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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Christopher Theis, A. Tschentscher | |||
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KunstUrhG § 22; GG Art. 1, 2; BGB § 847 |
I. Zivilsenat |
Urteil |
vom 14. Februar 1958 |
i. S. H. KG (Bekl.) w. S. (Kl.) |
-- I ZR 151/56 -- |
I. Landgericht Köln |
II. Oberlandesgericht Köln | |
Der Kläger ist Mitinhaber einer Brauerei in K. Er betätigt sich als Herrenreiter auf Turnieren. Die Beklagte ist Herstellerin eines pharmazeutischen Präparats, das nach der Vorstellung weiter Bevölkerungskreise auch der Hebung der sexuel ![]() ![]() | 1 |
Der Kläger nimmt die Beklagte für den Schaden in Anspruch, der ihm durch die Verbreitung des Werbeplakats entstanden ist. Er macht geltend, daß ihm bei der gegebenen Sachlage nur der Weg bleibe, Ersatz dessen zu fordern, was er erlangt haben würde, wenn er der Beklagten die Benutzung seines Bildes gestattet hätte. Da seine geschäftliche und gesellschaftliche Stellung es ihm nicht gestatteten und seine Vermögensverhältnisse ihn auch in keiner Weise dazu nötigten, sein Bild für Werbezwecke, insbesondere für das Präparat der Beklagten, zur Verfügung zu stellen, würde er dies, wenn überhaupt, nur für ein angemessenes Entgelt getan haben. Dieses sei schätzungsweise auf mindestens 15 000 DM zu bemessen.
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Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen angemessenen, vom Gericht festzusetzenden Betrag als Schadensersatz zu zahlen.
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Die Beklagte hat behauptet, daß die Gesichtszüge des Klägers infolge von Retuschierungen auf dem Plakat nicht zu erkennen gewesen seien. Sie hat weiter jedes Verschulden in Abrede gestellt und vorgetragen: Sie habe das Plakat weder selbst entworfen und hergestellt noch das Bild von dem Verlag S. erworben. Damit habe sie vielmehr das Werbeunternehmen H. beauftragt. Diese Firma sei seriös, fachkundig und zuverlässig, so daß sie, die Beklagte, sich darauf verlassen habe, daß Rechte Dritter nicht verletzt würden. Sie habe nicht wissen können, daß das Plakat auf Grund einer Photographie entworfen worden sei, auch nicht, daß das Photo einen Herrenreiter darstelle. Erst im Laufe des Prozesses habe sie erfahren, daß es sich tatsächlich um ein Bild des Klägers handle. Daraufhin habe sie unverzüglich jede Weiterverwendung der Reklame untersagt.
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5 |
Aus den Gründen: | |
I. | |
Das Berufungsgericht entnimmt in Übereinstimmung mit dem Landgericht dem beanstandeten Plakat, daß die Darstellung des Reiters die Person des Klägers trotz der vorgenommenen Retuschierungen noch erkennen lasse. Es geht deshalb rechtlich bedenkenfrei davon aus, daß die Verbreitung des Plakates ohne die Zustimmung des Klägers dessen persönlichkeitsrechtliche Befugnisse an seinem Bild verletzt habe und die Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 22 KunstUrhG zum Schadensersatz verpflichtet sei, wenn ihr ein Verschulden zur Last zu legen sei (vgl. RG JW 1929, 2257; BGHZ 20, 345, 347 ff.). Das hat das Berufungsgericht aus der Erwägung bejaht, die Beklagte habe nicht die nach den Umständen gebotene Sorgfalt beobachtet, weil sie das von dem Werbeunternehmen H. angefertigte Plakat in den Verkehr gebracht habe, ohne sich darüber zu vergewissern, ob die abgebildete Person mit der beabsichtigten Verwendung ihres Bildes einverstanden sei.
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Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision können keinen Erfolg haben (wird ausgeführt).
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II. | |
Als Schaden billigt das Berufungsgericht dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der entgangenen Lizenzgebühr einen Betrag zu, den er hätte verlangen können, wenn zwischen den Parteien ein Vertrag zu angemessenen Bedingungen zustande gekommen wäre. Das Berufungsgericht hält diese bei Verletzung von Urheberrechten entwickelte Art der Schadensberechnung im vorliegenden Fall für gerechtfertigt, weil es für den Kläger schwer nachweisbar sei, ob und in welcher Höhe ein Schaden in seinem Vermögen entstanden sei. Es schätzt den angemessenen Betrag im Gegensatz zum Landgericht, das 1000 DM als ausreichend angesehen hat, auf 10 000 DM.
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Der Revision ist, wenngleich sie damit im Ergebnis keinen Erfolg haben kann, zuzugeben, daß diese Begründung des Berufungsgerichts rechtlich zum Teil der Besonderheit der Sachlage nicht gerecht wird. ![]() | 9 |
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Würden im Streitfall tatsächlich eingetretene Vermögensschäden in Rede stehen, so wäre dieser Revisionsangriff nicht begründet. Denn nach ständiger Rechtsprechung und der in der Rechtslehre vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Anerkennung des Anspruchs auf angemessene Vergütung nicht um die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des Schadensersatzrechtes, sondern um ihre gewohnheitsrechtliche Ergänzung für den Fall der Verletzung von vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechten, die auf der Billigkeitserwägung beruht, daß der Verletzer durch die Verletzung nicht besser gestellt sein soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß nachgesuchten Erlaubnis gestanden hätte. Der Anspruch auf angemessene Vergütung ist deshalb in allen Fällen eines unerlaubten Eingriffs in Ausschließlichkeitsrechte gegeben, wenn die Erlaubnis üblicherweise von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht wird und der Eingriff demgemäß nach den Gepflogenheiten des täglichen Lebens bei der Art des verletzten Rechts -- wenn überhaupt -- nur gegen eine Vergütung gestattet wird (BGHZ 20, 345, 353 ff.). Es ist keineswegs erforderlich, daß ein Vertrag bei einwandfreiem Verhalten des Verletzers tatsächlich zustandegekommen wäre (vgl. auch Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht S. 307).
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2. Der Revision ist indessen darin beizutreten, daß das Berufungsgericht durch die von ihm gewählte Berechnungsmethode in Wahrheit nicht die wirtschaftliche Einbuße des Klägers zu ermitteln versucht hat, vielmehr die Vergütung nach der ideellen Beeinträchtigung des Klägers bemessen hat. ![]() ![]() | 12 |
Dem Klaganspruch kann deshalb nicht auf Grund der vom Berufungsgericht gewählten Berechnungsmethode mit Hilfe der Fiktion einer entgangenen Lizenzgebühr stattgegeben werden.
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3. Auch eine Klagebegründung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verbietet sich im Hinblick darauf, daß der Kläger eine vermögensrechtliche Benachteili ![]() ![]() | 14 |
4. Versagt hiernach die Art der Schadensberechnung, die das Berufungsgericht seinen Feststellungen über die Schadenshöhe zugrunde gelegt hat und erweist sich, daß dem Kläger in Wahrheit kein vermögensrechtlicher Schaden entstanden ist, so geht die entscheidende Frage dahin, ob der Kläger Ersatz des immateriellen Schadens verlangen kann, der sich für ihn aus der mit der Abbildung seiner Person auf den Werbeplakaten verbundenen Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit ergeben hat. Für den vorliegenden Sachverhalt bejaht der Senat diese Frage.
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Bereits in der Entscheidung BGHZ 13, 334, 338 hat der Senat ausgesprochen, daß die durch das Grundgesetz Art. 1, 2 geschützte Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch als bürgerlich-rechtliches, von jedem im Privatrechtsverkehr zu achtendes Recht anzuerkennen ist, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Diesem sog. allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt mithin auch innerhalb der Zivilrechtsordnung Rechtsgeltung zu und es genießt als "sonstiges Recht" den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB (vgl. auch BGHZ 24, 72 ff.).
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Die Art. 1 und 2 des Grundgesetzes schützen, und zwar mit bindender Wirkung auch für die Rechtsprechung, das, was man die menschliche Personhaftigkeit nennt; ja sie erkennen in ihr einen der übergesetzlichen Grundwerte der Rechtsordnung an. Sie schützen damit unmittelbar jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht und dessen Verletzung rechtlich dadurch gekennzeichnet ist, daß sie in erster Linie sogenannte immaterielle Schäden, Schäden, die sich in einer Persönlichkeitsminderung ausdrücken, erzeugt. Diesen Bereich zu achten und nicht unbefugt in ihn einzudringen, ist ein rechtliches Gebot, das sich aus dem Grundgesetz selbst ergibt. Ebenso folgt aus dem Grundgesetz die ![]() ![]() | 17 |
Auf dem begrenzten Gebiet des Bildnisschutzes ist dies von dem Gesetzgeber übrigens bereits lange vor Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes und zu einer Zeit, als man das bürgerlich-rechtlich zu schützende allgemeine Persönlichkeitsrecht noch nicht anerkannte, durch die Sonderregelung der §§ 22 ff. des Kunstschutzgesetzes aus dem Jahre 1907 ausdrücklich festgelegt worden. Denn wenn nach § 22 KunstUrhG Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, so beruht dieser Schutz im Kern auf dem Grundsatz der Freiheit der Person in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich, zu dem vor allem auch das äußere Erscheinungsbild des Menschen zu rechnen ist. Die unbefugte Veröffentlichung des Bildes eines Menschen stellt, wie in der Rechtslehre seit langem anerkannt ist, einen Eingriff in die Freiheit der Selbstbestimmung und der freien Betätigung der Persönlichkeit dar (Osterrieth, Das Kunstschutzgesetz, § 22 KunstUrhG). Das Unzulässige der eigenmächtigen Bildnisveröffentlichung durch einen Dritten liegt darin, daß damit dem Abgebildeten die Freiheit entzogen wird, auf Grund eigener Entschließung über dieses Gut seiner Individualsphäre zu verfügen.
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Würdigt man unter diesem Blickpunkt die die Persönlichkeit beeinträchtigende Verletzung des Rechts am eigenen Bild, so läßt sich in diesem Bereich für die Frage, wie die Zubilligung des Ersatzes auch immaterieller Schäden im einzelnen begründet werden könne, schon an die Regelung anknüpfen, die § 847 BGB für den Fall der "Freiheitsentziehung" trifft und kraft deren er dem Verletzten auch wegen eines nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld gewährt. Zwar versteht das Bürgerliche Gesetzbuch hier unter Freiheitsentziehung die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit sowie die Nötigung zu einer Handlung durch Gewalt oder Bedrohung (BGB-RGRK § 823 Anm. 7), während es sich bei dem Tatbestand des § 22 KunstUrhG um eine Freiheitsberaubung im Bereich eigenverantwortlicher Willensentschließung handelt. Bereits vor dem Inkrafttreten des ![]() ![]() | 19 |
Die Bestimmung des § 35 KunstUrhG steht dieser Annahme nicht entgegen. Zwar kann der Verletzte nach dieser Vorschrift ![]() ![]() | 20 |
Soweit der Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgericht in der Dahlke-Entscheidung (BGHZ 20, 345, 352 ff.) ausgeführt hat, daß ein immaterieller Schaden nicht zu einem Geldersatzanspruch führen könne, wenn kein Fall vorliege, in dem das Gesetz den Anspruch eigens darauf erstrecke, wird dies nach Maßgabe der vorstehenden Erörterungen nicht ![]() ![]() | 21 |
III. | |
Die Höhe der an den Kläger als Schadensersatz zu zahlenden Vergütung hat das Berufungsgericht auf 10 000 DM geschätzt. Wenngleich es bei dieser Schätzung von der Möglichkeit einer Schadensberechnung nach der angemessenen Vergütung ausgegangen ist, die im Falle eines Vertragsabschlusses zu den üblichen Bedingungen zu zahlen gewesen wäre, treffen die vom Berufungsgericht insoweit angestellten Erwägungen in vollem Umfange auch auf die bei der Bemessung der Höhe einer billigen Geldentschädigung (§ 847 BGB) zu berücksichtigenden Umstände zu. Sie zeigen darüber hinaus, daß auch das Berufungsgericht in Wahrheit dem Kläger eine Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden zugesprochen hat.
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Wie der Große Zivilsenat in seinem Beschluß vom 6. Juli 1955 (BGHZ 18, 149) ausgeführt hat; kommt dem Anspruch auf "Schmerzensgeld" die Funktion zu, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden, diejenige Lebens- (oder Persönlichkeits-)Minderung zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich trägt er aber auch dem Gedanken Rechnung, daß der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung für das schuldet, was er ihm angetan hat. In dem Beschluß wird betont, daß gerade der Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immateriellen Schaden gar nicht wegzudenken sei, ihre besondere Bedeutung zukomme, im übrigen aber bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden dürften. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat auch für den vorliegenden Fall an. Geht man hiervon aus, so ergibt sich, daß das Berufungsgericht alle insoweit maßgebenden Umstände für die Bemessung der Schadenshöhe rechtsfehlerfrei berücksichtigt hat. Das Berufungsgericht hat insbesondere ausgeführt, schon die Tatsache, daß der Kläger überhaupt nicht bereit gewesen ![]() ![]() ![]() | 23 |
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