BVerfGE 158, 282 - Vollverzinsung
Vollverzinsung
1. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes im Steuerrecht ist ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Zinsregelungen als steuerliche Nebenleistungen bedürfen zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden, besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrunds.
2. Der Gesetzgeber kann bei der Auswahl eines Zinsgegenstands und der Bemessung eines Zinssatzes typisierende Regelungen treffen und dabei in erheblichem Umfang die Praktikabilität mit dem Ziel der Einfachheit der Zinsfestsetzung und -erhebung berücksichtigen. Zinsregelungen müssen grundsätzlich in der Lage sein, den mit ihnen verfolgten Belastungsgrund realitätsgerecht abzubilden (Rn. 115). Werden Zinsen als steuerliche Nebenleistungen allein zum Zweck des Vorteilsausgleichs erhoben, muss die Differenzierung nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen werden, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Zins abgegolten werden soll.
3. Die typisierende Festlegung des Zinssatzes ist trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieser Zinssatz unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist.
 
Beschluss
des Ersten Senats vom 8. Juli 2021
- 1 BvR 2237/14 - und - 1 BvR 2422/17 -
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden I.  der S... GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer W..., C..., Dr. M..., M..., P...,  - Bevollmächtigte: ... - 1. unmittelbar gegen a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -,b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2013 - 25 K 6604/12 -,c) den Gewerbesteuerzinsbescheid der Stadt Krefeld vom 17. August 2012 - ... -,2. mittelbar gegen§ 233a in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Abgabenordnung - 1 BvR 2237/14 -, II.  der L... GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer R... und Z..., - Bevollmächtigter: ... - 1. unmittelbar gegen a) den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. August 2017 - 4 ZB 17.279 -,b) das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2016 - Au 6 K 16.686 -,2. mittelbar gegen§ 233a in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Abgabenordnung - 1 BvR 2422/17 -
 
Entscheidungsformel:
1. § 233a der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung der Abgabenordnung vom 1. Oktober 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 3866), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 2131) in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung der Abgabenordnung vom 1. Oktober 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 3866), zuletzt geändert durch Artikel 10 Nummer 17 des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 2878), ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat zugrunde gelegt wird.
2. Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.
3. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2016 - Au 6 K 16.686 - verletzt die Beschwerdeführerin zu II. in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit der Zinsberechnung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 14. Juli 2014 ein Zinssatz von einhalb Prozent für jeden vollen Monat zugrunde gelegt worden ist. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. August 2017 - 4 ZB 17.279 - verletzt die Beschwerdeführerin zu II. in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.
4. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
5. Der Beschwerdeführerin zu II. sind ihre notwendigen Auslagen jeweils zur Hälfte durch die Bundesrepublik Deutschland und den Freistaat Bayern zu erstatten.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die Beschwerdeführerinnen rügen § 233a AO als mittelbar verfassungswidrig, soweit die danach geschuldeten Nachzahlungszinsen auf die festgesetzte Gewerbesteuer mit dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz von 0,5 % pro Monat des Zinslaufs berechnet werden. Gegenstand der Verfassungsbeschwerden ist der Verzinsungszeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 14. Juli 2014.
I.
§ 233a AO regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Die Verzinsung betrifft den Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuer -- bei der Gewerbesteuer mit Ablauf des Erhebungszeitraums -- und ihrer Festsetzung (Grundsatz der Vollverzinsung). Der Zinslauf beginnt allerdings nicht bereits mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern erst nach einer zinsfreien Karenzfrist von grundsätzlich 15 Monaten. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 AO für jeden vollen Monat des Zinslaufs 0,5 %.
1. Die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 AO ist in der Abgabenordnung in den §§ 233 bis 239 geregelt. Nach § 233 Satz 1 AO werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Von der Verzinsungspflicht ausdrücklich ausgenommen sind nach § 233 Satz 2 AO Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 4 AO sowie entsprechende Erstattungsansprüche, weshalb insbesondere keine Zinseszinsen erhoben werden.
a) Die §§ 233a bis 237 AO enthalten verschiedene allgemeine Verzinsungstatbestände, die aufgrund der Funktion der Abgabenordnung als Mantelgesetz grundsätzlich für alle Steuerarten in ihrem Anwendungsbereich (vgl. § 1 AO) gelten, soweit in den Einzelsteuergesetzen oder in den Verzinsungsvorschriften selbst nichts Abweichendes geregelt ist. Der hier angegriffene § 233a AO regelt die sogenannte Vollverzinsung und bestimmt, dass Steuernachforderungen und Steuererstattungen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Fälligkeit grundsätzlich nach Ablauf von 15 Monaten nach Steuerentstehung bis zu ihrer Festsetzung verzinst werden.
Von der Verzinsung erfasst werden nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO nur die dort abschließend aufgezählten Steuerarten der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Hierbei handelt es sich um sogenannte Veranlagungssteuern, bei denen regelmäßig ein längerer Zeitraum zwischen dem Entstehen der Steuerschuld und ihrer Festsetzung durch einen Steuerbescheid liegt. Maßgebend für die Zinsberechnung ist nach § 233a Abs. 3 Satz 1 AO die endgültig festgesetzte Steuer, vermindert um die gesetzlich bestimmten Abzugsbeträge (Unterschiedsbetrag).
b) Die Abgabenordnung 1977 enthielt in den §§ 234 ff. zunächst nur Teilverzinsungstatbestände, die die Verwirkung von Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen regelten. Die Einführung einer allgemeinen Verzinsung auch für den Zeitraum bis zur Festsetzung einer Steuer war zunächst zurückgestellt worden. Erst sollten die dafür erforderlichen verwaltungsmäßigen Voraussetzungen in den Ländern geschaffen werden (vgl. Stenographischer Bericht der 203. Sitzung des 7. Deutschen Bundestags vom 27. November 1975, S. 14051D; BTDrucks 7/4292, S. 49). Die Vollverzinsung wurde sodann durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093) eingeführt. Nach der Gesetzentwurfsbegründung dient sie dem aus dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot abgeleiteten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der eine möglichst gleichmäßige Behandlung der Steuerpflichtigen gebietet (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 117). Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen soll einenAusgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194).
c) § 233a AO wirkt sowohl zugunsten (im Fall der Steuererstattung) wie zuungunsten (im Fall der Steuernachforderung) der Steuerpflichtigen. Darauf, ob sie tatsächlich einen Zinsvorteil oder -nachteil durch die späte Steuerfestsetzung erzielt haben, kommt es nicht an. Auch die Gründe für die späte Steuerfestsetzung und insbesondere, ob die Steuerpflichtigen oder die Behörde hieran ein Verschulden trifft, sind für die Anwendung des § 233a AO unerheblich (vgl. insoweit BFH, Beschluss vom 1. September 2008 - IV B 137/07 -, Rn. 30 m.w.N.).
Der Zinslauf, für den die Zinsen berechnet werden, beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Diese sogenannte Karenzzeit orientiert sich an der längst möglichen allgemeinen Verlängerung der Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen und soll dafür sorgen, dass die Erfüllung der Erklärungspflichten durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater sowie die während dieser Zeit durchgeführten Veranlagungen durch die Finanzämter von der Verzinsung verschont bleiben (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195). Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer entstehen als Jahressteuern mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungs- beziehungsweise Erhebungszeitraums. Dies ist grundsätzlich das Kalenderjahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Bei den genannten Jahressteuern bestimmt daher der Zeitpunkt der Steuerentstehung auch den Beginn der Karenzzeit. Bei einer Karenzfrist von 15 Monaten beginnt der Zinslauf mithin am 1. April des übernächsten Jahres nach der Entstehung des Steueranspruchs (vgl. Oosterkamp, in: Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, § 233a Rn. 21 [April 2021]). Der Zinslauf endet nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
2. Höhe und Berechnung der Zinsen sind für alle Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung einheitlich in § 238 AO geregelt. Der Zinssatz von 0,5 % pro Monat gilt damit nicht nur für die Berechnung der Zinsen nach dem insoweit mittelbar mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen § 233a AO, sondern auch für die Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234 bis 237 AO. Darüber hinaus findet § 238 AO Anwendung, soweit Einzelsteuergesetze oder sonstige Vorschriften auf ihn verweisen.
a) § 238 AO und insbesondere die in Abs. 1 Satz 1 geregelte Zinshöhe sind seit der Einführung der Vorgängerregelung, dem § 5 Steuersäumnisgesetz (StSäumnG), mit dem Steueränderungsgesetz 1961 (BGBl I S. 981) nahezu unverändert geblieben. § 5 Abs. 1 StSäumnG sah erstmals seit dem Steueranpassungsgesetz vom 16. Oktober 1934 wieder einen gesetzlichen Zinssatz für das gesamte Steuerschuldrecht vor (vgl. Dust, Der Zinssatz im Steuerschuldverhältnis, 2019, S. 191), das allerdings zu diesem Zeitpunkt lediglich Stundungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen kannte (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 33). Die Zinshöhe von monatlich 0,5 % begründete der Gesetzgeber nicht (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 33, 35).
b) § 5 StSäumnG ist unverändert als § 238 in die Abgabenordnung 1977 vom 16. März 1976 (BGBl I S. 613 [667]) übernommen worden. Der Gesetzentwurf zur Abgabenordnung zeigt zwar die Reformbedürftigkeit des bisherigen Zinsrechts insbesondere im Hinblick auf die schon damals diskutierte Einführung einer Vollverzinsung auf, verhält sich im Übrigen jedoch nicht zu der bisher in § 5 StSäumnG geregelten Zinshöhe (vgl. BTDrucks VI/1982, S. 96, 171 f.). In dem Bericht der Bundesregierung über die Möglichkeit der Einführung einer Vollverzinsung im Steuerrecht (Bericht über die Vollverzinsung) vom 6. Januar 1978 wird die Frage der Höhe des Zinses als noch offenes Problem aufgeführt. Es bleibe zu prüfen, ob ein einheitlicher Zinssatz für Soll- und Habenzinsen oder ein fester beziehungsweise ein den Marktbedingungen entsprechender Zinssatz bestimmt werden solle. Erörtert wurde auch eine Anpassung an den Diskontsatz (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13).
In der Gesetzentwurfsbegründung zum Steuerreformgesetz 1990 wird zur Höhe des Zinses lediglich ausgeführt, dass auch für die Vollverzinsung am festen Zinssatz des geltenden Rechts (§ 238 AO) aus Gründen der Praktikabilität festgehalten werde (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194). Gleichzeitig wurde die Verzinsungsdauer auf vier Jahre begrenzt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Außenprüfungen aus Gründen, die die Steuerpflichtigen nicht zu vertreten haben, bei Großbetrieben und Konzernen häufig erst lange Zeit nach Ablauf des Steuerjahres durchgeführt werden könnten. Durch die zeitliche Begrenzung des Zinslaufs sollten diese Steuerpflichtigen für die Verzinsung so gestellt werden, als sei die Steuerfestsetzung aufgrund der Außenprüfung zeitnah erfolgt (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195).
Etwaige nachteilige Auswirkungen der Vollverzinsung sollten allerdings nicht nur durch die Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten sowie durch die Begrenzung des Zinslaufs auf vier Jahre weitgehend vermieden werden (vgl. Erster Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 11/2536, S. 60). Aufgrund kritischer Einwände der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens angehörten Wirtschaftsverbände wurde über § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, § 12 Nr. 3 EStG und § 10 Nr. 2 KStG zudem die steuerliche Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen, die bislang nur für Betriebssteuern vorgesehen war, nunmehr auch für Personensteuern ermöglicht, was die Einführung der Vollverzinsung erleichtern sollte (vgl. BTDrucks 11/2536, S. 22 f., 60, 78, 89).
c) Die Begrenzung des Zinslaufs auf vier Jahre wurde durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 (BGBl I S. 2601) im Interesse der Besteuerungsgerechtigkeit und zur Vereinfachung der Zinsberechnung nach § 233a AO wieder abgeschafft. Für Steuerpflichtige bestehe jedoch die Möglichkeit, die Steigerung der Zinsbelastung dadurch zu vermeiden, dass sie die zu erwartende Steuernachforderung bereits während der noch laufenden Außenprüfung freiwillig an das Finanzamt zahlten. In diesem Fall würden die auf den Zeitraum nach Eingang der freiwilligen Zahlungen entfallenden Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen erlassen (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 48).
Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen auf Personensteuern wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999 S. 402) mit Wirkung ab dem Jahr 1999 wieder abgeschafft (vgl. auch § 12 Nr. 3 EStG, § 10 Nr. 2 KStG). Die Einführungsphase der Vollverzinsung sei vorbei und der Zweck des Sonderausgabenabzugs erreicht. Es sei zudem systemwidrig und widersprüchlich, wenn wegen verspäteter Entrichtung von Personensteuern an das Finanzamt gezahlte Zinsen zum Abzug zugelassen seien, Zinsen für einen Kredit zur rechtzeitigen Zahlung dieser Steuern dagegen nicht. Der Wegfall des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG diene nicht zuletzt auch der Steuervereinfachung (vgl. BTDrucks 14/23, S. 174 f.). Der durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BGBl 2007 I S. 1912) eingeführte § 4 Abs. 5b EStG führte dazu, dass nunmehr auch Nachzahlungszinsen auf die Gewerbesteuer ebenso wie die Gewerbesteuer selbst für Erhebungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2007 enden, nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (vgl. Tiede, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rn. 1970 [Dezember 2019]). Einzig Nachzahlungszinsen auf die Umsatzsteuer sind bis heute grundsätzlich steuerlich abziehbar.
3. § 233a und § 238 AO in ihrer aktuellen Fassung lauten wie folgt:
4. a) Von der Erhebung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sind in der Praxis insbesondere Steuerpflichtige betroffen, die sogenannte Gewinneinkünfte, also vor allem gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte, erzielen. Bei diesen Steuerpflichtigen ist gemäß § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung ohne Weiteres zulässig. Sie führt in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle zu steuerlichen Mehrergebnissen zugunsten der Finanzverwaltung sowie im Fall der hier relevanten Gewerbesteuer zugunsten der hebeberechtigen Gemeinden und zum Erlass entsprechender (geänderter) Steuerbescheide. Häufig von der Erhebung von Nachzahlungszinsen betroffen sind auch Steuerpflichtige, deren Besteuerungsgrundlagen gemäß § 179 Abs. 1 AO gesondert festgestellt werden oder bei deren Besteuerung in anderer Weise Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO auszuwerten sind.
Bei den übrigen Steuerpflichtigen, die in einem überschaubaren Umfang Überschusseinkünfte (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte erzielen, sind die wesentlichen Veranlagungsarbeiten des Finanzamts im Regelfall innerhalb der Karenzzeit abgeschlossen, ohne dass mit einer späteren Änderung der Steuerbescheide gerechnet werden muss.
b) Ausweislich der Stellungnahmen der Bundesregierung vom 29. und 30. Mai 2018 in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren betrugen die Einnahmen aus Nachzahlungszinsen für die Steuerarten Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen- und Umsatzsteuer in den Jahren 2009 bis 2017 zwischen 2,9 und 4,1 Milliarden Euro jährlich. Diesen Einnahmen standen Ausgaben für Erstattungszinsen zwischen 2 und 3 Milliarden Euro gegenüber. Während sich bis ins Jahr 2017 jeweils noch ein Überschuss zwischen 0,4 und 1,2 Milliarden Euro zugunsten des Fiskus ergeben hatte, sank dieser im Jahr 2018 auf 26,1 Millionen Euro. Im Jahr 2019 ergab sich erstmalig ein Defizit von 552,8 Millionen Euro (vgl. BTDrucks 19/18372, S. 3 f.; BTDrucks 19/20836, S. 2 f.), das sich im Folgejahr mit 351,2 Millionen Euro fortsetzte (vgl. BTDrucks 19/26930, S. 3). Ursache dafür dürfte jedenfalls auch sein, dass spätestens seit dem Jahr 2018 vermehrt Rechtsbehelfsverfahren wegen der Zinshöhe anhängig gemacht werden und die Finanzverwaltung seit dem 14. Juni 2018 (vgl. BMF, BStBl I S. 722) auf Antrag der Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen Aussetzung der Vollziehung gewährt (näher unten Rn. 25 f.), so dass insoweit zunächst keine Nachzahlungszinsen gezahlt werden.
Nach der gemeinsamen Stellungnahme des Deutschen Städtetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds vom 29. Mai 2020 haben die Städte und Gemeinden nach Hochrechnungen im Zeitraum 2017 bis 2019 Nachzahlungszinsen auf die Gewerbesteuer von durchschnittlich rund 1,281 Milliarden Euro pro Jahr eingenommen. Dem stehen Ausgaben für Erstattungszinsen von durchschnittlich rund 810 Millionen Euro pro Jahr gegenüber. Im Saldo wurde damit ein Einnahmeüberschuss erzielt, wobei Einnahmen und Ausgaben aus der Vollverzinsung der Gewerbesteuer in den einzelnen Städten und Gemeinden stark schwankten(vgl. Ronnecker, ZKF 2020, S. 174 [174 f.]).
c) Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach einer vorausgegangenen Betriebsprüfung betrifft den in der Praxis bedeutendsten Anwendungsbereich des § 233a AO. Sie führt zu beträchtlichen zusätzlichen Einnahmen (Mehrergebnissen) des Fiskus, die vornehmlich aus geänderten Steuerfestsetzungen der Großbetriebe resultieren, die einer durchgängigen, sämtliche Besteuerungszeiträume umfassenden Prüfung unterliegen. Nach den Statistiken des Bundesamts für Finanzen über die Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung betrug das Mehrergebnis im Bereich der Zinsen nach § 233a AO in den Jahren 2017 bis 2019 zwischen 2,3 und 2,9 Milliarden Euro und machte damit zwischen 16,1 % und 16,7 % des durch Betriebsprüfungen erzielten Mehrergebnisses der Staatskasse aus (vgl. Monatsberichte des BMF November 2018, Oktober 2019 und Oktober 2020, jeweils Analysen und Berichte, Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung 2017, S. 43 f., 2018, S. 31 und 2019, S. 36 f.). Der hohe Anteil der Nachzahlungszinsen am Mehrergebnis der Betriebsprüfungen resultiert insbesondere daraus, dass gerade bei Steuerpflichtigen, die einer Außenprüfung unterliegen, zwischen dem Entstehungszeitpunkt der Steuer und der Fälligkeit einer abschließenden Zahlung nach einer Außenprüfung in der Regel ein langer Zeitraum liegt (vgl. Monatsbericht des BMF Oktober 2020, Analysen und Berichte, Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung 2019, S. 37).
II.
1. Mit Beschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 - hat sich die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts bereits mit der Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung nach § 233a AO befasst. § 233a AO sei mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber halte sich mit der Entscheidung für die Vollverzinsung im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraums. Die Verzinsung von Steuernachforderungen für den Zeitraum von April 2003 bis März 2006 sei auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz verfassungsgemäß. Dass der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt habe, stelle keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen wirke.
2. Nachdem der III. Senat des Bundesfinanzhofs noch im November 2017 die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Nachzahlungszinsen für in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume bestätigt hatte (vgl. BFHE 260, 9), äußerte kurz darauf erstmals der IX. Senat des Bundesfinanzhofs am 25. April 2018 in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Höhe von Nachzahlungszinsen und setzte die Vollziehung des angegriffenen Zinsbescheids aus (vgl. BFHE 260, 431). Der Zinssatz überschreite jedenfalls für Verzinsungszeiträume ab dem1. April 2015 angesichts der zu dieser Zeit bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße. Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei summarischer Prüfung nicht. Das bei ihrer Einführung 1961 zur Begründung angeführte Praktikabilitätsinteresse sowie die Verwaltungsvereinfachung könnten für den Zeitraum ab dem 1. April 2015 angesichts des veränderten technischen Umfelds nicht mehr tragend sein (vgl. BFHE 260, 431 [435 f. Rn. 20 f.]). Auch der Normzweck, bei Steuerpflichtigen den Nutzungsvorteil wenigstens teilweise abzuschöpfen, rechtfertige die Zinshöhe nicht. Dafür müsste es Steuerpflichtigen zumindest möglich sein, die zu zahlenden Zinsen durch Anlage der nicht gezahlten Steuerbeträge oder durch die Ersparnis von Aufwendungen tatsächlich zu erzielen, was wegen der strukturellen Niedrigzinsphase im typischen Fall für den zu beurteilenden Zeitraum jedoch nahezu ausgeschlossen gewesen sei (vgl. BFHE 260, 431 [436 Rn. 23]). Dem Gesetzgeber sei die Notwendigkeit einer Anpassung der Zinshöhe bekannt gewesen. Der Senat habe bereits mit Urteil vom 1. Juli 2014 (BFHE 246, 193) für Verzinsungszeiträume nach dem 21. März 2011 darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus von Verfassungs wegen gehalten sei, zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung zur gesetzlichen Zinshöhe auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten sei (vgl. BFHE 260, 431 [438 Rn. 36 f.]).
Im September 2018 äußerte der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs wiederum in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entsprechende Zweifel auch für den Verzinsungszeitraum von November 2012 bis September 2016 in Bezug auf die Festsetzung von Aussetzungszinsen (vgl. BFH, Beschluss vom 3. September 2018 - VIII B 15/18 -). Mit Beschluss vom 4. Juli 2019 bestätigte er dies für Zinszeiträume ab dem 1. Januar 2012 (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Juli 2019 - VIII B 128/18 -).
3. In Reaktion auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 25. April 2018 (BFHE 260, 431) ordnete das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder mit Schreiben vom 14. Juni 2018 (BMF, BStBl I S. 722) an, dass dieser Beschluss für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 auf Antrag in allen Fällen anzuwenden ist, in denen gegen eine vollziehbare Zinsfestsetzung, der der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO zugrunde liegt, Einspruch eingelegt worden ist. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 (BMF, BStBl I S. 1393) erweiterte das Ministerium in Reaktion auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 3. September 2018 - VIII B 15/18 - seine vorherige Anweisung auf Zinszeiträume ab dem 1. April 2012.
Derzeit ergehen aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Mai 2019 (BMF, BStBl I S. 448) zudem alle erstmaligen und -- unter gewissen Modifikationen -- geänderten oder berichtigten Zinsfestsetzungen, in denen der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO zur Anwendung gelangt, hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Zinssatzes vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 Satz 1 AO. Der Vorläufigkeitsvermerk bezieht sich nicht nur auf Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, sondern umfasst ebenso zugunsten der Steuerpflichtigen festgesetzte Erstattungszinsen sowie sämtliche Verzinsungstatbestände, soweit § 238 AO der Zinsberechnung zugrunde liegt. Eine Beschränkung auf bestimmte Verzinsungszeiträume ist nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 27. November 2019 (BMF, BStBl I S. 1266) hat das Ministerium seine vorherigen Schreiben in Reaktion auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 2019 - VIII B 128/18 - dahingehend angepasst, dass eine Aussetzung der Vollziehung schon für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2012 zu gewähren ist.
Soweit die Gemeinden für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer zuständig sind, sind sie an die vorgenannten, an die Finanzverwaltung gerichteten Schreiben des Bundesministeriums nicht gebunden. Allerdings empfahl der Deutsche Städtetag seinen Mitgliedern am 30. Mai 2018 für den Bereich der Gewerbesteuer, aufgrund der potenziell hohen Fallzahlen eine vorläufige Festsetzung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 165 Abs. 1 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 AO für Veranlagungszeiträume nach dem 31. Dezember 2009 vorzunehmen. Eine Aussetzung der Vollziehung sollte im Regelfall nicht gewährt werden, um mit Blick auf die Haushaltswirkungen einen Gleichlauf bei Erstattungs- und Nachzahlungszinsen sicherzustellen (vgl. Handlungsempfehlung des Deutschen Städtetags vom 30. Mai 2018).
4. Der Gesetzgeber hat sich auch nach Einführung der Vollverzinsung nicht ausdrücklich mit dem Zinssatz nach § 238 AO befasst. Im Oktober 2010 führte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE aus, dass sich der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO trotz des über die Jahre alternierenden Zinsniveaus in mehr als 30 Jahren Praxis bewährt habe (vgl. BTDrucks 17/3383, S. 4 f.). Auf eine weitere Kleine Anfrage dieser Fraktion erklärte die Bundesregierung im Oktober 2014, der Zinssatz von 0,5 % pro Monat liege innerhalb der Grenzen, die für verfassungsrechtlich zulässige Typisierungen entwickelt worden seien. Bei einem Vergleich des gesetzlichen Zinssatzes mit den Marktzinsen seien nicht allein die Zinssätze für Festgeldanlagen, sondern auch die für Dispositions-, Kontokorrent- und Festzinskredite heranzuziehen (vgl. BTDrucks 18/2795, S. 2). Im Jahr 2016 schlug die CDU/CSU-Fraktion im Rahmen der Beratungen zum Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vor, den Vollverzinsungszinssatz befristet auf 0,4 % pro Monat abzusenken. Einzelne Abgeordnete begründeten dies mit der anhaltenden Niedrigzinsphase, die eine Absenkung des Zinssatzes gebiete, um eine bestehende Gerechtigkeitslücke zu schließen. Wenn der Marktzins bei Null liege und die Vollverzinsung bei jährlich 6 %, könne dies auf Dauer nicht funktionieren (vgl. BT-Plenarprotokoll 18/170, S. 16774D, 16775A und 16782B; BT-Plenarprotokoll 18/159, S. 15720B).
Am 16. Februar 2017 haben die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsberechnung nach § 238 AO Stellung genommen. Sie verwiesen auf die Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die zu erkennen gebe, dass sich die Beurteilung für die Veranlagungszeiträume nach 2011 angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase ändern könne (WD 4 - 3000 - 011/17, S. 11).
In Reaktion auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 25. April 2018 (BFHE 260, 431) zeigten sich in Bundestag und Bundesrat vermehrt Initiativen zur Lösung des Problems einer möglichen Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Am 6. Juni 2018 stellte die Fraktion der FDP im Bundestag erfolglos den Antrag, die Bundesregierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf einzubringen, den Zinssatz für Nachzahlungszinsen zeitnah und realitätsgerecht nach unten zu korrigieren und dabei eine Koppelung an einen Referenzzinssatz zu prüfen. Gerade vor dem Hintergrund eines extrem niedrigen Marktzinses sei eine Absenkung des Zinssatzes für Nachzahlungszinsen geboten (vgl. BTDrucks 19/2579, S. 1 f.). Im Bundesrat drängten die Länder Bayern und Hessen auf eine Änderung des Zinssatzes. Am 4. Juli 2018 stellte Bayern einen Antrag zur Entschließung des Bundesrats zur Absenkung des gesetzlichen Zinssatzes auf ein viertel Prozent pro Monat (vgl. BRDrucks 324/18). Es folgte ein Gesetzesantrag Hessens vom 9. August 2018, den Zinssatz ab dem Verzinsungszeitraum 2017 zu senken (vgl. BRDrucks 396/18). Es werde voraussichtlich ab dem Jahr 2022 möglich sein, die Zinsen für die einzelnen Zinsjahre anhand unterschiedlicher, jahresspezifischer Zinssätze zu berechnen. So könne die Verzinsung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis künftig marktreagibel ausgestaltet werden (vgl. BRDrucks 397/18, S. 1 f.).
Mitte Mai 2019 beantragte die Fraktion der FDP, den monatlichen Nachzahlungszinssatz auf ein Zwölftel des Basiszinssatzes im Sinne des § 247 BGB, zumindest aber auf 0,1 % festzulegen. Die Heranziehung eines Basiszinssatzes als Referenz sei eine sachlich richtige Anpassung an marktübliche Bedingungen und gestalte den Zins realitätsnah. Angesichts der auf moderne Datenverarbeitung gestützten Automation in der Steuerverwaltung sei dies praktikabel (vgl. BTDrucks 19/10158, S. 1 f.). Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags empfahl, den Antrag abzulehnen. Der steuerwissenschaftlichen Literatur zufolge sei der Basiszinssatz aufgrund seiner Schwankungen als Vergleichsmaßstab ungeeignet. Sinnvoller wäre es, über Zinssätze "ähnlich wie bei Überziehungszinsen, Verzugszinsen oder Darlehenszinsen zu diskutieren" (vgl. BTDrucks 19/13574, S. 4). In der Folgezeit hat die Fraktion der FDP ihren Antrag noch mehrfach erfolglos wiederholt (vgl. BTDrucks 19/14883; BTDrucks 19/14909, S. 19 f.; BTDrucks 19/19601, S. 26 f.).
Auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags haben sich erneut mit der Verfassungsmäßigkeit des jährlich 6 %-igen Zinssatzes befasst. Die Argumente in der Literatur, wonach die Zinshöhe verfassungswidrig und anpassungsbedürftig sei, seien berechtigt (WD 4 - 3000 - 126/19, S. 12).
III.
Den Verfassungsbeschwerden liegen Verzinsungen von Gewerbesteuernachforderungen gemäß § 233a in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO aufgrund einer erst mehrere Jahre nach Ablauf der maßgeblichen Erhebungszeiträume durchgeführten und abgeschlossenen Außenprüfung für den Zeitraum vom 1. April 2005 bis zum 20. August 2012 (Verfassungsbeschwerde zu I.) und für den Zeitraum vom 1. April 2007 beziehungsweise vom 1. April 2008 bis zum 14. Juli 2014 (Verfassungsbeschwerde zu II.) zugrunde. Die Rüge der Verfassungswidrigkeit bezieht sich auf Verzinsungszeiträume nach dem 31. Dezember 2009 (Verfassungsbeschwerde zu I.) beziehungsweise nach dem 31. Dezember 2011 (Verfassungsbeschwerde zu II.). Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist damit der Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 14. Juli 2014.
1. Unmittelbarer Gegenstand der Verfassungsbeschwerde zu I. sind ein Bescheid über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO zur Gewerbesteuer sowie die diesen bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Mittelbar richtet sich die Beschwerde gegen § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, soweit er auf die Vollverzinsung nach § 233a AO Anwendung findet.
a) Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die im Ausgangsverfahren beklagte Stadt setzte ihr gegenüber mit Bescheid vom 20. Mai 2005 Gewerbesteuer für den Erhebungszeitraum 2003 in Höhe von zunächst 84.612 Euro fest. In der Zeit vom 30. Oktober 2006 bis zum 2. Februar 2012 führte das Finanzamt bei der Beschwerdeführerin eine Außenprüfung unter anderem für das Jahr 2003 durch. Die Ergebnisse setzte es mit geändertem Gewerbesteuermessbescheid vom 17. August 2012 um. In der Folge änderte die beklagte Stadt auch den Gewerbesteuerbescheid 2003 mit Änderungsbescheid vom 17. August 2012 und setzte gegen die Beschwerdeführerin nunmehr Gewerbesteuer in Höhe von 525.624 Euro fest. Mit dem angegriffenen Gewerbesteuerzinsbescheid vom 17. August 2012 setzte sie zudem Nachzahlungszinsen für den Erhebungszeitraum 2003 in Höhe von insgesamt 194.463 Euro fest. Der Gewerbesteuerzinsbescheid umfasst einen Verzinsungszeitraum vom 1. April 2005 bis zum 20. August 2012.
Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Klage zum Verwaltungsgericht. Sie beantragte, den angegriffenen Zinsbescheid dahingehend zu ändern, dass die Zinsen mit einem Betrag von nicht mehr als 69.127 Euro für den gesamten Verzinsungszeitraum festgesetzt werden. Insoweit ging die Beschwerdeführerin von einem durchschnittlichen Geldmarktzins von 2,05 % pro Jahr in dem streitigen Verzinsungszeitraum aus. Mit dem angegriffenen Urteil vom 22. März 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Kammer habe keine maßgeblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegten Zinssatzes. Zur Begründung verwies sie insbesondere auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Zulassung der Berufung. Sie machte nunmehr geltend, dass § 238 Abs. 1 Satz 1 AO spätestens Ende 2009 hätte angepasst werden müssen und fortan in seiner Anwendung auf § 233a AO verfassungswidrig sei. Mit angegriffenem Beschluss vom 10. Juli 2014 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag ab.
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch die Vollverzinsung mit dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmten Zinssatz.
Steuerschuldner würden je nach dem, wann ihre Steuern festgesetzt würden, unterschiedlich behandelt. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung hätten Steuerpflichtige keinen Einfluss. Der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei nicht mehr realitätsgerecht am typischen Fall orientiert. Jedenfalls stelle die Höhe des Zinses einen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar. Bezogen auf das Regelungsziel, durch die Verzinsung potentielle Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, fehle es an der Verhältnismäßigkeit. Die derzeitige Ausgestaltung der Vollverzinsung sei bereits ab Ende des Jahres 2009 nicht mehr zur Herstellung von Belastungsgleichheit der Steuerschuldner in der Zeit geeignet. Das Festhalten an dem jährlichen Zinssatz von 6 % sei auch nicht erforderlich, um den Zinsvorteil der Steuerpflichtigen und den Zinsnachteil des Steuergläubigers auszugleichen. Die Gesetzgebung verwende in mehreren Fällen flexible, an Marktzinsen orientierte Zinssätze. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Ermittlung eines flexiblen Zinssatzes für Zwecke der Anwendung des § 233a AO schwieriger sein solle. Da begrenzte Härten bei einer Typisierung verfassungsrechtlich unbedenklich seien, reiche es aus, wenn der Zinssatz jeweils für ein ganzes Jahr festgelegt würde. Der maßgebliche Marktzins wäre einer Referenzperiode zu entnehmen, die dem Jahr, für das der gesetzliche Zinssatz gelten solle, in möglichst kurzem Abstand vorausginge. Der Zinssatz zu § 233a AO würde so dem langfristigen Trend des Marktzinses folgen.
2. Die Verfassungsbeschwerde zu II. richtet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die ebenfalls Nachzahlungszinsen nach § 233a AO zur Gewerbesteuer zum Gegenstand haben.
a) Die Beschwerdeführerin ist auch eine GmbH. Mit Gewerbesteuermessbescheiden vom 18. Juli 2008 und vom 19. Juni 2008 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2005 auf 129.050 Euro und für das Jahr 2006 auf 0 Euro fest. Aufgrund einer Außenprüfung änderte das Finanzamt im Jahr 2014 den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2005 auf 669.175 Euro und für das Jahr 2006 auf 583.940 Euro ab. Mit daraufhin geänderten Gewerbesteuerbescheiden jeweils vom 10. Juli 2014 setzte die im Ausgangsverfahren beklagte Gemeinde die Gewerbesteuer für das Jahr 2005 von vormals 412.960 Euro auf nunmehr 2.141.360 Euro und für das Jahr 2006 von vormals 0 Euro auf nunmehr 1.868.608 Euro fest. Gleichzeitig erhob sie Nachzahlungszinsen auf die Gewerbesteuer 2005 für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 14. Juli 2014 in Höhe von insgesamt 751.854 Euro und auf die Gewerbesteuer 2006 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 14. Juli 2014 in Höhe von insgesamt 700.725 Euro. Die Beschwerdeführerin legte jeweils erfolglos Widerspruch ein.
Mit ihrer Klage wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Zinsbescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide, soweit diesen für Verzinsungszeiträume nach dem 31. Dezember 2011 ein verfassungswidriger Zinssatz zugrunde liege. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei vor dem Hintergrund der massiv geänderten wirtschaftlichen Gegebenheiten verfassungswidrig.
Mit angegriffenem Urteil vom 14. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Auch unter Berücksichtigung der Veränderungen auf dem Zinsmarkt bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe. Trotz der bestehenden Niedrigzinsphase liege der gesetzliche Zinssatz nicht außerhalb des Spielraums, der dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zustehe. Dass durch den technischen Fortschritt mittlerweile neue Möglichkeiten für die Zinsberechnung bestünden, hindere den Gesetzgeber nicht, an seinem bisherigen System festzuhalten. Einfache Regelungen dienten auch der Rechtsklarheit und der Vorhersehbarkeit öffentlicher Verwaltungstätigkeit. Wie sich aus der Zins-statistik der Deutschen Bundesbank ergebe, habe der effektive Jahreszins für Kredite an private Haushalte im Zeitraum Januar 2012 bis Juni 2014 zwischen 7,25 % und 6,2 % pro Jahr variiert. Der jährliche Zinssatz von 6 % finde damit noch einen Anknüpfungspunkt in der Realität, auch wenn die §§ 233a, 238 AO überwiegend bei Unternehmen oder Selbstständigen beziehungsweise bei Freiberuflern aufgrund von Außenprüfungen zur Anwendung kommen sollten. Denn Steuerpflichtige mit Einkommen aus unselbstständiger Beschäftigung stellten die Mehrheit und damit keinen atypischen Einzelfall dar. Auch die Anwendung des Zinssatzes auf Unternehmen finde noch einen Anknüpfungspunkt in der Realität. Im Zeitraum Januar 2012 bis Juni 2014 habe sich der effektive Jahreszinssatz für revolvierende Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im Bereich von 5,05 % (Januar 2012) bis 4,52 % pro Jahr (November 2012) und der Zinssatz für allgemeine Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im Bereich von 2,88 % (Januar 2012) bis 2,04 % pro Jahr (etwa im Juni 2014) bewegt.
Im Hinblick auf liquide Steuerschuldner seien neben den Einlagezinsen auch die (unbenannten) Vorteile einzubeziehen, die insbesondere Unternehmen durch eine höhere Liquidität zugutekämen. Bei ihnen könne auch an erzielbare Renditen -- etwa über Investitionen -- angeknüpft werden. Ihr Liquiditätsvorteil könne sich auch mittelbar über das (dann höher) ausgewiesene Eigenkapital vorteilhaft am Kapitalmarkt auswirken. Es sei der typisierenden Regelung eigen, dass sie grundsätzlich unabhängig davon greife, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen sei und ob und inwiefern tatsächlich Liquiditätsvorteile genutzt würden. Die Möglichkeit der Kapitalnutzung beziehungsweise die Verfügbarkeit über einen Kapitalbetrag reichten aus. Der konkrete Zins- beziehungsweise Liquiditätsvorteil hänge von der individuellen Finanzierungsentscheidung der Steuerpflichtigen ab, die ohne erheblichen Aufwand nicht ermittelt werden könne. Eine Typisierung sei daher weiterhin aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt.
Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit angegriffenem Beschluss vom 10. August 2017 ab. Die geltend gemachten Zulassungsgründe lägen nicht vor. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Bundesverfassungsgericht sei bei der Überprüfung der Zinsregelung nach § 233a AO von einem bestehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraum des Gesetzgebers ausgegangen und habe die damit einhergehenden Ungleichbehandlungen für verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -). Es könne nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass derjenige, dessen Steuer später festgesetzt werde, einen Liquiditäts- und damit auch einen Zinsvorteil habe. Bis zum Jahr 2014 hätten sich die Zinsen auch nicht zwingend und auf unabsehbare Zeit in einem (ausschließlichen) Abwärtstrend befunden. Dem stünden die vom Verwaltungsgericht angeführten Zinsstatistiken entgegen sowie die Tatsache, dass Zinsentwicklungen immer ein Produkt einer ungewissen konjunkturellen Entwicklung und nicht vorhersehbarer zinspolitischer Entscheidungen der Notenbanken seien. Typisierende Zinsregelungen seien gerade deshalb gerechtfertigt, weil der Marktzinssatz Schwankungen unterliege und sich der tatsächlich entstehende Zinsvorteil häufig nicht ermitteln lasse. Sie müssten daher nur dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot genügen, wobei in Fällen einzelner Härten ein Billigkeitserlass nach § 227 AO in Betracht komme. Von einer übermäßigen Belastung der Steuerpflichtigen könne auch in Anbetracht der seit der Finanzkrise geltenden ungewöhnlich niedrigen Zinssätze nicht ausgegangen werden. Eine so weitgehende wirtschaftliche Veränderung der Verhältnisse, dass selbst bei Einbeziehung der für den Kreditnehmer ungünstigen Sollzinssätze beziehungsweise der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 0,5 % pro Monat als gänzlich markt- und realitätsfremd und damit als wirtschaftlich unzumutbar erschiene, habe die höchstrichterliche Rechtsprechung auch für den Zeitraum bis Ende 2013 nicht zu erkennen vermocht (BFH, Beschluss vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 [PKH] -). Dass sich an dieser rechtlichen Beurteilung bis Ende Juni 2014 etwas geändert haben könnte, sei nicht ersichtlich. Letztlich werde die Belastung dadurch abgemildert, dass der Zinslauf erst nach der Karenzzeit beginne und angefangene Monate bei der Zinsberechnung außer Betracht blieben.
Die Rechtssache weise auch nicht die geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die streitentscheidende Frage sei durch die höchstrichterliche Rechtsprechung so weit geklärt, dass sich daraus ohne Weiteres die Lösung des vorliegenden Falles ergebe. Allein die Tatsache, dass das steuerrechtliche Schrifttum offenbar weit überwiegend den Gegenstandpunkt vertrete, zwinge das Gericht nicht dazu, die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeit zuzulassen. Gleiches gelte im Ergebnis für die Frage der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, da die grundsätzlichen Rechtsfragen geklärt seien und keine Abweichung in der rechtlichen oder tatsächlichen Bewertung vorliege. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies der Verwaltungsgerichtshof mit nicht angegriffenem Beschluss vom 26. September 2017 zurück.
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber der Abgabenordnung 1977 habe die Zinshöhe von 6 % pro Jahr, die auf das Steueränderungsgesetz 1961 zurückgehe, schlicht übernommen, ohne das damalige Zinsniveau zu reflektieren. Schon aufgrund dieses Begründungsausfalls sei zweifelhaft, ob die Zinsregelung Bestand haben könne. Sie sei jedenfalls durch die tatsächliche Entwicklung des Zins-niveaus überholt und verfassungswidrig geworden. Die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 - habe einen Verzinsungszeitraum vor der bis heute anhaltenden Nullzinsphase betroffen. Seit dem Jahr 2008 sei das Zinsniveau stetig gefallen und verharre seit langem auf niedrigstem Niveau bis hin zu einer negativen Verzinsung größerer Guthaben.
§ 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verletze den allgemeinen Gleichheitssatz. Angesichts der massiven Veränderung des Zinsniveaus aufgrund der nach der Finanzkrise 2008/2009 veranlassten Niedrig- bis Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank bewege sich der Gesetzgeber nicht mehr im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraums. Für die mit der typisierten Festsetzung der Nachzahlungszinsen einhergehenden unterschiedlichen Behandlung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern fehle es an einem hinreichend gewichtigen Differenzierungsgrund. Der besonders weite legislative Einschätzungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Steuergesetze zukomme, sei auf steuerliche Nebenleistungen nicht übertragbar. Die gesetzliche Typisierung sei spätestens für Verzinsungszeiträume nach 2011 nicht mehr realitätsnah am typischen Fall orientiert.
Es habe in dem Verzinsungszeitraum 1. Januar 2012 bis 14. Juli 2014 keine Zinssätze von 6 % pro Jahr gegeben. Das Verwaltungsgericht habe Kreditzinssätze für unterschiedliche Gruppen von Steuerpflichtigen herangezogen, ohne eine Gewichtung vorzunehmen. Der gesetzliche Zinssatz stehe spätestens seit der Stabilisierung der Niedrigzinsphase ab 2012 in starkem Gegensatz zur Zinsentwicklung. Zinsen von 6 % jährlich hätten insbesondere nach Betriebsprüfungen den Charakter von Zusatzsteuern und gingen über den Zweck des § 233a AO der Abschöpfung eines Liquiditätsvorteils hinaus. Um den Belastungsgrund zu bemessen, seien "Sofortzahler" mit Steuerschuldnern zu vergleichen, die denselben Steuerbetrag aufgrund späterer Festsetzung erst später zu entrichten hätten. Der Zinssatz von 6 % pro Jahr verfehle evident den Belastungsgrund. Aber auch die Gruppe der Steuerschuldner, die eine kurzfristige Fremdfinanzierung vornehmen müsse, werde durch den Zinssatz nicht mehr annäherungsweise realitätsgerecht erfasst.
Der Gesetzgeber hätte auf die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase reagieren müssen. Spätestens in 2012 sei aus seiner Beobachtungspflicht eine Anpassungspflicht geworden. Angesichts der jahrelangen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sei zu erkennen gewesen, dass eine Rückkehr zu üblichen Zinsschwankungen um frühere Mittelwerte nicht absehbar, sondern von Dauerniedrigzinsen auszugehen sei. Die Verzinsung verstoße auch gegen das Übermaßverbot. Sie sei von einer zulässigen steuerlichen Nebenleistungspflicht in eine unverhältnismäßige steuerliche Sanktion gekippt.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in der angegriffenen Entscheidung § 124 Abs. 2 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise angewandt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO seien schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt worden sei. Dies sei erfüllt gewesen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei tragend auf den Rechtssatz gestützt, dass die entscheidungserheblichen Vorschriften (§§ 233a, 238 AO) den geltenden Verfassungsmaßstäben (immer noch) gerecht würden. Diese Rechtsauffassung habe sie hinreichend in Zweifel gezogen. Im Hinblick auf die von ihr dargestellte Uneinheitlichkeit der obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere angesichts der steuerrechtlichen Literatur, die die Vollverzinsung nahezu einhellig für verfassungswidrig halte, hätte die Berufung auch wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden müssen. Schließlich hätte der Verwaltungsgerichtshof die Berufung auch nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zulassen müssen. Die Frage, ob der gesetzliche Zinssatz im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Übermaßverbot verfassungswidrig sei, habe grundsätzliche Bedeutung. Dies ergebe sich aus dem andauernden Niedrigzinsniveau sowie daraus, dass vor dem Bundesfinanzhof und dem Bundesverfassungsgericht weitere Verfahren, in denen es um die Frage der Verfassungswidrigkeit dieses Zinssatzes gehe, anhängig seien. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletze sie auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich nicht mit ihrem Vortrag auseinandergesetzt.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben die Bundesregierung, der Bundesfinanzhof, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein e.V., das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V., der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e.V., der Zentralverband des deutschen Handwerks e.V., der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund e.V., Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön, das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH sowie die beklagte Kommune des Ausgangsverfahrens in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu II. Stellung genommen.
1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet und § 233a in Verbindung mit § 238 AO für mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzgeber habe bei der Auswahl des Steuergegenstands und der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Dies gelte auch für steuerliche Nebenleistungen.
Die Zinsregelungen seien mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Ungleichbehandlung von zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern beruhe auf einem hinreichend gewichtigen Grund. Die Verzinsung stelle einen Ausgleich dafür dar, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und erhoben werden. Die Gestaltbarkeit der eigenen Steuererklärung müsse durch eine greifbare Verzinsung flankiert werden. Eine Vergleichbarkeit beider Gruppen sei nicht gegeben, weil der Gesetzgeber das Besteuerungsverfahren bewusst unterschiedlich ausgestaltet habe.
Der Zinssatz nach § 238 AO sei verhältnismäßig. Die vom Bundesverfassungsgericht für den Zinszeitraum 2003 bis 2006 getroffene Entscheidung treffe weiterhin zu. Der mit der Vollverzinsung bezweckte Ausgleich eines angenommenen Liquiditätsvorteils, um Belastungsgleichheit herzustellen, sei ein legitimes Ziel, das durch die Verzinsung als geeignetes Mittel erreicht werden könne. Die Regelung eines festen Zinssatzes für alle Steuerpflichtigen diene der Vereinfachung und Praktikabilität und sei auch unter den Bedingungen des automatisierten Besteuerungsverfahrens erforderlich. Eine Regelung, die eine Anpassung an Marktzinsen vorsehe oder an den Basiszinssatz anknüpfe, würde zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten bei der Zinsberechnung führen, insbesondere wenn der Zinssatz innerhalb eines Berechnungszeitraums für ein und denselben Veranlagungszeitraum variieren würde. Der Gesetzgeber habe gerade in den Fällen der Verschiebung von Besteuerungsgrundlagen durch die Anwendung des einheitlichen Zinssatzes gewährleistet, dass Erstattungs- und Nachzahlungszinsen aufeinander abgestimmt seien.
Die in § 238 AO bestimmte Zinshöhe sei angemessen und stelle eine realitätsgerechte Typisierung für den bezweckten Ausgleich dar. Beim Vergleich des gesetzlichen Zinssatzes mit Kapitalmarktzinssätzen sei zu berücksichtigen, dass der Zinslauf für Steuerforderungen erst nach einer Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs der Steuerentstehung beginne. Die jährliche effektive Zinsbelastung betrage daher nicht von Anfang an 6 %. Außerdem kenne die Abgabenordnung keine Zinseszinsen und auch angefangene Monate blieben bei der Zinsberechnung außer Betracht. Der Gesetzgeber bewege sich bei der typisierten Bemessung des Liquiditätsvorteils und -nachteils innerhalb seiner Gestaltungsbefugnis. Es sei sachgerecht, als Referenzwert für die Bestimmung des angemessenen Zinssatzes insbesondere die "Fremdfinanzierung durch Zahlungsverzug/Kreditgewährung" in den Vordergrund der Betrachtung zu stellen. Der Umstand, dass die Vollverzinsung sowohl zu Gunsten wie zu Lasten der Steuerpflichtigen wirke, zeige, dass sich der Gesetzgeber bei dem von ihm gewählten Zinssatz an "Kredit-/Überziehungszinsen" orientiert habe. Der Gesetzgeber sei berechtigt, auf die Gruppe aller Steuerpflichtigen abzustellen, denen unterschiedliche Anlage- und Finanzierungsformen zur Verfügung stünden. Einen für alle maßgeblichen Zinssatz gebe es nicht. Die Nachzahlungszinsen lägen innerhalb der Spannbreite der Zinsen für Verbindlichkeiten im Neugeschäft bei Banken. Steuernachforderungen im privaten Bereich entsprächen ihrem Wesen nach Konsumentenkrediten. Bei Unternehmen würden die revolvierenden Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften als Referenz herangezogen, da diese die größte banktypische Finanzierungsquelle darstellten. Danach zeige sich, dass für beide Fallgruppen jedenfalls die auf Steuernachforderungen bis zu fünf Jahren erhobenen effektiven Zinsen in den betrachteten Jahren 2010 und 2014 vollständig unterhalb des marktüblichen Finanzierungsniveaus gelegen hätten.
Im Übrigen hätten es Steuerpflichtige selbst in der Hand, die Entstehung von Zinsbelastungen durch eine vollständige Erklärung ihrer Erträge und Aufwendungen, die zeitnahe Erfüllung von Mitwirkungspflichten und die Anpassung von Vorauszahlungen ganz oder zumindest teilweise zu vermeiden. Entrichteten sie die fragliche Steuernachzahlung bereits vor Ablauf der Karenzzeit und Ergehen des Steuerbescheids freiwillig (gegebenenfalls in geschätzter Höhe) und behalte das Finanzamt diese Zahlung, könnten die ab Eingang der Leistungen verwirkten Zinsen aus Billigkeitsgründen erlassen werden.
Im Fall der Verfassungswidrigkeit des § 238 AO sei zu berücksichtigen, dass eine schlichte Absenkung des Zinssatzes für Steueransprüche aus zurückliegenden Veranlagungszeiträumen mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Eine solche müsste zudem aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auf Erstattungszinsen erstreckt werden. Das Bundesverfassungsgericht müsste dazu den nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestehenden Vertrauensschutz zumindest für nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO vorläufig ergangene Zinsfestsetzungen außer Kraft setzen.
2. Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs weist darauf hin, dass der Betrag der zu zahlenden Nachzahlungszinsen bei sich über längere Zeiträume erstreckenden Streitigkeiten wie etwa der Frage der Gewinn- oder Überschusserzielungsabsicht (sogenannte Liebhaberei) bis zu 50 % des ursprünglich streitigen Steuerbetrags ausmachen könne. Es sei zumindest zweifelhaft, ob sich der aus § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ergebende Zinssatz noch verfassungsrechtlich rechtfertigen lasse. Zinsfestsetzungen erfolgten in der Finanzverwaltung fast ausschließlich maschinell. Aus Gründen der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung sei ein Festhalten an einem festen Zinssatz nicht erforderlich. Die gesetzliche Zinshöhe sei nicht realitätsgerecht am typischen Fall orientiert. Die Zinsentwicklung stelle sich spätestens seit 2012 nicht mehr als vorübergehende (volkswirtschaftstypische) Erscheinung mit typischen zyklischen Zinsschwankungen dar, sondern sei struktureller Natur.
Dem Gesetzgeber stehe für die Auswahl des Steuergegenstands und die Bestimmung des Steuersatzes ein weit reichender Entscheidungsspielraum zu. Vor diesem Hintergrund sei die mit der Vollverzinsung verbundene Differenzierung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern grundsätzlich sachlich gerechtfertigt. Ein das gesetzliche Zinsniveau von 6 % pro Jahr abbildender Maßstab für den als Belastungsgrund herangezogenen "Liquiditätsvorteil" oder "potentiellen Zinsvorteil" zugunsten der Steuerpflichtigen sei aber mit Blick auf die seit 2012 andauernde Zinsentwicklung nicht mehr zu finden. Eine kurzfristige Anlage vorhandener, zur Begleichung latent bestehender Steuerschulden vorgehaltener Barmittel erbringe -- jedenfalls seit 2012 -- keine Verzinsung mehr, die auch nur annähernd eine Zinshöhe von 0,5 % für jeden Monat des Zinslaufs rechtfertigen könnte. Für solche Geldanlagen seien 2013 Zinsen in Höhe von 0,39 % bis 0,54 % jährlich gezahlt worden. Umgekehrt rechtfertige auch die aktuelle Marktzinshöhe einer kurzfristigen Fremdfinanzierung durch die (zumeist betrieblich tätigen) Steuerpflichtigen keinesfalls eine Verzinsung in der gesetzlich geschuldeten Höhe. Gerade die Art der Fremdfinanzierung über Betriebsmittelkredite müsste durch die typisierte gesetzliche Zinshöhe abgebildet werden, da es sich bei den betrieblich tätigen Steuerpflichtigen um jene handele, die typischerweise mit Steuernachforderungen im Rahmen einer Betriebsprüfung konfrontiert würden. Der Gesetzgeber sehe die aktuelle Zinshöhe selbst als nicht mehr realitätsgerecht an. Er habe etwa den Verspätungszuschlag ab 2018 dahin neu geregelt, dass nur noch eine typisierte Verzinsung von 0,25 % je angefangenem Monat zugrunde zu legen sei, obwohl im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zunächst erwogen worden sei, sich am Zinssatz des § 238 AO zu orientieren.
Oft hänge die Belastung mit Nachzahlungszinsen vom Zufall ab, wie etwa der Dauer einer Außenprüfung, der Arbeitsbelastung des Finanzamts oder der Länge eines Rechtsbehelfsverfahrens. Steuerpflichtigen stünden in der Praxis keine Mittel zur Verfügung, auf den zeitlichen Ablauf von Außenprüfungen Einfluss zu nehmen. Die mit einer Nachzahlung verbundene Zinslast lasse sich von Seiten der Steuerpflichtigen auch nicht verringern. Eine Anpassung der Vorauszahlungen scheitere daran, dass sich deren Höhe im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung grundsätzlich am Einkommen des Vorjahres, korrigiert um im Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheids voraussehbare Änderungen, bemesse. Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen gingen ins Leere, wenn bereits eine Steuerfestsetzung vorliege. Diese Fallkonstellation sei in Außenprüfungsfällen oder bei der Anpassung an Grundlagenbescheide die Regel. In der Praxis seien auch freiwillige Vorauszahlungen nicht ohne Weiteres möglich. Leisteten Steuerpflichtige freiwillige Zahlungen, die die zum Soll gestellte Zahllast überstiegen, würden diese unverzüglich maschinell auf das Konto der Steuerpflichtigen zurücküberwiesen.
Der X. Senat des Bundesfinanzhofs ist der Auffassung, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz nur in Bezug auf seine Anwendung auf Nachzahlungszinsen nach § 233a AO bestehen. Während diese mitunter überraschend anfielen mit der Folge, dass eine Zinsfestsetzung rein tatsächlich nicht mehr rechtzeitig durch freiwillige Vorauszahlungen verhindert werden könne, hätten Steuerpflichtige in Bezug auf andere Verzinsungstatbestände im Regelfall die Wahl, ob sie die geschuldete Steuer vorerst bezahlten oder Aussetzung der Vollziehung beziehungsweise Stundung beantragten. Auch in Bezug auf Hinterziehungszinsen liege es in der Hand der Steuerhinterzieher, ob die Zinsen überhaupt anfielen. Der III. und V. Senat des Bundes-finanzhofs nehmen Bezug auf die Gründe ihrer Entscheidungen vom 9. November 2017 (BFHE 260, 9) und vom 21. Oktober 2015 - V B 36/15 -.
3. Die Bundessteuerberaterkammer hält die Festlegung des Zinssatzes von 6 % im Jahr nicht mehr für verfassungsgemäß. Für eine Typisierung müsse realitätsgerecht der typische Fall als Leitbild gewählt werden. Der Gesetzgeber müsse deshalb in Abständen überprüfen, ob diese vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen noch realitätsgerecht sei. Unterbleibe dies, könne eine ursprünglich verfassungsgemäße Typisierung in die Verfassungswidrigkeit hineinwachsen. Der Gesichtspunkt der Praktikabilität tauge nur für die Begründung einer Festschreibung des Zinssatzes an sich, sage aber nichts über dessen Höhe aus.
Hinsichtlich der maßgeblichen Vergleichsgruppen könne zunächst zwischen Steuerpflichtigen, die sofort endgültig veranlagt würden, und solchen, die einer Betriebsprüfung unterlägen und zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO veranlagt würden, unterschieden werden. Es sei wahrscheinlich, dass es durch die Vollverzinsung gegenwärtig zu einer strukturell unterschiedlichen Behandlung dieser Gruppen komme. Aus der Praxis werde vermehrt berichtet, dass Steuerpflichtige darauf verzichteten, Feststellungen der Betriebsprüfung zu widersprechen und gerichtlich klären zu lassen, da sie insbesondere das Zinsrisiko scheuten, was das Prinzip effektiven Rechtsschutzes gefährde.
4. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Als objektiver Maßstab dränge sich der Blick auf den in § 247 BGB geregelten Basiszinssatz auf, der ab dem Jahr 2010 bis nahe an die Nulllinie gesunken sei und sich ab 2015 im negativen Bereich verfestigt habe. Eine Verfassungsauslegung, die den Beobachtungs- und Überprüfungsspielraum des Gesetzgebers ernst nehme und die Zeitabläufe für ein Gesetzgebungsverfahren berücksichtige, werde ihm eine Beobachtungs-, Überprüfungs- und Korrekturphase von fünf Jahren zugestehen müssen. Diese hätte Anfang 2010 begonnen und wäre mit Beginn des Jahres 2015 abgelaufen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Basiszinssatz dauerhaft im klar negativen Bereich etabliert und die Bodenbildung im Zinsbereich sei abgeschlossen gewesen. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers zur Neuregelung sei mit Wirkung etwa ab dem Jahr 2015 anzunehmen.
5. Der Deutsche Anwaltverein hält die Verfassungsbeschwerden für begründet. Die §§ 233a, 238 AO verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Übermaßverbot. Das gesetzgeberische Ziel, Steuerpflichtige, deren Steuerfestsetzung zeitnah erfolge, mit solchen Steuerpflichtigen, die erst später zur Steuerzahlung herangezogen werden, durch Abschöpfung des Liquiditätsvorteils wirtschaftlich gleich zu belasten, werde nicht erreicht, wenn die Steuerschuldner, die ihre Steuer wegen einer Nachfestsetzung später zahlen müssten, zusätzlich mit so hohen Zinsen belastet würden, dass sie wirtschaftlich gegenüber Sofortzahlern benachteiligt würden. Die solventen Beschwerdeführerinnen könnten Erträge in Höhe der von ihnen verlangten Zinsen durch kurzfristige Geldanlagen realistischer Weise nicht am Kapitalmarkt erzielen. Der Belastungseffekt werde dadurch verstärkt, dass die Zinsen aus versteuertem Einkommen zu leisten seien, aber keine abzugsfähigen Aufwendungen darstellten.
Für die Festlegung eines starren Zinssatzes bestehe kein vernünftiger Grund. Anders als noch in den 1960er und 1970er Jahren könne spätestens seit 2000/2002 jeder Computer eine Zinsberechnung mit variablen Zinssätzen leisten. Da insoweit keine relevante Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs mehr bestehe, sei kein Vorteil gegeben, der die durch die starre, marktferne Regelung bewirkte Belastung der Steuerschuldner kompensieren könnte.
Mit der Festlegung des Zinssatzes habe der Gesetzgeber einen atypischen Fall als Maßstab zugrunde gelegt. Die Typisierung entspreche nicht mehr dem Leitbild, das dem Gesetzgeber bei wohlwollender Betrachtung unterstellt werden könne (marktnaher Zins, mittlerer Wert zwischen Anlage- und Kreditzins, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des staatlichen Refinanzierungszinses), sondern weiche maßgeblich davon ab. Die für Steuerpflichtige bestehende Möglichkeit, einen Billigkeitserlass zu erwirken, kompensiere die übermäßige Zinsbelastung nicht. Billigkeitsentscheidungen seien kein Korrektiv für strukturelle Defizite einer Regelung.
Der Gesetzgeber sei seiner Überprüfungspflicht seit den 1970er Jahren nicht nachgekommen. Bereits seit 2005 fehle es an einer Rechtfertigung für die Typisierung in Form eines starren Zinssatzes. Schon zuvor sei der starre Verzugszinssatz in § 288 BGB durch einen variablen Zinssatz ersetzt worden. Zum 1. Januar 2002 sei § 247 BGB eingeführt und diverse im Wirtschaftsleben relevante Zinsen wie der Verzugs- und der Prozesszins seien anhand des Basiszinses zu berechnen. Bereits ab dem Jahr 2005 sei die Abweichung des Zinssatzes vom Marktzins so groß gewesen, dass die damit verbundene Ungleichbehandlung zinsverpflichteter und nicht zinsverpflichteter Steuerschuldner nicht mehr gerechtfertigt gewesen sei.
6. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland ist der Auffassung, dass der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Zinssatz nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Übermaßverbot vereinbar ist. Zur Bemessung der abzuschöpfenden Liquiditäts- beziehungsweise Zinsvorteile müssten sowohl Anlage- als auch Kreditzinsen herangezogen werden, wobei vor allem kurz- und mittelfristige Anlage- und Finanzierungsformen in Betracht kämen. Die typische Gruppe der von Nachzahlungen betroffenen Steuerpflichtigen seien Unternehmen und Selbständige, die einer Betriebsprüfung unterlägen. Sie sei daher stärker zu gewichten als die Gruppe der Privatpersonen. Der Nachzahlungsbetrag gehöre im Grunde schon nicht mehr den Steuerpflichtigen, sondern dem Fiskus, so dass Steuerpflichtige das Geld nur sicher anlegen, aber nicht damit spekulieren dürften, so dass auch eine Anlage im eigenen Unternehmen wegen des hohen unternehmerischen Risikos regelmäßig nicht in Betracht komme.
Der Zinssatz liege seit Beginn der Niedrigzinsphase als Folge der weltweiten Finanzkrise von 2008 nicht mehr im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraums und bilde nicht mehr den typischen Fall ab. Das Zinsniveau sei seit Anfang 2009 kontinuierlich gesunken und habe sich spätestens seit 2012 auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Eine angemessene Beobachtungszeit für den Gesetzgeber sei abgelaufen. Die gesamte Bandbreite der Zinsen habe sich nach unten verschoben und zyklische Schwankungen seien zum Erliegen gekommen. Unter den gegebenen Niedrigzinsbedingungen sei die Gesamtheit der Steuerpflichtigen dauerhaft benachteiligt, so dass die Vollverzinsung weder zeitpunkt- noch zeitraumbezogen gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen wirke.
7. Der Bund der Steuerzahler Deutschland hält den Zinssatz nach § 238 AO für nicht mehr haltbar, da er weit über die beabsichtigte Vorteilsabschöpfung hinausgehe. Die Verfassungsbeschwerden seien spätestens seit dem Jahr 2008 begründet. Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt. Es müssten zinszahlungspflichtige mit nicht zinszahlungspflichtigen Steuerpflichtigen verglichen werden. Die Praxis zeige, dass die Gruppe derjenigen, die Nachforderungszinsen zahlen müssten, hauptsächlich Steuerzahler seien, die einer Betriebsprüfung unterlägen. Für die Festsetzung der Einkommensteuer genüge im Regelfall die Karenzzeit.
Bei liquiden Unternehmen sei auf kurzfristige Kapitalanlagen abzustellen, da Steuerzahlern der genaue Steuerfestsetzungszeitpunkt nicht bekannt sei. Bei kurzfristigen Einlagen und solchen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr reichten die Zinsen selbst im Jahr 2008 nicht einmal an die 5 %-Marke heran. Für die vorliegenden Sachverhalte liege der durchschnittliche Zinssatz sogar insgesamt unter 2 % pro Jahr. Ein redlicher Gesetzgeber dürfe die Steuerzahler nicht auf Hochrisikoanlagen verweisen. Werde auch bei Fremdfinanzierungen auf den potentiellen Zinsvorteil bei Krediten an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften abgestellt, ergebe sich ebenfalls ein Zinssatz, der im Durchschnitt unter 6 % pro Jahr liege. Um den Liquiditätsnachteil des Staates abzubilden, könne auf die sogenannten Zinskostensätze des Bundes abgestellt werden. Aktuell könne der Bund sich Geldmittel zu Zinskosten von unter 0,5 % pro Jahr beschaffen. Der jährlich 6 %-ige Zinssatz sei daher nicht erforderlich, um die Vorfinanzierung des Staates auszugleichen. Eine flexible Zinsberechnung sei heute technisch möglich. Eine Anhebung der Vorauszahlungen sei ohne triftigen Grund nicht möglich.
8. Nach Auffassung des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist § 233a in Verbindung mit § 238 AO ebenfalls insoweit verfassungswidrig, als er während der Niedrigzinsphase einen Zinssatz von jährlich 6 % anordnet. Der Gesetzgeber habe die Belastungsentscheidung der Zinshöhe nicht (mehr) folgerichtig umgesetzt. Ausweislich der Gesetzentwurfsbegründung habe sich der Gesetzgeber im Jahr 1961 für einen Säumniszuschlag von 1 % für jeden angefangenen Monat der Säumnis entschieden, weil die Kreditkosten für Kontoüberziehungen, die als Vergleichsmaßstab in Betracht gezogen worden seien, im Herbst 1960 im Bundesgebiet jährlich 11 % betragen hätten. Dies lasse den Rückschluss zu, dass der Gesetzgeber bewusst rund die Hälfte des damaligen Marktzinses als Zinssatz für die Regelung des § 238 AO angesetzt habe. Bei der Bildung eines Durchschnittszinssatzes liege der heutige vergleichbare höchste jährliche Zinssatz bei 4,93 %. Demzufolge dürfte der Zinssatz in § 238 AO höchstens bei 2,47 % pro Jahr liegen.
Als Vergleichsmaßstab im Rahmen der Überprüfung der Typisierung sei vornehmlich auf die Zinsverhältnisse der Unternehmen abzustellen. Großbetriebe und die sich über Anleihen finanzierenden Unternehmen stünden für 75 % der jährlichen Mehrergebnisse bei Betriebsprüfungen und damit der Steuernachzahlungen. Die Konditionen auf dem Anleihemarkt seien daher keine vernachlässigbaren Größenordnungen. Dies gelte umso mehr, wenn man bedenke, dass die sich über Anleihen finanzierenden Unternehmen zu denen gehörten, die der permanenten Betriebsprüfung mit überdurchschnittlich langen Prüfungszeiträumen unterlägen. Mit Blick darauf, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1993 (BVerfGE 89, 15) bei einer Typisierung 70 % der Anwendungsfälle erfasst werden müssten, sei im Rahmen der Überprüfung der Typisierung vornehmlich auf die Zinskonditionen der Unternehmen abzustellen.
Die gesetzliche Verzinsung verstoße auch gegen das Übermaßverbot. Angesichts eines Zinsniveaus am Geldmarkt von rund Null übertreffe der Vollverzinsungssatz das Marktzinsniveau bei Weitem. Sowohl für die Finanzverwaltung als auch die Steuerpflichtigen würden Fehlanreize geschaffen, sich das Missverhältnis zu Nutze zu machen. Verschärfend wirke die fehlende zeitliche Begrenzung des Zinslaufs und die fehlende steuerliche Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen. Selbst der Verzugszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 in Verbindung mit § 247 BGB liege weit unter dem Zinssatz des § 238 AO, obwohl er einen Sanktionsanteil enthalte. Der Deutsche Bundestag wisse um den Anpassungsbedarf und habe im Rahmen des Verfahrens bezüglich des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im Jahr 2016 erörtert, den Zinssatz (befristet) auf 0,4 % pro Monat zu senken.
9. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hält den Zinssatz von 0,5 % pro Monat ebenfalls für verfassungswidrig. Das Begründungsdefizit des historischen Gesetzgebers zur Höhe des Zinses dürfe sich nicht zulasten der Steuerpflichtigen auswirken. Der Gesetzgeber könne keine Typisierung beschließen und über Jahrzehnte die weitere Entwicklung unbeobachtet lassen. Ein Zeitraum von 20 Jahren bezogen auf den Zeitraum 1990, als die Vollverzinsung eingeführt worden sei, bis 2010 beziehungsweise von 49 Jahren bezogen auf den Zeitraum von 1961 bis 2010 sei verfassungsrechtlich nicht vertretbar.
Maßstab einer Typisierung seien Betriebsprüfungsfälle. Für die Ermittlung eines realitätsgerechten Zinssatzes sei auf unternehmerische Haben- und Sollzinsen abzustellen. Verbraucherkredite privater Haushalte seien nicht zu berücksichtigen, da sie nicht den typischen Fall beträfen. Bei vorsichtiger Schätzung gingen rund 80 % der Steuernachzahlungen und damit der Nachzahlungszinsen auf Feststellungen der Betriebsprüfungen zurück. Prüfungszeiträume könnten bis zu fünf oder mehr Jahre zurückreichen. Schlussbesprechungen zu Außenprüfungen fänden zum Teil erst sechs bis acht Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums statt. Teilweise dauere es nochmal sechs bis zwölf Monate, bis die endgültigen Bescheide ergingen. Bezogen auf diese Zeiträume ergäben sich um bis zu 46,5 % erhöhte Forderungen des Fiskus. Arbeitnehmererklärungen seien dagegen zu 70 % im ersten Jahr nach dem Veranlagungszeitraum und zu 90 % im zweiten Jahr nach dem Veranlagungszeitraum erledigt. Bei einer Beschäftigungszahl von rund 44 Millionen Arbeitnehmern werde das Gros der Veranlagungen innerhalb der Karenzzeit abgeschlossen.
Der Bayerische Gesetzgeber habe die Zinshöhe in Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG mit Wirkung zum 1. Juni 2015 auf 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz jährlich gesenkt. Er habe damit verhindern wollen, dass Betroffene die Leistung je nach Zinsniveau gewinnbringend anlegten. Auch sollten nur die finanziellen Vorteile abgeschöpft werden, die Empfänger bei einer Anlage auf dem Kapitalmarkt erhalten hätten. Zudem sollte den Refinanzierungskosten für den Staat und die Kommunen als Zuwendungsgeber Rechnung getragen werden.
10. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht aufgrund der seit langem anhaltenden Niedrigzinsphase einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber hätte die tatsächlichen Entwicklungen durch eine Anpassung der Zinshöhe spätestens seit Ende 2009 berücksichtigen müssen. Da die Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung und den daraus gegebenenfalls resultierenden Steuer- und Zinsanspruch nicht vorhersehen könnten, könne Maßstab für den Ausgleich des Zinsvorteils nur die potentielle Nutzungsmöglichkeit durch eine kurzfristige Kapitalanlage sein. Der Vorteil aus der späteren Fälligkeit von Steuerzahlungen gehe angesichts der kaum spürbaren Habenzinsen gegen Null. Für eine Typisierung sei im Wesentlichen auf die Zinssätze abzustellen, die von Unternehmen zu zahlen seien. Auch seien die durch eine verspätete Festsetzung resultierenden Liquiditätsnachteile des Staates zu berücksichtigen. Bezugsgröße sei hier der Zinssatz für Tagesgeldanleihen, der sich an dem Interbanken-Zinssatz EONIA orientiere und der von Oktober 2008 bis Mitte Januar 2009 von 4,5 % auf 2 % pro Jahr gesunken sei. Kreditkartenkredite oder Überziehungskredite von privaten Haushalten könnten als Vergleichsmaßstab nicht einbezogen werden, da sie nicht den Regelfall abbildeten. Der Einbruch des allgemeinen Zinsniveaus nach der Finanzkrise könne nicht mehr unter dem Gesichtspunkt von natürlichen Schwankungen interpretiert werden.
11. Der sachkundige Dritte Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön weist darauf hin, dass Nachzahlungszinsen grundsätzlich unabhängig vom Verhalten der Steuerpflichtigen entstünden und ihnen keine verhaltenssteuernde Funktion zukomme. Es sei insbesondere in Betriebsprüfungsfällen vielfach nicht vorhersehbar, wie sich die künftige abschließende Steuerschuld darstelle. Besonders schwer wiege, dass viele Betriebsprüfungsfälle bei der eigentlichen Steuerschuld nur zu Verschiebungen von Gewinnen und Verlusten zwischen aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen führten und die materielle Steuerschuld dadurch nur geringfügig verändert werde. Steuerpflichtige müssten zwar per Saldo nur einen relativ geringen Steuerbetrag nachzahlen, allerdings fielen die Nachzahlungszinsen ohne steuerliche Abzugsfähigkeit auf den Bruttobetrag des für einen Veranlagungszeitraum erhöhten Gewinns an, während die für den anderen Veranlagungszeitraum zugleich entstehenden Erstattungszinsen vollständig steuerpflichtig seien.
Sehe man den Zweck des § 233a AO darin, den Staat so zu stellen, wie er bei sofortiger Zahlung entstandener Veranlagungssteuern stünde, sei ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip festzustellen. Die Diskrepanz zwischen der Höhe der beim Bürger (möglicherweise) anfallenden Nutzungen und der Höhe der beim Staat (möglicherweise) ausfallenden Nutzungen begründe von vornherein eine verfassungsrelevante "Schieflage" zu Lasten der Steuerpflichtigen.
Der Gedanke der Gleichbehandlung rechtfertige in gewissem Umfang eine Abschöpfung der Nutzungsvorteile derjenigen, die erst in erheblichem zeitlichen Abstand zum Entstehungszeitpunkt einer Veranlagungssteuer ihre Steuerschulden erfüllten. Das auf Gleichbehandlung angelegte Rechtsverhältnis zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen werde aber zur Begründung von finanziellen Vorteilen für den Staat herangezogen, die er als solche nicht beanspruchen könne. Es bestehe ein Widerspruch zwischen den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 GG und der möglichen Rechtfertigung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Eine praktische Konkordanz könne nur dadurch hergestellt werden, dass ein Nutzungsausgleich bei Steuerpflichtigen dem Grunde nach akzeptiert werde, aber bei der Bemessung der Nutzungsoptionen von ihrer persönlichen Situation so weit wie möglich abstrahiert und ein möglichst niedriger Nutzungswert angesetzt werde. Dies würde dem Gleichheitsgebot genügen und einen Übervorteil des Fiskus verhindern.
Diese verfassungsrechtliche Ausgangslage habe unmittelbare Folgen für die typisierende Ausgestaltung der Zinshöhe. Der Gesetzgeber müsse nicht nur im Rahmen der Gleichbehandlung die Typisierung nach Möglichkeit in realitätsgerechter Weise an einem statistischen Regelfall ausrichten. Er sei darüber hinaus durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehalten, die Typisierung im unteren Bereich seines Schätzungsspielraums anzusetzen. Die existierende Typisierung verfehle grob die Realität der möglichen Nutzungen. Bandbreiten von Zinshöhen für Bundesanleihen bis zu Kreditkartenschulden könnten nicht dafür herangezogen werden. Der Gesetzgeber sei vielmehr gehalten, innerhalb dieser Bandbreite einen möglichst niedrigen Zins zu wählen, der möglichst weitgehend von persönlichen Eigenschaften der Steuerpflichtigen abstrahiere. Da sich ein ganz großer Teil der bei Steuerpflichtigen anfallenden Anlage- oder Kreditzinsen deutlich unterhalb von jährlich 6 % bewege, müsse eine am Übermaßverbot orientierte Typisierung deutlich darunterliegen. Eine jährliche Anpassung des Zinssatzes erscheine geboten, um längerfristige Zinsentwicklungen sinnvoll abzubilden und Fehlentwicklungen wie die seit mehreren Jahren bestehende hohe Differenz zwischen dem gesetzlichen Zinssatz und den Marktzinsen zu bereinigen.
12. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ist nach Auswertung diverser statistischer Ansätze der Auffassung, dass der Zinssatz von 6 % pro Jahr in Zeiten der sehr lang anhaltenden Niedrigzinsphase zunehmend reformbedürftig erscheine.
13. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund weisen auf die möglichen fiskalischen und administrativen Folgen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hin. Soweit die an einer vom Deutschen Städtetag durchgeführten Umfrage beteiligten Städte angegeben hätten, keine vorläufigen Zinsfestsetzungen vorzunehmen, hätten sich zwei Drittel dieser Städte -- anders als die Finanzverwaltung -- bewusst dazu entschieden, im Regelfall auch keine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Dies sei zum einen mit Blick auf die Haushaltsauswirkungen und zum anderen wegen des Gleichlaufs von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen erfolgt.
Der Zinssatz nach § 238 AO habe sich über Jahrzehnte, auch unter administrativen Gesichtspunkten, bewährt. Die Abschöpfung des Liquiditätsvorteils sei unabhängig vom aktuellen Zinsniveau angemessen und leiste einen wichtigen Beitrag zur fristgerechten Erfüllung der steuerlichen Zahlungsverpflichtungen. Städte, Kreise und Gemeinden befänden sich derzeit in der schwersten finanziellen Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Eine rückwirkende Änderung des Zinssatzes würde die Kommunen in der aktuellen Situation besonders hart treffen und ihre Handlungsfähigkeit spürbar einschränken.
Es sollte auch künftig möglich sein, von einem dynamischen Zinssatz abzusehen. Erste Erfahrungen im bayerischen Kommunalabgabengesetz mit variablen Zinsregelungen erwiesen sich aus Sicht der dortigen Kommunen als kaum praktikabel oder jedenfalls als zu aufwendig, um sie in Masseverfahren anzuwenden. Entsprechendes dürfte auch gelten, wenn der Zinssatz aufgrund einer sonstigen Zinsregel von Jahr zu Jahr verändert würde. Es werde auch in Zukunft extrem schwierige Zinsfälle geben, in denen bis weit in die Vergangenheit Änderungsveranlagungen erfolgten, die mit höchst aufwendigen Zinsänderungsberechnungen einhergingen. Dies würde mit einem variablen Zinssatz noch komplizierter.
Der Handlungsempfehlung des Deutschen Städtetags vom 30. Mai 2018, für den Bereich der Gewerbesteuer aufgrund der potenziell hohen Fallzahlen eine vorläufige Festsetzung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen (§§ 233a, 238 AO) nach § 165 Abs. 1 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 AO für Veranlagungszeiträume nach dem 31. Dezember 2009 vorzunehmen, seien viele gefolgt. Fast 70 % der befragten Städte hätten seit Mitte des Jahres 2018 die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auf die Gewerbesteuer spätestens für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 vorläufig festgesetzt. In bundesweiter Hochrechnung beliefen sich die vorläufig festgesetzten Nachzahlungszinsen zum Stand 22. Mai 2020 auf rund 1,176 Milliarden Euro, die vorläufig festgesetzten Erstattungszinsen dagegen auf rund 749 Millionen Euro.
14. Nach Ansicht der im Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerde zu II. beklagten Gemeinde hält sich der Gesetzgeber mit der Bemessung des Zinssatzes im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraums. Es sei nicht nur der vergleichbare Guthabenzinssatz zu berücksichtigen, sondern auch der Sollzinssatz für Dispositions- und Konsumentenkredite oder der Verzugszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe keine Anpassungspflicht des Gesetzgebers bestanden, da nicht zweifelsfrei davon auszugehen gewesen sei, dass die Niedrigzinsphase weiter anhalten würde. Aufgrund der bereits Anfang 2012 bestehenden wirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Volkswirtschaften sei zu erwarten gewesen, dass aufgrund der guten Konjunktur die Zinsen bald ansteigen würden.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind überwiegend zulässig.
I.
Sie betreffen die Erhebung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO auf die Gewerbesteuer nach einer Außenprüfung. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen den Gewerbesteuerzinsbescheid (nur Verfassungsbeschwerde zu I.) sowie gegen Urteile des Verwaltungsgerichts, die die Zinsfestsetzungen jeweils bestätigen, sowie den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beziehungsweise des Verwaltungsgerichtshofs, mit dem der jeweilige Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde. Verzinst wurde die Gewerbesteuer für den Erhebungszeitraum 2003 vom 1. April 2005 bis zum 20. August 2012 (Verfassungsbeschwerde zu I.) und für die Erhebungszeiträume 2005 und 2006 vom 1. April 2007 sowie vom 1. April 2008 jeweils bis zum 14. Juli 2014 (Verfassungsbeschwerde zu II.). Mittelbar wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen § 233a AO, soweit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO Anwendung findet und die Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2010 bis 20. August 2012 (Verfassungsbeschwerde zu I.) und vom 1. Januar 2012 bis 14. Juli 2014 (Verfassungsbeschwerde zu II.) betroffen sind.
II.
Die Verfassungsbeschwerde zu I. ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Berufung wendet. Da das Gericht keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, gehen die materiellen Ausführungen der Beschwerdeführerin ins Leere (vgl. BVerfGE 103, 172 [181 f.]; 128, 90 [99]). Mit den prozessualen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts setzt sie sich nicht auseinander; sie behauptet insbesondere keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG.
Die Verfassungsbeschwerde zu II. ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß des Verwaltungsgerichtshofs gegen ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG rügt. Insoweit genügen ihre Ausführungen nicht den Anforderungen nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BVerfGG.
III.
Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden zulässig. Die Beschwerdeführerinnen sind auch beschwerdebefugt (Art. 19 Abs. 3 GG).
1. Soweit sie sich gegen den Gewerbesteuerzinsbescheid (nur Verfassungsbeschwerde zu I.) und das die Zinsfestsetzungen jeweils bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts wenden und eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG in Form des Übermaßverbots rügen, genügen ihre Ausführungen dem Substantiierungserfordernis nach § 92 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BVerfGG. Als Adressatinnen der mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Entscheidungen, denen die mittelbar angegriffene Regelung in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO zugrunde liegt, sind sie auch jeweils selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechtspositionen betroffen.
Ihre Selbstbetroffenheit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie die Nachzahlungszinsen auf die Gewerbesteuer für die hier betroffenen Erhebungszeiträume 2003, 2005 und 2006 noch als Betriebsausgaben geltend machen konnten (vgl. § 4 Abs. 4 EStG, § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 7 Satz 1 GewStG). Zwar kann dadurch eine gewisse Kompensation der durch die Nachzahlungszinsen entstandenen Zusatzbelastung erreicht worden sein. Eine vollständige Nivellierung findet jedoch nicht statt.
Die Verfassungsbeschwerden sind auch nicht insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführerinnen jeweils auch die Zinsfestsetzungen für die angefangenen Monate August 2012 (Verfassungsbeschwerde zu I.) und Juli 2014 (Verfassungsbeschwerde zu II.) angegriffen haben. Zwar bleiben angefangene Monate nach § 238 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz AO aus Vereinfachungsgründen bei der Zinsberechnung außer Ansatz. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beschwerdeführerinnen durch die Zinsfestsetzungen für den gesamten Verzinsungszeitraum bis zum 20. August 2012 beziehungsweise bis zum 14. Juli 2014 beschwert sind. Denn nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO endet der der Zinsberechnung zugrunde zu legende Zinslauf erst mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
2. Die Verfassungsbeschwerde zu II. ist auch zulässig, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichthofs über ihren Antrag auf Zulassung der Berufung wendet und einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG rügt. Sie legt hinreichend dar, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem angegriffenen Beschluss überspannte Anforderungen an die Gründe zur Zulassung der Berufung gestellt und dadurch ihren Rechtsschutz in unzulässiger Weise verkürzt haben könnte.
 
C.
Der von den Beschwerdeführerinnen mittelbar angegriffene § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO war ursprünglich verfassungsgemäß. Die Regelung ist jedoch nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird (I). Die Verfassungsbeschwerde zu II., die den Verzinsungszeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 14. Juli 2014 umfasst, ist insoweit begründet. Die Verfassungsbeschwerde zu I. ist in vollem Umfang unbegründet (II).
I.
§ 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist verfassungswidrig, soweit er in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume betrifft. Die mit der Regelung bewirkte Ungleichbehandlung ist für diesen Zeitraum verfassungsrechtlich nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen. Für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2013 bewegt sich der Gesetzgeber dagegen noch im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis.
Nach geltendem Recht werden Steuerpflichtige, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerpflichtigen, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt wird, ungleich behandelt (1). Gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz (2) erweist sich diese Ungleichbehandlung für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume noch als verfassungsgemäß, für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume dagegen als verfassungswidrig (3).
1. Die Anwendung des § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO führt zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die dem Fiskus aufgrund einer Steuerfestsetzung einen bestimmten Steuerbetrag schulden. Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, werden gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt wird, ungleich behandelt (a). Diese Ungleichbehandlung wird auch durch Ausgleichsmechanismen an anderer Stelle nicht beseitigt (b).
a) Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung ist die ungleiche Behandlung der Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit (zutreffend) festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, mithin eine Ungleichbehandlung zinszahlungspflichtiger gegenüber nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern. Da der Zinslauf nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs der Steuerentstehung beginnt, bleiben diejenigen Steuerpflichtigen von der Erhebung von Nachzahlungszinsen verschont, deren Steuer innerhalb dieser Zeit festgesetzt und auch in der Folgezeit nicht mehr zu ihren Ungunsten geändert wird. Erfolgt die erstmalige Steuerfestsetzung dagegen erst nach Ablauf dieser Karenzzeit oder wird die Steuerfestsetzung erst dann zuungunsten der Steuerpflichtigen geändert, werden Nachzahlungszinsen nach Maßgabe der §§ 233a, 238 AO erhoben. Es schulden daher nur Steuerpflichtige, deren Steuer nach Ablauf von grundsätzlich 15 Monaten nach Steuerentstehung erstmalig festgesetzt oder geändert wird, zusätzlich zum zu zahlenden Steuerbetrag bis zur Steuerfestsetzung Nachzahlungszinsen in Höhe von monatlich 0,5 %.
Die verfassungsrechtlich relevante Ungleichheit liegt damit nicht in einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Zinszahlungspflichtigen in dem Sinne, dass sie im Binnenverhältnis durch die Bestimmung des Zinssatzes nicht rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet würden (vgl. dazu für Steuern BVerfGE 148, 147 [184 f. Rn. 96; 198 ff. Rn. 127 ff.]; 148, 217 [243 Rn. 105]; für Abgaben BVerfGE 137, 1 [20 Rn. 48]; 149, 222 [268 f. Rn. 97 ff.), sondern allein in einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung der zinszahlungspflichtigen gegenüber den nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern durch die typisierende Annahme eines durch eine späte Steuerfestsetzung entstandenen potentiellen Liquiditätsvorteils in Höhe von monatlich 0,5 % Zinsen. Insoweit beanstanden die Beschwerdeführerinnen die ungerechtfertigte Benachteiligung der zinszahlungspflichtigen Steuerschuldner, weil der bei ihnen durch die späte Steuerfestsetzung potentiell entstehende Vorteil, der durch die Verzinsung abgeschöpft werden soll, mit dem monatlichen Zinssatz von 0,5 % nicht mehr realitätsgerecht bemessen sei.
b) Die durch § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bewirkte Ungleichbehandlung wird nicht durch Ausgleichsmechanismen an anderer Stelle wieder vollständig kompensiert und die Ungleichbehandlung insofern beseitigt (zu diesem Erfordernis Eichberger, in: Festschrift für den Bundesfinanzhof, 2018, S. 501 [509]).
aa) Nachzahlungszinsen auf die von § 233a AO erfassten Steuerarten wirken sich nach heutiger Rechtslage -- mit Ausnahme von Nachzahlungszinsen auf die Umsatzsteuer -- grundsätzlich nicht mehr steuermindernd aus (vgl. § 12 Nr. 3 EStG, § 10 Nr. 2 KStG, § 4 Abs. 5b EStG, § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 7 Satz 1 GewStG). Zwar können Nachzahlungszinsen auf die Gewerbesteuer jedenfalls insoweit noch als Betriebsausgaben bei der Einkommensteuer, der Körperschaft-steuer und der Gewerbesteuer abgezogen werden, als Gewerbesteuerforderungen für vor dem 1. Januar 2008 endende Erhebungszeiträume betroffen sind. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen beseitigt jedoch die Ungleichbehandlung nicht, denn die mit der Zinszahlung einhergehende Belastung kann durch eine steuerliche Entlastung im Einzelfall von vornherein nur gemindert, aber nicht vollständig kompensiert werden.
bb) Erhobene Nachzahlungszinsen können auch nicht durch erhaltene Erstattungszinsen kompensiert werden, obgleich die Vollverzinsung nach § 233a AO sowohl zugunsten als auch zulasten der Steuerpflichtigen wirkt. Zwischen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen besteht grundsätzlich kein innerer Zusammenhang, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Effekte in der Person eines Steuerpflichtigen ausgleichen (vgl. Hey, FR 2016, S. 485 [490]). Es ist keineswegs garantiert, dass Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen zu zahlen haben, überhaupt jemals in den Genuss von Erstattungszinsen kommen. Ihre Entstehung beruht in der Regel auf einem anderen Rechtsgrund und ist insbesondere von dem individuellen Unterschiedsbetrag, der Höhe der Erstattung und der Zahlung durch die Steuerpflichtigen abhängig.
2. Die Rechtfertigung der Benachteiligung der Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit (zutreffend) festgesetzt wird und die daher zinszahlungspflichtig sind, bemisst sich nach strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 138, 136 [180 Rn. 121]; 139, 285 [309 Rn. 70] m.w.N.).
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 138, 136 [180 f. Rn. 122]; 148, 147 [183 f. Rn. 94 f.]; 148, 217 [242 f. Rn. 103 f.] jeweils m.w.N; stRspr).
aa) Dieser allgemeine gleichheitsrechtliche Maßstab findet auch bei der Auswahl des Zinsgegenstands (Vollverzinsung nach § 233a AO) und der Bestimmung des Zinssatzes (§ 238 AO) Anwendung, ohne dass insoweit bereichsspezifische Konkretisierungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das Steuerrecht (vgl. BVerfGE 137, 350 [367 Rn. 43]; 148, 217 [244 Rn. 106]) zum Tragen kommen.
Der Gleichheitssatz belässt dem Steuergesetzgeber sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 148, 147 [184 Rn. 96]; 148, 217 [243 Rn. 105] m.w.N; stRspr). Für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes gilt das nicht in gleicher Weise (vgl. Drüen, FR 2014, S. 218 [225]). Denn bei den von den Steuerpflichtigen erhobenen Nachzahlungszinsen handelt es sich gerade nicht um eine Steuer, sondern um steuerliche Nebenleistungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AO, also um Geldleistungspflichten, die neben einer Steuer entstehen. Die Schuldner dieser Nebenleistungen sind regelmäßig zugleich Steuerpflichtige, die bereits als solche zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen werden. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen steuerliche Nebenleistungen, die die Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden, besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der eine deutliche Unterscheidung gegenüber der Steuer ermöglicht (vgl. zum Abgabenrecht BVerfGE 149, 222 [254 Rn. 65] m.w.N.). Dabei können neben den Zwecken etwa des Vorteilsausgleichs und der Kostendeckung auch -- was insbesondere für den Säumnis- und den Verspätungszuschlag gilt -- Zwecke der Verhaltenslenkung die Bemessung einer steuerlichen Nebenleistung rechtfertigen (vgl. zum Abgabenrecht BVerfGE 149, 222 [257 Rn. 71]).
bb) Ungleichbehandlungen können dabei auch durch Vereinfachungs- und Typisierungsbefugnisse gerechtfertigt sein. Der Gesetzgeber darf unter bestimmten Voraussetzungen typisierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Benachteiligung Einzelner gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.
Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Der Gesetzgeber darf sich dabei grundsätzlich am Regelfall orientieren und Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen (vgl. BVerfGE 152, 274 [314 Rn. 102] m.w.N.; stRspr). Er kann auch bei der Auswahl des Zinsgegenstands und der Bemessung des Zinssatzes typisierende Regelungen treffen und sich dabei in erheblichem Umfang von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Zinsfestsetzung und -erhebung leiten lassen. Begrenzt wird sein Spielraum allerdings auch hier dadurch, dass die von ihm geschaffenen Zinsregelungen grundsätzlich in der Lage sein müssen, den mit ihnen verfolgten Belastungsgrund realitätsgerecht abzubilden (vgl. BVerfGE 148, 147 [200 f. Rn. 131]; 149, 222 [257 Rn. 71]; näher dazu unten Rn. 149 ff.).
b) Nach diesen Grundsätzen bemisst sich die Rechtfertigung der Benachteiligung der zinszahlungspflichtigen Steuerschuldner nach strengeren Verhältnis-mäßigkeitsanforderungen. Zwar berührt die Vollverzinsung nach den §§ 233a, 238 AO im Wesentlichen nur die allgemeine Handlungsfreiheit der Steuerpflichtigen nach Art. 2 Abs. 1 GG (aa). Auch ist Art. 3 Abs. 3 GG nicht tangiert. Doch ist das maßgebliche Differenzierungskriterium des Zeitpunktes der (zutreffenden) Steuerfestsetzung für Steuerpflichtige grundsätzlich nicht verfügbar, sondern liegt in der Sphäre der Finanzverwaltung beziehungsweise bei der Gewerbesteuer in der Regel zusätzlich in der Sphäre der Gemeinden (bb).
aa) Eine Verschärfung des Prüfungsmaßstabs aufgrund von Freiheitsrechten ist hier nicht geboten. Art. 14 Abs. 1 GG ist durch die Vollverzinsung zulasten der Steuerpflichtigen von vornherein nicht betroffen. Die Auferlegung einer Zinszahlungspflicht beeinträchtigt die Vermögensverhältnisse der Betroffenen nicht so grundlegend, dass sie eine erdrosselnde Wirkung entfaltet (vgl. dazu BVerfGE 95, 267 [300]; 96, 375 [397]; stRspr). Demgegenüber garantiert Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 6, 32 [36]; 80, 137 [152]; stRspr). Geschützt ist insbesondere der Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem finanziellen Nachteil in Form einer Geldleistungspflicht belastet zu werden, die nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist (vgl. BVerfGE 96, 375 [397 f.]; 97, 332 [340 f.]). Das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu Geldleistungen herangezogen zu werden (vgl. zur Steuer BVerfGE 19, 206 [215 f.]), enthält insbesondere auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot, das dahingeht, nicht mit einer unverhältnismäßigen Geldleistungspflicht belegt zu werden (vgl. zur Steuer BVerfGE 48, 102 [115 f.]). Insoweit begründet die Zinszahlungspflicht zwar einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit. Eine erhebliche Beeinträchtigung von Freiheitsrechten, die eine strengere Gleichheitsprüfung veranlassen könnte, liegt darin jedoch nicht (vgl. dazu auch BVerfGE 148, 217 [248 Rn. 116]).
bb) Der Zeitpunkt der Steuerfestsetzung und damit das Überschreiten der Karenzzeit, an das der Gesetzgeber für die Differenzierung anknüpft, sind für die einzelnen Steuerpflichtigen allerdings weitestgehend nicht verfügbar. Es liegt letztlich in der Sphäre der Finanzverwaltung beziehungsweise -- im Fall der Gewerbesteuer -- in der Regel zusätzlich in der Sphäre der Gemeinden, wann die Steuer festgesetzt wird. Steuerpflichtige können durch ihr Verhalten lediglich förderlich auf eine zeitnahe und zutreffende Steuerfestsetzung hinwirken (1) und im Übrigen nur das individuelle Ausmaß der Ungleichbehandlung durch bedingt mögliche freiwillige Zahlungen an das Finanzamt oder die Gemeinde abmildern (2).
(1) Der Zeitpunkt der Steuerfestsetzung inner- oder außerhalb der Karenzzeit ist für Steuerpflichtige weitgehend nicht verfügbar. Ihre Möglichkeit, das Über- oder Unterschreiten der Karenzzeit zu beeinflussen, ist grundsätzlich auf die Förderung einer zeitnahen (ersten oder geänderten) Steuerfestsetzung beschränkt. Sie können hierfür nur günstige Bedingungen schaffen, indem sie ihren Mitwirkungspflichten (vgl. §§ 90, 200 AO) möglichst frühzeitig sowie vollständig nachkommen und insbesondere ihre Steuererklärung fristgerecht abgeben, den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig und eindeutig darlegen, erforderliche Belege vorlegen und eventuelle Rückfragen -- auch im Rahmen eines schon laufenden Prüfungsverfahrens -- zügig und zielführend beantworten. Letztlich bestimmt aber allein die Finanzverwaltung oder die hebeberechtigte Gemeinde den konkreten Zeitpunkt der Steuerfestsetzung, der sich durch eine verzögerte Bearbeitung oder aufgrund von intern erforderlichen Abstimmungen mit höherrangigen Behörden zeitlich nach hinten verschieben kann. Im Fall einer Außenprüfung, infolge derer Nachzahlungszinsen regelmäßig in nicht unerheblichem Umfang verwirkt werden, haben Steuerpflichtige -- von der Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten im Vorfeld und während der Prüfung abgesehen -- keine Einflussmöglichkeiten. Dies gilt ebenso für den konkreten Zeitpunkt der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Änderungsbescheide. Da eine Betriebsprüfung in der Regel jedenfalls drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfasst (vgl. § 4 Abs. 3 Betriebsprüfungsordnung [BpO]), ist die Karenzzeit von 15 Monaten regelmäßig schon bei Prüfungsbeginn bezogen auf mindestens ein Prüfungsjahr abgelaufen. Bei der Gewerbesteuer kommt hinzu, dass die Steuerfestsetzung in einem gestuften Verfahren erfolgt, in dem zunächst das Finanzamt den sogenannten Gewerbesteuermessbescheid erlässt, und erst anschließend die Gemeinde, soweit ihr die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer übertragen ist, den Gewerbesteuerbescheid (vgl. § 184 Abs. 3 AO), nach dem sich das Ende des Zinslaufs sowie die Verwirkung von Nachzahlungszinsen richten.
(2) Darüber hinaus können Steuerpflichtige in bestimmten Konstellationen lediglich versuchen, die Zinszahlungspflicht gering zu halten oder auch ganz abzuwenden, indem sie Einfluss auf die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Nachzahlungszinsen nehmen. Die im Bereich der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer mögliche Beantragung einer Anpassung der Vorauszahlungen besteht allerdings nur bis zum Erlass des ersten Steuerbescheids für den betreffenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum und längstens bis zum Ablauf der Karenzzeit. Im Hauptentstehungsfall von Nachzahlungszinsen als Folge einer Außenprüfung können Steuerpflichtige damit regelmäßig keine Anpassung der Vorauszahlungen mehr bewirken (vgl. Seer/Klemke, Neuordnung der Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, 2013, S. 62). Nach Ablauf der Karenzzeit können Steuerpflichtige zwar noch freiwillige Zahlungen auf die erwartete Steuerschuld leisten und dadurch gegebenenfalls einen Erlass der ab Eingang der freiwilligen Leistung entstandenen Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 227 AO erreichen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Finanzamt diese Leistungen annimmt und behält (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung [AEAO] zu § 233a Rn. 70.1.1; BFH, Urteil vom 26. Januar 2000 - IX R 11/96 -). Das ist -- worauf auch der IX. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Stellungnahme hinweist (oben Rn. 61) -- jedenfalls nicht ohne Weiteres der Fall. Die Gemeinden sind für die Gewerbesteuer zudem nicht an den Anwendungserlass der Finanzverwaltung gebunden und erlassen daher selbst dann, wenn sie freiwillige Zahlungen der Steuerpflichtigen überhaupt entgegennehmen, nicht auch zwingend die ab diesem Zeitpunkt verwirkten Nachzahlungszinsen (vgl. Stellungnahme des Deutschen Städtetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds vom 29. Mai 2020). Ungeachtet dieser Unwägbarkeiten besteht für Steuerpflichtige in der Regel erst dann Anlass, freiwillige Zahlungen zu leisten, wenn sie mit einer Nachzahlung rechnen und diese in etwa beziffern können, was häufig erst im Laufe einer Außenprüfung der Fall sein dürfte. Bis dahin sind aber in der Regel schon Nachzahlungszinsen in einem nicht unerheblichen Umfang entstanden (vgl. dazu beispielhaft den Sachverhalt in BFHE 259, 387 [388 Rn. 2 ff., 390 Rn. 13] zu einer im April 2007 geleisteten freiwilligen Zahlung während einer Betriebsprüfung auf die Körperschaftsteuer der Prüfungsjahre 1998 bis 2000).
3. § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genügte anfänglich den hier anzuwendenden strengeren Rechtfertigungsanforderungen und war verfassungsgemäß. Die Regelung ist jedoch verfassungswidrig geworden. Soweit sie in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume betrifft, verstößt sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die angegriffene Regelung dient einem legitimen Zweck (a). Die Vollverzinsung zu Lasten der Steuerpflichtigen (§ 233a AO) und ihre Anknüpfung an den Zinssatz von monatlich 0,5 % (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) sind grundsätzlich auch geeignet, den Gesetzeszweck zu fördern (b). Die Erforderlichkeit der Vollverzinsung als solche begegnet ebenso wenig Bedenken wie ihre Anknüpfung an einen starren Zinssatz. Soweit die Vollverzinsung allerdings an den Zinssatz von monatlich 0,5 % anknüpft, ist sie für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume nicht mehr erforderlich, da sie insoweit die Grenzen zulässiger Typisierung überschreitet. Zwar bildete der gesetzliche Zinssatz den durch eine späte Steuerfestsetzung entstehenden Zinsvorteil ursprünglich noch hinreichend ab und war daher auch nicht gegenüber einem niedrigeren Zinssatz überschießend. Für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume ist dies allerdings nicht mehr erkennbar (c). Weitergehende Bedenken ergeben sich auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (d).
a) Das Ziel der Vollverzinsung, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden, ist legitim.
aa) Nach der Entwurfsbegründung zum Steuerreformgesetz 1990 dient die Vollverzinsung dem aus dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot abgeleiteten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der eine möglichst gleichmäßige Behandlung der Steuerpflichtigen gebietet. Mit Einführung der Vollverzinsung sollte das schon bei der Verabschiedung der Abgabenordnung 1977 verfolgte Anliegen einer möglichst gerechten zeitlichen Heranziehung zur Steuer verwirklicht werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 117 f.). Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194). Sie dient damit der Herstellung von Belastungsgleichheit der Steuerpflichtigen in der Zeit (vgl. Seer, DB 2014, S. 1945 [1947]), wobei in der Gesetzentwurfsbegründung insbesondere die ausgleichende Wirkung auf die unterschiedliche zeitliche Heranziehung von Arbeitnehmern und anderen Steuerzahlern betont wird (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 118; vgl. auch schon BTDrucks 8/1410, S. 4 und 6 f.).
Der Verzinsung der Steuernachforderungen liegt dabei die Annahme zugrunde, dass Steuerschuldner, deren Steuer erst spät festgesetzt wird, einen fiktiven Zinsvorteil haben, der umso größer ist, je später die Steuerfestsetzung erfolgt. Steuerpflichtige, die eine Nachzahlung zu leisten haben, müssten Nachzahlungszinsen zahlen und hätten keinen Zinsvorteil mehr (vgl. den vorausgegangenen Bericht der Bundesregierung über die Vollverzinsung vom 6. Januar 1978, BTDrucks 8/1410, S. 4). Zweck der Vollverzinsung im Nachzahlungsfall ist damit die Abschöpfung des Zinsvorteils der Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt und erhoben wird. Diesen Zinsvorteil hat der Gesetzgeber mit Übernahme des bereits für die anderen Zinstatbestände der Abgabenordnung geltenden § 238 AO mit monatlich 0,5 % bemessen. Die zinsfreie Karenzzeit von 15 Monaten ist an der längstmöglichen allgemeinen Verlängerung der Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen ausgerichtet und sorgt dafür, dass die Erfüllung der Erklärungspflichten durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater sowie die während dieser Zeit bereits durchgeführten Veranlagungen der Finanzämter von der Verzinsung unbelastet bleiben (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195).
Der vom Gesetzgeber formulierte Zweck spiegelt sich auch in der Vorschrift des § 233a AO wider. Sie sieht eine Verzinsung unabhängig davon vor, wer die verzögerte (zutreffende) Steuerfestsetzung schuldhaft oder nicht schuldhaft verursacht hat, und dient damit allein der Abschöpfung von potentiellen Liquiditätsvorteilen. Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sind dementsprechend -- anders als etwa der Verspätungszuschlag -- weder Sanktion noch Druckmittel (vgl. insoweit BTDrucks 8/1410, S. 4; BTDrucks 19/20836, S. 5), sondern eine Entschädigung für die Kapitalnutzung (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 4; BRDrucks 324/18, S. 2). Der Vollverzinsung kommt daher keine zusätzliche Lenkungsfunktion dahingehend zu, die Steuerpflichtigen etwa dazu anzuhalten, ihre Steuererklärungen frühzeitig abzugeben oder etwaige Vorauszahlungen angemessen anzusetzen.
Darüber hinaus gehen jedenfalls die Rechtsprechung und teilweise die Literatur davon aus, dass durch die Erhebung von Nachzahlungszinsen auch der Zinsnachteil des Fiskus ausgeglichen werden soll, der den noch nicht gezahlten Steuerbetrag nicht anderweitig nutzen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, Rn. 21; BFHE 266, 501 [503 f. Rn. 17]; BFH, Beschluss vom 30. Oktober 2001 - X B 147/01 -, Rn. 10; vgl. Stellungnahme Schön, oben Rn. 82; Krabbe, Vollverzinsung im Steuerrecht, 2. Aufl. 1992, S. 18; Koenig, in: Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 233a Rn. 6).
bb) Die durch § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hervorgerufene Differenzierung dient damit einem legitimen Zweck von nicht unerheblichem Gewicht.
Da die Regelung die durch die unterschiedliche zeitliche Heranziehung zur Steuer entstehenden Belastungsunterschiede zwischen Steuerpflichtigen ausgleichen soll, besteht für die Vollverzinsung als steuerliche Nebenleistung der erforderliche, über den bloßen Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehende, besondere sachliche Rechtfertigungsgrund. Allein dadurch, dass Steuerfestsetzungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen, ergeben sich Belastungsunterschiede. Wer erst später zur Steuer herangezogen wird, hat zumindest den Vorteil, länger über den geschuldeten Geldbetrag verfügen oder sich Finanzierungskosten ersparen zu können. Es ist daher legitim, diese durch die unterschiedliche zeitliche Heranziehung zur Steuer entstehenden Belastungsunterschiede zwischen den Steuerpflichtigen durch die Vollverzinsung zu nivellieren. Die Vollverzinsung dient damit unmittelbar auch dem aus dem Gleichbehandlungsgebot abgeleiteten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (vgl. insoweit BTDrucks 11/2157, S. 117). Danach sind Steuerpflichtige durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich zu belasten und materielle Steuergesetze in ein normatives Umfeld einzubetten, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolgs prinzipiell gewährleistet (vgl. BVerfGE 84, 239 [239, 271]).
b) Die ungleiche Behandlung zinszahlungspflichtiger und nicht zinszahlungspflichtiger Steuerschuldner, die an das Differenzierungskriterium des Ablaufs der Karenzzeit anknüpft, ist grundsätzlich geeignet, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden.
aa) Das verfassungsrechtliche Geeignetheitsgebot verlangt keine vollständige Zielerreichung durch die in Frage stehende Regelung, die zu der beanstandeten Ungleichbehandlung führt, sondern lediglich eine Eignung zur Förderung des Ziels (vgl. BVerfGE 138, 136 [189 Rn. 139]; 151, 101 [140 Rn. 100]; stRspr). Der Gesetzgeber verfügt in der Beurteilung der Eignung einer Regelung über eine Einschätzungsprärogative. Verfassungsrechtlich genügt grundsätzlich, wenn die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Der Spielraum des Gesetzgebers bezieht sich insofern auf die Einschätzung und Bewertung der Verhältnisse, der etwa erforderlichen Prognose und der Wahl der Mittel, um seine Ziele zu erreichen (vgl. BVerfGE 151, 101 [140 Rn. 100]; 152, 68 [130 f. Rn. 166]). Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt (vgl. dazu BVerfGE 149, 222 [257 f. Rn. 72]; vgl. auch schon BVerfGE 17, 306 [315 f.]; 96, 10 [23]; 113, 23 [53]).
bb) Die durch die Vollverzinsung als solche bewirkte ungleiche Behandlung von zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern ist danach im verfassungsrechtlichen Sinn geeignet. Zwar kann sie das gesetzgeberische Ziel von vornherein nicht vollständig erreichen (1). Die Vollverzinsung als solche ist aber grundsätzlich geeignet, den Gesetzeszweck durch Abschöpfung eines potentiellen Liquiditätsvorteils zu fördern (2), wenngleich es im Hinblick auf ihre konkrete Ausgestaltung mit einem festen Zinssatz von monatlich 0,5 % zweifelhaft erscheinen mag, ob die Vollverzinsung darüber hinaus auch geeignet ist, einen Ausgleich zwischen den Steuerpflichtigen herzustellen, deren Steuer zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig wird (3).
(1) Der Gesetzgeber hat mit den angegriffenen Regelungen in vielfältiger Weise Typisierungen vorgenommen. Er unterstellt im Nachzahlungsfall zunächst, dass diejenigen, deren Steuer erst später (zutreffend) festgesetzt wird, überhaupt einen Vorteil haben und dass dies konkret ein Zinsvorteil ist. Diesen bemisst der Gesetzgeber wiederum typisierend mit einem starren Zinssatz von monatlich 0,5 %. Ebenfalls vereinfachend bestimmt er eine grundsätzlich 15-monatige Karenzzeit, in der keine Verzinsung stattfindet. Eine völlige Belastungsgleichheit durch die vom Gesetzgeber vorgenommenen Regelungen und insbesondere durch die Festlegung auf einen starren Zinssatz von 0,5 % pro Monat kann daher von vornherein nicht erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste jeweils der von den einzelnen Steuerpflichtigen durch die zeitlich spätere Steuerfestsetzung tatsächlich erzielte Vorteil ermittelt und abgeschöpft werden. Der derzeitigen Regelung ist daher eine Über- oder Unterkompensation des tatsächlich erzielten Vorteils aufgrund der Typisierung immanent. Insoweit kann weder die Vollverzinsung als solche noch ihre Ausgestaltung mit einem starren Zinssatz von monatlich 0,5 % den Zweck der Regelung vollständig erreichen.
(2) Die Vollverzinsung als solche ist gleichwohl geeignet. Sie trägt dazu bei, die durch eine späte Steuerfestsetzung potentiell entstehenden Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, und fördert damit die Erreichung des Gesetzeszwecks. Die der Ausgestaltung der Vollverzinsung im Nachzahlungsfall zugrundeliegende typisierende Annahme, dass diejenigen, deren Steuerfestsetzung erst nach Ablauf der Karenzzeit von 15 Monaten (zutreffend) erfolgt (a), einen potentiellen Liquiditätsvorteil haben (b), ist von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gedeckt.
(a) Durch die Anknüpfung des Beginns des Zinslaufs an den Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit hat der Gesetzgeber den Kreis der potentiellen Vorteilsempfänger sachgerecht (vgl. dazu auch BVerfGE 149, 222 [265 Rn. 86]) und in einer den Gesetzeszweck fördernden Weise erfasst. Mit der zinsfreien Zeit von grundsätzlich 15 Monaten wird der Zeitbedarf für die Abgabe der Steuererklärung durch die Steuerpflichtigen und die anschließende Steuerfestsetzung durch die zuständige Behörde typisiert bestimmt (vgl. BFHE 266, 501 [504 f. Rn. 20]; Hey, FR 2016, S. 485 [490]). Die Karenzzeit orientiert sich an der längstmöglichen allgemeinen Verlängerung der Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen und sorgt so dafür, dass die Erfüllung der Erklärungspflichten durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater sowie die während dieser Zeit durchgeführten Veranlagungen durch die Finanzämter von der Verzinsung verschont bleiben (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195). Nach dem Bericht der Bundesregierung über die Vollverzinsung vom 6. Januar 1978 spricht für die Karenzzeit zudem der Umstand, dass Steuerpflichtige vor deren Ablauf in der Regel noch nicht in der Lage sind, ihre tatsächlich geschuldete Steuer zu berechnen, da ihnen hierfür etwa noch die Bilanz fehlt (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 6 f.).
Von der Vollverzinsung erfasst werden damit lediglich diejenigen Steuerpflichtigen, deren Steuerfestsetzung erst nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, in dem die wesentlichen Veranlagungsarbeiten des Finanzamts und -- im Fall der Gewerbesteuer -- gegebenenfalls anschließend der Gemeinde regelmäßig abgeschlossen sind, und bei denen damit ein langer Zeitraum zwischen Entstehung und Festsetzung der Steuer verstrichen ist.
(b) Der Verzinsungspflicht im Nachzahlungsfall liegt die von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers umfasste Annahme zugrunde, dass Steuerpflichtige, deren Steuerfestsetzung erst nach Ablauf des Zeitraums erfolgt, in dem die wesentlichen Veranlagungsarbeiten regelmäßig abgeschlossen werden, typischerweise einen Liquiditätsvorteil erzielen können, da ihnen das für die Begleichung der Steuerschuld benötigte Kapital länger zur Nutzung zur Verfügung steht oder sie sich jedenfalls vorübergehend Finanzierungskosten ersparen. Es kommt daher nicht darauf an, ob und wie Steuerpflichtige nach Ablauf der Karenzzeit tatsächlich die ihnen gegebene Möglichkeit zur Erzielung eines Liquiditätsvorteils genutzt haben (vgl. dazu im Abgabenrecht BVerfGE 149, 222 [266 Rn. 88]).
Ungeachtet der Frage, ob der Gesetzgeber den Zinsvorteil noch hinreichend realitätsgerecht bemessen hat (dazu unten Rn. 203 ff.), konnte in den verfahrensgegenständlichen Verzinsungszeiträumen bis ins Jahr 2014 auch noch regelmäßig ein Liquiditätsvorteil durch eine späte Steuerfestsetzung erzielt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Gruppe der liquiden Steuerpflichtigen, die das noch nicht zur Steuerzahlung benötigte Kapital auf Bankkonten verwahrt haben, da jedenfalls bis ins Jahr 2014 durchweg positive Habenzinsen erzielt und als potentielle Liquiditätsvorteile durch die Vollverzinsung abgeschöpft werden konnten.
(3) Auch die konkrete Ausgestaltung der Vollverzinsung mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % fördert die Erreichung des Gesetzeszwecks dahin, dass der durch die späte Steuerfestsetzung potentiell entstehende Liquiditätsvorteil abgeschöpft wird. Ob allerdings mit der Anknüpfung an den Zinssatz von monatlich 0,5 % -- wie die Beschwerdeführerinnen rügen -- in Verzinsungszeiträumen ab den Jahren 2010 beziehungsweise 2012 regelmäßig weit mehr als der potentielle Liquiditätsvorteil abgeschöpft und damit letztlich der Ausgleich zwischen den Steuerpflichtigen in der Zeit nicht nur nicht mehr gefördert wird, sondern die Vollverzinsung sich vielmehr sogar strukturell gegenläufig auswirken kann (vgl. insoweit auch BVerfGE 149, 222 [258 Rn. 72]), kann letztlich offenbleiben. Denn die Vollverzinsung mit dem gesetzlichen Zinssatz ist jedenfalls für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume nicht mehr erforderlich (dazu im Folgenden) und unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Spielraums, der sich ebenso auf die erforderliche Prognose und die Wahl seiner Mittel bezieht, auch nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt gänzlich ungeeignet.
c) § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO war zwar ursprünglich noch zur Förderung des Gesetzeszwecks im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich. Der Zinssatz von monatlich 0,5 % bildete den durch eine späte Steuerfestsetzung entstehenden Zinsvorteil zunächst noch hinreichend ab. Dies gilt allerdings nicht mehr für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume.
Die Erhebung von 0,5 % Zinsen pro vollen Monat des Zinslaufs ist verfassungsrechtlich nur dann erforderlich, wenn dem Gesetzgeber kein milderes, aber ebenso wirksames Mittel zur Verfügung steht, um das mit der Differenzierung angestrebte Ziel zu erreichen oder jedenfalls zu fördern (aa). Insoweit bestehen gegen die Erforderlichkeit der Vollverzinsung als solche (§ 233a AO) keine Bedenken (bb). Auch die in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO vorgesehene Verzinsung mit einem starren Zinssatz genügt den Anforderungen an die Erforderlichkeit (cc). Ab dem Verzinsungszeitraum 2014 bildet der Zinssatz von monatlich 0,5 % den durch eine späte Steuerfestsetzung entstehenden Zinsvorteil jedoch nicht mehr hinreichend ab. Eine Vollverzinsung mit einem -- gegenüber dem monatlich 0,5 %-igen Zinssatz -- niedrigeren Zinssatz stellt daher ein mindestens gleich geeignetes und milderes Mittel zur Erreichung des Differenzierungszwecks dar (dd).
aa) Eine Ungleichbehandlung ist nur dann erforderlich, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem der Gesetzgeber unter Bewirkung geringerer Ungleichheiten das angestrebte Regelungsziel der Betroffenen gleich wirksam erreichen oder fördern kann (vgl. BVerfGE 138, 136 [190 Rn. 142]; 151, 101 [141 Rn. 103]), ohne dabei Dritte oder die Allgemeinheit stärker zu belasten (vgl. BVerfGE 148, 40 [57 Rn. 47] m.w.N.). Auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit verfügt der Gesetzgeber über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 155, 238 [280 Rn. 105] m.w.N.; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht, ob der Gesetzgeber die beste Lösung für die hinter einem Gesetz stehenden Probleme gefunden hat (vgl. BVerfGE 149, 86 [120 Rn. 94]). Maßnahmen, die der Gesetzgeber zur Erreichung des Gesetzeszwecks für erforderlich hält, können daher verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass die in Betracht kommenden alternativen Mittel zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, aber zu geringerer Ungleichheit führen (vgl. zu Eingriffskonstellationen BVerfGE 126, 112 [145]). Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dabei in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (vgl. dazu BVerfGE 81, 70 [91] m.w.N.).
bb) Danach ist die Vollverzinsung zulasten der Steuerpflichtigen als solche zur Erreichung des Differenzierungszwecks erforderlich. Ein milderes, aber gleich geeignetes Mittel ist nicht gegeben. Weder die Abschöpfung des tatsächlich erzielten Liquiditätsvorteils der Steuerpflichtigen (1) noch eine Ausgestaltung der Vollverzinsung dahingehend, dass Nachzahlungszinsen nur bei einer von den Steuerpflichtigen selbst verursachten späten Steuerfestsetzung erhoben werden (2), ist zur Erreichung des Differenzierungszwecks in gleicher Weise geeignet.
(1) Die Abschöpfung des tatsächlich erzielten Vorteils ist zur Erreichung des Gesetzeszwecks schon nicht gleich geeignet. In vielen Fällen könnte der tatsächlich erzielte Vorteil nicht ermittelt werden, weil sich jedenfalls für die Fallgruppe der fremdfinanzierenden Steuerschuldner im Nachhinein nicht feststellen ließe, wie sie eine Steuernachzahlung finanziert hätten, wenn ihre Steuer bereits früher festgesetzt und fällig geworden wäre, und welchen Vorteil sie damit aus der späten Steuerfestsetzung gezogen haben. Im Übrigen würde die Ermittlung des tatsächlich durch eine späte Steuerfestsetzung erzielten Liquiditätsvorteils sowohl für die Finanzverwaltung als auch für die Steuerpflichtigen einen enormen Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand mit sich bringen und damit die Allgemeinheit ungleich stärker belasten. Eine typisierende Vollverzinsung ist daher unerlässlich. Ungeachtet dessen wäre die Abschöpfung des tatsächlich erlangten Vorteils für die einzelnen Steuerpflichtigen nicht notwendig milder als die typisierende Vollverzinsung.
(2) Auch die Erhebung von Nachzahlungszinsen lediglich im Fall einer von den Steuerpflichtigen zu vertretenden späten Steuerfestsetzung wäre jedenfalls kein gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks. Durch die Vollverzinsung soll ein Ausgleich dafür hergestellt werden, dass die Steuern zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Einen Vorteil haben Steuerschuldner aber unabhängig davon, wer die späte Steuerfestsetzung zu vertreten hat, also insbesondere auch dann, wenn allein das Finanzamt oder -- im Fall des § 1 Abs. 2 AO -- die Gemeinde die späte Festsetzung verursacht hat.
cc) Soweit die Vollverzinsung an einen starren Zinssatz anknüpft, begegnet die Erforderlichkeit der Differenzierung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern im Ergebnis ebenfalls keinen Bedenken. Ein variabler Zinssatz bewirkt nicht per se eine geringere Ungleichheit als ein starrer Zinssatz. Das Ausmaß der Ungleichheit hängt vielmehr hier wie dort von der konkreten Ausgestaltung des Zinssatzes ab. Maßgeblich dafür, ob und inwieweit ein starrer wie auch ein variabler Zinssatz den auszugleichenden Vorteil einer späten Steuerfestsetzung realitätsgerecht abbilden kann, ist vor allem jeweils seine konkrete Bemessung. Auch soweit ein variabler Zinssatz Veränderungen am Kapitalmarkt mit einer geringen zeitlichen Verzögerung und ohne weiteres Zutun des Gesetzgebers abbilden könnte, kann ihm ein starrer Zinssatz mit kurzen Überprüfungszeiträumen zumindest nahekommen. Der starre Zinssatz als solcher ist daher jedenfalls von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gedeckt (vgl. auch Hey, FR 2016, S. 485 [491]; Zahn, DStZ 2020, S. 573 [574 f.]).
dd) Die Vollverzinsung mit einem starren Zinssatz von 0,5 % pro Monat erweist sich allerdings für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume als nicht mehr erforderlich. Ein geringere Ungleichheit bewirkendes und mindestens gleich geeignetes Mittel zur Förderung des Gesetzeszwecks bestünde insoweit in der Vollverzinsung mit einem -- gegenüber dem Zinssatz von monatlich 0,5 % -- niedrigeren Zinssatz. Für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2013 begegnet die an den gesetzlichen Zinssatz anknüpfende Vollverzinsung dagegen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Gesetzeszweck kann allerdings auch durch die Bestimmung eines niedrigeren Zinssatzes von vornherein nicht vollständig erreicht werden. Denn der Zinsvorteil, der durch die Vollverzinsung abgeschöpft werden soll, lässt sich angesichts zahlreicher ungewisser Umstände selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen. Er unterliegt zudem permanenten zyklischen Schwankungen, so dass jeder Zinssatz zwingend zu einer Über- oder Unterkompensation des abzuschöpfenden Zinsvorteils führen muss. Der Gesetzgeber ist daher dem Grunde nach berechtigt, den durch eine späte Steuerfestsetzung erzielten Zinsvorteil der Steuerpflichtigen zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung typisierend zu bestimmen, ohne mit einer damit unvermeidlich verbundenen überschießenden Wirkung in der Einzelfallbetrachtung gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen. Insofern ist auch bei der Beurteilung der Frage, ob die Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz als offensichtlich geringere Ungleichheit bewirkendes Mittel mindestens gleich -- wenn nicht gar besser -- geeignet wäre, den Gesetzeszweck zu fördern, die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers bei der realitätsgerechten Bemessung des Zinssatzes zu berücksichtigen (1). Die insoweit vom Gesetzgeber bei der Bestimmung des Zinsvorteils zugrunde gelegten Kriterien bewegen sich im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis. Sie genügen den Anforderungen an eine realitätsgerechte Abbildung des durch die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall auszugleichenden Vorteils und haben auch den gesetzlich auf monatlich 0,5 % festgelegten Zinssatz ursprünglich abgedeckt (2). Unter den seit dem Jahr 2008 fortlaufend veränderten tatsächlichen Verhältnissen ist der gebildete Zinssatz inzwischen jedoch weder von den vom Gesetzgeber verwendeten noch von anderen Kriterien hinreichend gedeckt; auch unter Berücksichtigung des im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis bestehenden gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosespielraums bildet der Zinssatz von monatlich 0,5 % jedenfalls für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume den auszugleichenden Vorteil nicht mehr hinreichend ab, sondern entfaltet im Regelfall überschießende Wirkung. Eine Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz wäre insoweit mindestens gleich geeignet (3).
(1) Der Gesetzgeber darf unter bestimmten Voraussetzungen typisierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Benachteiligung Einzelner gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen muss er nicht unter allen Umständen um alle denkbaren Einzelfälle besorgt sein (vgl. BVerfGE 148, 147 [202 Rn. 136]; 151, 101 [145 Rn. 114]; stRspr). Eine Typisierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Regelung über ungewisse Umstände oder Geschehnisse zu treffen ist, die sich selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 151, 101 [145 Rn. 114]). Auch das hier in Betracht kommende geringere Ungleichheit bewirkende Mittel eines niedrigeren Zinssatzes bliebe insofern eine typisierende Regelung.
(a) Die mit einer Typisierung verbundene Ungleichbehandlung ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber darf sich zwar grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Dabei ist er berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 112, 268 [280]; 127, 224 [257]). Allerdings darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss bei seiner Maßstabsbildung realitätsgerecht den typischen Fall zugrunde legen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen daher von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (vgl. BVerfGE 151, 101 [146 Rn. 116]; 152, 274 [314 f. Rn. 102]); die durch die Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten dürfen nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen. Darüber hinaus darf das Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht. Die aus der Typisierung erwachsenden Vorteile müssen also im rechten Verhältnis zu der damit notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. BVerfGE 151, 101 [146 Rn. 116 ff.]; 152, 274 [315 Rn. 103] jeweils m.w.N.).
Typisierende Zinsregelungen müssen danach in der Lage sein, ihren Erhebungszweck hinreichend und damit realitätsgerecht abzubilden. Werden Zinsen als steuerliche Nebenleistungen allein zum Zweck des Vorteilsausgleichs erhoben, bedeutet dies, dass die Differenzierung nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen werden muss, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Zins abgegolten werden soll (vgl. dazu im Abgabenrecht BVerfGE 149, 222 [254 Rn. 66, 256 Rn. 69]).
(b) Auch bei der Beurteilung einer typisierenden Regelung und insbesondere der Frage, ob eine Zinsregelung den auszugleichenden Vorteil noch realitätsgerecht erfasst oder aber eine mildere Regelung insofern gleich oder gar besser geeignet wäre, steht dem Gesetzgeber, abhängig insbesondere von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und seinen Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der vom Bundesverfassungsgericht nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle kann dabei von einer bloßen Evidenzkontrolle über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Je höher sich die Komplexität einer Materie dabei ausnimmt, desto größer kann der Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers grundsätzlich sein (vgl. BVerfGE 150, 1 [89 Rn. 173] m.w.N.).
(c) Die Bemessung des durch die späte Steuerfestsetzung im Nachzahlungsfall potentiell entstehenden Zinsvorteils, der durch die Vollverzinsung zum Zwecke des Vorteilsausgleichs abgeschöpft werden soll, bedarf insofern einer Einschätzung und Bewertung zahlreicher ungewisser Umstände, die sich selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Erforderlich ist eine Zinstypisierung, für die verschiedenste Anknüpfungspunkte denkbar sind (vgl. Hey/Steffen, Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld, 2016, S. 81). Der Weite dieses Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. insoweit BVerfGE 132, 134 [165 Rn. 77]). Es ist nicht seine Aufgabe zu entscheiden, wie hoch ein Zinssatz zu bemessen ist (vgl. dazu BVerfGE 137, 34 [74 Rn. 80]). Die materielle Kontrolle des Zinssatzes beschränkt sich vielmehr darauf, ob er evident unzureichend ist, den durch die Vollverzinsung auszugleichenden Vorteil realitätsgerecht abzubilden (vgl. auch insoweit BVerfGE 132, 134 [165 Rn. 78]). Wesentlich ist lediglich, dass sich der Zinssatz noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen hält (vgl. schon zum Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen BVerfGE 68, 287 [308 f.]; zum Abgabenrecht BVerfGE 149, 222 [256 f. Rn. 70]; vgl. auch schon BVerfGE 132, 134 [163 Rn. 71]).
(d) Bei dieser zurückhaltenden Kontrolle ist grundsätzlich von der Beurteilung der Verhältnisse zum Zeitpunkt der Gesetzgebung auszugehen. Die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung ist daher zunächst nur aus einer ex-ante-Perspektive im Hinblick auf die verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten zu beurteilen (vgl. BVerfGE 25, 1 [12 f.]; 150, 1 [89 f. Rn. 175]).
Liegt einer Typisierung anhand eines einmal gewählten Kriteriums eine Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse zugrunde und sieht der Gesetzgeber insoweit keinen Anpassungsmechanismus vor, überprüft das Bundesverfassungsgericht aber ebenso, ob die anhand dieses Kriteriums getroffene Regelung auch unter veränderten Rahmenbedingungen noch von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers getragen wird und daher im Ergebnis zu rechtfertigen ist (vgl. auch BVerfGE 54, 11 [34]; 132, 134 [165 f. Rn. 79]; 137, 34 [75 Rn. 82]). Dies ist jedenfalls dann nicht mehr der Fall, wenn sich eine Regelung unter veränderten tatsächlichen Bedingungen als evident nicht mehr realitätsgerecht erweist (vgl. dazu auch BVerfGE 132, 134 [165 Rn. 78]; 137, 34 [75 Rn. 81]; siehe auch schon BVerfGE 68, 287 [308 f.]).
(2) Die den Gesetzgeber leitenden Kriterien zur Bestimmung des Zinsvorteils mit monatlich 0,5 % können hier aus einer Gesamtschau der in den Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Motive und Erwägungen hergeleitet werden (a). Diese Kriterien bilden den durch die Verzinsung auszugleichenden Vorteil hinreichend ab; der Gesetzgeber hat damit keinen atypischen oder realitätsfernen Fall als Leitbild seiner Typisierung gewählt (b).
(a) Die Realitätsgerechtigkeit von Typisierungen ist in erster Linie anhand der vom Gesetzgeber maßstabsbildend zugrunde gelegten Kriterien zu überprüfen. Wenn -- wie hier -- verschiedenste Anknüpfungspunkte für eine Typisierung denkbar sind (vgl. Hey/Steffen, Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld, 2016, S. 80 f.), ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, diese Kriterien selbst zu bestimmen (vgl. dazu BVerfGE 39, 210 [226]; 120, 82 [113]). Da der Gesetzgeber die Höhe des gewählten Zinses zu keiner Zeit ausdrücklich begründet hat, ist eine Gesamtschau der seit seiner erstmaligen Bemessung in den Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Motive und Erwägungen erforderlich, um die zumindest vermutlich leitenden Kriterien bei der Bemessung des Zinssatzes zu bestimmen.
Der Vollverzinsung immanent ist die Annahme des Gesetzgebers, dass der auszugleichende Vorteil im Nachzahlungsfall ein potentieller Zinsvorteil ist (aa). Die Bestimmung dieses Zinsvorteils mit monatlich 0,5 % scheint in erster Linie Praktikabilitätserwägungen geschuldet zu sein, da der vorgefundene schon für andere Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung geltende Zinssatz in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für die Vollverzinsung schlicht übernommen wurde (bb). Erkennbar sind aber auch Bezüge zum damaligen Diskontsatz, der seinerzeit mit einem Aufschlag von 2 Prozentpunkten zudem dem Zinssatz von jährlich 6 % in etwa entsprach (cc). Im Blick gehabt hat der Gesetzgeber offenbar auch den Marktzins (dd) und einen Gleichlauf der Höhe von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen (ee), wobei er davon ausgegangen ist, dass vorrangig selbständig tätige Steuerpflichtige von der Vollverzinsung betroffen sein würden (ff). Keine erkennbare Rolle bei der Bestimmung des Zinsvorteils spielten dagegen etwa die ertragsteuerliche Behandlung der Zinsen, unternehmensinterne Renditen oder der Zinsnachteil des Fiskus (gg).
(aa) Dem Vorteilsausgleich durch eine Vollverzinsung im Nachzahlungsfall liegt die Annahme zugrunde, dass es sich bei dem abzuschöpfenden Vorteil um einen potentiell entstehenden Zinsvorteil handelt (dazu BTDrucks 8/1410, S. 4).
(bb) Zur Bestimmung dieses Zinsvorteils knüpfte der Gesetzgeber an den bereits für die bisherigen Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung geltenden § 238 AO an. Dies begründete er allein mit der Praktikabilität des vorgefundenen festen Zinssatzes (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194) und übernahm damit das bereits für Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO etablierte Zinsniveau, das seinerseits auf den im Jahr 1961 eingeführten § 5 Abs. 1 Satz 1 StSäumnG (BGBl I S. 981 [994]) zurückgeht.
Seinen Ursprung findet dieser Zinssatz jedoch vermutlich schon früher in einem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen aus dem Jahr 1953, der -- soweit ersichtlich -- erstmals bundeseinheitlich die Höhe von Stundungszinsen für Lastenausgleichsabgaben mit jährlich 6 % als regelmäßig ermessensgerecht bestimmte (vgl. Nachschlagekartei zu den Lastenausgleichsabgaben, Karte 5 zu § 203 Abs. 1 Lastenausgleichsgesetz [LAG]). Später dehnte das Ministerium diesen Zinssatz auf Stundungen der Beförderungsteuer aus und ordnete in diesem Zusammenhang an, dass Stundungszinsen in Höhe von einhalb vom Hundert für jeden angefangenen Monat zu erheben sind (vgl. Nachweis im Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 3. Juni 1959 - S 1152 - 20863/VC - 2, DB 1959, S. 749). Im Januar 1961 änderte es die Regelung insoweit ab, als Zinsen nur noch für jeden vollen Monat zu zahlen sind (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 10. Januar 1961 - IV A /1 b - S 1152 - 4/60, DB 1961, S. 116), und näherte sich damit schon deutlich dem späteren Regelungsinhalt des § 5 Abs. 1 StSäumnG an, der noch im selben Jahr eingeführt wurde.
Mit dem Steueränderungsgesetz 1961 (BGBl I S. 981) wurden zusätzlich zu Stundungszinsen in den §§ 155 und 251a Reichsabgabenordnung (RAO) für das Gebiet des Steuerrechts Prozesszinsen und als deren Kehrseite Aussetzungszinsen eingeführt. § 5 Abs. 1 StSäumnG legte gleichzeitig für alle Verzinsungstatbestände einen einheitlichen Zinssatz von einhalb vom Hundert für jeden vollen Monat des Zinslaufs fest. Dieser galt nach § 127a Abs. 2 Satz 1 RAO auch für die Stundungszinsen, deren Bemessung zuvor noch in das Ermessen der Finanzverwaltung gestellt war (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 36). Eine Begründung der Höhe des Zinses findet sich in der Gesetzentwurfsbegründung nicht.
Der von der Bundesregierung beauftragte Arbeitskreis für die Reform der Reichsabgabenordnung und ihrer Nebengesetze schlug für die Einführung der späteren Abgabenordnung gleichfalls ohne nähere Begründung vor, § 5 StSäumnG als (zunächst) § 216 AO beizubehalten (vgl. Bundesministerium der Finanzen, Bericht des Arbeitskreises für die Reform der Reichsabgabenordung, Heft 13, 1970, S. 356). Die Einführung einer Vollverzinsung wurde aufgrund der fehlenden Automatisierung und des damit einhergehenden hohen Verwaltungsaufwands weiterhin zurückgestellt (vgl. Stenographischer Bericht der 203. Sitzung des 7. Deutschen Bundestags vom 27. November 1975, S. 14046D f., 14050A f.), wenngleich sie als die "gerechteste Lösung des Zinsproblems" beschrieben wird (BTDrucks VI/1982, S. 96, 171; vgl. schon BTDrucks 3/2573, S. 34 f.). Werde die Steuer erst längere Zeit nach Ablauf des Veranlagungszeitraums festgesetzt, so sei den Steuerpflichtigen, die eine Nachzahlung zu leisten hätten, ein Zinsgewinn entstanden, der unberücksichtigt bleibe (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 34 f., 37).
Mit dem Steuerreformgesetz 1990 (BGBl I 1988 S. 1093) wurde die Vollverzinsung als § 233a schließlich in die Abgabenordung eingeführt und aus Gründen der Praktikabilität am starren Zinssatz festgehalten (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194). Die schlichte Anknüpfung an § 238 AO dürfte zum einen dem Umstand geschuldet sein, dass die zunächst noch mit Einführung der Vollverzinsung vorgesehene Neubestimmung des Zinssatzes (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 8, 13) nicht gelungen war (vgl. Dust, Der Zinssatz im Steuerschuldverhältnis, 2019, S. 211). Zum anderen dürfte es sich um eine ausdrückliche Bestätigung der Entscheidung für einen starren Zinssatz gehandelt haben. Entsprechend wies auch die Bundesregierung in der Folgezeit wiederholt darauf hin, dass es sich bei dem Zinssatz von 0,5 % pro Monat um eine zulässige Typisierung im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung handele (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 6. April 2014, BTDrucks 17/1334, S. 3; Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 9. Oktober 2014, BTDrucks 18/2795, S. 1). Eine ausdrückliche Begründung der Höhe des Zinses fehlt auch hier.
(cc) In der Entstehungsgeschichte des jährlich 6 %-igen Zinssatzes und den Gesetzgebungsverfahren zu § 5 StSäumnG sowie zum heutigen § 238 AO finden sich jedoch Hinweise darauf, dass bei der Bemessung des Zinssatzes jedenfalls der damalige Diskontsatz als maßstabsbildendes Kriterium eine Rolle gespielt haben dürfte.
Der 1953 im Erlasswege für Lastenausgleichabgaben bestimmte bundeseinheitliche Stundungszinssatz von jährlich 6 % entsprach nicht nur tatsächlich dem im Januar 1953 festgesetzten Diskontsatz von 4 % (vgl. Monatsberichte der Bank Deutscher Länder für März 1953, S. 50) zuzüglich 2 Prozentpunkten, sondern scheint auch unmittelbar maßstabsbildend daran anzuknüpfen. So beruhte die den jährlich 6 %-igen Zinssatz als regelmäßig ermessensgerecht festschreibende Verwaltungsanweisung auf einer im März 1953 abgehaltenen Besprechung des Bundesministers der Finanzen mit den Steuerreferenten der Länder (vgl. Nachschlagekartei zu den Lastenausgleichsabgaben, Karte 5 zu § 203 Abs. 1 LAG), die teilweise bereits zuvor in Ländererlassen hinsichtlich der jährlichen Höhe von Stundungszinsen an den jeweiligen Diskontsatz zuzüglich 2 Prozentpunkten angeknüpft hatten (vgl. etwa Erlass des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 21. November 1950, Amtsblatt Nummer 43 vom 2. Dezember 1950, S. 390; siehe auch BB 1951, S. 17). Es ist daher nicht fernliegend, dass sich der Bundesminister ebenfalls an dem Anfang 1953 geltenden Diskontsatz von 4 % zuzüglich 2 Prozentpunkten orientiert (so auch Dust, Der Zinssatz im Steuerschuldverhältnis, 2019, S. 176) und den jährlichen Stundungszinssatz nur nicht variabel ausgestaltet hat.
Mit einem Aufschlag von zwei Prozentpunkten wurde der Diskontsatz auch noch 1960 für die Bemessung von Stundungszinsen und damit in enger zeitlicher Nähe zur Einführung des § 5 StSäumnG mit dem Steueränderungsgesetz 1961 herangezogen. In einem Rundschreiben vom 29. Oktober 1960 gab der Bundesminister der Finanzen Richtlinien unter anderem für die Erhebung von Stundungszinsen bei privatrechtlichen Forderungen des Bundes heraus, wonach ein Zinssatz von "2 vom Hundert" über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber von 5 vom Hundert für das Jahr zu vereinbaren war (vgl. Bundesminister der Finanzen, Rundschreiben vom 29. Oktober 1960 - II A/1 - A 0260 - 4/60, MinBlFin. S. 994; siehe auch BB 1960, S. 1267). Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des § 5 Abs. 1 Satz 1 StSäumnG vom 13. Juli 1961 sowie des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO vom 16. März 1976 stand der Zinssatz von jährlich 6 % auch tatsächlich im zumindest etwa gleichen Verhältnis zum Diskontsatz, der sich von 1960 bis Juli 1961 zwischen 3 % und 5 % und von 1975 bis März 1976 zwischen 3,5 % und 5,5 % bewegte (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für Januar 1977, Statistischer Teil, S. 46).
Auch im Vorfeld sowie nach der Einführung der Vollverzinsung finden sich Hinweise auf den Diskontsatz als Kriterium für die Bestimmung des Zinsvorteils im Fall einer späten Steuerfestsetzung. Allein der Diskontsatz wird als Bezugsgröße in der Diskussion um die Einführung eines variablen Zinssatzes im Gesetzgebungsverfahren genannt. So wurde zwar der variable Zinssatz selbst wegen der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten durchweg kritisch gesehen, der Diskontsatz als insoweit maßstabsbildendes Kriterium aber zu keiner Zeit in Frage gestellt. Schon in dem Bericht der Bundesregierung über die Vollverzinsung vom 6. Januar 1978 wird der Diskontsatz als Bezugsgröße für einen variablen Zinssatz vorausgesetzt und darauf hingewiesen, dass sowohl die Anpassung an den jeweiligen Diskontsatz als auch die (rückblickende) Ausrichtung an dem durchschnittlichen Diskontsatz zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen würde (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). Auch nach Einführung der Vollverzinsung bemerkte jedenfalls die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, dass eine Anpassung an den Basiszinssatz nach § 247 BGB, der den Diskontsatz abgelöst hat, wegen dessen Schwankungen zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen würde, und verwies auf den Bericht der Bundesregierung von 1978 (vgl. BTDrucks 18/2795, S. 1 f.).
Letztlich stand auch zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093), mit dem die Vollverzinsung eingeführt wurde, der Zinssatz von monatlich 0,5 % tatsächlich weiterhin im in etwa gleichen Verhältnis zum Diskontsatz wie in den Jahren 1953, 1961 und 1976. Der Diskontsatz lag im Juli 1988 bei 3 %. In den fünf Jahren davor (1983 bis 1987) bewegte er sich zwischen 2,5 % und 4,5 % (vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Januar 1990, Statistischer Teil, S. 49) und schwankte damit bei einem Aufschlag von 2 Prozentpunkten um den jährlich 6 %-igen Zinssatz der Vollverzinsung.
(dd) Für die Bestimmung des potentiellen Zinsvorteils fanden in den Gesetzgebungsverfahren aber wohl auch die Marktzinsen selbst maßstabsbildend Berücksichtigung, wobei jedenfalls retrospektiv Zinssätze für Sparkonten, Festgeldanlagen als auch für Dispositions-, Kontokorrent- sowie Festzinskredite Erwähnung finden. Insofern lässt sich vermuten, dass sich der Gesetzgeber an einem Mix aus durchschnittlichen Guthaben- und Kreditzinsen orientiert hat, weil der Zins von jährlich 6 % nicht nur zum Zeitpunkt gesetzgeberischer Entscheidungen in den Jahren 1961 und 1976 (vgl. dazu auch Hey, FR 2016, S. 485 [489 f.]), sondern auch im Jahr 1990 tatsächlich zwischen diesen beiden Werten gelegen hat.
Schon der 1953 in dem Erlass des Bundesministers der Finanzen festgelegte Stundungszinssatz von jährlich 6 % entsprach in etwa dem damaligen Zinsniveau. Die Zinssätze der seit Juli 1948 emittierten festverzinslichen Schuldverschreibungen lagen nach dem Stand von Dezember 1954 zwischen 3 % und 8,5 % pro Jahr (vgl. Monatsberichte der Bank Deutscher Länder für Januar 1955, S. 85). Habenzinsen bewegten sich Anfang des Jahres 1953 in einer Spanne von 1 % bis 4,25 % pro Jahr. Demgegenüber reichten die jährlichen Sollzinsen einschließlich der sonstigen Kreditkosten von 6 % im Bereich der Wechselkredite bis 11 % für Kontoüberziehungen (vgl. Monatsberichte der Bank Deutscher Länder für Mai 1953, S. 70 ff.).
Auch zum Zeitpunkt der Verabschiedung des § 5 Abs. 1 Satz 1 StSäumnG vom 13. Juli 1961 entsprach der jährlich 6 %-ige Zinssatz dem seinerzeitigen Zinsniveau. Zinsen für täglich fällige Gelder, Spareinlagen, Kündigungsgelder und Festgelder lagen ab April 1961 zwischen 0,38 % und 4,5 % pro Jahr. Die Renditen für festverzinsliche Wertpapiere bewegten sich von 1960 bis Juli 1961 insgesamt in einem Spektrum von 5,4 % bis 6,9 % pro Jahr. Sollzinsen waren seit Mai 1961 in einer Bandbreite von 5 % im Bereich der Wechselkredite bis 10 % pro Jahr für Kontoüberziehungen zu zahlen (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für Mai 1961, S. 54 f. und für August 1961, S. 66 f., 76).
Im Hinblick auf die Heranziehung der Kreditzinssätze ist insofern allerdings zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber jedenfalls nicht vorrangig maßstabsbildend an den Höchstzinssätzen für Kontoüberziehungen orientiert hat. Dies zeigt ein Vergleich mit der zeitgleich erfolgten Bestimmung des Säumniszuschlags auf monatlich 1 % (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StSäumnG). Dessen Höhe wird damit begründet, dass der Säumniszuschlag zwar dem Fiskus keine wirtschaftliche Entschädigung für die Vorenthaltung des ihm geschuldeten Steuerbetrags gewähren, sondern allein den rechtzeitigen Eingang der Steuern sicherstellen solle. Es dürfe jedoch die Höhe der Kreditkosten nicht außer Acht gelassen werden. Der Säumniszuschlag dürfe nicht unter den Kosten für Kredite liegen, sonst bestehe die Gefahr, dass Steuerpflichtige die Steuerzahlungen hinausschöben, weil diese Art der Finanzierung billiger wäre als ein Kredit auf dem Geldmarkt. Die Kreditkosten für Kontenüberziehungen, die als Vergleichsmaßstab in Betracht kämen, betrügen im Herbst 1960 im Bundesgebiet jährlich 11 % (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für Oktober 1960, S. 98). Unter diesen Umständen erscheine ein Zuschlag von 1 vom Hundert für jeden angefangenen Monat als angemessen (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 34). Demgegenüber hat der Gesetzgeber den Zinssatz in § 5 Abs. 1 Satz 1 StSäumnG gleichzeitig genau auf die Hälfte des Säumniszuschlags festgelegt und damit zu erkennen gegeben, dass Zinsen für Kontoüberziehungen für ihn nur etwa hälftig, jedenfalls aber nur in einer Gesamtschau mit anderen Zinsen maßstabsbildend waren.
Auch bei der Verabschiedung der Abgabenordnung 1977 vom 16. März 1976 sowie des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 entsprach eine jährliche 6 %-ige Verzinsung in etwa dem seinerzeitigen Zinsniveau. Von 1975 bis zum März 1976 betrugen die jährlichen Habenzinsen für Spareinlagen und Festgelder durchschnittlich mindestens 3,43 % bis maximal 7,71 %. Festverzinsliche Wertpapiere wurden mit jährlich 7,8 % bis 9,4 % verzinst. Im selben Zeitraum lagen die jährlichen Kreditzinssätze zwischen 3,96 % für Ratenkredite und 12,24 % für Kontokorrentkredite unter einer Millionen Euro (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für Mai 1976, Statistischer Teil, S. 53 und für Januar 1977, Statistischer Teil, S. 48). 1987 bis zum Juli 1988 lagen die jährlichen Habenzinsen für Festgelder, Sparbriefe und Spareinlagen im Durchschnitt zwischen 2 % und 5,51 %. Festverzinsliche Wertpapiere wurden zwischen 5,4 % und 6,5 % pro Jahr verzinst. Die Kreditzinssätze lagen zwischen 4,08 % für Wechseldiskontkredite und 8,63 % pro Jahr im Bereich der Kontokorrentkredite (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für März 1988, Statistischer Teil, S. 51 f., 57 und für Januar 1989, Statistischer Teil, S. 51 f.).
Ein erkennbares Abrücken von einem Bezug zum Marktzins als maßstabsbildendes Kriterium kann auch später nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber selbst hat sich insoweit nicht geäußert. Ohne den Marktzins als solchen als maßstabsbildend abzulehnen, wies die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Oktober 2014 darauf hin, dass eine Anpassung an den Marktzins wegen dessen Schwankungen zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen würde, da dieser für die Vergangenheit festgestellt werden müsse (vgl. BTDrucks 18/2795, S. 1 f.). Bei einem Vergleich des gesetzlichen Zinssatzes mit den Marktzinsen seien nicht allein die Zinssätze für Festgeldanlagen, sondern auch die für Dispositions-, Kontokorrent- sowie Festzinskredite heranzuziehen, weshalb sich der Zinssatz von 0,5 % pro Monat im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung bewege (vgl. BTDrucks 18/2795, S. 2). In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses vom 25. September 2019 gingen zudem jedenfalls die Fraktionen der regierungsbildenden Koalition im Deutschen Bundestag davon aus, dass die Steuerschuld eine Forderung des Finanzamtes gegenüber einem Steuerpflichtigen und vergleichbar mit einem nicht besicherten Darlehen sei. Sinnvoll sei es, über Zinssätze ähnlich wie bei "Überziehungszinsen, Verzugszinsen oder Darlehenszinsen zu diskutieren" (vgl. BTDrucks 19/13574, S. 4). Entsprechend stellt auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme (oben Rn. 56) als Referenzwert für die Bestimmung des Zinsvorteils die "Fremdfinanzierung durch Zahlungsverzug/Kreditgewährung" in den Vordergrund ihrer Betrachtung.
(ee) Maßstabsbildend für die Bestimmung des Zinssatzes ist jedenfalls auch der gewollte Gleichlauf von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen. Auch die Verzinsung von Steuererstattungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194). Schon in dem Bericht über die Vollverzinsung betont die Bundesregierung, dass ein unterschiedlicher Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen mit dem Prinzip der Sollverzinsung nicht vereinbar wäre. Eine Vollverzinsung sei zudem nur praktikabel, wenn der Zinssatz für Soll- und Habenzinsen gleich hoch sei (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). Für die Bemessung der Zinshöhe hatte der Gesetzgeber im Hinblick auf Erstattungszinsen erkennbar auch die für Sparguthaben zu erzielenden Zinsen im Blick (vgl. Seer/Klemke, Neuordnung der Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, 2013, S. 45; Jonas, DB 2016, S. 3000 [3002]). So sah jedenfalls die Bundesregierung die Gefahr, dass Steuerpflichtige eine zinsgünstige Anlage ihrer Gelder beim Finanzamt zu erreichen suchen könnten, da der Zins in Höhe von monatlich 0,5 % erheblich über dem seinerzeit für Sparguthaben erzielbaren Zinssatz lag (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 12). Dies lässt den Schluss zu, dass, um Fehlanreize zu vermeiden, der gesetzliche Zinssatz für Erstattungszinsen und -- wegen des gewollten Gleichlaufs -- auch für Nachzahlungszinsen idealerweise nicht deutlich höher sein sollte als die Zinsen, die für Sparguthaben erzielt werden können.
(ff) Die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung des auszugleichenden Vorteils vor allem selbständig tätige Steuerpflichtige sowie die übrigen einer Pflichtveranlagung unterliegenden Steuerpflichtigen im Blick hatte. So wird in dem Bericht der Bundesregierung über die Vollverzinsung vom 6. Januar 1978 hervorgehoben, dass durch die Vollverzinsung insbesondere Unterschiede in der Steuererhebung, die zwischen Lohnsteuerzahlern und veranlagten Steuerpflichtigen bestünden, ausgeglichen werden könnten (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 4). Die Gesetzentwurfsbegründung zum Steuerreformgesetz 1990 spricht ausdrücklich von der ausgleichenden Wirkung der Vollverzinsung auf die unterschiedliche zeitliche Heranziehung von Arbeitnehmern und anderen Steuerzahlern zur Einkommensteuer (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 118). Auch die zunächst erfolgte Begrenzung des Zinslaufs auf vier Jahre sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass Außenprüfungen aus Gründen, die die Steuerpflichtigen nicht zu vertreten haben, bei Großbetrieben und Konzernen häufig erst lange Zeit nach Ablauf des Steuerjahrs durchgeführt werden könnten (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195).
(gg) Keine Bedeutung für die Bestimmung des Zinsvorteils scheint im Ergebnis demgegenüber der ertragsteuerlichen Behandlung der Zinsen zugekommen zu sein. Zwar wird noch in dem Bericht der Bundesregierung über die Vollverzinsung vom 6. Januar 1978 darauf hingewiesen, dass es ausschlaggebend für die Bemessung des Zinssatzes sein dürfte, wie die Steuerzinsen bei den Ertragsteuern behandelt würden (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). Ein tragfähiger Beleg dafür, dass die ertragsteuerliche Behandlung bei der Bemessung des Zinssatzes im Rahmen der Einführung der Vollverzinsung tatsächlich relevant geworden wäre, findet sich jedoch nicht. Die ertragsteuerliche Behandlung der von der Vollverzinsung erfassten Steuerarten ergibt schon kein einheitliches Bild. Zinsen auf Betriebssteuern (Gewerbesteuer, Umsatzsteuer) teilten bereits zuvor das Schicksal der Steuer, auf die sie entfielen, und waren dementsprechend grundsätzlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar. Zwar ermöglichte der Gesetzgeber zur Erleichterung der Einführung der Vollverzinsung -- entgegen der Gesetzentwurfsbegründung (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 194) -- auch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen auf Personensteuern (Einkommen-, Körperschaft-, Vermögensteuer; vgl. BTDrucks 11/2536, S. 78, 89), nachdem die Vollverzinsung in den Anhörungen wegen ihrer als nachteilig empfundenen Auswirkungen teilweise stark kritisiert worden war (vgl. BTDrucks 11/2536, S. 22 f.). Schon mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999 S. 402) wurde jedoch die Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen auf Personensteuern wieder gestrichen, da die Einführungsphase der Vollverzinsung vorbei und die bisherige Regelung systemwidrig und widersprüchlich gewesen sei (vgl. BTDrucks 13/7480, S. 200; BTDrucks 14/23, S. 174).
Nicht erkennbar leitend war offenbar auch die in Rechtsprechung und Literatur teilweise bei der Bemessung des Zinsvorteils als maßstabsbildendes Kriterium herangezogene Rendite, die Steuerpflichtige durch Investition des zunächst ersparten Geldbetrags in das eigene Unternehmen erzielen können (vgl. dazu BFHE 260, 9 [18 Rn. 37]; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Oktober 2018 - 14 B 1366/18 -, Rn. 16 ff.; Zahn, DStZ 2020, S. 573 [575]). Zwar weist die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass jedenfalls Unternehmen dadurch durchaus höhere Renditen erzielen könnten, als dies durch Einlage des Kapitals bei Geldinstituten der Fall wäre. Jenseits dieser für sich genommen abstrakten Aussage gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung des Zinssatzes des § 238 AO jemals an einen Vergleich mit einer unternehmensinternen Rendite gedacht hätte (vgl. Seer, StuW 2019, S. 212 [222]).
Ebenfalls nicht in die Maßstabsbildung einbezogen worden sind risikoreichere und spekulative Anlageformen wie zum Beispiel Aktien oder Investmentfonds, auch wenn damit deutlich höhere Kapitalerträge erzielt werden können und in Deutschland eine Investition in Aktien zumindest nicht unüblich ist (vgl. dazu Zahn, DStZ 2020, S. 573 [576 ff.]; Schindler/Hoppe, DStR 2020, S. 2570 [2577]). Ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber risikoreiche Anlagenformen jedenfalls nicht erkennbar im Blick hatte, spricht der Umstand, dass die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall den fiktiven Zinsvorteil des Steuerschuldners abschöpfen will (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 4), aber eher dafür, dass zumindest ein Vorteil abgeschöpft werden sollte, dessen Erzielung von Steuerpflichtigen realistischer Weise erwartet werden kann. Dies dürfte primär nur die risikoarmen "klassischen" Kapitalanlageformen wie etwa Tagesgeld, Sparbuch oder Festgeldkonten umfassen.
Auch soweit dem durch eine späte Steuerfestsetzung verursachten Liquiditätsnachteil des Fiskus in Rechtsprechung und Literatur eine Bedeutung beigemessen wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, Rn. 21; BFHE 266, 501 [503 f. Rn. 17]; Krabbe, Vollverzinsung im Steuerrecht, 2. Aufl. 1992, S. 18), ist nicht ersichtlich, dass dies für den Gesetzgeber bei der Bemessung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO leitend gewesen wäre. Zwar wird in den Gesetzesmaterialen wiederholt darauf Bezug genommen, dass der Finanzverwaltung längere Zeit ein Geldbetrag vorenthalten werde (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 35, 37) oder, dass es sich bei Zinsen um eine Entschädigung für die Kapitalnutzung handele (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 4). Ein Zusammenhang mit dem dem Fiskus entstehenden Zinsnachteil und seinen insoweit erforderlichen Refinanzierungskosten ist den Gesetzesmaterialen jedoch weder unmittelbar noch mittelbar zu entnehmen.
Soweit schließlich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme einen Vergleich mit den Kapitalmarktzinsen dadurch relativiert sieht, dass der Zinslauf erst nach Ablauf einer 15-monatigen Karenzzeit beginnt, die Abgabenordnung keine Zinseszinsen kennt und Nachzahlungszinsen nur für volle Monate erhoben werden, weshalb der effektive Zinssatz deutlich unter 6 % pro Jahr liege (oben Rn. 56; vgl. auch BTDrucks 16/1111, S. 9 f.; BTDrucks 18/2795, S. 1 ff.; BTDrucks 19/13574, S. 4 sowie Melan, DStR 2017, S. 2088 [2089]; BFHE 260, 9 [21 Rn. 45]), finden diese Umstände jedenfalls keine Entsprechung in den Gesetzesmaterialien. Schon mit Einführung der Abgabenordnung 1977 wurde in § 233 Satz 2 AO der allgemeine Grundsatz festgeschrieben, dass steuerliche Nebenleistungen und die entsprechenden Erstattungsansprüche nicht verzinst werden (vgl. BTDrucks 7/4292, S. 38). Ebenso findet eine Zinserhebung nur für volle Monate bereits seit 1961 statt (vgl. schon das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 10. Januar 1961 - IV A /1 b - S 1152 - 4/60, DB 1961, S. 116 sowie § 5 Abs. 1 Satz 2 StSäumnG), ohne dass diese Umstände zu irgendeinem Zeitpunkt unmittelbar oder mittelbar in Relation zur Zinshöhe gestellt worden wären. Die Außerachtlassung angefangener Monate für die Bestimmung des Zinsvorteils dürfte überdies im Regelfall von vernachlässigbarer Bedeutung sein. Die 15-monatige Karenzzeit, in der keine Zinszahlungspflicht besteht, kann demgegenüber von vornherein keinen Schluss auf den potentiellen Vorteil zulassen, da die Zinszahlungspflicht und mit ihr die Ungleichbehandlung überhaupt erst mit dem Ablauf der Karenzzeit beginnt. Innerhalb der ersten 15 Monate ab Steuerentstehung haben sowohl später zinszahlungspflichtige als auch nicht zinszahlungspflichtige Steuerschuldner keine Nachzahlungszinsen zu leisten.
(b) Die vorgenannten, vom Gesetzgeber bei der Bemessung des Zinssatzes als maßstabsbildend zugrunde gelegten Kriterien bilden den Vorteil, der durch die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall abgeschöpft werden soll, hinreichend ab. Sie schließen insbesondere alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände ein (vgl. dazu BVerfGE 151, 101 [146 Rn. 116]; 152, 274 [314 f. Rn. 102]).
Die der Bemessung des Zinssatzes von monatlich 0,5 % zugrundeliegenden Kriterien sind sachlich vertretbar. Sie bilden als Stellvertreterkriterien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Vorteil ab, der Steuerpflichtigen durch eine aufgeschobene Zahlungsverpflichtung potentiell zukommt. Die Bezugnahme auf den damaligen Diskontsatz, der durch den heutigen Basiszinssatz abgelöst wurde, (aa) und die Marktzinsen (bb) unter Berücksichtigung der von der Vollverzinsung ganz überwiegend betroffenen Steuerpflichtigen (cc) sind in ihrer Gesamtheit sachgerecht, um den potentiell entstehenden Vorteil abzubilden.
(aa) Die Verwendung des Basiszinssatzes, der den Diskontsatz abgelöst hat, als im Zuge der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion die Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank (EZB) überging, als Referenzzinssatz ist sachgerecht, um den Vorteil abzubilden, der Steuerpflichtigen durch eine aufgeschobene Zahlungsverpflichtung potentiell zukommt.
Der Basiszinssatz ist ein variabler Zinssatz, der nach den Vorgaben der EZB von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe des § 247 Abs. 1 BGB ermittelt wird. Bezugsgröße für seine Berechnung ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der EZB vor dem ersten Kalendertag eines jeden Halbjahrs. Der Basiszinssatz folgt damit dem Hauptrefinanzierungssatz der EZB nach (vgl. Anzinger, DStR 2016, S. 1829 [1834]), der neben anderen Refinanzierungszinssätzen als Indikator für die Zinsentwicklung der Tages- und Festgeldkonten sowie für die Entwicklung der Kreditzinsen dient und der den wichtigsten Leitzins der EZB darstellt. Die Leitzinsen der Zentralbanken definieren zwar den Marktzins nicht selbst, beeinflussen aber ihrerseits das Marktzinsniveau (vgl. Anzinger, DStR 2016, S. 1766 [1767]), weshalb ihnen eine breite Typisierungswirkung zukommt (vgl. Hey/Steffen, Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld, 2016, S. 81). Aufgrund seiner Orientierung am Leitzins der EZB und damit dem einflussreichsten Faktor des europäischen Geldmarkts ist auch der Basiszinssatz eine geeignete Ausgangsgröße für einen marktgerechten Zinssatz. Er ist zudem in hohem Maße nachvollziehbar und transparent, da er unverzüglich nach dem 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres im Bundesanzeiger veröffentlicht wird (vgl. Seer, StuW 2019, S. 212 [222]; DWS-Institut Wissenschaftlicher Arbeitskreis Steuerrecht, DStR 2021, S. 1265 [1270]).
Der Basiszinssatz dient damit als klassischer Referenzzinssatz, wenn es darum geht, Zinsen für die Überlassung von Kapital zu berechnen. Da er seinerseits am Marktzinsniveau ausgerichtet ist, ist er grundsätzlich geeignet, mit einem sachgerechten Aufschlag den Vorteil abzubilden, der Steuerpflichtigen durch eine späte Steuerfestsetzung potentiell zukommt (vgl. Seer, StuW 2019, S. 212 [222]; DWS-Institut Wissenschaftlicher Arbeitskreis Steuerrecht, DStR 2021, S. 1265 [1270]; vgl. auch Loose, DStJG 31 (2008), S. 203 [213]; Jonas, Ubg 2011, S. 960 [961]; Ortheil, BB 2012, S. 1513 [1517]).
(bb) Marktzinsen bilden dagegen den konkreten Vorteil ab, der sich zu einer bestimmten Zeit aus einer aufgeschobenen Zahlungsverpflichtung ergeben kann. Sie verkörpern das Entgelt für die Überlassung und die Möglichkeit der Nutzung von Kapital auf Zeit und sind daher ebenso geeignet, den durch die späte Steuerfestsetzung im Nachzahlungsfall entstehenden Vorteil sachgerecht abzubilden.
(α) Ein aus Anlage- und Kreditzinsen gebildeter Mittelwert lässt einen hinreichend sicheren Schluss auf den durch die späte Steuerfestsetzung erzielbaren Vorteil zu. Steuerschuldner können durch eine späte Steuerfestsetzung je nach ihrer finanziellen Situation grundsätzlich auf zwei Arten einen Liquiditätsvorteil erzielen, die durch die einheitliche Typisierung gleichbehandelt werden. Sie haben zunächst die Möglichkeit -- entsprechende Liquidität vorausgesetzt -- den für die Begleichung ihrer schon entstandenen, aber noch nicht festgesetzten Steuerschuld erforderlichen Geldbetrag anzulegen und Habenzinsen zu erzielen. Verfügen sie demgegenüber nicht über entsprechende Liquidität, besteht ihr Vorteil durch eine späte Steuerfestsetzung darin, dass sie ein zur Begleichung der Steuerschuld erforderliches Darlehen jedenfalls zunächst nicht aufnehmen müssen und sich so zumindest vorübergehend die Zahlung von Darlehenszinsen und sonstigen Kosten einer Kreditaufnahme ersparen. Zwar ist der Anlagefall nicht unmittelbar mit dem Darlehensfall vergleichbar. Denn während liquide Steuerschuldner über den gesamten Zeitraum bis zur späteren Steuerfestsetzung zumindest die Möglichkeit haben, Zinsgewinne zu generieren, hängt der mögliche Liquiditätsvorteil nicht liquider Steuerschuldner durch die Ersparnis von Darlehenszinsen von weiteren Faktoren ab. Ersparte Darlehenszinsen würden nämlich nur dann in voller Höhe den Vorteil der nicht liquiden Steuerschuldner ausmachen, wenn diese im späteren Zeitpunkt der Steuerfestsetzung wieder voll liquide wären und sich die Aufnahme eines Darlehens für sie damit insgesamt erübrigt hätte.
Anderseits verfügen aber auch nicht liquide Steuerschuldner zumindest theoretisch noch bis zur Steuerfestsetzung über einen Geldbetrag, der dem Grunde nach bereits dem Fiskus zusteht. Um vergleichbar liquide zu sein, müssten sie ein entsprechendes Darlehen in Anspruch nehmen. Auch der Umstand, dass die Vollverzinsung nicht nur Steuernachforderungen, sondern auch Steuererstattungen betrifft, spricht für die Sachgerechtigkeit der Berücksichtigung der Kreditzinsen bei den maßstabsbildenden Kriterien. Denn der Gesetzgeber hat sich bewusst für einen einheitlichen Zinssatz entschieden, weshalb auch die durch die späte Steuererstattung entstandenen und auszugleichenden Nachteile der Steuerpflichtigen in den Blick genommen werden können, die der Zinssatz gleichfalls abbilden soll. Insoweit ist es sachlich gerechtfertigt, neben den Anlagezinsen, die Steuerpflichtigen durch die späte Steuererstattung entgangen sein können, auch die Kreditzinsen zu berücksichtigen, die angefallen sein können, um eine Liquiditätslücke bis zur Steuererstattung zu schließen. Wenngleich letztlich Erfahrungswerte dafür fehlen, was hier den Regelfall ausmacht, erscheint es jedenfalls sachgerecht, wenn der Gesetzgeber zur Bemessung des Vorteils von einem Gesamtbild ausgeht, das sowohl Anlage- als auch Kreditzinsen umfasst.
(β) Ein vorrangiges Abstellen auf die Kreditzinssätze, wie dies die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vertritt (oben Rn. 56; vgl. auch BTDrucks 19/13574, S. 4), würde demgegenüber dem Erfordernis einer realitätsnahen Typisierung kaum gerecht. Die gesetzliche Verallgemeinerung würde dann nicht mehr von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen, da die bedeutende Gruppe der liquiden Steuerschuldner vernachlässigt würde (vgl. Seer, DB 2014, S. 1945 [1948]; Hey, FR 2016, S. 485 [490]). Ungeachtet dessen kann auch den in den Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Motiven und Erwägungen eine entsprechende Schwerpunktsetzung auf Kreditzinsen nicht entnommen werden.
(γ) Soweit zur Maßstabsbildung Anlagezinsen herangezogen werden und insbesondere Festgeldkonten Erwähnung finden, erscheint das ohne Weiteres sachgerecht. Da der Gesetzgeber keine näheren Beschränkungen erkennen lässt, gilt dies sowohl für kurzfristige und bei Fälligkeit der Steuerschuld zeitnah verfügbare Kapitalanlagen als auch für langfristige Kapitalanlagen und solche mit längeren Kündigungsfristen. So sind durchaus Fälle denkbar, in denen Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Steuerentstehung beziehungsweise bei Ablauf der Karenzzeit zwar liquide sind, jedoch nicht mit einer Steuernachzahlung in einer bestimmten oder zumindest ungefähren Höhe rechnen und deswegen das ihnen längere Zeit zur Verfügung stehende Kapital nicht nur in eine kurzfristige Kapitalanlage investieren, sondern längerfristig und auch mit längeren Kündigungsfristen anlegen. Dies wird in der Praxis sogar nicht selten auf den Hauptentstehungsfall von Nachzahlungszinsen zutreffen, nämlich Steuerfestsetzungen nach einer vorangegangenen Außenprüfung, mit denen Steuerpflichtige grundsätzlich nicht zwingend rechnen müssen und daher das Ergebnis unter Umständen auch deutlich schwerer vorhersehen können als im Fall ihrer erstmaligen Veranlagung. Bis dahin aber können liquide Steuerpflichtige das ihnen länger zur Verfügung stehende Kapital durchaus auch längerfristig angelegt haben (vgl. dazu auch DWS-Institut Wissenschaftlicher Arbeitskreis Steuerrecht, DStR 2021, S. 1265 [1268]). Um im Rahmen der Typisierung vernachlässigbare Einzelfälle dürfte es sich dabei jedenfalls nicht handeln.
(δ) Im Hinblick auf Kreditzinsen sind auch die erwähnten Dispositions-, Kontokorrent- sowie Festzinskredite grundsätzlich geeignet, den Zinsvorteil der Gruppe der nicht liquiden Steuerschuldner abzubilden. Mangels erkennbarer Beschränkung kommen ebenfalls sowohl kurzfristige als auch langfristige Finanzierungsformen als Referenz in Betracht. Dabei sind auch die Bestände einzubeziehen, da Steuerpflichtige unter Umständen etwa die Möglichkeit haben, vorhandene Kredite vorzeitig zu tilgen (vgl. BFHE 260, 9 [17 Rn. 34]).
Soweit es demgegenüber jedenfalls die Koalitionsfraktionen für sinnvoll hielten, über Verzugszinssätze als maßstabsbildendes Kriterium zu diskutieren (vgl. BTDrucks 19/13574, S. 4), und die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme als Referenzwert für die Bestimmung des Zinsvorteils jedenfalls auch die "Fremd-finanzierung durch Zahlungsverzug" in den Vordergrund ihrer Betrachtung stellen will (oben Rn. 56), würde dies dem Erhebungszweck der Nachzahlungszinsen allerdings nicht gerecht. Verzugszinssätze können den durch die Vollverzinsung abzuschöpfenden Zinsvorteil von vornherein nicht abbilden, weil dem Verzug ein Verschuldenselement innewohnt und die Verzugsverzinsung -- im Gegensatz zur Vollverzinsung -- damit auch Lenkungszwecken dient (vgl. Seer, DB 2014, S. 1945 [1948]).
Überziehungszinssätze wie Kontokorrent- oder Dispositionszinssätze können dagegen jedenfalls grundsätzlich dazu beitragen, den Erhebungszweck realitätsgerecht abzubilden. Zwar ist ein Erfahrungssatz, dass Steuerschulden in nennenswerter Größenordnung mittels einer Überziehung des Kontos beglichen werden, ebenso wenig ersichtlich wie ein Erfahrungssatz, dass Steuerschuldner -- insbesondere die vorrangig in den Blick zu nehmenden Unternehmen (unten Rn. 196) -- sich durch eine Kontoüberziehung Liquidität verschaffen, auch wenn -- worauf die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme hinweist (oben Rn. 56) -- jedenfalls revolvierende Kredite die größte banktypische Finanzierungsquelle darstellen sollten. Bedenken gegen ihre Einbeziehung bestehen gleichwohl nicht, denn der Gesetzgeber hat Kreditzinssätze für Kontoüberziehungen bei der Bemessung des Zinssatzes für sich genommen betrachtet nur etwa hälftig, jedenfalls aber nur in einer Gesamtschau mit anderen Zinsen maßstabsbildend berücksichtigt (vgl. oben Rn. 173). Dass er auch auf Sonderfaktoren wie Kreditkarten- oder Konsumentenkredite privater Haushalte als Referenzwerte abgestellt hätte, deren Realitätsgerechtigkeit zweifelhaft sein könnte (vgl. BFHE 260, 431 [435 Rn. 18]; Seer, StuW 2019, S. 212 [219 f.]; dagegen BFHE 260, 9 [17 f. Rn. 35 f.]), ist schon dem Grunde nach nicht ersichtlich.
(cc) Soweit der Gesetzgeber in erster Linie selbständig tätige Steuerpflichtige und Unternehmen und im Regelfall nicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick hatte, erscheint dies ohne Weiteres sachgerecht. Dass die Vollverzinsung sogar maßgeblich Selbständige und Unternehmen trifft, wird durch die überragende Bedeutung bestätigt, welche den Nachzahlungszinsen nach § 233a AO am Mehrergebnis der Betriebsprüfungen im Vergleich zu den einzelnen Steuerarten zukommt (oben Rn. 21).
(3) Der anhand der genannten Kriterien gebildete Zinssatz von monatlich 0,5 % bildete den durch die Vollverzinsung auszugleichenden Vorteil auch unter den sich seit 2008 fortlaufend verändernden tatsächlichen Verhältnissen noch für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume hinreichend ab. Unter Berücksichtigung der dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis zustehenden Einschätzungsprärogative war deshalb auch ein niedrigerer Zinssatz nicht eindeutig gleich geeignet. Für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume ist der gewählte Zinssatz jedoch nicht mehr in der Lage, den durch die Erhebung von Nachzahlungszinsen auszugleichenden Vorteil realitätsgerecht abzubilden. Die an den gesetzlichen Zinssatz anknüpfende Vollverzinsung entfaltet daher regelmäßig überschießende Wirkung und ist zur Förderung des Gesetzeszwecks nicht mehr erforderlich.
Zwar lag der gesetzgeberischen Entscheidung aus einer ex-ante-Perspektive eine zunächst gültige Einschätzung und Bewertung zugrunde. Der damals anhand der genannten Kriterien mit monatlich 0,5 % bemessene Zinssatz bildete den durch eine späte Steuerfestsetzung entstehenden Vorteil ab, denn er entsprach in etwa den damaligen Verhältnissen am Geld- und Kapitalmarkt (oben Rn.170 ff.). Das ist für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume nicht mehr der Fall.
Die typisierende Festlegung des Zinssatzes ist trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieser Zinssatz unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist (a). Da bis zum Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 noch zyklische Schwankungen am Kapitalmarkt stattgefunden haben, in deren Bandbreite sich der Zinssatz von 6 % pro Jahr bewegte, war dieser bis dahin in der Lage, den durch eine späte Steuerfestsetzung entstehenden Vorteil der Steuerpflichtigen im Nachzahlungsfall abzubilden (b). Unter den sich seit dem Jahr 2008 fortlaufend verändernden tatsächlichen Rahmenbedingungen lässt der gesetzliche Zinssatz allerdings nur noch für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume einen hinreichenden Schluss auf den potentiell erzielbaren Zinsvorteil zu. Für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume ist er dagegen in dieser Höhe evident realitätsfern und daher von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr gedeckt (c).
(a) Die typisierende Festlegung des Zinssatzes ist trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieser Zinssatz unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er sich im Laufe der Zeit als evident realitätsfern erweist (vgl. oben Rn. 155). Zwar ist grundsätzlich aus einer ex-ante-Perspektive im Hinblick auf die verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten zu beurteilen, ob einer gesetzgeberischen Entscheidung eine gültige Einschätzung und Bewertung zugrunde liegt (vgl. BVerfGE 25, 1 [12 f.]; 150, 1 [89 f. Rn. 175]). Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers trägt jedoch dann nicht mehr, wenn diese durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird und sich herausstellt, dass die ihr zugrundeliegenden Annahmen fehlerhaft waren oder nicht mehr zutreffen. Der Gesetzgeber muss daher ein Gesetz nachbessern, sofern die Änderung einer zunächst verfassungskonform getroffenen Regelung erforderlich ist, um diese unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage mit der Verfassung in Einklang zu halten. Eine zunächst verfassungskonforme Regelung kann danach verfassungswidrig werden, sofern der Gesetzgeber dem nicht durch Nachbesserung entgegenwirkt (vgl. BVerfGE 132, 334 [358 Rn. 67]; 143, 216 [245 Rn. 71]; 150, 1 [90 Rn. 176]; vgl. dazu schon BVerfGE 68, 287 [309]).
(b) Die Vollverzinsung zulasten der Steuerpflichtigen mit dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmten Zinssatz war zunächst verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber durfte zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung den für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde legen. Seine Annahme, dass dieser Zinssatz den durch eine späte Steuerfestsetzung potentiell entstehenden Vorteil abbildet, traf im Jahr der Verabschiedung des Steuerreformgesetzes 1990 zu. Der Zinssatz entsprach mit jährlichen Zinsen von 6 % in etwa den insoweit maßstabsrelevanten Verhältnissen am Geld- und Kapitalmarkt (oben Rn. 174).
Das allgemeine Zinsniveau am Finanzmarkt begann zwar bereits ab Mitte der 1990er Jahre erheblich zu sinken. Allerdings waren bis 2008 noch Zinsschwankungen zu verzeichnen, in deren Bandbreite der Zinssatz von 6 % pro Jahr lag. Im Jahr 2008 konnten Steuerpflichtige am Kapitalmarkt -- unter Berücksichtigung sowohl kurzfristiger als auch langfristiger Kapitalanlagen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und der privaten Haushalte in den Beständen und dem Neugeschäft -- noch Anlagezinsen bis zu 6,08 % pro Jahr erzielen und auch der Basiszinssatz lag mit über 3 % noch weit über Null. Die durchschnittliche jährliche Rendite für festverzinsliche Wertpapiere belief sich im Jahr 2008 auf 4,2 % (vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für März 2009, Statistischer Teil, S. 43, 46, 51). Der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO kann daher nicht als überschießend angesehen werden, zumal es Sinn eines typisiert bestimmten starren Zinssatzes ist, übliche Zinsschwankungen am Kapitalmarkt über die Zeit auszugleichen (vgl. Hey/Steffen, Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld, 2016, S. 72 f.).
(c) Unter den sich seit dem Jahr 2008 fortlaufend verändernden tatsächlichen Verhältnissen bildet der Zinssatz von monatlich 0,5 % allerdings nur noch für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume den durch die Vollverzinsung auszugleichenden Vorteil hinreichend ab. Für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume ist der Zinssatz dagegen evident nicht mehr in der Lage, den Erhebungszweck der Nachzahlungszinsen realitätsgerecht abzubilden und damit in dieser Höhe nicht mehr zur Förderung des Gesetzeszwecks erforderlich. Eine Verzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz wäre mindestens gleich geeignet.
Nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse einschneidend geändert. Es hat sich ein strukturelles Niedrigzinsniveau entwickelt, das nicht mehr Ausdruck üblicher Zinsschwankungen ist (aa). Der typisierte Zinssatz hat sich damit mehr und mehr von dem potentiell erzielbaren Liquiditätsvorteil entfernt und entfaltet spätestens für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume im Regelfall überschießende Wirkung (bb).
(aa) Nach dem Beginn der Finanzkrise setzten ein Trend zur Zinssenkung und eine gegenüber den Vorjahren nachhaltige Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ein. Zyklische Schwankungen fanden nicht mehr statt. Diese Entwicklung hat sich bis heute fortgesetzt und ist seit spätestens 2014 struktureller und nachhaltiger Natur. Von dem anhand der maßstabsbildenden Kriterien ermittelbaren Zinssatz weicht der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierte Zinssatz spätestens im Jahr 2014 erheblich ab.
Die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bis hin zu einem strukturellen Niedrigzinsniveau zeigt sich zunächst in der Entwicklung des Basiszinssatzes. Während er im Jahr 2008 noch bei über 3 % lag, sank er im Laufe des Jahres 2009 rapide auf 0,12 % ab. Nach einer leichten Erholung im Jahr 2011 liegt er seit Januar 2013 bis heute im negativen Bereich. Vor dem Hintergrund, dass sich der Diskontsatz in den fünfzig Jahren seines Bestehens zwischen 2,5 % und 8,75 % und der Basiszinssatz vor 2009 zwischen 1,13 % und 3,32 % (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für Februar 1994, Statistischer Teil, S. 59 und für Mai 2021, Statistischer Teil, S. 43) bewegt hat, zeigt diese Entwicklung ein Niedrigzinsniveau auf, das nicht mehr Ausdruck üblicher Zinsschwankungen, sondern spätestens seit dem Jahr 2014 struktureller und nachhaltiger Natur ist.
Soweit sich der Gesetzgeber bei der Einführung des -- unverändert als § 238 Abs. 1 Satz 1 AO übernommenen -- § 5 Abs. 1 Satz 1 StSäumnG maßstabsbildend am ehemaligen Diskontsatz zuzüglich zwei Prozentpunkten orientiert haben mag, entspräche dies in Bezug auf den heutigen Basiszinssatz einem seit dem Jahr 2013 konstanten jährlichen Zinssatz von unter 2 %.
Einen entsprechenden Trend zeigt die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt auf, wenn man wiederum die insoweit erkennbar maßstabsbildenden Zinsen insbesondere für lang- und kurzfristige Kapitalanlagen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und der privaten Haushalte unter Berücksichtigung sowohl der Neugeschäfte als auch der Bestände in den Blick nimmt. In einer Gesamtschau ist spätestens im Jahr 2014 -- von vereinzelten Ausnahmen im Bereich der längerfristigen Bestände der Einlagen nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften abgesehen -- eine Verfestigung des Niedrigzinsniveaus auf konstant unter 3 % pro Jahr festzustellen.
Während Steuerpflichtige im Jahr 2008 noch Anlagezinsen von bis zu 6,08 % pro Jahr erzielen konnten, waren dies bereits ein Jahr später nur noch 4,43 % (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für März 2009 und 2010, Statistischer Teil, jeweils S. 45 f.). Diese Tendenz setzte sich in den nachfolgenden Jahren fort, ohne dass eine Erholung der Kapitalmärkte eingetreten wäre. Im Jahr 2014 konnten nur noch Anlagezinsen bis maximal 3,04 % jährlich erzielt werden (vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für März 2015, Statistischer Teil, S. 44 f.). Damit hatte sich der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierte Zinssatz bereits so weit vom tatsächlichen Marktzinsniveau entfernt, dass er schon in etwa das Doppelte des höchsten überhaupt noch erzielbaren Habenzinssatzes ausmachte.
Betrachtet man allein Kapitalanlagen wie das klassische Sparbuch, hat sich auch der Fehlanreiz für Steuerpflichtige erheblich verstärkt (dazu oben Rn. 176), ihre Gelder beim Finanzamt zinsgünstig anzulegen, da der durchschnittliche jährliche Zinssatz von 2,52 % im Jahr 2008 auf 0,66 % im Jahr 2014 gesunken ist. Auch die durchschnittliche Rendite für festverzinsliche Wertpapiere betrug im Jahr 2008 noch jährlich 4,2 %, während sie sich im Jahr 2014 nur noch auf gerade einmal 1 % belief (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für März 2009, Statistischer Teil, S. 46, 51 und für März 2015, Statistischer Teil, S. 45, 53).
Die ebenso als maßstabsbildend zu berücksichtigenden Zinssätze für lang- und kurzfristige Kredite der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und der privaten Haushalte einschließlich der Überziehungskredite und Bestände lagen im Vergleich zu den Anlagezinssätzen insgesamt zwar höher, folgten aber ebenfalls dem bereits zuvor aufgezeigten Abwärtstrend. Die Kreditzinssätze der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften bewegten sich insgesamt im Jahr 2008 in einer Bandbreite von jährlich 4,35 % bis 7,26 %, wobei der Höchstwert allein Überziehungskredite betraf. Für lang- und mittelfristige Kredite mit einer Laufzeit von über einem Jahr mussten Steuerpflichtige dagegen nur höchstens 6,27 % pro Jahr zahlen (vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für März 2009, Statistischer Teil, S. 45, 47). Aufgrund des danach stetig fallenden Zinsniveaus sanken die entsprechenden Werte bis 2014 auf eine Bandbreite von jährlich 1,46 % bis 4,41 % ab, wobei wiederum der Höchstzinssatz allein revolvierende Kredite und Überziehungskredite betraf, während für die Kredite mit einer Laufzeit von über einem Jahr maximal nur noch 3,67 % pro Jahr gezahlt werden mussten (vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für März 2015, Statistischer Teil, S. 44, 47).
Die als Referenzwerte in Betracht kommenden Kreditzinsen der privaten Haushalte lagen im Jahr 2008 insgesamt in einer Bandbreite von 4,39 % bis 12,01 % jährlich. Im Jahr 2014 betrugen die Zinsen für die entsprechenden Kredite dagegen nur noch 1,68 % bis 9,38 % pro Jahr. Auch hier wurden die Höchstwerte lediglich im Bereich der Überziehungskredite erreicht. Bei den mittel- bis langfristigen Krediten mit einer Laufzeit von über einem Jahr lag der zu zahlende Zins im Jahr 2008 dagegen höchstens bei 6,3 % und im Jahr 2014 lediglich noch bei höchstens 5 % jährlich (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank für März 2009, Statistischer Teil, S. 45 ff. und für März 2015, Statistischer Teil, S. 44 f., 47).
Unter Berücksichtigung dessen, dass Überziehungszinsen jedenfalls nicht vorrangig zu berücksichtigen sind (vgl. oben Rn. 173)und dass von der Zinspflicht nach § 233a AO vorrangig Unternehmen und Selbständige betroffen sind (vgl. oben Rn. 177;BTDrucks 8/1410, S. 4, 6 f.; BTDrucks 11/2157, S. 118, 195), bewegt sich das Zinsniveau für Kreditzinsen im Jahr 2014 maximal zwischen jährlich 3 % und 3,5 % und weicht damit schon für sich genommen von dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz deutlich ab.
(bb) Die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall mit dem typisierten Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entfaltet damit spätestens für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume im Regelfall eine überschießende Wirkung und ist insofern verfassungswidrig geworden. Der gesetzliche Zinssatz von monatlich 0,5 % erweist sich unter den nach Ausbruch der Finanzkrise veränderten tatsächlichen Bedingungen spätestens im Jahr 2014 als evident realitätsfern. Er ist in dem sich verfestigenden Niedrigzinsniveau offensichtlich nicht mehr in der Lage, den durch eine späte Heranziehung zur Steuer entstehenden potentiellen Vorteil hinreichend abzubilden. Der Gesetzgeber kann daher nicht mehr kraft seiner Einschätzungsprärogative an seiner ursprünglichen Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse festhalten.
(α) Die der Bestimmung des Zinssatzes zum Zeitpunkt der Einführung der Vollverzinsung zugrundliegende Bewertung der Verhältnisse und die Prognose im Hinblick auf ihre Fortentwicklung umfassten erkennbar nicht den nachhaltigen Einbruch des Zinsniveaus, der durch die Finanzkrise in Gang gesetzt worden ist. Da aber jedenfalls bis dato noch zyklische Zinsschwankungen üblich waren und ein starrer Zinssatz gerade auch dazu dient, diese in der Zeit auszugleichen (vgl. Hey/Steffen, Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld, 2016, S. 72 f.), konnte zwar die durch die Finanzkrise in 2008/2009 bewirkte einschneidende Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse die Realitätsgerechtigkeit des Vollverzinsungszinssatzes nicht schon in den unmittelbar nachfolgenden Jahren grundsätzlich in Frage stellen. Denn es war zunächst prognostisch nicht ausgeschlossen, dass sich der Zinssatz über die Zeit gesehen noch in der Bandbreite üblicher Zinsschwankungen bewegen würde. Entsprechend waren ein zumindest langsames Anheben des Leitzinses und dem folgend ein leichter Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus vorsichtig schon für das Jahr 2011 erwartet worden (vgl. ifo Schnelldienst 24/2009, S. 33; ifo Schnelldienst 12/2010, S. 32; ifo Schnelldienst 24/2010, S. 38; vgl. in diese Richtung auch Bundesrechnungshof, BTDrucks 17/3650, S. 92; Deutsche Bank Finanzbericht 2010, S. 141). Tatsächlich erfolgten im Jahr 2011 eine kurzzeitige schrittweise Anhebung des Leitzinses und in dessen Folge eine Erhöhung des Basiszinssatzes (vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Mai 2021, Statistischer Teil, S. 43).
Diese leichte Aufwärtsentwicklung war jedoch nicht von Dauer. Der Ausbruch der Finanzkrise, die eine weltweite Bankenkrise und die europäische Schuldenkrise zur Folge hatte, zeigte sich vielmehr als ein so einschneidendes Ereignis, dass sich dem eine bis heute anhaltende Niedrigzinsphase anschloss. Um übliche zyklische Zinsschwankungen handelte es sich daher bei dem rapiden Absinken des Zinsniveaus seit dem Beginn der globalen Finanzkrise nicht mehr. Es entwickelte sich vielmehr ein Niedrigzinsniveau, das spätestens seit dem Jahr 2014 -- und damit fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise -- struktureller und nachhaltiger Natur ist (vgl. schon Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank 2012, S. 7; vgl. auch Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank 2014, S. 8, 13, 30, 38 f., 54 ff.).
(β) Kann der starre Zinssatz von monatlich 0,5 % damit Zinsschwankungen nicht mehr ausgleichend abbilden, ist er aufgrund der spätestens seit dem Jahr 2014 erkennbaren erheblichen Abweichung von den Verhältnissen am Kapitalmarkt -- selbst unter Berücksichtigung des Verzichts auf die Erhebung von Zinseszinsen -- offensichtlich nicht mehr realitätsgerecht bemessen.
Die anhand der gewählten Stellvertreterkriterien für die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall zu schlussfolgernde Zinshöhe weicht seit 2014 konstant und erheblich von dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz ab. Er ist daher spätestens für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume nicht mehr realitätsgerecht. Da der gesetzliche Zinssatz spätestens im Jahr 2014 nicht nur etwa das Doppelte des überhaupt noch erzielbaren Vorteils ausmacht, sondern auch absolut ganz erheblich davon abweicht, unterwirft er zinszahlungspflichtige Steuerschuldner einer zusätzlichen und nicht mehr vom Gesetzeszweck gedeckten Belastung. Die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall wird daher, soweit sie an den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO normierten Zinssatz anknüpft, nicht mehr von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gedeckt.
Für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume ist der gesetzliche Zinssatz zwar zunehmend weniger in der Lage, den Erhebungszweck der Nachzahlungszinsen abzubilden. Die Vollverzinsung entfaltet insoweit jedoch noch keine evident überschießende Wirkung.
(γ) Ein anderes Ergebnis für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume kann auch der Rückgriff auf andere, vom Gesetzgeber nicht maßstabsbildend in den Blick genommene Stellvertreterkriterien nicht begründen. Denn auch unter Zugrundelegung von Kriterien wie etwa des Zinsnachteils des Fiskus oder unternehmensinterner Renditen kann der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmte Zinssatz von monatlich 0,5 % den durch eine späte Steuerfestsetzung auszugleichenden Vorteil nicht mehr realitätsgerecht abbilden. Die im Nachzahlungsfall eventuell anfallenden Refinanzierungskosten des Staates reichten im Jahr 2014 bis nahe an die Nulllinie heran (vgl. auch BFHE 260, 431 [436 Rn. 25]). Ein jährlicher Zins von 6 %, der an diese Kosten anknüpfte, wäre daher offenkundig nicht mehr realitätsgerecht bemessen. Eine unternehmenstypische Rendite, die den durch die Vollverzinsung auszugleichenden Vorteil abbilden könnte, liegt nicht auf der Hand und ist -- ohne den Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers zu beschneiden -- auch nicht ohne Weiteres ermittelbar (vgl. dazu auch Seer, StuW 2019, S. 212 [222]).
d) Die Vollverzinsung mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % ist für die bis ins Jahr 2013 fallenden Verzinsungszeiträume auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne.
aa) Eine Ungleichbehandlung ist nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn das Maß der Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der durch die Ungleichbehandlung bewirkten Zielerreichung steht (vgl. BVerfGE 138, 136 [197 Rn. 156]). Handelt es sich um typisierende Regelungen, darf das Ausmaß der durch sie verursachten Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein (vgl. BVerfGE 145, 106 [146 f. Rn. 108]; 151, 101 [146 Rn. 117]). Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht. Die aus der Typisierung erwachsenden Vorteile müssen im rechten Verhältnis zu der damit notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. BVerfGE 151, 101 [146 Rn. 118] m.w.N.; stRspr).
bb) Ein verfassungsrechtlich auffälliges Missverhältnis besteht insoweit nicht. Auch das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Übermaßverbot ist nicht verletzt. Die Vorteile des typisiert bestimmten starren Zinssatzes in der Verwaltungspraxis stehen noch in einem rechten Verhältnis zu der damit verbundenen Ungleichbehandlung zinszahlungspflichtiger und nicht zinszahlungspflichtiger Steuerschuldner. Berücksichtigt werden muss insofern, dass es gerade Aufgabe eines starren Zinssatzes ist, Zinsschwankungen in der Zeit auszugleichen (vgl. Hey/Steffen, Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld, 2016, S. 72 f.). Allein der Umstand, dass sich der Zinssatz am Maßstab des gesetzgeberischen Leitbilds für einen gewissen Zeitraum zunehmend als weniger realitätsgerecht erweist, stellt daher seine Eignung, einen Ausgleich für die späte Steuerfestsetzung zu schaffen, nicht grundsätzlich in Frage. Auch hat die Ungleichbehandlung für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume noch kein gegenüber der Verwaltungsvereinfachung in einem Masseverfahren ganz offensichtlich schwerer zu gewichtendes Ausmaß erreicht. Insbesondere hatte sich das Niedrigzinsniveau bis 2013 noch nicht derart verfestigt, dass der gesetzlich bestimmte Zinssatz als im Regelfall evident realitätsfern erscheint.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde zu I. ist -- soweit sie zulässig ist -- unbegründet, denn sie betrifft allein eine Zinsfestsetzung für den Zeitraum von 2010 bis 2012.
2. Die Verfassungsbeschwerde zu II. ist teilweise begründet.
a) Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht, soweit es den Verzinsungszeitraum vom 1. Januar 2014 bis 14. Juli 2014 betrifft, auf § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO und verletzt daher die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
b) Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof werden der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.
aa) Aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergeben sich Anforderungen an die gerichtliche Handhabung des Rechtsmittelrechts. Zwar gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG keinen Anspruch auf die Errichtung eines Instanzenzugs. Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht -- wie hier die §§ 124, 124a VwGO -- den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 134, 106 [117 Rn. 34]; 151, 173 [184 Rn. 27]; stRspr).
Danach ist eine Auslegung und Anwendung der §§ 124, 124a VwGO mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert. Dies gilt sowohl für die gerichtliche Handhabung der Anforderungen an die Darlegung der gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe als auch für die Handhabung der Anforderungen an das Vorliegen von Zulassungsgründen (vgl. BVerfGE 125, 104 [137]; 134, 106 [117 f. Rn. 34]; 151, 173 [184 Rn. 28] m.w.N.; stRspr). Letztere werden insbesondere dann in verfassungswidriger Weise überspannt, wenn das Gericht zur Ablehnung der Zulassung in einer sachlichen Tiefe argumentiert oder argumentieren müsste, die dem eigentlichen Rechtsmittelverfahren vorbehalten ist. Dies wird dem Charakter des Zulassungsverfahrens nicht gerecht und versperrt unzulässig den Zugang zur nächsten Instanz, in der eine vertiefte Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen stattfinden müsste (vgl. BVerfGE 151, 173 [185 Rn. 30]).
Für die Handhabung der Anforderungen an das Vorliegen von Zulassungsgründen ergeben sich daraus für die verschiedenen Zulassungsgründe je eigene verfassungsrechtliche Anforderungen. Der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genannte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils wurde verfassungsrechtlich dahingehend konkretisiert, dass die Berufung zuzulassen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Handhabung des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel ist demgemäß dann mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar, wenn das Gericht in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise und damit objektiv willkürlich verneint, dass schlüssige Gegenargumente gegen einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung bestehen (vgl. BVerfGE 151, 173 [185 f. Rn. 31 f.] m.w.N.; stRspr).
Der Berufungs- und Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache wird verfassungsrechtlich unbedenklich dahingehend ausgelegt, dass es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage -- bei der Berufungszulassung auch auf eine solche Tatsachenfrage -- ankommen muss, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Allerdings dürfen die Anforderungen an das Vorliegen dieser Voraussetzungen von Verfassungs wegen nicht unzumutbar überspannt werden. Insbesondere darf die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise und damit objektiv willkürlich verneint werden. So ist zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, Rechtsfragen, die höchstrichterlich hinreichend geklärt sind, als nicht klärungsbedürftig anzusehen und einen Klärungsbedarf auch dann zu verneinen, wenn die Frage durch die Rechtsprechung des obersten Bundesgerichts eines anderen Gerichtszweigs geklärt ist. Hat ein Bundesgericht eine Rechtsfrage bereits geklärt, kann sich weiterer Klärungsbedarf jedoch etwa dann ergeben, wenn neue Argumente vorgebracht werden, die das Bundesgericht zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten (vgl. BVerfGE 151, 173 [186 f. Rn. 33 f.] m.w.N.).
bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs nicht gerecht. Er hat durch die Handhabung der Zulassungsanforderungen den Zugang der Beschwerdeführerin zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise erschwert und damit das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts tragenden §§ 233a, 238 AO bestanden Bedenken, deren Schlüssigkeit im Sinne einer "ernstliche Zweifel" begründenden Gegenargumentation hier nicht sachlich vertretbar abgelehnt werden konnte. Die Zinsentwicklungen seit Beginn der Finanzkrise bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der gesetzliche Zinssatz jedenfalls für Verzinsungszeiträume nach dem Jahr 2011 nicht mehr dem Belastungsgrund der Vollverzinsung entsprechen könnte, den sich aus einer späten Steuerfestsetzung ergebenen potentiellen Liquiditätsvorteil auszugleichen. Davon ging auch das Schrifttum zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ganz überwiegend aus (vgl. etwa Jonas, Ubg 2011, S. 960 ff.; Ortheil, BB 2012, S. 1513 ff.; Seer, DB 2014, S. 1945 ff.; Drüen, FR 2014, S. 218 ff.; Hey, FR 2016, S. 485 ff.).
Der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommene Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 - war offensichtlich nicht geeignet, die ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auszuräumen, da er allein einen Verzinsungszeitraum von April 2003 bis März 2006 betraf. Der ebenfalls in Bezug genommene Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 (PKH) - betraf zum einen nur einen Verzinsungszeitraum bis Ende 2013, ohne dass er die in Anbetracht der fortdauernden Niedrigzinsphase tatsächlichen und rechtlichen Umstände für den in das Jahr 2014 hineinreichenden Verzinsungszeitraum der Beschwerdeführerin berücksichtigen konnte. Zum anderen handelte es sich lediglich um eine Entscheidung in einem einer summarischen Prüfungunterliegenden Verfahren der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine erhobene Nichtzulassungsbeschwerde. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere nicht berücksichtigt, dass zeitgleich gerade wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache das Revisionsverfahren III R 10/16 (BFHE 260, 9) betreffend einen in das Jahr 2013 fallenden Verzinsungszeitraum beim Bundesfinanzhof in der Hauptsache anhängig war, worauf die Beschwerdeführerin in ihrer Antragsbegründung ausdrücklich hingewiesen hatte.
Aus den gleichen Gründen genügt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzanforderungen auch insofern nicht, als er angenommen hat, die Rüge der Beschwerdeführerin begründe keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, auf das die angefochtene Entscheidung gestützt ist, zu klären, so hat die Sache grundsätzliche Bedeutung (BVerfGE 125, 104 [140]).
 
D.
Im Ergebnis ist § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig, soweit er auf Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 zur Anwendung gelangt. Die Verfassungsbeschwerde zu II. hat in diesem Umfang Erfolg, während die Verfassungsbeschwerde zu I., soweit sie zulässig ist, unbegründet ist.
I.
1. Grundsätzlich führt die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nach § 95 Abs. 3 Satz 1 und 2 BVerfGG zu dessen Nichtigkeit (vgl. BVerfGE 101, 397 [409]). Wie sich aus § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie aus § 79 Abs. 1 BVerfGG ergibt, kann sich das Bundesverfassungsgericht aber auch darauf beschränken, lediglich die Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz festzustellen (vgl. BVerfGE 109, 190 [235]). Eine bloße Unvereinbarkeitserklärung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das ist grundsätzlich bei Verletzungen des Gleichheitssatzes der Fall (vgl. BVerfGE 99, 280 [298]; 105, 73 [133]; 107, 27 [57]; 117, 1 [69]; 126, 400 [431]; 148, 147 [211 Rn. 165]; stRspr).
Danach führt der festgestellte Verfassungsverstoß lediglich zu einer Unvereinbarkeitserklärung der Vorschriften mit dem Grundgesetz. Dem Gesetzgeber stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, den festgestellten Verfassungsverstoß zu beseitigen (vgl. BVerfGE 120, 125 [167]; 121, 317 [373]; 125, 175 [256]; 148, 147 [211 Rn. 165]; 149, 222 [290 Rn. 151]; 152, 68 [149 Rn. 212]; näher unten Rn. 245).
2. § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist umfassend und für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären.
a) aa) Auf Grundlage der hier angegriffenen Entscheidung kann zwar nur ein Verfassungsverstoß für Verzinsungen festgestellt werden, die den verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2014 betreffen. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 78 Satz 2 BVerfGG ist die Unvereinbarkeit der angegriffenen Regelungen jedoch zur Wahrung der Rechtseinheit über den festgestellten Verfassungsverstoß hinaus ohne zeitliche Einschränkung nach hinten auszusprechen (vgl. dazu auch BVerfGE 17, 38 [62]; 129, 49 [75 f.]). Angesichts der im Jahr 2008 beginnenden und nach wie vor andauernden Niedrigzinsphase ist die Vollverzinsung mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % auch nach dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2014 aus denselben Gründen verfassungswidrig.
bb) Gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG analog (vgl. BVerfGE 110, 94 [140]; 128, 326 [404] m.w.N.; stRspr) ist die Unvereinbarkeitserklärung (vgl. BVerfGE 114, 371 [394]; 130, 240 [261]) auch auf alle von § 233a Abs. 1 Satz 1 AO erfassten Steuerarten zu erstrecken. Die Gründe, die zur Verfassungswidrigkeit der mittelbar angegriffenen Norm zunächst nur in Bezug auf die Gewerbesteuer führen, treffen ebenso auf die übrigen in § 233a Abs. 1 Satz 1 AO abschließend aufgezählten Steuerarten der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen- und Umsatzsteuer zu, ohne dass insoweit eine eigenständige verfassungsrechtliche Würdigung erforderlich wäre (vgl. dazu BVerfGE 91, 1 [55]).
cc) Eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zulasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO, kommt dagegen nicht in Betracht.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Anwendungsbereich des § 78 Satz 2 BVerfGG auch Bestimmungen desselben Gesetzgebers erfasst, die zwar vergleichbare, aber durchaus unterschiedliche Sachverhalte regeln. Jedenfalls aber bedürfen die Teilverzinsungstatbestände einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung. Im Gegensatz zur Vollverzinsung ist den Teilverzinsungstatbeständen der Abgabenordnung nicht nur gemeinsam, dass sie lediglich Verzinsungen für bestimmte, konkret umschriebene Liquiditätsvorteile der Steuerpflichtigen vorsehen und eine Verzinsung in der Regel erst nach Fälligkeit erfolgt, sondern vor allem auch, dass die Verwirklichung des Zinstatbestands und damit die Entstehung von Zinsen grundsätzlich auf einen Antrag der Steuerpflichtigen zurückzuführen ist oder -- wie insbesondere im Fall der Hinterziehungszinsen -- jedenfalls von ihnen bewusst in Kauf genommen wird. Steuerpflichtige haben daher -- anders als bei der Vollverzinsung -- grundsätzlich die Wahl, ob sie den Zinstatbestand verwirklichen und den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz hinnehmen oder ob sie die Steuerschuld tilgen und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionenbeschaffen. Dies gilt auch in dem Fall, in dem Steuerpflichtigen eine Aussetzung der Vollziehung oder eine Stundung von Amts wegen "aufgedrängt" wird, da sie sich hiervon jederzeit durch Zahlung des ausgesetzten oder gestundeten Betrages befreien und dadurch zumindest im Ergebnis die Verzinsungspflicht beenden können (vgl. zur Aussetzung der Vollziehung BFHE 166, 311 [315]; 241, 298 [303 Rn. 26]; zur Stundung Schindler, in: Gosch, AO/FGO, § 222 AO Rn. 54 [Jan. 2021] m.w.N.; ausführlich Oosterkamp, in: Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, § 234 Rn. 7 [April 2021]). Im Übrigen haben Steuerpflichtige die Möglichkeit, im Wege des Rechtsbehelfs gegen eine ihnen gegen ihren Willen aufgedrängte Aussetzung der Vollziehung oder Stundung vorzugehen und so die nachteiligen Zinsfolgen zu vermeiden (vgl. zur Aussetzung der Vollziehung BFH, Urteil vom 9. Mai 2012 - I R 91/10 -; Rüsken, in: Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 237 Rn. 30; zur Stundung: Oosterkamp, in: Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, § 222 Rn. 44 [April 2021]; Rüsken, in: Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 222 Rn. 43).
b) Die Unvereinbarkeitserklärung kann weder auf einen einen niedrigeren Zinssatz übersteigenden Anteil (aa) noch auf den Anwendungsfall der Nachzahlungszinsen (bb) begrenzt werden.
aa) Eine auf den sachlich nicht gerechtfertigten Anteil des Zinssatzes beschränkte Teilunvereinbarkeitserklärung scheidet mit Rücksicht auf die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Bestimmung des Zinssatzes aus (vgl. dazu BVerfGE 108, 1 [32 f.]; 132, 334 [359 Rn. 70]; 144, 369 [411 Rn. 110]). Dem Gesetzgeber steht es nicht nur frei, zwischen einem starren Zinssatz und einem variablen Zinssatz unter Anknüpfung an geeignete Referenzzinssätze zu wählen. Er verfügt auch bei der Bemessung des Zinssatzes über einen im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum. Zwar muss auch die Zinssatzbemessung nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen werden, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Zins abgegolten werden soll. Doch auch insoweit stehen dem Gesetzgeber verschiedene sachgerechte Anknüpfungspunkte für eine realitätsgerechte Typisierung zur Verfügung. Sieht er einen variablen Zinssatz vor, bestehen Spielräume im Hinblick auf den Anpassungszeitraum, wobei eine Anpassung für die Zukunft erfolgen kann. Bestimmt er einen starren Zinssatz, steht es ihm frei, Überprüfungszeiträume gesetzlich festzulegen oder sich auf seine Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht zu beschränken, die sich jedenfalls bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte aktualisiert (vgl. dazu BVerfGE 150, 1 [90 Rn. 176]). Eine Anpassung kann erforderlich sein, um längerfristige Zinsentwicklungen abzubilden. Auch eine gänzliche Neugestaltung der Vollverzinsung oder generell des Zinssystems in der Abgabenordnung wären denkbar. In der Gegenwart, in der verstärkt Negativzinsen von den Banken erhoben werden, könnte der Gesetzgeber auch gänzlich auf eine Vollverzinsung verzichten.
bb) Auch eine allein auf Nachzahlungszinsen beschränkte Teilunvereinbarkeitserklärung scheidet aus. Aufgrund des einheitlichen gesetzgeberischen Regelungskonzepts der Vollverzinsung werden vielmehr auch Erstattungszinsen erfasst.
Zwar bewirkt die Unvereinbarkeit einer oder mehrerer Bestimmungen eines Gesetzes mit dem Grundgesetz grundsätzlich nicht die Unvereinbarkeit des ganzen Gesetzes (vgl. BVerfGE 8, 274 [301]; 57, 295 [334]; stRspr). Etwas anderes gilt aber etwa dann, wenn verfassungswidrige Vorschriften Teil einer Gesamtregelung sind, wobei der nicht den Gegenstand des Verfahrens bildende Normteil mit dem für unvereinbar erklärten Normgefüge so verflochten ist, dass beide eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann (vgl. BVerfGE 65, 325 [358]; 108, 1 [33]), oder wenn Regelungen auf einem einheitlichen gesetzgeberischen Konzept beruhen (vgl. BVerfGE 111, 226 [273]; 138, 136 [248 f. Rn. 283]). Nach dem schon in § 139 BGB enthaltenen Rechtsgedanken kann sich die Feststellung nur dann auf die Unvereinbarkeit eines Teils der Norm beschränken, wenn es keinem Zweifel unterliegt, dass der Gesetzgeber die sonstige gesetzliche Regelung auch ohne den verfassungswidrigen Teil aufrechterhalten hätte (vgl. BVerfGE 4, 219 [250]).
Danach scheidet eine Teilunvereinbarkeitserklärung hier aus. Die Verwirkung von Erstattungszinsen steht zwar mit der Entstehung von Nachzahlungszinsen grundsätzlich nicht in einem derartigen Zusammenhang, dass sie sich gegenseitig bedingen oder ausgleichen würden. Dennoch stehen sie durch den einheitlich gefassten § 233a Abs. 1 Satz 1 AO in einem Regelungszusammenhang und sind durch denselben Gesetzeszweck miteinander verbunden. Einheitlicher Zweck der Vollverzinsung zugunsten und zulasten der Steuerpflichtigen ist es, einen Ausgleich zwischen den zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Steuer herangezogenen Steuerschuldnern herzustellen. Mit der Einführung des § 233a AO verfolgt der Gesetzgeber insoweit das Ziel, eine möglichst gerechte zeitliche Heranziehung zur Steuer und eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu verwirklichen (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 118 und 194; vgl. auch BTDrucks 8/1410, S. 4). Nachzahlungs- und Erstattungszinsen beruhen damit auf einem einheitlichen Regelungskonzept, weshalb mit einer Teilunvereinbarkeitserklärung der gesetzgeberische Wille verfälscht würde.
3. Die Fortgeltung des § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist für Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 geboten, ohne dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen.
a) Grundsätzlich erstreckt sich die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine der Verfassung entsprechende Rechtslage herzustellen, rückwirkend auf den gesamten von der Unvereinbarkeitserklärung betroffenen Zeitraum und erfasst so zumindest alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf der für verfassungswidrig erklärten Regelung beruhen (vgl. BVerfGE 133, 377 [423 Rn. 108] m.w.N.). Aus besonderem Grund, namentlich im Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung hat das Bundesverfassungsgericht allerdings wiederholt die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen für gerechtfertigt erklärt (vgl. BVerfGE 138, 136 [250 Rn. 287]; 139, 285 [319 Rn. 89]).
Danach erscheint eine Fortgeltungsanordnung für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume geboten. Eine Anwendungssperre verbunden mit der Verpflichtung des Gesetzgebers zur rückwirkenden Neuregelung brächte insoweit erhebliche haushaltswirtschaftliche Unsicherheiten mit sich. Während der regellosen Übergangszeit bis zur Neuregelung der Bestimmungen könnten weder neue noch geänderte Zinsfestsetzungen erfolgen, laufende Verfahren wären auszusetzen. Mangels gültiger Regelung bliebe bis zur Neuregelung auch das Aufkommen aus den Zinseinahmen seinem Umfang nach unklar. Zwar sind Zinsen nach § 233a AO nicht vergleichbar haushaltwirksam wie etwa Steuern, die per se der Einnahmeerzielung zur Finanzierung des Staatshaushalts dienen. Gleichwohl sind die tatsächlich aus der Vollverzinsung zugunsten des Fiskus im Saldo erzielten Erträge nicht unbeträchtlich und haben insbesondere auch für die Städte- und Gemeindehaushalte eine große Bedeutung.
Von der Anwendungssperre wären zwar von vornherein nur Zinsfestsetzungen betroffen, die noch nicht bestandskräftig beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossen oder jedenfalls noch nicht vollstreckt sind (§ 79 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVerfGG). Die Unvereinbarkeitswirkung dürfte gleichwohl nicht weitgehend bedeutungslos bleiben, da von Außenprüfungen als Hauptanwendungsfall der Vollverzinsung regelmäßig mehrere Veranlagungs- und gegebenenfalls Erhebungszeiträume betroffen sind und diese durchaus -- wenn auch unter Beachtung der Festsetzungsverjährung -- weit in die Vergangenheit zurückreichen können.
b)Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume bleibt es hingegen bei der Unanwendbarkeit des § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO als Regelfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen (BVerfGE 122, 210 [246]; 138, 136 [249]). Dem entspricht die Pflicht des Gesetzgebers, eine der Verfassung entsprechende Rechtslage herzustellen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume nach dem Jahr 2018 erstreckt und insoweit auch alle noch nicht bestandskräftigen Hoheitsakte erfasst (vgl. dazu BVerfGE 87, 153 [178]; 107, 27 [58]; 133, 377 [423 Rn. 108]).
Für eine Fortgeltungsanordnung bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber besteht insoweit keine Rechtfertigung. Eine Anwendung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Vollverzinsung auch für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 würde angesichts des stetig weiter gesunkenen Zinsniveaus nicht nur zu verfassungsrechtlich deutlich schwerer hinnehmbaren Ergebnissen führen. Sie ist insbesondere nicht im gleichen Maße im Sinne einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung geboten. Zwar spräche für die Anordnung einer Fortgeltung auch für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 ebenso die grundsätzlich bestehende Haushaltswirksamkeit sowie darüber hinaus der mit einer rückwirkenden Neuregelung des Zinssatzes verbundene Verwaltungsaufwand.
Die Gefahren für eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung von Bund, Ländern und Kommunen sind für Verzinsungszeiträume nach 2018 jedoch ungleich geringer. Gesetzgeber, Verwaltung und Steuerpflichtigen musste es spätestens seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 25. April 2018 (BFHE 260, 431), aufgrund der hohen Anzahl zunehmend kritischer Stimmen in der Literatur (vgl. oben Rn. 233) sowie verschiedener gesetzgeberischer Initiativen ab Sommer 2018, die sich insbesondere auf die fehlende Realitätsgerechtigkeit des bisherigen Zinssatzes stützten (vgl. nur die Gesetzesanträge der Länder Bayern und Hessen vom 4. Juli und 9. August 2018, BRDrucks 324/18 und 396/18; den Antrag der FDP vom 6. Juni 2018, BTDrucks 19/2579; den Gesetzentwurf der AfD vom 5. November 2018, BTDrucks 19/5491), zunehmend bewusst sein, dass die Anwendung des Zinssatzes des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Vollverzinsung zu erheblichen Ungleichheiten führt, die mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungsrechtlich nicht mehr rechtfertigungsfähig ist (vgl. auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 22. Oktober 2019, Die Verfassungsmäßigkeit der Zinsberechnung gemäß § 238 AO - WD 4 - 3000 - 126/19). Dies spricht schon für sich genommen gegen eine Ausnahme vom Grundsatz der rückwirkenden Heilung von Verfassungsverstößen (vgl. dazu BVerfGE 122, 210 [246 f.]; 126, 268 [285 f.]; 133, 377 [423 f. Rn. 108 f.]).
Bund, Länder und Kommunen trifft die Unvereinbarkeit des gesetzlichen Zinssatzes mit dem Grundgesetz, soweit er auf die Vollverzinsung Anwendung findet, auch nicht unvorbereitet. Schon aufgrund des nach dem Beschluss des Bundes-finanzhofs vom 25. April 2018 (BFHE 260, 431) ergangenen Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 14. Juni 2018 (BMF, BStBl I S. 722) ist im Bereich der Finanzverwaltung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 auf Antrag der Zinsschuldner Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, soweit Einspruch gegen die Zinsfestsetzung eingelegt worden ist. Aufgrund eines weiteren Schreibens des Ministeriums vom 2. Mai 2019 (BMF, BStBl I S. 448) sind sämtliche erstmaligen und -- unter gewissen Einschränkungen -- geänderten oder berichtigten Zinsfestsetzungen, in denen der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO angewendet wird, hinsichtlich dessen Verfassungsmäßigkeit gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig durchzuführen.
Die nicht an die Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen gebundenen Gemeinden sind hinsichtlich der Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks in eine Zinsfestsetzung auf die Gewerbesteuer zwar sehr unterschiedlich verfahren. Nach Angaben des Deutschen Städtetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (oben Rn. 89) haben aber etwa 70 % der an einer Umfrage beteiligten Städte und Gemeinden, bereits vorher -- in der Regel in dem Zeitraum zwischen Ende Mai und Ende August 2018 und somit sogar etwa ein Jahr früher als die Finanzverwaltung -- damit begonnen, Nachzahlungszinsen nur vorläufig festzusetzen. Bund, Länder und Kommunen mussten daher spätestens für Verzinsungszeiträume nach dem Jahr 2018 auf die durch die vorliegende Entscheidung entstehenden Rückforderungsansprüche und Einnahmeausfälle vorbereitet sein und deren mögliche Auswirkungen berücksichtigen.
Entsprechendes gilt, soweit von der Anwendungssperre und der rückwirkenden Neuregelung auch Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen betroffen sind. Soweit Zinsfestsetzungen -- unabhängig von der Frage, ob dies einfach-rechtlich zulässig ist -- vorläufig ergangen sind, wird die Finanzverwaltung beziehungsweise die Gemeinde im Fall von Erstattungszinsen auf die Gewerbesteuer zu prüfen haben, ob und inwieweit der Aufhebung oder Änderung einer Zinsfestsetzung zuungunsten der Steuerpflichtigen die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 Satz 1 AO (in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO) entgegensteht.
Soweit die Bundesregierung in ihren Stellungnahmen vom 29. und 30. Mai 2018 Bedenken äußert, dass eine rückwirkende Absenkung des Zinssatzes in den Fällen des § 233a Abs. 5 AO zu erheblichem Verwaltungsaufwand und zu einer Verkomplizierung der Zinsberechnungen unter einer gegebenenfalls notwendig werdenden Berücksichtigung sowohl des bisherigen als auch eines neuen Zinssatzes führen könnte, dürfte sich daraus angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten jedenfalls keine nicht mehr handhabbare Verkomplizierung der Berechnung ergeben. Schwerwiegende Bedenken gegen die Umsetzbarkeit dürften trotz des unstreitig entstehenden Verwaltungsaufwands nicht bestehen und ohnehin allenfalls vorübergehender Natur sein. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Verpflichtung des Gesetzgebers zur rückwirkenden Anpassung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für die Vollverzinsung angesichts der Anordnung der Fortgeltung für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 auf einen überschaubaren Zeitraum erstreckt, für den der Gesetzgeber nach den obigen Ausführungen bereits mit einer erforderlich werdenden Änderung der Rechtslage zu rechnen hatte.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung bis zum 31. Juli 2022 zu treffen.
II.
Die Unvereinbarkeit der Regelung zur Vollverzinsung mit einem monatlichen Zinssatz von 0,5 % mit Art. 3 Abs. 1 GG führt in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu II. zu der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in diesem Grundrecht verletzt wird, soweit das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts darauf beruht, dass der Zinsberechnung im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 14. Juli 2014 der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden vollen Monat des Zinslaufs zugrunde gelegt worden ist. Wegen der Fortgeltungsanordnung ergibt sich daraus gleichwohl nicht die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.
Darüber hinaus ist die Feststellung zu treffen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt. Obwohl die Verfassungsbeschwerde insoweit Erfolg hat, verbleibt es auch hier bei der Feststellung des Verfassungsverstoßes (vgl. BVerfGE 134, 242 [320 f. Rn. 241 ff.]). Eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof erübrigt sich, weil sicher absehbar ist, dass dieser bei einer erneuten Entscheidung über die verfassungswidrig gehandhabten Zulassungsgründe erneut und diesmal zu Recht zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel hinsichtlich der Bemessung des Zinssatzes oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist, weil diese Frage jetzt durch den vorliegenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geklärt ist (vgl. dazu BVerfGE 151, 173 [190 f. Rn. 40]).
Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
III.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu II. beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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