BVerfGE 27, 71 - Leipziger Volkszeitung
1. Das in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit), steht als selbständiges Grundrecht gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit.
2. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen. Sie verliert diesen Charakter nicht durch rechtliche, gegen die Verbreitung gerichtete Maßnahmen.
3. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt nicht nur ein aktives Handeln zur Informationsverschaffung, sondern ebenso die schlichte Entgegennahme von Informationen.
4. Zur Güterabwägung zwischen der Informationsfreiheit und den eine Verfassungsgefährdung abwehrenden Strafvorschriften als allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG bei der Einziehung.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 3. Oktober 1969
- 1 BvR 46/65 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn ... gegen den Beschluß des Landgerichts Lüneburg vom 21. Mai 1964 - 2 c Js 4923/61 - 4 AR 5742/64 -.
Entscheidungsformel:
Der Beschluß des Landgerichts Lüneburg vom 21. Mai 1964 - 2 c Js 4923/64 - 4 AR 5742/64 - verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben; die Sache wird an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.
 
Gründe:
 
A. - I.
1. Nach dem Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 - BGBl. I S. 607 - (im folgenden: Überwachungsgesetz - GÜV -) haben die Post- und Zollbehörden sicherzustellen, daß Gegenstände (z.B. Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Informationsdienste) nicht in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, wenn ein Strafgesetz ihre Einfuhr oder Verbreitung aus Gründen des Staatsschutzes verbietet. Zu diesem Zweck sortieren die Post- und Bahnbehörden alle Sendungen insbesondere aus der DDR aus, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen diese Gesetze bestehen. Diese Behörden leiten die verdächtigen Postsendungen an die Hauptzollämter weiter, die zur Öffnung und Durchsuchung befugt sind. Bleibt dabei der Verdacht bestehen, daß die Sendungen gegen ein aus Gründen des Staatsschutzes erlassenes Strafgesetz verstoßen, werden sie von den Hauptzollämtern an die Staatsanwaltschaft übersandt, die gegebenenfalls nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung die Einziehung der Sendung beantragt. Endgültig zurückgehalten werden darf eine Sendung aber nur dann, wenn ein Strafgericht die Einziehung ausgesprochen hat. Die Einziehung wird meist im objektiven, nicht gegen einen bestimmten Täter gerichteten Verfahren angeordnet und betrifft dabei in der Regel nicht nur das wegen eines Verstoßes gegen die Strafgesetze beanstandete Einzelexemplar der Schrift, sondern die gesamte Auflage.
In den letzten Jahren sind Millionen von Schriften eingezogen worden, deren größerer Teil in der DDR hergestellt wurde. Eingezogen wurden dabei neben eigens für den Versand in die Bundesrepublik hergestellten Broschüren und Zeitschriften auch Zeitungen und sonstige regelmäßig in der DDR erscheinende Schriften. Im Januar 1966 wurden von 548 333 untersuchten Schriften 537 957 zurückgehalten; im Januar 1967 waren es von 401 980 untersuchten Briefen und 93 993 untersuchten Drucksachen 391 849 Briefe und 92 506 Drucksachen (vgl. Prot. der 79. Sitzung des BTSonderaussch. für die Strafrechtsreform, 5. Wp., S. 1595).
Auf Grund des Art. 8 des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1968 (BGBl. I S. 741) in der Fassung des Gesetzes vom 31. März 1969 (BGBl. I S. 269) unterliegen DDR-Zeitungen und -Periodika zur Zeit nicht mehr der Einziehung, soweit sie im Postzeitungsdienst oder über den Handel bezogen werden.
2. Der Beschwerdeführer ließ sich im Jahre 1964 von Bekannten Tageszeitungen aus der DDR zu Informationszwecken per Post nach Münster i. W. zusenden. Eine Sendung enthielt ein Exemplar der Nr. 126/1964 der "Leipziger Volkszeitung" vom 8. Mai 1964. Diese Sendung wurde bei einer Kontrolle nach dem Überwachungsgesetz in Braunschweig angehalten, von Beamten des dortigen Hauptzollamtes geöffnet und an die Staatsanwaltschaft Braunschweig weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft hielt die Sendung zurück. Anfang Juni 1964 beantragte der Beschwerdeführer, die Staatsanwaltschaft möge das beschlagnahmte Zeitungsexemplar freigeben, da es ihm ein Bekannter zur persönlichen Information geschickt habe. Darauf teilte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer mit, die fragliche Ausgabe sei gerichtlich eingezogen worden. Der Beschwerdeführer forderte unverzüglich eine Abschrift dieses Beschlusses an. Im September 1964 erhielt er eine Abschrift eines Einziehungsbeschlusses des Landgerichts Braunschweig, der sich jedoch auf eine andere Druckschrift bezog. Nachdem der Beschwerdeführer dies beanstandet hatte, teilte ihm die Staatsanwaltschaft mit, die an ihn gesandte Nummer der "Leipziger Volkszeitung" sei durch Beschlüsse der Landgerichte Frankfurt und Lüneburg allgemein eingezogen worden. Auf Anforderung wurde dem Beschwerdeführer am 31. Dezember 1964 eine Abschrift des Beschlusses des Landgerichts Lüneburg vom 21. Mai 1964 übersandt.
3. In diesem Beschluß hatte das Landgericht Lüneburg die "Leipziger Volkszeitung" Nr. 126 vom 8. Mai 1964 wegen Verstoßes gegen §§ 42, 47 BVerfGG, §§ 128, 94, 90a StGB eingezogen. In den Gründen des Beschlusses wird auch noch § 97 StGB als verletzte Strafnorm bezeichnet. Der Beschluß ist rechtskräftig seit dem 15. Juni 1964.
Zur Begründung führte das Landgericht aus, die Schrift stamme von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands - SED - in der DDR. Mit der Übersendung sollten Bestrebungen der von der SED gelenkten, illegal tätigen KPD gefördert werden, die auf die Einführung der in der DDR bestehenden Gewalt- und Willkürherrschaft in der Bundesrepublik gerichtet seien (§ 88 Abs. 2 Nr. 6 StGB in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951 [BGBl. I S. 739]). Die Schrift sei zur Verbreitung in die Bundesrepublik eingeführt worden. Damit liege ein Verstoß gegen die im Tenor des Beschlusses genannten Strafvorschriften (§§ 42, 47 BVerfGG, §§ 128, 94, 90a StGB) vor. Die Voraussetzungen für eine Einziehung nach §§ 86, 98 StGB seien somit gegeben.
Eine Begründung, ob einzelne Artikel der Zeitung zu beanstanden seien oder ob schon durch die Übersendung ohne Rücksicht auf den Inhalt die KPD gefördert werde, enthält der Beschluß nicht. Er ist auf einem vorgedruckten Formular gefertigt, bei dem lediglich Titel und Nummer der Zeitung eingesetzt sowie die wahlweise neben der SED als Urheber benannten FDGB - GDSF - DFD - gestrichen sind.
Die Entscheidung des Landgerichts erging im objektiven Verfahren nach §§ 430 ff. StPO (nunmehr ersetzt durch §§ 440 ff. StPO in der Fassung des Art. 2 Nr. 16 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - EGOWiG - vom 24. Mai 1968 [BGBl. I S. 503]), da eine bestimmte Person nicht verfolgt werden könne, insbesondere nicht der Absender in der DDR. Anhaltspunkte für die Strafbarkeit eines Adressaten in der Bundesrepublik seien nicht gegeben. Die Absender könnten zur Hauptverhandlung nicht geladen werden, die Adressaten hätten keinen Anspruch auf Aushändigung der aus dem Verkehr gezogenen Postsendungen. Einziehungsbeteiligte i. S. des § 431 Abs. 2 StPO seien daher nicht vorhanden.
II.
Mit der am 22. Januar 1965 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verletzung der Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG durch den Beschluß des Landgerichts Lüneburg vom 21. Mai 1964.
1. Das Landgericht habe, so trägt er zur Begründung vor, nicht geprüft, ob der Inhalt der Zeitung verfassungsfeindlich sei und ob der Absender mit der Übersendung verfassungsfeindliche Bestrebungen gefördert habe. Die rein formelhafte Begründung lasse auch keine Berücksichtigung des Grundrechts auf freie Information erkennen. Dieses Grundrecht diene dazu, ein "Maximum an Einsatzpunkten im politischen Meinungsprozeß" zu erhalten. Der individuelle Bezug von Schriften - auch verfassungsfeindlichen Inhalts - müsse daher möglich sein. Wie der Einzelne sich durch Rundfunk- und Fernsehsendungen aus der DDR informieren könne, so müsse dies auch durch das Lesen von in der DDR erscheinenden Zeitschriften möglich sein. Durch die Einziehung aller Stücke der Zeitung werde die Informationsfreiheit derer verletzt, die die Zeitung bewußt zu Informationszwecken bezögen. Es handele sich nicht um die Abwehr von Massensendungen, deren Verbreitung sonst nicht kontrollierbar sei. Auch gehöre die beschlagnahmte Zeitung nicht zu den speziell für die Agitation in der Bundesrepublik hergestellten Schriften. Die "Leipziger Volkszeitung" sei eine in erster Linie für die Verbreitung in der DDR bestimmte Lokalzeitung.
2. In seinem am 22. Februar 1965 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Schriftsatz rügt der Beschwerdeführer ausdrücklich, auch in seinem Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Das Landgericht gehe davon aus, Adressaten von Postsendungen seien am objektiven Einziehungsverfahren nicht beteiligt. Dabei verkenne es, daß das Informationsrecht dem Adressaten eine solche Beteiligtenstellung unabhängig von der sonstigen Rechtslage verschaffe.
III.
Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Justiz geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Rüge aus Art. 103 Abs. 1 GG für unzulässig, im übrigen für unbegründet.
1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs sei verspätet, da sie erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erhoben worden sei. Es handele sich nicht um eine bloße Ergänzung früheren Vorbringens in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht.
2. Im übrigen sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Das Grundrecht der Informationsfreiheit sei nicht verletzt. Bei der Einziehung einer Druckschrift im Strafverfahren gehe es nicht unmittelbar um die Grenzen der freien Unterrichtungsmöglichkeit, sondern in erster Linie um die Grenzen der freien Meinungsäußerung. Die Informationsfreiheit werde nur mittelbar betroffen, weil eine rechtskräftig eingezogene Druckschrift keine "allgemein zugängliche Quelle" i.S. von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG darstelle. Die Feststellung des Landgerichts, die Einfuhr der Zeitung verstoße gegen Strafgesetze, könne vom Bundesverfassungsgericht nur auf Willkür überprüft werden. Anhaltspunkte dafür seien nicht gegeben. Auf die tatsächlichen Behauptungen des Beschwerdeführers, die Zeitung sei weder inhaltlich noch nach ihrer Verbreitungsmöglichkeit geeignet, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu fördern, komme es daher ebensowenig an wie auf die Frage, ob es sich um eine Massensendung oder um eine Einzelsendung gehandelt habe. Die "Leipziger Volkszeitung" sei das Organ der Bezirksleitung Leipzig der SED. Sie gehöre zu den größeren Tageszeitungen der DDR und habe im allgemeinen nur einen unwesentlichen lokalen Teil. Sie propagiere neben der Zeitung "Neues Deutschland" von allen sowjetzonalen Zeitungen am umfassendsten die Politik der SED und gehöre zu den am häufigsten zu Zersetzungszwecken in die Bundesrepublik versandten Zeitungen.
Falls die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs als zulässig angesehen werden sollte, sei sie ebenfalls unbegründet. Der Beschwerdeführer könne nicht als Beteiligter des Einziehungsverfahrens angesehen werden, da er als Adressat kein Eigentum und auch kein beschränkt dingliches Recht an der Postsendung habe. Die Einräumung einer solchen Rechtsposition und eine damit verbundene Beteiligung am Einziehungsverfahren würde auch bei den oft zu Tausenden eingehenden Massensendungen aus der DDR in der Praxis auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Eine Beteiligtenrolle könne auch nicht unmittelbar aus dem Verfassungsrecht hergeleitet werden. Er sei daher im Einziehungsverfahren in seinem Recht auf freie Unterrichtung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nur mittelbar betroffen.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.
1. Die Rüge, Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, ist verspätet. Die Sachverhaltsdarstellung in der Verfassungsbeschwerde ergibt zwar, daß dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit gegeben worden ist, sich am Einziehungsverfahren zu beteiligen. Die darin gemachten Ausführungen enthalten lediglich einen Bericht über die tatsächlichen Vorgänge bei der Einziehung, lassen aber nicht erkennen, daß der Beschwerdeführer sich durch die Verfahrensgestaltung in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt fühlt und eine Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht herbeiführen will. Da der Beschwerdeführer die Rüge der Verweigerung rechtlichen Gehörs erstmals nach Fristablauf erhoben hat, kann dieser Sachverhalt nicht mehr zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht werden (BVerfGE 18, 85 [89]).
2. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
Der Beschwerdeführer wird durch den Einziehungsbeschluß des Landgerichts Lüneburg unmittelbar rechtlich betroffen, weil dieser Beschluß alle aus der DDR in die Bundesrepublik eingeführten Stücke der Zeitung einzieht, sich demzufolge auch auf das Exemplar des Beschwerdeführers erstreckt. Dem steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre als Adressat kein Eigentum und kein beschränkt dingliches Recht an dem Gegenstand der Sendung hat und ihm auch gegenüber der Post keine Rechte auf den Gegenstand der Sendung zugebilligt werden (vgl. KMR, Kommentar zur StPO, 6. Aufl., 1966 § 431, Anm. 2 a; Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 21. Aufl., 1965, § 431, Anm. 5 a; jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Beschwerdeführer macht mit der Verfassungsbeschwerde gerade geltend, die Einziehung greife in seine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Rechtsposition, nämlich das Informationsrecht, ein. Dieser Vortrag reicht für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde aus (vgl. BVerfGE 19, 206 [215]). Die noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erforderliche Beschwer (vgl. BVerfGE 21, 139 [143]) liegt auch jetzt noch vor, weil der Beschwerdeführer die an ihn gerichtete Zeitungssendung bis heute nicht erhalten hat.
Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht der Zulässigkeit ebenfalls nicht entgegen. Die in Rechtsprechung und Lehre zum Teil anerkannten Möglichkeiten, auch nach formeller Rechtskraft den Einziehungsbeschluß zu bekämpfen, werden nur den Einziehungsbeteiligten zugebilligt (vgl. Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 432, Anm. 3 a und b; KMR, a.a.O., § 431, Anm. 3 und § 458, Anm. 2 a; jeweils mit weiteren Nachweisen). Dem Adressaten einer Postsendung wird fast einmütig die Stellung als Einziehungsbeteiligter abgesprochen. Damit war die Rechtslage so zweifelhaft, daß dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden konnte, einen der als möglich erörterten Rechtsbehelfe zu ergreifen (vgl. BVerfGE 17, 252 [257]).
 
C. - I.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat bei der Feststellung, die Herstellung und Verbreitung der eingezogenen Zeitung verstoße gegen die im Tenor des Beschlusses genannten Vorschriften, und bei der Anordnung der Einziehung die dadurch betroffene Meinungsfreiheit und Pressefreiheit der Hersteller und Verbreiter dieser Zeitung nicht ausdrücklich in Betracht gezogen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wenn auch der Beschluß nicht erkennen läßt, in welchen einzelnen Ausführungen der Zeitungsartikel die Verfassungsfeindlichkeit erblickt wird, so läßt sich doch dem Zusammenhang der Begründung entnehmen, daß das Landgericht davon ausgegangen ist, mit der Herstellung und Übersendung der Zeitung sollten unter Verstoß gegen die §§ 42, 47 BVerfGG, §§ 128, 94, 90 a StGB Bestrebungen der von der SED gelenkten, illegal tätigen KPD gefördert werden. Bei einer derartigen unmittelbaren Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts der verbotenen KPD ist die Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit wegen der organisationsfördernden Wirkung zulässig und die Anwendung der Strafvorschriften insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 25, 44 [55 ff.]). Zu beanstanden wäre auch nicht, wenn das Landgericht seinen Beschluß zugleich auf den nur in den Gründen, nicht aber im Tenor genannten § 97 StGB (Verunglimpfung von Staatsorganen) gestützt haben sollte. Bei aller zulässigen Schärfe im öffentlichen Meinungskampf kann doch die Art des Angriffs nicht mehr zu tolerierende Wirkungen auslösen (vgl. auch BVerfGE 4, 352 [355 ff.] zur Verfassungsmäßigkeit von § 187 a StGB [Ehrenschutz von Politikern]).
2. Jedoch hat das Landgericht bei der Anordnung der Einziehung die Ausstrahlungswirkung des in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Rechts des Beziehers oder Lesers der Zeitung, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit), nicht berücksichtigt. Durch die strafgerichtliche Einziehungsentscheidung ist der Bereich dieses Grundrechtes insofern berührt, als sie den Zugang von Zeitungen als eines der wichtigsten Informationsmittel verhindert.
Die bei der Schaffung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes verschiedentlich vertretene Ansicht, die Erschwerung des Bezugs von Zeitungen aus der DDR berühre nicht die Grundrechte der Bürger der Bundesrepublik (vgl. die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Gradl, StenBer. der 177. Sitzung des Bundestags vom 29. Mai 1968, S. 9527, und der Abgeordneten Dr. Güde und Dr. Schwarzhaupt in der 85. Sitzung des Sonderausschusses des Bundestags für die Strafrechtsreform vom 8. November 1967, Prot. S. 1698 und 1701), verkennt, daß es sich bei dem Bezug von Zeitungen um einen zweiseitigen Kommunikationsvorgang handelt, der verfassungsrechtlich sowohl durch die Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit als auch durch die Informationsfreiheit gesichert ist. Deshalb trifft ein Eingriff in den Kommunikationsvorgang beide Bereiche.
Die für die Entscheidung des Landgerichts maßgeblichen Vorschriften des Strafrechts (§§ 86, 98 Abs. 2 StGB) sehen eine Einziehung nicht zwingend vor, sondern stellen sie in das Ermessen des Gerichts. Diese Vorschriften als allgemeine, das Grundrecht im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG beschränkende Gesetze müssen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Lichte der Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit gesehen und so ausgelegt werden, daß der besondere Wertgehalt des Grundrechts auf jeden Fall gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 [208 ff.]; 25, 44 [55]). Das Landgericht hätte bei der Ausübung seines Ermessens eine Güterabwägung zwischen den durch das Grundrecht der Informationsfreiheit geschützten Interessen und den durch die Strafvorschriften geschützten Rechtsgütern vornehmen müssen. Hierfür sind zunächst Inhalt und Tragweite des Grundrechts näher zu bestimmen.
II.
1. Die deutsche Verfassungsgeschichte kennt bis zum Jahre 1945 kein eigenständiges Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Diese Informationsfreiheit fand nach dem zweiten Weltkrieg zunächst Eingang in verschiedene Landesverfassungen (vgl. etwa Art. 11 der Verfassung des ehemaligen Landes Württemberg-Baden vom 28. November 1946; Art. 13 der Hessischen Verfassung vom 1. Dezember 1946; Art. 112 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung vom 2. Dezember 1946) und sodann in das Grundgesetz. Anlaß für die selbständige verfassungsrechtliche Gewährleistung der Informationsfreiheit im Grundgesetz waren die Erfahrungen mit den zur nationalsozialistischen Regierungspraxis gehörenden Informationsbeschränkungen, der staatlichen Meinungslenkung, den staatlichen Abhörverboten für ausländische Rundfunksender und den Literatur- und Kunstverboten.
2. a) Die Informationsfreiheit steht in der grundgesetzlichen Ordnung gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit. Sie ist kein bloßer Bestandteil des Rechts der freien Meinungsäußerung und -verbreitung. Dieses Recht hat zwar den Schutz des Empfangs der Meinung durch andere mit zum Inhalt; der Schutz wird aber allein den Äußernden um ihrer Meinungsfreiheit willen gewährt. Der Empfänger spielt dabei insoweit nur eine passive Rolle. Demgegenüber ist die Informationsfreiheit gerade das Recht, sich selbst zu informieren. Andererseits ist dieses Freiheitsrecht die Voraussetzung der der Meinungsäußerung vorausgehenden Meinungsbildung. Denn nur umfassende Informationen, für die durch ausreichende Informationsquellen Sorge getragen wird, ermöglichen eine freie Meinungsbildung und -äußerung für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft. Schließlich trägt eine freie Presse dazu bei, durch umfassende Informationen den Bürgern die Aufgabe zu erleichtern, sich Meinungen zu bilden und politische Entscheidungen zu treffen (BVerfGE 20, 162 [174]).
Für die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Informationsfreiheit sind danach zwei Komponenten wesensbestimmend. Einmal ist es der Bezug zum demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG: Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen. Daneben weist die Informationsfreiheit eine individualrechtliche, aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Komponente auf. Es gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten, das eigene Wissen zu erweitern und sich so als Persönlichkeit zu entfalten. Zudem ist in der modernen Industriegesellschaft der Besitz von Informationen von wesentlicher Bedeutung für die soziale Stellung des Einzelnen. Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]). Erst mit seiner Hilfe wird der Bürger in den Stand gesetzt, sich selbst die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seiner persönlichen und politischen Aufgaben zu verschaffen, um im demokratischen Sinne verantwortlich handeln zu können. Mit zunehmender Informiertheit erkennt der Bürger Wechselwirkungen in der Politik und ihre Bedeutung für seine Existenz und kann daraus Folgerungen ziehen; seine Freiheit zur Mitverantwortung und zur Kritik wächst. Nicht zuletzt können die Informationen den Einzelnen befähigen, die Meinungen anderer kennenzulernen, sie gegeneinander abzuwägen, damit Vorurteile zu beseitigen und Verständnis für Andersdenkende zu wecken.
Die besondere Bedeutung, die der Informationsfreiheit auch im internationalen Bereich zugemessen wird, zeigt sich in den zwischenstaatlichen Bestrebungen seit 1945, diese Freiheit als eigenständiges Recht zu sichern. Nachdem schon die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1946 die Informationsfreiheit in einem umfassenden Sinn verstanden hatte, der sogar die Äußerungsfreiheit miteinschloß, hat die Generalversammlung der UNO in Art. 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 den Grundsatz niederlegt:
    Jeder hat das Recht der Meinungs- und Äußerungsfreiheit, insbesondere das Recht, wegen seiner Überzeugung nicht beunruhigt zu werden und Nachrichten und Gedanken durch jedes Ausdrucksmittel und unabhängig von Grenzen einzuholen, zu empfangen und zu verbreiten.
Ebenso bestimmt Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950:
    Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein.
b) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt nicht nur ein aktives Handeln zur Informationsverschaffung, sondern ebenso die schlichte Entgegennahme von Informationen. Das Grundgesetz will eine möglichst umfassende Unterrichtung des Einzelnen gewährleisten. Eine "Unterrichtung" ist auch aus Quellen möglich, die ohne Zutun des Empfängers in seinen Wahrnehmungsbereich gelangen. Denn nur der Besitz von Informationen ermöglicht eine selbständige Auswahl. Dieser Aspekt des Auswählenkönnens ist der Grundtatbestand jeder Information. Wäre durch die Informationsfreiheit nicht garantiert, daß Informationsquellen überhaupt an den Einzelnen gelangen, dann wäre er auch daran gehindert, durch aktive Tätigkeit unter ihnen auszuwählen. Mit "sich unterrichten" ist daher auch der rein geistige Vorgang der Aufnahme der Information gemeint. Eine solche "Unterrichtung" des Einzelnen liegt schon dann vor, wenn die Information auf dem Postweg an ihn herangebracht wird. Wird der Zugang auf diesem Weg unterbrochen, so kann einer späteren Berufung auf die Informationsfreiheit nicht entgegengehalten werden, er habe die Druckschrift nicht bestellt, es liege daher kein Eingriff in die Freiheit der "Unterrichtung" vor. Daß sich der Unterrichtungswille unter Umständen erst nach Erhalt der Postsendung aktualisiert, liegt in der Natur dieses Rechts.
c) Die Informationsfreiheit ist verfassungsrechtlich nur dann gewährleistet, wenn die Informationsquelle allgemein zugänglich ist.
Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Informationsquelle technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Zeitungen und andere Massenkommunikationsmittel sind daher von Natur aus allgemein zugängliche Informationsquellen. Sie verlieren die Eigenschaft als allgemein zugängliche Quelle auch dann nicht, wenn durch staatliche Maßnahmen wie Einziehungen, Importverbote oder -beschränkungen die Möglichkeit des allgemeinen Zugangs beeinträchtigt wird. Solche Beschränkungen, die dem ungehinderten Zugang zur Informationsquelle entgegenstehen, beseitigen nicht die Allgemeinzugänglichkeit (vgl. auch Herzog in Maunz-Dürig-Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Rdnr. 89 ff.; Lerche, Stichwort "Informationsfreiheit" in Evangelisches Staatslexikon, 1966, Sp. 785 [786]). Entscheidend ist allein die tatsächliche Art der Abgabe der Information, nicht die staatliche Bestimmung oder Verfügung.
Die Ansicht, die Allgemeinzugänglichkeit werde maßgebend von Hoheitsakten beeinflußt (Hamann, Das Grundgesetz, 2. Aufl., 1961, Anm. B 5 zur Art. 5; Dürig, AöR, Bd. 81, S. 117 [139]; vgl. auch BTDrucks. IV/2476 S. 34 und BTDrucks. V/1319 S. 75), widerspricht dem Zweck der verfassungsrechtlichen Verbürgung der Informationsfreiheit. Dem Einzelnen soll ermöglicht werden, sich seine Meinung auf Grund eines weitgestreuten Informationsmaterials zu bilden. Er soll bei der Auswahl des Materials keiner Beeinflussung durch den Staat unterliegen. Da die Informationsfreiheit infolge ihrer Verbindung mit dem demokratischen Prinzip gerade auch dazu bestimmt ist, ein Urteil über die Politik der eigenen Staatsorgane vorzubereiten, muß das Grundrecht vor Einschränkungen durch diese Staatsorgane weitgehend bewahrt werden.
Die wegen der Neuartigkeit des Grundrechts der Informationsfreiheit besonders bedeutsame Entstehungsgeschichte zeigt ebenfalls, daß die Allgemeinzugänglichkeit allein nach tatsächlichen Kriterien zu bemessen ist. Die Informationsfreiheit wurde gerade als Reaktion auf die nationalsozialistischen Informationsverbote und -beschränkungen verfassungsrechtlich garantiert, um die ungehinderte Unterrichtung auch aus Quellen, die außerhalb des Herrschaftsbereiches der Staatsgewalt der Bundesrepublik bestehen, zu gewährleisten. Wenn die Informationsquelle an irgendeinem Ort allgemein zugänglich ist, mag dieser auch außerhalb der Bundesrepublik liegen, dann kann auch ein rechtskräftiger Einziehungsbeschluß nicht dazu führen, dieser Informationsquelle die Eigenschaft der allgemeinen Zugänglichkeit zu nehmen.
Auch die Gesetzessystematik des Art. 5 GG führt zu demselben Ergebnis. Die Schranke der "allgemeinen Gesetze" in Art. 5 Abs. 2 GG bezieht sich auf alle in Abs. 1 normierten Grundrechte. Für die Informationsfreiheit wäre die Schranke des Abs. 2 aber weitgehend gegenstandslos, wenn der Staat die Allgemeinzugänglichkeit bestimmen und auf diesem Wege den Umfang des Grundrechts beliebig begrenzen könnte.
Eine allgemein zugängliche Quelle verliert diese Eigenschaft auch nicht, wenn sie den Inhalt einer Postsendung bildet. Bei der Frage der Allgemeinzugänglichkeit ist nicht auf das Einzelexemplar abzustellen, sondern auf die gesamte Auflage einer Zeitschrift. Sie bildet die Quelle i. S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Verschaffung des Einzelexemplars ist nur die Konkretisierung der Freiheit, sich zu unterrichten.
III.
1. Hiernach ist die vom Einziehungsbeschluß des Landgerichts betroffene Nr. 126 der "Leipziger Volkszeitung" vom 8. Mai 1964 als eine allgemein zugängliche Quelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Einziehung beeinträchtigt damit die Informationsfreiheit des Beschwerdeführers. Die Einziehungsentscheidung ist aufzuheben, weil das Landgericht die Ausstrahlungswirkung der Informationsfreiheit nicht berücksichtigt hat.
2. Bei der von dem Landgericht auf Grund des hier dargelegten Sinngehalts der Informationsfreiheit vorzunehmenden Abwägung wird das Gericht vor allem folgendes zu berücksichtigen haben:
a) Die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Annahme, eine einzuziehende Schrift verstoße gegen Strafgesetze, bedeutet noch nicht, daß das Informationsrecht zurücktreten muß. Die Güterabwägung zwischen Meinungs- und Pressefreiheit des Herstellers und Verbreiters einer Schrift und den durch die Strafgesetze geschützten Rechtsgütern betrifft eine aktive Tätigkeit, mit der Gefahrenquellen geschaffen werden. Die Informationsfreiheit wirkt sich bei solchen Schriften dagegen erst aus, wenn der allgemeine Zugang zu Informationen schon eröffnet worden ist. Die Grundrechtsposition des unterrichtungswilligen Bürgers erfordert eine besondere Güterabwägung. Nur Gefahren infolge des Informationsvorganges rechtfertigen eine Beschränkung des Einzelnen, der nach der Vorstellung des Grundgesetzes mündig und dazu berufen ist, an der öffentlichen Willensbildung teilzunehmen.
b) Die Zurückdrängung der Informationsfreiheit wird schon ohne weiteres nicht damit gerechtfertigt werden können, daß die Presse der Bundesrepublik genügend über die Verhältnisse in der DDR und die Auffassungen der dortigen Machthaber berichte; denn ein genaues Bild über die in den DDR-Zeitungen enthaltenen Tatsachenberichte und Meinungen läßt sich nur durch unmittelbare Lektüre gewinnen.
Das Informationsrecht hätte auch nicht von vornherein zurücktreten müssen, wenn im Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung schon eine Regelung wie Art. 8 des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes bestanden hätte. Die Freigabe einzelner Empfangswege (Postzeitungsdienst oder Handel) würde allenfalls dann im Hinblick auf die Informationsfreiheit ausreichen, wenn damit faktisch die Allgemeinzugänglichkeit eröffnet würde. Dies ist aber nicht der Fall, weil die DDR auf den freigegebenen Wegen nicht mehr Zeitungen in die Bundesrepublik schickt als bisher (vgl. den Bericht der Bundesregierung vom 12. Februar 1969, BTDrucks. V/3863). Besteht daneben aber faktisch die Möglichkeit, die Zeitungen im einfachen Postwege zu erhalten, so ist das Interesse des Staates an der "Kanalisierung" der Zeitungseinfuhr nicht vorrangig, da jeder einzelne Bürger ein Recht darauf hat, sein Informationsinteresse durchzusetzen.
c) Die Einziehung stützt sich nach dem Tenor des Beschlusses auf Strafvorschriften, die die freiheitliche demokratische Grundordnung selbst schützen. Das gilt auch für § 128 StGB, der zwar umfassend die öffentliche Ordnung schützt, hier allerdings nur unter dem Aspekt des Verfassungsschutzes eingreift, da er die besonderen Gefahren aus der Untergrundtätigkeit einer verbotenen Organisation abwehren soll.
Bei der erforderlichen Abwägung ist nicht isoliert auf die Gefährdung mittels der Wirkung auf den einzelnen Bezieher abzustellen, sondern davon auszugehen, daß diese Schriften in großen Mengen in die Bundesrepublik versandt werden, und daher zu prüfen, ob bei den gegebenen Verhältnissen generell ein Gefährdungseffekt gegeben ist. Andererseits handelt es sich im vorliegenden Verfahren allein um in der DDR erscheinende, in erster Linie für das dortige Publikum bestimmte Presseerzeugnisse und nicht um speziell für Agitationszwecke in der Bundesrepublik hergestellte Schriften. Diese beiden Gruppen sind in ihrem Ausmaß und ihrer Wirkung verschieden zu behandeln. Auch die Diskussion um die rechtliche Zulässigkeit und politische Zweckmäßigkeit der Beschränkung der Einfuhr von Schriften aus der DDR befaßt sich im wesentlichen mit den Tageszeitungen und anderen periodisch erscheinenden Druckschriften aus der DDR. Hierzu wird vielfach die Ansicht vertreten, daß die Gestattung des freien Bezugs von DDR-Zeitungen in ihrer bisherigen Form, solange sie nicht in versteckter Form eigens als Zersetzungsmaterial für die Bundesrepublik ausgestaltet werden, keine erhebliche Gefährdung für unsere Grundordnung darstelle. So verteidigte der damalige Bundesminister der Justiz Dr. Jaeger am 26. Oktober 1966 bei der ersten Beratung eines Gesetzes zur Erleichterung des innerdeutschen Vertriebs von Druckerzeugnissen im Bundestag die geplante, fortbestehende Beschränkung mit dem Ziel der Gegenseitigkeit des Zeitungsaustausches, pflichtete den Gegnern dieser Zielsetzung jedoch darin bei (StenBer. der 67. Sitzung des Bundestags, S. 3175), "daß wir Zeitungen und Zeitschriften der SBZ ohne wirkliche Gefährdung unserer verfassungsmäßigen Ordnung in der Bundesrepublik verbreiten lassen können. Bei ihrem Mangel an echtem Informationswert und bei der Primitivität ihrer Agitation stellen sie derzeit keine wirkliche Gefahr dar" (vgl. auch Protokolle des BTSonderaussch. für die Strafrechtsreform, 5. Wp., S. 79 ff., 150, 158, 169; Protokolle a.a.O., 85. Sitzung, S. 1699).
Weiterhin wird sich das Landgericht mit den Argumenten auseinanderzusetzen haben, mit denen das Landgericht Hamburg (NJW 1967 S. 582 [584 f.]) die Einziehung von SED-Druckschriften abgelehnt hat.
d) Sollte das Landgericht bei der Abwägung einen Vorrang der jedem Bürger zustehenden Informationsfreiheit nicht feststellen können, wird es zusätzlich zu prüfen haben, ob nicht ein spezielles berechtigtes Informationsinteresse Einzelner (vgl. etwa BGHSt 19, 245 [256]) gebietet, zu ihren Gunsten die sich auf alle Exemplare der Zeitung beziehende Einziehung zu beschränken, zumal trotz Vorliegens der Voraussetzungen die Einziehung nach dem Ermessen der Gerichte auch ganz unterbleiben kann.
3. Bereits die Rüge der Verletzung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Mängel in der Anwendung des materiellen Einziehungsrechtes. Daneben kommt Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 11, 234 [238]).
Es kann auch dahinstehen, ob das Grundrecht der Informationsfreiheit eine bestimmte Verfahrensgestaltung erfordert, etwa die Einräumung weiterer Rechtsbehelfe gegen Einziehungsentscheidungen, die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens oder eine weiter gehende Beteiligung des Betroffenen am objektiven Einziehungsverfahren, als sie sich nach herrschender Meinung aus den einschlägigen Bestimmungen (§ 431 Abs. 2 StPO a.F. - nunmehr §§ 440, 431 StPO in der Fassung des Art. 2 Nr. 16 EGOWiG) ergibt.
Dr. Müller, Dr. Stein, Ritterspach, Dr. Haager, Rupp-v. Brünneck, Dr. Böhmer, Dr. Brox, Dr. Zeidler