wunsch eines rechtlichen Vaters auch allein darauf richten, zu wissen, ob das Kind wirklich von ihm abstammt, ohne zugleich seine rechtliche Vaterschaft aufgeben zu wollen. Dies kann darin begründet liegen, dass er zwar Klarheit über die Abstammung des Kindes haben will, sich aber mit dem Kind persönlich so verbunden fühlt, dass er auch dann, wenn er nicht der Erzeuger des Kindes ist, diesem rechtlicher Vater bleiben möchte. Auch ist möglich, dass der rechtliche Vater zunächst einmal seine Zweifel über die Abstammung des Kindes ausräumen möchte, um sich nach Kenntnis des Ergebnisses einer entsprechenden Begutachtung, sollte diese seine biologische Vaterschaft nicht bestätigen, dann damit auseinanderzusetzen und sich klar darüber zu werden, welche rechtlichen Konsequenzen er daraus ziehen will.
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Für dieses von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Begehren, allein oder zunächst einmal nur Kenntnis von der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes zu erlangen, ist das Anfechtungsverfahren, das auf das Ziel der Beendigung der rechtlichen Vaterschaft ausgerichtet ist, zu weitge ![]() ![]() | |
b) Auch die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Vaterschaft angefochten werden kann, sind, bezogen auf die Verfolgung des Interesses, Kenntnis von der Abstammung seines Kindes zu erlangen, unverhältnismäßig. Sie sind an dem Schutz ausgerichtet, der dem Kind und seiner Mutter im Hinblick auf den Bestand der rechtlichen und sozialen familiären Beziehung mit dem Vater zukommt, der bei einer Anfechtung der Vaterschaft gefährdet ist. Dieses Bestandsschutzes bedürfen sie aber nicht, wo es lediglich um die Verfolgung des Zieles geht, über die Abstammung des Kindes Gewissheit zu erlangen. Hier steht dem Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung kein entsprechend gewichtiges, schützenswertes Interesse von Kind und Mutter entgegen, sodass es nicht gerechtfertigt wäre, ein Verfahren zur Klärung und Feststellung der Abstammung an dieselben Darlegungslasten und Fristen zu binden, die für die Anfechtungsklage maßgeblich sind. Zur Verfahrenseröffnung reichte hier aus, wenn der rechtliche Vater Zweifel an der Abstammung des Kindes von ihm vorträgt.
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c) Die dargestellten Anforderungen gelten für den rechtlichen Vater, dessen Recht auf Feststellung der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Soweit der Gesetzgeber im Hinblick auf einen Mann, der nicht der rechtliche Vater des Kindes ist, aber davon ausgeht, dessen biologischer Vater zu sein, ein Verfahren auf Feststellung der Abstammung des Kindes von ihm eröffnet, kann es das Fehlen einer rechtlichen Zuordnung des Kindes zu ihm rechtfertigen, strengere Anforderungen zu stellen. Von ihm kann der ![]() ![]() | |
III.
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Nach diesen Maßstäben sind die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit unbegründet. Die defizitäre rechtliche Situation für das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Interesse eines Mannes, allein oder zunächst einmal nur Kenntnis von der Abstammung eines Kindes von ihm zu erlangen, kann durch das Anfechtungsverfahren, das der Beschwerdeführer angestrengt und durchlaufen hat, nicht ausgeglichen werden. Die Gerichte haben in ihren Entscheidungen die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung der Vaterschaft, die die Grundrechte von Vater, Kind und Mutter wahren, in verfassungsmäßiger Weise ausgelegt und dabei die Verwertung eines vom Beschwerdeführer vorgelegten, heimlich eingeholten Vaterschaftstests zu Recht abgelehnt.
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1. Das Anfechtungsverfahren nach §§ 1600 ff. BGB dient der Beendigung der rechtlichen Vaterschaft. Auch wenn der Beschwerdeführer gerügt hat, dass ihm zur vorherigen Klärung der Abstammung des rechtlich ihm zugeordneten Kindes kein Verfahren zur Verfügung gestanden hat und er sich deshalb auf heimlichem Wege über ein genetisches Abstammungsgutachten Kenntnis davon verschafft hat, hat er doch die Anfechtungsklage erhoben mit dem Ziel, sich aus der rechtlichen Vaterschaft zu lösen. Insofern sind auf ihn die gesetzlichen Regeln anzuwenden, die, wie oben ausgeführt, in verfassungsgemäßer Weise einen Ausgleich der bei der Vaterschaftsanfechtung berührten Grundrechtspositionen herstellen. Diese rechtlichen Vorgaben insbesondere auch zur Darlegungslast haben die Gerichte zu beachten. Sie können ![]() ![]() | |
2. Es entspricht der Verfassung, dass die Gerichte die Verwertung des vom Beschwerdeführer heimlich eingeholten genetischen Abstammungsgutachtens als Beweismittel abgelehnt haben.
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a) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (vgl. BVerfGE 52, 203 [207]; 106, 28 [48 f.]). Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregeln (vgl. BVerfGE 52, 131 [145]). Auch im familiengerichtlichen Verfahren, in dem über Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines familienrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Gerichte zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und zur materiell richtigen Entscheidungsfindung grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweise oder Darlegungen zu berücksichtigen.
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Aus den materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG können sich ebenfalls Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben (vgl. BVerfGE 101, 106 [122]), wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grund ![]() ![]() | |
b) Dies haben der Bundesgerichtshof wie die Vorinstanzen bei ihren angegriffenen Entscheidungen berücksichtigt. Sie sind in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die heimliche Verschaffung von Genmaterial des Kindes und damit der unerlaubte Zugriff auf seine persönlichen Daten durch den Beschwerdeführer das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes in erheblicher Weise beeinträchtigt hat und die Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse im gerichtlichen Verfahren einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Kindes bedeutete. Demgegenüber haben die Gerichte ein besonderes, über das Interesse, mit dem heimlich und gegen den Willen des Kindes erstellten Gutachten ein Beweismittel für die Darlegung seiner nicht bestehenden Vaterschaft zu erhalten, hinausgehendes schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers an der Zulassung des Gutachtens im Verfahren zu Recht nicht erkennen können.
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Auch der Umstand, dass bislang kein Verfahren zur Verfügung steht, das es einem Mann ermöglicht, die Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes klären und feststellen zu lassen, führt nicht dazu, ein solches besonders schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers anerkennen zu können. Damit befindet ![]() ![]() | |
C. -- I. | |
Der Gesetzgeber hat einen Verfahrensweg zu eröffnen, der dem Recht auf Kenntnis und Feststellung der Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zur Verwirklichung verhilft, ohne dies zwingend mit einem Anfechtungsverfahren zu verbinden. Auf welche Weise er dem nachkommt, liegt in seiner Gestaltungsfreiheit. Dabei stehen ihm verschiedene Wege zur Verfügung. Allerdings scheidet aus den unter B. I.3.a) und B. III.2.b) genannten Gründen aus, dass der Gesetzgeber es zulässt, heimlich eingeholte gendiagnostische Abstammungsgutachten in das Vaterschaftsanfechtungsverfahren einzubringen, und den Gerichten ermöglicht, diese zu berücksichtigen.
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1. Der Gesetzgeber hat mehrere Möglichkeiten, um seiner Schutzpflicht nachzukommen. Eine Möglichkeit bestünde darin, Regelungen zu treffen, die die Weigerung des Kindes oder seiner sorgeberechtigten Mutter, auf privatem Wege ein genetisches Abstammungsgutachten einzuholen, gerichtlich überprüfbar machen und die es dem Gericht erlauben, durch Entzug oder Übertragung der Vertretungsbefugnis für das Kind den Weg für die Erstellung eines solchen Gutachtens freizumachen, wie es der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung vorsieht. Die Verwertung eines ![]() ![]() | |
2. Allerdings ist der Gesetzgeber gehalten, Sorge dafür zu tragen, dass im Vaterschaftsanfechtungsverfahren das von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Interesse insbesondere des Kindes, gegebenenfalls seine rechtliche und soziale familiäre Zuordnung zu behalten, auch weiterhin Berücksichtigung findet. Auch dabei hat der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. So kann er sicherstellen, dass die nun leichter zu erwerbende Kenntnis des rechtlichen Vaters, nicht biologischer Vater zu sein, im Anfechtungsverfahren nicht sogleich zur Beendigung der rechtlichen Vaterschaft führt, wenn dies wegen der Dauer der rechtlichen und sozialen Bindung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater sowie der besonderen Lebenssituation und Entwicklungsphase, in der sich das Kind gerade befindet, zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls führte.
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II.
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Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, die Rechtslage bis zum 31. März 2008 durch eine verfahrensrechtliche Regelung in Einklang mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu bringen. Bis zum Inkrafttreten dieser Regelung bleibt es allein bei der bisherigen Möglichkeit, im Rahmen eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nach §§ 1600 ff. BGB Kenntnis von der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu erlangen.
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III.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
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