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des Zweiten Senats vom 28. November 1973
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-- 2 BvL 42/71 -- | |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 22 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse vom 20. November 1958 (GVBl. S. 183) in der Fassung des Zweiten Änderungsgesetzes vom 22. Februar 1966 (GVBl. S. 31) -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Frankfurt/Main vom 20. August 1971 -- 5/9 Qs 808/70 -.
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Entscheidungsformel:
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§ 22 Absatz 1 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse in der Fassung vom 20. November 1958 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 183), eingefügt durch das Zweite Änderungsgesetz vom 22. Februar 1966 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 31), ist, soweit er sich auf das Verfahren in Strafsachen bezieht, mit Artikel 74 Nummer 1 und Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 53 Absatz 1 Nummer 5 der Strafprozeßordnung in der Fassung vom 17. September 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 1374) unvereinbar und deshalb nichtig.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
Das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen ist sowohl in der Strafprozeßordnung als auch in den Pressegesetzen der Länder geregelt.
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§ 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO in der Fassung vom 17. September 1965 (BGBl. I S. 1374) hat folgenden Wortlaut:
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§ 53
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(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt
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1. bis 4. ...
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5. Redakteure, Verleger, Herausgeber, Drucker und andere, die bei der Herstellung oder Veröffentlichung einer periodischen Druckschrift mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns einer Veröffentlichung strafbaren Inhalts, wenn ein Redakteur der Druckschrift wegen dieser Veröffentlichung bestraft ist oder seiner Bestrafung keine Hindernisse entgegenstehen; ![]() | |
§ 22
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(1) Redakteure, Journalisten, Verleger, Herausgeber, Drucker und andere, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Veröffentlichung eines periodischen Druckwerks berufsmäßig mitgewirkt haben, sind zur Verweigerung des Zeugnisses über die Person des Verfassers, des Einsenders oder des Gewährsmannes von Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt von Unterlagen berechtigt.
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II.
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Der Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens, der Journalist A..., hatte 1966 als freier Mitarbeiter einer Frankfurter Tageszeitung in deren Beilage einen Artikel über die Stadt Homburg am Main veröffentlicht und darin über parteipolitische Hintergründe der Wahl des neuen Bürgermeisters berichtet. Wegen der hierbei aufgestellten Behauptungen reichte der neugewählte Bürgermeister, der sich politisch verleumdet sah, gegen ihn eine Privatklage ein. Diese wurde jedoch wegen Verjährung rechtskräftig zurückgewiesen.
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Da der Beschwerdeführer mitgeteilt hatte, die beanstandete Äußerung beruhe auf einer Information, die ihm der frühere Bürgermeister gegeben habe, erhob der neue Bürgermeister nunmehr auch gegen seinen Amtsvorgänger eine Privatklage wegen übler Nachrede. In diesem Verfahren soll der Beschwerdeführer als Zeuge, insbesondere über seinen Informanten, vernommen werden. Vor dem im Rechtshilfeweg um die Vernehmung ersuchten Amtsgericht Bad Homburg v. d. H. verweigerte er jedoch unter Berufung auf die §§ 53 Abs. 1 Nr. 5, 55 Abs. 1 StPO und § 22 Abs. 1 HessPresseG die Aussage.
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Daraufhin wies das Amtsgericht "das Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen A... ... als unbegründet zurück" und nahm den Zeugen wegen grundloser Aussageverweigerung in eine Ord ![]() ![]() | |
§ 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO gewähre dem Beschwerdeführer hier kein Zeugnisverweigerungsrecht. Zum maßgeblichen Zeitpunkt sei er nicht Redakteur, sondern nur freier Mitarbeiter im Nebenberuf gewesen. Damit gehöre er nicht zum Kreis derer, denen das Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Selbst wenn man aber den Verfasser eines Presseartikels in den Kreis der Berechtigten einbeziehe, fehle es an einer weiteren Voraussetzung, weil kein Redakteur wegen der Veröffentlichung bestraft sei oder - nach Eintritt der Verfolgungsverjährung - noch bestraft werden könne. Eine Auslegung der Vorschrift, die von dieser Voraussetzung absehe, komme nicht in Betracht, da sie sich eindeutig mit dem Willen des Gesetzgebers in Widerspruch setzen würde. Auch nach § 55 Abs. 1 StPO dürfe der Beschwerdeführer die geforderte Auskunft nicht verweigern, weil er sich keiner Strafverfolgungsgefahr mehr aussetze, nachdem die gegen ihn erhobene Privatklage rechtskräftig zurückgewiesen sei. Nur § 22 Abs. 1 HessPresseG räume ihm hier ein Zeugnisverweigerungsrecht ein. Daher komme es darauf an, ob diese Bestimmung gültig sei oder nicht. Davon hänge es ab, ob die Beschwerde Erfolg habe oder zurückgewiesen werde.
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§ 22 Abs. 1 HessPresseG sei verfassungswidrig und daher nichtig. Nach herkömmlicher Zuordnung und innerem Zusammenhang zähle das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen nicht zu den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Presse, die der Bund nach Art. 75 Nr. 2 GG durch Rahmenvorschriften ordnen könne, während die Gesetzgebungszuständigkeit im übrigen bei den Ländern liege. Vielmehr gehöre es zum gerichtlichen Verfahren, das nach Art. 74 Nr. 1 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung sei. Auf diesem Gebiet habe der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO Gebrauch ![]() ![]() | |
Der Beschwerdeführer habe zwar geglaubt, seine Aussageverweigerung werde durch diese Bestimmung gedeckt; das nötige aber nicht dazu, den Ordnungsstrafbeschluß aufzuheben. Dieser Verbotsirrtum schließe die Schuld des Zeugen nicht aus, da er vermeidbar gewesen sei. Von einem Journalisten dürfe erwartet werden, daß er die seit langem geführte Diskussion über das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen verfolge und sich über die damit verbundenen Rechtsfragen orientiere. Wäre der Zeuge dieser Forderung nachgekommen, so hätte er sich erinnern müssen, daß gegen die Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts in den Landespressegesetzen verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden seien. Ohne nähere Prüfung hätte er sich darum nicht auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 HessPresseG verlassen dürfen. Im Hinblick darauf, daß die Strafprozeßordnung gegenüber den Landesgesetzen das höhere Recht sei und der Amtsrichter das Zeugnisverweigerungsrecht verneint habe, hätte der Beschwerdeführer erkennen können, daß er das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigere.
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III.
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1. Der Bundesminister der Justiz hat für die Bundesregierung Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage geäußert. Es sei zweifelhaft, ob es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 HessPresseG ankomme. Das Landgericht hätte prüfen müssen, ob nicht ein Fall vorliege, in dem sich das Aussageverweigerungsrecht unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebe, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem Zeugniszwang entgegenstehe und die verfassungsrechtlich verbürgte Pressefreiheit strafprozessuale Zwangsmaßnahmen verbiete. ![]() | |
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2. Der Hessische Ministerpräsident hält die Vorlage mangels Entscheidungserheblichkeit für unzulässig. Der Beschwerde gegen den Ordnungsstrafbeschluß müsse auch dann stattgegeben werden, wenn § 22 Abs. 1 HessPresseG ungültig sei. Der Zeuge habe sich auf ein ordnungsgemäß zustandegekommenes Gesetz berufen. Das Risiko der Ungültigkeit eines solchen Gesetzes sei ihm nicht aufzuerlegen. Zumindest habe er schuldlos gehandelt. Bereits das Amtsgericht hätte das Verfahren aussetzen und die Bestimmung dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen. Schon dieser Verfahrensfehler zwinge zur Aufhebung der Ordnungsstrafe. Außerdem habe der Zeuge bei verfassungskonformer Auslegung auch nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO ein Aussageverweigerungsrecht.
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Hilfsweise vertritt der Ministerpräsident die Auffassung, daß die zur Prüfung gestellte Norm nicht gegen Bundesrecht verstoße. Das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht gehöre zur Gesetzgebungsmaterie des Presserechts. Dafür spreche die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und die herausragende Funktion der Presse in der freiheitlichen Demokratie. Das Aus ![]() ![]() | |
3. a) Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, daß der 2. und 3. Strafsenat § 22 Abs. 1 HessPresseG bisher nicht angewendet haben; der 2. Strafsenat teile jedoch die Ansicht des vorlegenden Gerichts.
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b) Auch das Oberlandesgericht Frankfurt/Main war nach der Mitteilung seines Präsidenten mit der im Vorlagebeschluß behandelten Rechtsfrage bislang nicht befaßt. Der 2. Strafsenat dieses Gerichts hält die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 HessPresseG für gerechtfertigt.
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Die Vorlage ist zulässig.
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a) Soweit über die gegen den Zeugen verhängte Ordnungsstrafe zu befinden ist, kommt es auf die Gültigkeit der vorgelegten Bestimmung nicht an. Ist sie wirksam, so kann der Zeuge nicht bestraft werden, weil er die Aussage mit Recht verweigert hat. Ist sie indessen nichtig, so hat er das Zeugnis zwar zu Unrecht verweigert, darf aber gleichwohl nicht in eine Ordnungsstrafe genommen weden, da er schuldlos gehandelt hat. Auch die Verhängung einer Ordnungsstrafe setzt Schuld voraus (BVerfGE 20, 323 [331]). Die Schuld ist ausgeschlossen, wenn sich der Täter in einem unvermeidbaren Irrtum über die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens befand (BGHSt 2, 194 [200 ff.]). Ein solcher Verbotsirrtum hindert auch die Ahndung einer grundlosen Zeugnisverweigerung (Kleinknecht, StPO, 30. Aufl. [1971], § 70 Anm. 6; Kohlhaas in: Löwe-Rosenberg, StPO, 22. Aufl. [1971], § 70 Anm. 4 c; LG Köln, NJW 1959, S. 1598 [1599]). Danach muß die Beschwerde des Zeugen in jedem Falle Erfolg haben. Als er die Aussage unter Berufung auf § 22 Abs. 1 HessPresseG verweigerte, handelte er entweder rechtmäßig oder unterlag einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Ihm kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er im Vertrauen auf ein ordnungsgemäß zustandegekommenes Landesgesetz die ihm dort eingeräumte Weigerungsbefugnis für sich in Anspruch nahm. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts ist offensichtlich unhaltbar. Sie überspannt die Anforderungen, die an den Zeugen gestellt werden dürfen. Die Bestätigung des Ordnungsstrafbeschlusses wäre daher nicht nur nach einfachem Recht fehlerhaft, sondern darüber hinaus auch verfassungswidrig. Sie verstieße gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz, daß jede Bestrafung Schuld voraussetzt und würde den Zeugen deshalb in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen (vgl. BVerfGE 7, 305 [319]; 9, 167 [169]; 20, 323 [331]).
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b) Das Landgericht hat aber nicht nur die Ordnungsstrafe in ![]() ![]() | |
2. § 22 Abs. 1 HessPresseG ist allerdings nicht in vollem Umfang, sondern nur insoweit entscheidungserheblich, als er für das Verfahren in Strafsachen Geltung beansprucht. Auf diesen Teilinhalt der Norm wird die Prüfung beschränkt.
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§ 22 Abs. 1 HessPresseG ist, soweit er sich auf das Verfahren in Strafsachen bezieht, mit Art. 74 Nr. 1 und Art. 72 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht vereinbar. Das Land Hessen besaß nach der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern keine Befugnis, das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht der Presse zu regeln.
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1. Die Länder sind zwar - entsprechend dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG - für gesetzliche Regelungen auf dem Gebiet des Pressewesens zuständig. Der Bund hat nach Art. 75 Nr. 2 GG nur das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Rahmenvorschriften über die "allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse" zu ![]() ![]() | |
a) Eine als Bundesrecht fortgeltende reichsrechtliche Regelung des Pressewesens fehlt. Das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 (RGBl. I S. 65) besaß keinen Rahmencharakter, sondern ordnete die Materie vollständig und unmittelbar; es ist daher weder insgesamt noch in einzelnen seiner Bestimmungen Bundesrecht geworden (BVerfGE 7, 29 [41]).
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b) Der Bundesgesetzgeber selbst hat presserechtliche Rahmenvorschriften bislang nicht erlassen. Insbesondere stellt § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO keine derartige Vorschrift dar. Das gilt schon deshalb, weil diese Bestimmung nicht einen Rahmen absteckt, an den die Länder sich einerseits halten müßten, innerhalb dessen sie aber andererseits selbständig Recht setzen dürften. Sie enthält vielmehr eine unmittelbar verbindliche Vollregelung. Zwar kann eine Vollregelung für einzelne Teile einer Gesetzgebungsmaterie auch aufgrund der Kompetenz zur Rahmengesetzgebung getroffen werden; dann ist aber Voraussetzung, daß sie im Zusammenhang eines Gesetzeswerks steht, das - als Ganzes gesehen - dem Landesgesetzgeber noch Spielraum läßt und darauf angelegt ist, von ihm aufgrund eigener Entschließung ausgefüllt zu werden (BVerfGE 7, 29 [41 f.]). Es ist offenkundig, daß § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO diesem Erfordernis nicht entspricht.
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2. Die bisher uneingeschränkte Gesetzgebungszuständigkeit der Länder auf dem Gebiete des Pressewesens verlieh ihnen jedoch keine Befugnis, das Zeugnisverweigerungsrecht der Presse im Strafverfahren zu regeln; denn hierbei handelt es sich nicht um einen Gegenstand des Presserechts, sondern um eine Materie, die Teil des gerichtlichen Verfahrens ist und darum gemäß Art. 74 Nr. 1 GG in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fällt.
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Das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen weist allerdings zu beiden Sachgebieten - Pressewesen und gerichtlichem Verfahren - einen erkennbaren Sachbezug auf. Das enthebt jedoch nicht der Notwendigkeit, diese Materie entweder dem einen oder dem anderen Kompetenzbereich zuzuweisen: eine "Doppel ![]() ![]() | |
Die Kriterien, nach denen sich die Zuordnung richtet, wenn eine sachliche Verknüpfung des Regelungsgegenstands mit den Materien verschiedener Gesetzgebungszuständigkeiten besteht, sind vom Bundesverfassungsgericht bereits früher bestimmt worden. Bei der Verjährung von Pressedelikten hat es auf die "wesensmäßige und historische Zugehörigkeit" abgestellt (BVerfGE 7, 29 [40]). Diese Kriterien geben den Ausschlag auch hier. Danach gehört das strafprozessuale Aussageverweigerungsrecht von Angehörigen der Presse kompetenzrechtlich zum Bereich des gerichtlichen Verfahrens.
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a) Vorschriften über die Befugnis zur Zeugnisverweigerung sind ihrem Wesen nach Bestandteile des Beweiserhebungsrechts der Verfahrensordnungen. Sie äußern unmittelbare Wirkungen nur innerhalb eines Verfahrens und aktualisieren sich erst, wenn jemand, den seine wirkliche oder mutmaßliche Beziehung zum Prozeßgegenstand in die Rolle des Zeugen - und damit eines Verfahrensbeteiligten - bringt, es ablehnt, den von ihm geforderten Beitrag zur Wahrheitsfindung zu leisten. Die Bedeutung solcher Bestimmungen liegt darin, daß sie die Möglichkeiten justizförmiger Sachaufklärung beschränken, indem sie Ausnahmen von einer im Grundsatz für alle geltenden Bürgerpflicht statuieren. Das geschieht im Strafverfahren in unterschiedlichem Ausmaß und aus verschiedenen Gründen, denen nur so viel gemeinsam ist, daß sie - von § 55 StPO abgesehen - in bestimmten Verhältnissen, Bindungen oder Pflichten des Zeugen wurzeln, die ihren Ort außerhalb des Verfahrens haben, nach ihrer Bewertung durch den Gesetzgeber aber so wichtig sind, daß sie den Belangen der Wahrheitserforschung im Falle des Widerstreits vorgehen und darum innerhalb des Verfahrens Berücksichtigung finden. Dies gilt für die Schonung familienrechtlicher Beziehungen (§ 52 StPO), die ![]() ![]() ![]() | |
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Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1957 (BVerfGE 7, 29) steht dieser Würdigung nicht entgegen. Der Senat hatte damals die Verfassungsmäßigkeit der in § 15 des Bayerischen Gesetzes über die Presse vom 3. Oktober 1949 (GVBl. S. 243) getroffenen Verjährungsregelung zu prüfen und war in diesem Zusammenhang vor die Frage gestellt, ob die Verjährungsvorschrift des § 22 Reichspressegesetz als Bundesrecht fortgelte. Diese Bestimmung betraf mit den Presseinhaltsdelikten, anderen speziell pressebezogenen Tatbeständen und den Fällen der sogenannten Garantenhaftung ausschließlich solche Straftaten, die nur von der Presse begangen werden konnten. Deshalb war und ist es gerechtfertigt, für die kompetenzrechtliche Einordnung darauf abzustellen, daß die von dieser Verjährungsregel erfaßten Delikte ihre besondere Prägung durch die spezifisch pressemäßige Begehungsform erhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Abkürzung der Verjährungsfrist nicht etwa als Mittel zum Schutz der verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigenständigkeit der Presse gewertet, sondern als Äquivalent zur Augenblicksbedingtheit, Offenkundigkeit und geringeren Nachhaltigkeit der Wirkung von Pressedelikten angesehen. Das Recht zur Aussageverweigerung im Hinblick auf ein anerkanntes Geheimhaltungsinteresse ist jedoch keine presserechtliche Besonderheit; denn es steht - wie dargelegt - nicht nur Presseangehörigen, sondern, wie ![]() ![]() | |
Demgemäß überwiegen auch im Schrifttum die Stimmen derer, die das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht nicht dem Presserecht zuordnen (so aber: Löffler, Presserecht, 2. Aufl., Bd. I [1969], 4. Kap., Rdnr. 17 und Bd. II [1968], § 23 LPG, Rdnr. 26; Rebmann-Ott-Storz, Das Baden-Württembergische Gesetz über die Presse, 1964, Einleitung, Rdnr. 21; Möhl, Das Zeugnisverweigerungsrecht der Presse, 1963, S. 43, 106 und Kaiser, NJW 1968, S. 1260 [1262 f.]), sondern zum Bereich des gerichtlichen Verfahrens rechnen (so: Scheer, Deutsches Presserecht, 1966, S. 354; Rehbinder, Presserecht, 1967, S. 60; Groß, Grundzüge des deutschen Presserechts, 1969, S. 150 f. und NJW 1968, S. 2368 [2369]; Kohlhaas in: Löwe-Rosenberg, StPO, 22. Aufl. [1971], § 53 Anm. IV 2; Fuhrmann, JR 1963, 459 [460 f.]; Thiele, DVBl. 1963, S. 905 [909]; Magen, JR 1965, S. 321 [327]; Forsthoff, Der Staat, Bd. 5 [1966], S. 1 [10]; Cramer, Das Zeugnisverweigerungsrecht von Presse und Rundfunk, 1968, S. 14 ff. und van Gelder, JZ 1969, S. 698 ff.).
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b) Die herkömmliche Zuordnung des Zeugnisverweigerungsrechts der Presseangehörigen in der deutschen Gesetzgebung bestätigt dieses Ergebnis.
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Obgleich nach Art. 4 Nr. 13 und 16 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 (RGBl. S. 64) wie nach Art. 7 Nr. 3 und 6 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383) die Gesetzgebung sowohl für das gerichtliche Verfahren als auch für das Pressewesen dem Reich oblag, war ein in ganz Deutschland geltendes Zeugnisverweigerungsrecht für Presseangehörige zuerst in der Strafprozeßordnung geregelt. Durch das Gesetz zur Abänderung der Strafprozeßordnung vom 27. Dezember 1926 (RGBl. I S. 529) wurde dem § 53 Abs. 1 StPO eine Nr. 4 angefügt, nach der Redakteure, Verleger und Drucker einer periodischen Druckschrift sowie die bei ihrer technischen Herstellung Beschäftigten über die Person des Verfassers oder ![]() ![]() | |
Nach 1945 erließen der Freistaat Bayern und das Land Hessen Pressegesetze, die auch das Zeugnisverweigerungsrecht regelten. Während sich § 12 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse vom 23. Juni 1949 (GVBl. S. 75) eng an die frühere Vorschrift der Strafprozeßordnung anlehnte, ging der Bayerische Landesgesetzgeber in § 12 des Gesetzes über die Presse vom 3. Oktober 1949 (GVBl. S. 243) inhaltlich darüber hinaus. Durch Art. 3 Abs. I Nr. 17 des Vereinheitlichungsgesetzes vom 12. September 1950 (BGBl. I S. 455) wurde § 53 Abs. 1 Nr. 4 StPO a.F. mit einer geringfügigen Änderung wiederhergestellt und im ganzen Bundesgebiet in Kraft gesetzt. Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735) gab dem Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO seine jetzige Ausgestaltung. Während Bayern seine landesgesetzliche Regelung beibehielt, betrachtete der Hessische Gesetzgeber seine landesrechtliche Regelung nunmehr als gegenstandslos (vgl. Drucksachen des Hessischen Landtags, III. Wahlperiode, Abt. I Nr. 1171, S. 3230) und strich sie durch Art. 1 Nr. 4 des Änderungsgesetzes vom 25. Oktober 1958 (GVBl. S. 152). § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO wurde schon bald als unbefriedigend empfunden. Vor allem bot Anlaß zur Kritik, daß er ein Zeugnisverweigerungsrecht nur bei Veröffentlichungen strafbaren Inhalts gewährte (vgl. Löffler, Presserecht, 2. Aufl., Bd. II [1968], § 23 LPG, Rdnr. 21 und NJW 1958, S. 1215 [1217 ff.]; Groß, a.a.O., S. 145; Kohlhaas, NJW 1958, S. 41 [42 ff.]; Jagusch, NJW 1963, S. 177 [179 f.]). Verschiedentlich wurde deshalb versucht, das Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu erweitern. Bezeichnenderweise zielten aber alle Gesetzgebungsinitiativen bis Mitte der sechziger Jahre darauf ab, die Strafprozeßordnung zu ändern. Weder der Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein Bundespressegesetz vom März 1952 (abgedruckt bei Lüders, Presse- und ![]() ![]() | |
Von 1964 bis 1966 regelten die Länder - mit Ausnahme Bayerns, das sein Pressegesetz aus dem Jahre 1949 beibehielt - das Zeugnisverweigerungsrecht in ihren Landespressegesetzen. Dazu entschloß sich auch Hessen. Der Entwurf der Landesregierung vom 16. Juni 1965 für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse, auf den der jetzige § 22 Abs. 1 HessPresseG zurückgeht, enthält in seiner Begründung den Hinweis, daß von einer landesrechtlichen Lösung im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken zunächst Abstand genommen ![]() ![]() | |
Sieht man vom Freistaat Bayern ab, so ergibt also die Gesetzgebungsgeschichte nach 1949: Alle Verfassungsorgane in Bund und Ländern waren sich zunächst darin einig, daß das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen trotz der nach dem Grundgesetz divergierenden Kompetenzen für gerichtliches Verfahren und Pressewesen wie früher Teil des Prozeßrechtes sei. Erst nachdem mit einer für notwendig erachteten Verbesserung des Zeugnisverweigerungsrechts im Wege einer bundesgesetzlichen Änderung der Strafprozeßordnung vorerst nicht mehr zu rechnen war, trafen die Länder die Regelung selbst. Die dafür maßgebenden rechtspolitischen Überlegungen können jedoch nichts daran ändern, daß - bei zusammenfassender Betrachtung - das journalistische Aussageverweigerungsrecht herkömmlich dem Verfahrensrecht zugewiesen wurde, zu dem es nach Wesen, Bedeutung und Sachzusammenhang auch gehört.
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c) Diese Beurteilung entspricht schließlich auch dem Bedürfnis nach Rechtseinheit. Es widerspräche dem Gebot sachgemäßer und funktionsgerechter Auslegung der Kompetenzvorschriften (vgl. hierzu: Rinck, Zur Abgrenzung und Auslegung der Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern, Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 289 [300]), eine Materie, die in Deutschland seit der Verfassung von 1871 Sache des Reiches war und nach 1949 eine bundeseinheitliche Regelung erfuhr, aus dem Zusammenhang des Prozeßrechts herauszulösen, den Ländern zu überantworten und damit die Gefahr einer partiellen Zersplitterung des Verfahrensrechts heraufzubeschwören, die seit Erlaß der Reichsjustizgesetze von 1877 überwunden schien. Das Aussageverweigerungsrecht eines Presseangehörigen könnte dann innerhalb ein und des ![]() ![]() | |
3. Von seiner Gesetzgebungsbefugnis zur Regelung des strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechts der Presseangehörigen hat der Bund in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO rechtswirksam und vollständig Gebrauch gemacht, so daß diese Bestimmung gegenüber den Ländern Sperrwirkung äußert.
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b) Die Vorschrift stellt auch eine vollständige Regelung dar, die nach den Grundsätzen über die Zuständigkeit auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung den Ländern keinen Raum für eigene Rechtsetzung läßt. Der gegenteiligen Auffassung des Hessischen Ministerpräsidenten kann nicht gefolgt werden. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung umfaßt nach § 3 Abs. 1 EGStPO alle Strafsachen, die vor die ordentlichen Gerichte gehören. Sie ist aber auch ihrem Inhalt nach vollständig. Soweit der Bundesgesetzgeber in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht den dort näher bezeichneten Personen gewährt, dabei eine Veröffentlichung strafbaren Inhalts voraussetzt und die Möglichkeit der Bestrafung eines Redakteurs zur Bedingung erhebt, ordnet er damit - nach der zugrundeliegenden Gesetzgebungstechnik - gleichzeitig an, daß es, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, im Grundsatz bei der allgemeinen und uneingeschränkten Aussagepflicht des Zeugen bewenden soll (ebenso ![]() ![]() | |
Allerdings hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in zwei Entscheidungen ausgesprochen, daß § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO keine erschöpfende Regelung enthalte (BVerfGE 20, 162 [189]; 25, 296 [305]). Diese Aussage steht jedoch mit der oben getroffenen Feststellung nur scheinbar in Widerspruch. Sie darf nicht aus dem Zusammenhang gelöst werden, der ihren Sinngehalt entscheidend bestimmt. Danach sollte sie nicht auf eine gesetzliche Regelungslücke aufmerksam machen, sondern lediglich klarstellen, daß der Richter, der strafprozessuale Zwangsmaßnahmen erwägt, in seine Prüfung auch die Überlegung einzubeziehen hat, ob die Verfassung die nach dem Strafprozeßrecht gegebene Rechtslage im Einzelfall modifiziert. Eine Begrenzung des Aussagezwangs, die über § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO hinausgeht, kann sich nach fallbezogener Abwägung der widerstreitenden Interessen ausnahmsweise unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Das läßt jedoch die generelle Geltung der typisierenden Gesetzesnorm des einfachen Rechts unberührt (vgl. zur Einwirkung des Art. 4 Abs. 1 GG auf den Eideszwang: BVerfGE 33, 23 [32, 34]; zum Zeugnisverweigerungsrecht der Sozialarbeiter: BVerfGE 33, 367 [374 f.]) und stellt ihre Vollständigkeit als gesetzliche Regelung nicht in Frage. Vor allem können hieraus keine kompetenzrechtlichen Folgerungen gezogen werden. Die Länder sind nicht berechtigt, Gesetzgebungsbefugnisse dort in Anspruch zu nehmen, wo sie im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eine abschließende Bundesregelung für unzulänglich und darum reformbedürftig erachten. Das Grundgesetz weist ihnen nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundes "nachzubessern". Erweist sich eine vollständige bundesrechtliche Regelung im Hinblick auf eine höherrangige Grundrechtsverbürgung oder institutionelle Garantie der Verfassung als unzureichend, so ist es Sache des Bundesgesetzgebers, aufgrund seiner Zuständigkeit eine Änderung vorzunehmen, die Abhilfe schafft. Kompetenzrechtlich bleibt aber die Materie mit ![]() ![]() | |
C. | |
Diese Entscheidung ist mit sieben Stimmen gegen eine Stimme ergangen.
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(gez.) Seuffert, Dr. v. Schlabrendorff, Dr. Geiger, Hirsch, Dr. Rinck, Dr. Rottmann, Wand
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Vizepräsident ist durch Erkrankung an der Unterschrift verhindert. Dr. v. Schlabrendorff
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