des Zweiten Senats vom 22. Juni 1960 gemäß § 91 a BVerfGG
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- 2 BvR 125/60 - | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Angestellten Heinrich ..., gegen die Urteile des Jugendschöffengerichts Düsseldorf vom 22. Juli 1958 -- 49 I 36/58 -, des Landgerichts Düsseldorf vom 6. November 1958 -- VII -- 60/58 jug. -- und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 1959 -- (1) Ss 267/59 -- (243).
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde vom 22. Juli 1959 wird gemäß § 91 a Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 243) in der Fassung vom 21. Juli 1956 (BGBl. I S. 662) verworfen.
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Gründe: | |
I.
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Das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften - GjS - vom 9. Juni 1953 (BGBl. I S.377) beschränkt den Vertrieb, die Weitergabe und die Werbung für Schriften, die geeignet sind, Jugendliche zu gefährden. Jugendgefährdende Schriften, zu denen vor allem unsittliche sowie Verbrechen, Krieg und Rassenhaß verherrlichende Druckwerke zählen, sind in eine Liste aufzunehmen. Die Aufnahme ist bekanntzumachen (§ 1 GjS). Über die Aufnahme in die Liste entscheidet eine Bundesprüfstelle, deren Mitglieder von dem Bundesminister des Innern und den Landesregierungen ernannt werden und nicht an Weisungen gebunden sind (§§ 8 ff. GjS). Gegen die Entscheidung der Bundesprüfstelle ist die Anfechtungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig (§ 20 GjS). Sobald die Aufnahme einer Schrift in die Liste bekanntgemacht worden ist, darf sie einem Jugendlichen unter 18 Jahren nicht feilgeboten oder zugänglich gemacht werden (§ 3 GjS). Die Schrift darf ferner weder durch Händler außerhalb von Geschäftsräumen noch durch Reisende von Haus zu Haus vertrieben, verbreitet oder verliehen werden (§ 4 GjS). Nach der Bekanntmachung der Aufnahme in die Liste ist die geschäftliche Werbung durch Auslegen oder Aushängen der Schrift im Schaufenster, innerhalb eines Verkaufsraumes oder an anderen allgemein zugänglichen Orten, durch Reklame oder Anzeigen, Postwurfsendungen oder andersartige Übermittlung von Werbematerial untersagt. Anzeigen in Fachblättern des Buchhandels sind zulässig (§ 5 Abs. 2 GjS). Schriften, die Jugendliche offensichtlich schwer gefährden, unterliegen den Beschränkungen der §§ 3 bis 5, ohne daß es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf (§ 6 Abs. 1 GjS). Zuwiderhandlungen gegen die §§ 3 bis 6 GjS werden durch § 21 GjS mit Gefängnis und Geldstrafen bedroht.
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II.
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Der Beschwerdeführer hat durch den Versand von Prospekten an ihm unbekannte Personen für Zeitschriften mit offensichtlich jugendgefährdenden Abbildungen und Aktfotos geworben und, soweit Bestellungen eingingen, die mit Buchhändlerrabatt bezogenen Schriften und Fotos zum Ladenpreis weitergegeben. Er ist deshalb wegen eines fortgesetzten Vergehens gegen §§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 2, 21 Abs. 1 GjS zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Seine Berufung und Revision hatten keinen Erfolg.
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Hiergegen wendet sich die Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 5, Art. 20 Abs. 3, Art. 12 und Art. 19 Abs. 1 GG und trägt dazu im wesentlichen vor:
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Das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften sei nichtig, weil die Regelung dieser Materie nach dem Grundgesetz der Landesgesetzgebung vorbehalten sei.
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Das in § 5 Abs. 2 GjS enthaltene Werbeverbot stelle einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 GG dar, weil nicht nur die geschäftliche Werbung gegenüber Jugendlichen, sondern auch gegenüber Erwachsenen verboten sei. Das Werbeverbot sei ferner mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht der freien Meinungsäußerung unvereinbar und verstoße auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
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Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, weil z. B. nach § 182 StGB die Verführung eines unbescholtenen Mädchens mit der gleichen Strafe bedroht werde, andererseits die Strafverfolgung wegen der Verführung nur auf Antrag der Eltern oder des Vormundes der Verführten stattfinde. Daraus ergäben sich paradoxe Konsequenzen.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde sich unmittelbar gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wendet, ist sie verspätet, da eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden kann (§ 93 Abs. 2 BVerfGG).
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Die Rüge mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist jedoch auf dem Wege über Art. 2 Abs. 1 GG insoweit zu berücksichtigen, als sie sich gegen die Vorschriften des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften richtet, auf denen die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht. Auch im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung kann geltend gemacht werden, daß eine die Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers beschränkende gesetzliche Bestimmung, auf die das Gericht seine Entscheidung gestützt hat, nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehöre, weil sie in formeller und materieller Hinsicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei (BVerfGE 6,32 [41]).
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Die §§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 2, 21 Abs. 1 GjS, auf denen die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen beruhen, bestimmen, daß die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und die Werbung für sie unter den im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften näher bezeichneten Voraussetzungen strafbar sind. Ähnliche, allerdings engere Strafvorschriften, enthält der § 184 StGB, der u. a. die Verbreitung und das Feilhalten, Verkaufen, Verteilen von unzüchtigen Schriften, Abbildungen oder Darstellungen an öffentlichen Orten und die Werbung für sie sowie den Verkauf an Jugendliche ebenso wie der § 184 a StGB das Anbieten und den Verkauf von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, unter Strafe stellt. Die §§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 2, 21 Abs. 1 GjS regeln also eine Materie, die traditionell zum Kompetenzbereich des Strafrechts gehört und daher von der dem Bundesgesetzgeber in Art. 74 Ziff. 1 GG verliehenen Gesetzgebungsbefugnis ergriffen wird (ebenso BGH in Goltdammer's Archiv für Strafrecht 1958 S. 50). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob und inwieweit eine Kompetenz des Bundes zum Erlaß dieser Bestimmungen auch unter dem Blickpunkt öffentlicher Fürsorge oder Handel und Gewerbe (Art. 74 Ziff. 7 und Ziff. 11 GG) gegeben sein könnte.
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Ebensowenig verfängt der Hinweis, der § 6 Abs. 1 GjS sei so unbestimmt gefaßt, daß er nicht mehr als eine ausreichende Normierung eines Straftatbestandes angesehen werden kann. Auch das Strafrecht kann nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig allgemeingültig umschrieben werden können und die an die Auslegung des Richters besondere Anforderungen stellen. Ohne die Verwendung solcher flüssigen Begriffe wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Sie sind unentbehrlich und ihre Verwendung ist in gewissen Grenzen legitim (BVerfGE 4, 352 [357 f.]). Die im § 6 Abs. 1 GjS verwandte Umschreibung "Schriften, die Jugendliche gefährden" ist in § 1 Abs. 1 GjS dahin konkretisiert, daß darunter vor allem "unsittliche sowie Verbrechen, Krieg und Rassenhaß verherrlichende Schriften" zu verstehen sind. Die Worte "offensichtlich schwer" im § 6 Abs. 1 GjS stellen ferner klar, daß nicht Grenzfälle, sondern nur jedem Unbefangenen erkennbar jugendgefährdende Schriften erfaßt werden. Damit ist die Schmutz- und Schundliteratur in dem beabsichtigten Umfange hinreichend klar abgegrenzt. Der Gesetzgeber hat sich nach alledem mit dieser Formulierung noch innerhalb der ihm durch das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit (Art. 103 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG) gezogenen Schranken gehalten. Daß schließlich das Oberlandesgericht Düsseldorf die §§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 2, 21 Abs. 1 GjS im vorliegenden Fall nicht willkürlich ausgelegt und angewandt hat, steht nach dem Akteninhalt außer Zweifel.
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Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des in § 5 Abs. 2 GjS enthaltenen Werbeverbots ist nicht der Art. 2 Abs. 1 GG, sondern der Art. 5 GG. Der Einzelne kann sich gegenüber Eingriffen der öffentlichen Gewalt in seine Freiheit auf Art. 2 Abs. 1 GG nur insoweit berufen, als diese sich nicht auf einen Lebensbereich bezieht, der durch besondere Grundrechtsbestimmungen geschützt ist (BVerfGE 6, 32 [37]). Die besondere Grundrechtsbestimmung, hinter die in diesem Zusammenhang das allgemeine Persönlichkeitsrecht inhaltlich zurücktritt, ist der Art. 5 GG. Das in Art. 5 GG garantierte Recht des Beschwerdeführers, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, ist aber schon deshalb nicht verletzt, weil dieses Recht nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und insbesondere in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend findet. Das in § 5 Abs. 2 GjS verankerte Werbeverbot wird durch diesen Gesetzesvorbehalt gedeckt.
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Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG greift ebenfalls nicht durch. Der Art. 12 Abs. 1 GG verwehrt nicht schlechthin jeden Eingriff. Insbesondere kann die Freiheit der Berufsausübung gesetzlich beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Der Grundrechtsschutz beschränkt sich hier auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen (BVerfGE 7, 377 [Leitsatz 6a; 405 f.]). Davon kann keine Rede sein. Die im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften getroffene Regelung wird durch den mit dieser Regelung verfolgten Zweck gerechtfertigt und belastet die Betroffenen nicht in unangemessener Weise. Es kann und muß im Interesse des Schutzes der heranwachsenden Jugend von jedem, der den Vertrieb und die Werbung für Schriften der hier in Frage stehenden Art zur Grundlage seiner Lebensführung machen will, erwartet werden, daß er vorher sich die notwendige Sachkunde erwirbt, die ihn in die Lage versetzt, von den gesetzlichen Schranken seiner Tätigkeit Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten dementsprechend einzurichten.
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