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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Februar 1992 i.S. Minelli gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Grundrechtliche Ansprüche an die Haftbedingungen in Strafvollzug und Untersuchungshaft (insbesondere persönliche Freiheit, Art. 6 Ziff. 1, Art. 8, Art. 10 und Art. 14 EMRK). |
2. Grundsätzliche und allgemeine Erwägungen: Bedeutung der einschlägigen Resolutionen und Empfehlungen der Organe des Europarates betreffend die Behandlung von Gefangenen (E. 2a); bundesstaatliche Kompetenzordnung für die Regelung des straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzuges (E. 2b); Natur des abstrakten Normenkontrollverfahrens, Ermessensausübung im Falle der Anfechtung kantonaler Gefängnisverordnungen (E. 2c); Grundsätzliches über Zweck und Grenzen freiheitsbeschränkender Eingriffe während Untersuchungshaft und Strafvollzug (E. 2d). |
3. Prüfung der grundrechtlichen Zulässigkeit einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisverordnung (E. 3): |
- Inventarisierung der persönlichen Habe (E. 3a); |
- persönliche Effekten in der Zelle (E. 3b); |
- Beschränkung und Entzug des Spazierganges als besondere Sicherungsmassnahme (E. 3c); |
- Mahlzeitenregelung (E. 3g); |
- Sonderkost (E. 3h); |
- Zulassung von Alkohol, Medikamenten, Drogen und Tabakwaren (E. 3i); |
- allgemeine Spaziergangsregelung (E. 3k); |
- Bezug von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften (E. 3l); |
- Fernsehkonsum (E. 3m); |
- Besuchsregelung (E. 3n-o); |
- Briefverkehr (E. 3p-q); |
- Einschränkungen des Bücher- und Zeitungsbezuges bzw. des Radio- und Fernsehempfanges als Disziplinarsanktion (E. 3r); |
- Disziplinarverfahren, richterliche Prüfung (E. 3s); |
- Entzug des Spazierganges während den ersten drei Tagen bei Arrest (E. 3t). |
4. Zusammenfassendes Ergebnis (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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- Gleichheitsgebot und Willkürverbot (Art. 4 BV);
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- Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV);
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- Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes (Art. 2 ÜbBest.BV);
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- Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Anspruch auf faires Verfahren und unabhängigen Richter);
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- Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Unschuldsvermutung);
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- Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK (Recht auf ausreichende Verteidigung);
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- Art. 8 EMRK (Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens und des Briefverkehrs);
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- Art. 10 EMRK (Meinungsäusserungsfreiheit);
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- Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot).
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Der Inhalt der angefochtenen Vorschriften und die einzelnen gegen den angefochtenen Erlass vorgebrachten Rügen ergeben sich aus den nachfolgenden Erwägungen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. a OG muss die Beschwerdeschrift die Anträge des Beschwerdeführers enthalten, gemäss lit. b der gleichen Bestimmung im Falle der Anfechtung von Erlassen ausserdem eine kurzgefasste Darlegung darüber, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass verletzt worden sind. Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, die §§ 34 Abs. 2 lit. b, 40 Abs. 6, 43, 45g, Abs. 5, 52 Abs. 5, 59 Abs. 4 und 64 des angefochtenen Erlasses würden gegen Art. 6 EMRK verstossen, da von den entsprechenden Einschränkungen "zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK betroffen seien, über die nur eine richterliche Behörde entscheiden dürfe.
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aa) Die Garantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, insbesondere der Anspruch auf ein unabhängiges Gericht, gelten im Falle von Entscheidungen über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" ("contestations sur ses droits et obligations de caractère civil") oder über die Stichhaltigkeit einer "strafrechtlichen Anklage" ![]() | 15 |
bb) Im vorliegenden Fall kann offengelassen werden, ob die genannten Bestimmungen der angefochtenen Verordnung "zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK betreffen, wie dies der Beschwerdeführer behauptet. Weder hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer in seinem ausführlichen formellen Beschwerdeantrag § 68 GVO angefochten, noch macht er in der Beschwerdebegründung geltend, die Rechtsmittelordnung von § 68 GVO (welcher in Abs. 2 die Justizdirektion als zweite kantonale Rekursinstanz vorsieht) verletze Art. 6 EMRK. Fälschlicherweise geht der Beschwerdeführer davon aus, die angefochtene Verordnung schweige sich über die Rechtsmittel aus. Dies trifft nicht zu, vielmehr werden diese explizit und auch in systematisch klarer Weise geregelt ("II. Allgemeine Vollzugsbestimmungen, 10. Rechtsmittel"). Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend machen will, die Rechtsmittelordnung des angefochtenen Erlasses verstosse gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK, kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
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e) Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, bei denen die verfassungsmässige Ordnung nicht schon durch Aufhebung des angefochtenen Entscheides oder Erlasses wiederhergestellt werden kann, ist die staatsrechtliche Beschwerde rein kassatorischer Natur (BGE 115 Ia 297 E. 1a; BGE 114 Ia 212 E. 1b, je mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann eine als verfassungswidrig erkannte Verfügung oder Bestimmung nur aufheben, nicht aber abändern oder ersetzen. Bei der abstrakten Normenkontrolle hebt es nötigenfalls den ganzen Erlass, nach Möglichkeit aber nur die einzelnen verfassungswidrigen Bestimmungen auf (BGE 113 Ia 146; BGE 110 Ia 13 E. e). Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen von gewissen "positiven Ansprüchen" in der angefochtenen Verordnung bemängelt und sinngemäss deren Ergänzung verlangt, kann daher auf die Beschwerde ebenfalls nicht eingetreten werden.
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a) Einleitend ist auf die Bedeutung der einschlägigen Resolutionen und Empfehlungen der Organe des Europarates auf dem Gebiete des Freiheitsentzugsvollzuges hinzuweisen.
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Am 19. Januar 1973 beschloss das Ministerkomitee des Europarates, gestützt auf Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen vom 31. Juli 1957, die Resolution (73) 5 betreffend Mindestgrundsätze für die Behandlung der ![]() | 21 |
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Art. 397bis StGB räumt dem Bundesrat indessen die Befugnis zum Erlass von ergänzenden Bestimmungen im Bereich des Strafvollzugsrechtes ein. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat teilweise Gebrauch gemacht, teilweise wird den Kantonen ausdrücklich die Regelung der aufgezählten Fragen überlassen (vgl. z.B. Art. 397bis Abs. 1 lit. k StGB i.V.m. Art. 6 Abs. 1 VStGB 1 betreffend Anstaltskleidung und Anstaltskost). In Art. 5 der Verordnung (1) zum Schweizerischen Strafgesetzbuch vom 13. November 1973 (VStGB 1) wurde insbesondere eine Rahmenregelung für den Empfang von Besuchen und den Briefverkehr getroffen (Art. 5 Abs. 1 VStGB 1 lautet wie folgt: "Der Empfang von Besuchen und der Briefverkehr sind nur soweit beschränkt, als es die Ordnung in der Anstalt gebietet. Die Anstaltsleitung kann wenn nötig im Einzelfall weitere Einschränkungen verfügen"; vgl. auch Art. 4 VStGB 1 betreffend tageweisen Strafvollzug und Halbgefangenschaft, Art. 1 VStGB 2 betreffend Vollzugsanstalten für Frauen oder Art. 1 und 2 VStGB 3 betreffend Halbgefangenschaft und Strafvollzug in einer Massnahmeanstalt). Weitere Rahmenbedingungen für den Strafvollzug ergeben sich aus Art. 37-40 StGB (insbesondere betreffend Einzelhaft, Art. 37 Ziff. 3 Abs. 1 StGB, und den Vollzug von kurzen Gefängnisstrafen, Art. 37bis StGB). Die Art. 376-378 StGB enthalten schliesslich eine summarische Regelung über den Verdienstanteil (Pekulium) für Gefangenenarbeit. Art. 6 Abs. 1 VStGB 1 i. V. m. Art. 397bis Abs. 1 lit. m StGB beauftragt die Kantone diesbezüglich mit der näheren Regelung.
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Die Untersuchungs- und Sicherheitshaft im Rahmen der Bundesstrafrechtspflege ist in Art. 44-64 BStP und Art. 54-61 MStP ![]() | 24 |
Im übrigen ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzuges Angelegenheit der kantonalen Gesetzgebung (Art. 64bis Abs. 2 und 3 i.V.m. Art. 3 BV).
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c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt die Vorschrift nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Werden wie im vorliegenden Fall neben verfassungsmässigen Rechten Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention angerufen, so ist in gleicher Weise zu prüfen, ob der angefochtenen kantonalen Norm ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit dieser vereinbar erscheinen lässt; das Bundesgericht hebt demnach die angefochtene Vorschrift nur auf, wenn sie sich auch einer konventionskonformen Auslegung entzieht (BGE 114 Ia 354 f. E. 2, 401 f. E. 5; BGE 113 Ia 131, 261 E. b, 324 E. 5c; BGE 111 Ia 25 f. E. 2; BGE 109 Ia 277 E. 2a mit Hinweisen). Im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle hebt das Bundesgericht nötigenfalls den ganzen Erlass, nach Möglichkeit aber nur die einzelnen verfassungswidrigen Bestimmungen auf (BGE 113 Ia 131, 146, 261 E. b; BGE 110 Ia 13 E. 1e). Ob ein kantonaler Erlass mit dem Bundesverfassungsrecht vereinbar ist, prüft das Bundesgericht frei (BGE 114 Ia 354 E. 2; BGE 113 Ia 131; BGE 111 Ia 24 E. 2 mit Hinweisen). Mit Rücksicht auf die verfassungsmässige Kompetenzordnung im föderalistischen Bundesstaat legt sich jedoch das Bundesgericht als Staatsgerichtshof bei der Prüfung kantonaler Erlasse (gerade im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle) eine gewisse Zurückhaltung auf, welche allerdings mit der dem Bundesgericht durch Art. 113 BV übertragenen Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit vereinbar sein muss (vgl. BGE 115 Ia 244 f. E. 3c). Da die Haftbedingungen in hohem Masse von den lokalen Gegebenheiten, insbesondere den sachlichen und personellen Möglichkeiten der einzelnen Vollzugseinrichtungen, abhängig sind, lässt das Bundesgericht den kantonalen Instanzen beim Erlass von Gefängnisverordnungen einen weiten Ermessensspielraum (BGE 106 Ia 280 E. 3 mit Hinweisen; unveröffentlichte Urteile vom ![]() | 26 |
d) Die Verfassungsmässigkeit einer Gefängnisverordnung, welche die Haftbedingungen regelt, ist vorab unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Freiheit zu beurteilen (BGE 113 Ia 327 E. 4). Die Garantie der persönlichen Freiheit ist ein ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung, das nicht nur die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten schützt, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen. Das Recht auf persönliche Freiheit gilt indessen, wie die übrigen Freiheitsrechte, nicht absolut. Beschränkungen sind zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind; zudem dürfen die verfassungsmässigen Freiheitsrechte weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden (BGE 113 Ia 327 f.; BGE 112 Ia 162 E. 3a; BGE 111 Ia 232 f. E. 3a, je mit Hinweisen).
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Die Beschränkung der Freiheitsrechte von Gefangenen darf nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung des Haftzweckes und zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Anstaltsbetriebes erforderlich ist (BGE 113 Ia 328 E. 4 mit Hinweisen; WALTER HALLER, BV-Sammelkommentar, Basel 1987 ff., persönliche Freiheit, N 147). Die von der Bundesverfassung garantierten Freiheitsrechte, insbesondere die persönliche Freiheit, stehen auch dem Untersuchungsgefangenen zu. Dieser darf in seinen Freiheitsrechten nur soweit eingeschränkt werden, als es der Untersuchungszweck erfordert (BGE 116 Ia 421; BGE 107 Ia 149, je mit Hinweisen; vgl. WALTER HALLER, a.a.O., N 147). Die aus den Haftbedingungen resultierenden Freiheitsbeschränkungen müssen auch mit den Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sein. Diese gewährleistet indessen im Bereich der Haftbedingungen keine über das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit hinausgehenden Rechte (BGE 113 Ia 328 E. 4). In dem die Schweiz betreffenden Urteil vom 20. Juni 1988 i.S. Schönenberger und Durmaz hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass der Zweck der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen im Falle von Untersuchungsgefangenen empfindlichere Eingriffe rechtfertigen könne als bei Personen, die sich in Freiheit befinden (EGMR Série A, vol. 137, Ziff. 25). Was Untersuchungs- und Sicherheitshäftlinge betrifft, können die Erfordernisse des Untersuchungszweckes nur im konkreten ![]() | 28 |
Der Schutzbereich der einzelnen Freiheitsrechte samt ihren Ausprägungen sowie die Grenzen der Zulässigkeit von Eingriffen sind im Einzelfall angesichts von Art und Intensität der Beeinträchtigung zu bestimmen (vgl. BGE 117 Ia 30 E. 5a mit Hinweis).
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Es kann indessen offengelassen werden, ob die in der Bundesverfassung garantierte Eigentumsgarantie überhaupt einen Anspruch auf Schutz vor blossen angeblichen Gefährdungen des Privateigentums des Gefangenen gewährleistet. Die angefochtene Bestimmung kann jedenfalls verfassungskonform angewendet werden. Nach der in § 27 Abs. 1 GVO getroffenen Regelung müssen grundsätzlich alle dem Gefangenen abgenommenen Gegenstände inventarisiert werden (Satz 1; s. auch § 74 StPO/ZH). Die Richtigkeit von Effektenverzeichnis und Barschaftsgutschrift ist von der Gefängnisverwaltung und vom Gefangenen unterschriftlich zu bestätigen (Satz 3). Gemäss Satz 4 "können" grössere Gepäckstücke nach summarischer Kontrolle ohne Inventarisierung des Inhalts in das Effektenverzeichnis aufgenommen werden. Der klare Wortlaut der angefochtenen Bestimmung verunmöglicht damit eine Regelung nicht, bei der grundsätzlich auch bei grösseren Gepäckstücken - insbesondere bei wertvollem Inhalt - eine sorgfältige Inventarisierung erfolgt, im Falle einer grösseren Menge unterschiedlicher Effekten von geringem Wert dagegen nicht. Entsprechend wird die Bestimmung offenbar laut Vernehmlassung auch von der Justizdirektion ausgelegt (vgl. auch Mindestgrundsatz Nr. 48 des Europarates R (87) 3). Bei einer Anwendung von § 27 Abs. 1 GVO im beschriebenen Sinne bleiben die schützenswerten Vermögensinteressen des Gefangenen in Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einem ohne unverhältnismässigen Aufwand gewährleisteten Betrieb der Bezirksgefängnisse in einer vor der Verfassung ausreichenden Weise ![]() | 31 |
b) Im weiteren richtet sich die Beschwerde gegen § 28 GVO.
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aa) Der Beschwerdeführer rügt als erstes, dass die Bestimmung "einen Anspruch des Gefangenen auf Mitnahme eines Schlafsackes in die Zelle vermissen" lasse. Wenigstens sinngemäss macht er u.a. eine Verletzung des ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechtes der persönlichen Freiheit ("körperliches Wohlbefinden") geltend. Soweit der Beschwerdeführer dabei die kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde bzw. die zulässigen Beschwerdegründe verkennt, ist auf die entsprechenden Rügen nicht einzutreten (vgl. E. 1d-e). Im übrigen wären sie insoweit unbegründet, als die Nichterwähnung eines Anspruches auf Mitnahme eines Schlafsackes keineswegs bedeutet, dass der Schlafkomfort des Gefangenen deswegen in einer die persönliche Freiheit verletzenden Weise beeinträchtigt würde. Der Beschwerdeführer übersieht, dass der Wortlaut der angefochtenen Bestimmung die Behörden nicht daran hindert, nötigenfalls - etwa aus baulichen oder witterungsbedingten Gründen - Schlafsäcke oder andere Ausrüstungsgegenstände zur Gewährleistung eines ausreichenden Schlafkomforts an die Gefangenen abzugeben (vgl. auch § 28 Abs. 5 GVO: "Die Gefängnisverwaltung kann die Mitnahme weiterer Gegenstände der persönlichen Habe in die Zelle gestatten"). Auch der Mindestgrundsatz Nr. 24 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3, der dem Gefangenen das Recht auf ein Bett und angemessenes eigenes Bettzeug ("d'un lit et d'une literie individuelle convenables") einräumt, geht über diese Anforderungen nicht hinaus.
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bb) Aus ähnlichen Gründen geht auch die Rüge fehl, der "fehlende positive Anspruch auf Schreibapparate" verletze verschiedene Garantien der EMRK. Der Text von § 28 Abs. 3 GVO, der es dem Gefangenen u.a. erlaubt, "Schreibzeug" in die Zelle mitzunehmen, schliesst entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers die Bewilligung von Schreibapparaten (Schreibmaschinen, evtl. Personal Computer) in begründeten Fällen keineswegs aus. Der Begriff des "Schreibzeugs" kann bei der konkreten Anwendung der angefochtenen Bestimmung durchaus in diesem Sinne und damit verfassungs- und konventionskonform ausgelegt werden. Dass das Wörterbuch, welches der Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung zitiert, eine andere, einschränkendere Auslegung nahelegt, ist nicht weiter erstaunlich, beruft er sich doch auf ein Wörterbuch aus dem Jahre 1899. Auch im Mindestgrundsatz Nr. 97 des Europarates, der sich ![]() | 34 |
cc) Analoges gilt auch für das Vorbringen, § 28 GVO lasse "eine Norm darüber vermissen", dass die Mitnahme von Tieren in die Zelle gestattet sei. Soweit auf die Rüge der Verletzung der persönlichen Freiheit überhaupt eingetreten werden kann (vgl. E. 1e), ist sie unbegründet. Die angefochtene Bestimmung schliesst die Zulassung von Kleintieren nicht zum vornherein aus (vgl. insbesondere § 28 Abs. 5 GVO). Dabei muss allerdings festgehalten werden, dass Einschränkungen der persönlichen Freiheit im Interesse von Sicherheit und Hygiene sowie der Aufrechterhaltung des ordnungsgemässen Gefängnisbetriebs in den Grenzen des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zulässig sind (vgl. E. 2d). Jedenfalls bei einer Zulassung von Katzen und Hunden wären nicht nur Sicherheit und Hygiene im Gefängnis in Frage gestellt, auch die Tierhaltung selber wäre kaum artgerecht und im Interesse des Tieres in der Regel nicht wünschenswert.
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c) Die Beschwerde richtet sich sodann gegen § 34 Abs. 2 lit. b GVO, welcher als besondere Sicherungsmassnahme bei erhöhter Fluchtgefahr oder bei Gefahr von Gewaltanwendung die Beschränkung oder den Entzug des Spaziergangs vorsieht. Nach der Ansicht des Beschwerdeführers verletzt die Bestimmung insbesondere die persönliche Freiheit und Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
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aa) Es fragt sich, ob der völlige Entzug des Spazierganges aus Sicherheitsgründen vor der Verfassung standhält.
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Gemäss der Praxis des Bundesgerichtes ist ab zweiter Woche der Inhaftierung ein täglicher Spaziergang an der frischen Luft von mindestens einer halben Stunde zur Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit der Gefangenen notwendig und stellt als Ausprägung der persönlichen Freiheit einen verfassungsmässigen Mindestanspruch des Inhaftierten dar (BGE 106 Ia 293 E. 8a; BGE 102 Ia 292). Dieser Minimalanspruch muss grundsätzlich auch gefährlichen Häftlingen zuerkannt werden. Den entsprechenden Risiken für die Sicherheit des Gefängnisses ist mit geeigneten technischen und organisatorischen Massnahmen zu begegnen. So hat das Bundesgericht in einem unveröffentlichten Entscheid vom 27. September 1989 i.S. A. B. das Haftregime für einen mutmasslichen gefährlichen Gewaltverbrecher als insgesamt zu streng angesehen, bei dem der Gefangene in Isolationshaft gehalten wurde und lediglich einen stündlichen Spaziergang in einem allseitig vergitterten Gang mit betoniertem ![]() | 38 |
Insofern als die angefochtene Bestimmung den völligen Entzug des Spazierganges als Sicherungsmassnahme zulässt, ist die Beschwerde daher begründet, soweit auf sie eingetreten werden kann (vgl. E. 1b, d). Ob die allgemeine Spaziergangsregelung selber (§ 47 GVO) oder der Entzug des Spaziergangs in den ersten drei Tagen aus disziplinarischen Gründen (Arrest, § 66 Abs. 4 GVO) grundrechtskonform erscheinen, wird im folgenden noch zu beurteilen sein (E. k, t).
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bb) Soweit der Spaziergang nicht stärker beschränkt wird, als es der dargelegte grundrechtliche Minimalstandard erfordert, ist ein besonderes Haftregime aus Sicherheitsgründen und eine entsprechende Einschränkung der allgemeinen Spaziergangsregelung in zeitlicher oder organisatorischer Hinsicht dagegen zulässig. In diesem Sinne ist gegen eine "Beschränkung des Spaziergangs" als Sicherungsmassnahme nach § 34 Abs. 2 lit. b GVO von Verfassungs wegen nichts einzuwenden. Was die Rüge der Verletzung von ![]() | 40 |
g) Der Beschwerdeführer ficht § 41 GVO an, wonach den Gefangenen durch die Gefängnisverwaltung täglich drei Mahlzeiten zu verabreichen sind. Damit werde auch für Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene "implizite die Beschaffung von Mahlzeiten für Gefangene auf deren eigene Kosten durch Gasthäuser am Platze ausgeschlossen". Die Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 und Art. 8 EMRK sowie der persönlichen Freiheit ist unbegründet. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass selbst für den Fall, dass Verfassung und Konvention einen Anspruch von nicht verurteilten Gefangenen auf auswärtige Verpflegung gewährleisten würden, der angefochtene Erlass eine solche nicht ausschliesst. § 41 sowie § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GVO bestimmen lediglich, welche Verpflegung die Gefängnisverwaltung abgeben muss. In § 42 Abs. 2 Satz 2 ist die Möglichkeit einer privaten zusätzlichen Verpflegung mittels "Einkauf" sogar grundsätzlich vorgesehen, zumindest aber nicht ausgeschlossen.
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Zum anderen kann die persönliche Freiheit von Untersuchungs- und Sicherheitsgefangenen eingeschränkt werden, soweit dies zur Gewährleistung des Haftzweckes notwendig ist (vgl. E. 2d). Ein entsprechender Eingriffsvorbehalt ist auch in Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorgesehen. Bei einer Verpflegung durch aussenstehende Private, insbesondere Gasthäuser, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass Missbrauch betrieben und von interessierten Dritten oder den Gefangenen selber versucht werden könnte, Gegenstände ins oder aus dem Gefängnis zu schmuggeln (insbesondere Kassiber, Drogen, Medikamente, Kleinwaffen und -werkzeuge u.ä., vgl. auch BGE 113 Ia 330 E. 5). Zur Verhinderung möglicher Missbräuche wäre die Gefängnisverwaltung gezwungen, gegebenenfalls mehrmals täglich ![]() | 42 |
h) Der Beschwerdeführer wendet sich im weiteren gegen § 42 Abs. 2 GVO, weil die Bestimmung eine Sonderkost lediglich aus religiösen Gründen vorsehe. Dadurch würden insbesondere Vegetarier in einer Art. 14 EMRK verletzenden Weise diskriminiert. Es kann im vorliegenden Fall indessen offengelassen werden, ob über die Regelung im angefochtenen Erlass hinaus ein Grundrechtsanspruch auf Sonderkost, insbesondere auf streng vegetarische Ernährung, besteht. Zum einen schliesst schon § 41 GVO das Angebot einer vegetarischen Mahlzeit durch die Gefängnisküche nicht aus. Im Sinne von Satz 2 dieser Bestimmung könnte die Justizdirektion durchaus die hierfür nötigen Weisungen erlassen. Dass § 42 Abs. 2 GVO die Abgabe einer Sonderkost aus religiösen Gründen ausdrücklich zulässt, schliesst keineswegs aus, dass im ordentlichen Menüplan der Gefängnisse gemäss § 41 GVO eine vegetarische Mahlzeit ermöglicht wird. Deren Abgabe wird im Erlass nirgends ausgeschlossen. Zusätzlich gewährleistet § 42 Abs. 1 GVO, der sich auf die ärztlich verordnete Diätkost und Zusatzverpflegung bezieht, die Möglichkeit, dass sich der Gefangene beim Arzt um Bewilligung einer von ihm gewünschten Sonderkost bemüht. Im Sinne einer verfassungsmässigen Auslegung von §§ 41 f. GVO ist in diesem Rahmen allerdings zu erwarten, dass auf ernsthaften Wunsch des Gefangenen auch den berechtigten Interessen namentlich von konsequenten Vegetariern bei der Anwendung des angefochtenen Erlasses Rechnung getragen wird. Die Empfehlung Nr. 25 Ziff. 1 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 verlangt, dass hinsichtlich ![]() | 43 |
i) Der Beschwerdeführer verlangt auch die Aufhebung von § 43 Abs. 1 GVO, welcher den Genuss von Alkohol und nicht vom Gefängnisarzt verschriebener oder zugelassener Medikamente und Drogen verbietet. Es werde dadurch insbesondere in unzulässiger Weise in die persönliche Freiheit der Gefangenen eingegriffen. Zum Alkoholverbot macht der Beschwerdeführer geltend, mässiger Genuss von Bier, Wein und Spirituosen gehöre hierzulande zur "Kultur der Verpflegung". Auch Medikamente, welche von den Gefangenen in Freiheit benützt werden, müssten ohne Kontrolle durch den Gefängnisarzt verwendet werden können. Unter dem in § 43 Abs. 1 verwendeten Begriff "Drogen" könnten auch völlig harmlose Stoffe, etwa Gewürze, verstanden werden, deren Verbot unverhältnismässig sei.
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Vorauszuschicken ist, dass Gefangene im Strafvollzug bzw. in Untersuchungs- und Sicherheitshaft insoweit zivilen Gewohnheiten und persönlichen Vorlieben entsagen müssen, als das betreffende Verbot zur Gewährleistung des Haftzweckes und der Aufrechterhaltung des geordneten Anstaltsbetriebes notwendig ist. Ein vollständiges Alkoholverbot in Gefängnissen erscheint nicht unverhältnismässig, zumal der informelle Austausch von Alkohol unter den Gefangenen nicht vollständig kontrolliert und unterbunden werden kann. Eine Freigabe beschränkter Mengen würde Missbräuchen (insbesondere Horten und Manipulieren von kleineren Mengen alkoholischer Substanzen, Schwarzhandel usw.) Vorschub leisten und Gefahren von Alkoholismus und Trinkexzessen unter den Gefangenen nach sich ziehen. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf sucht- bzw. missbrauchsgefährdete Mitgefangene erscheint ein Verzicht auf Alkoholkonsum im Gefängnis zumutbar und verfassungskonform. Die Missbrauchsgefahr gilt auch für Medikamente und Drogen. Was die Verwendung von Medikamenten betrifft, verbietet die angefochtene Bestimmung nicht, selbst mitgebrachte Arzneimittel weiter zu benützen. Die Verwendung innerhalb der Anstalt wird lediglich von der Zustimmung des Gefängnisarztes abhängig gemacht. Was daran grundrechtswidrig sein könnte, ist nicht einzusehen. Wenn der Gefangene die Ansicht vertritt, er benötige unverzüglich ein Medikament, so steht es ihm frei, die Vorführung vor den Gefängnisarzt zu verlangen (vgl. § 48 Abs. 1 GVO). Völlig zu Recht ![]() | 45 |
Auch der ebenfalls angefochtene Abs. 2 von § 43 GVO kann verfassungskonform ausgelegt werden. Wenn diese Norm das Rauchen in den Zellen grundsätzlich gestattet, Rauchverbote im übrigen den Hausordnungen überlässt, so steht damit keineswegs fest, dass Gefangene automatisch gegen ihren Willen dem Passivrauchen ausgesetzt werden müssen. Eine sinnvolle Praxis ist durchaus möglich und wird in der Vernehmlassung der Justizdirektion auch angedeutet. So spricht z.B. nichts dagegen, dass ein Raucher in einer Einzelzelle oder zwei Raucher in einer Zweierzelle grundsätzlich rauchen dürfen. Die Hausordnung kann indessen (den konkreten Verhältnissen angepasst) einen angemessenen Schutz vor unerwünschtem Passivrauchen in Unterkünften und Gemeinschaftsräumen vorschreiben. Die angefochtene Bestimmung verstösst damit nicht gegen die persönliche Freiheit.
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k) Der Beschwerdeführer rügt sodann, die allgemeine Spaziergangsregelung von § 47 GVO verstosse gegen Mindestgrundsätze des Ministerkomitees des Europarates, da die Bestimmung lediglich einen "mindestens halbstündigen Aufenthalt im Freien" pro Tag vorsehe. Diese Rüge ist auf Grund von Art. 84 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG unzulässig (vgl. E. 1d). Es fragt sich indessen, ob die allgemeine Spaziergangsregelung mit dem verfassungsmässigen Grundrecht der persönlichen Freiheit vereinbar ist.
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Der Grundsatz Nr. 86 der Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 sieht einen täglichen Spaziergang von mindestens einer Stunde vor. In BGE 99 Ia 281 E. 8d erachtete das Bundesgericht noch eine Regelung, welche die körperliche Bewegungsmöglichkeit im Freien auf drei halbstündige Spaziergänge pro Woche beschränkbar erklärte, als verfassungsrechtlich zulässig. Das Bundesgericht hielt jedoch fest, dass die entsprechende Norm der alten Zürcher Bezirksgefängnisverordnung lediglich eine "Minimalregel" enthalte, und dass die in der Beschwerde "geforderte tägliche Bewegung dort, wo es praktisch durchführbar ist", gewährt werden müsse. Drei Jahre später stellte das Bundesgericht insoweit strengere Anforderungen an eine Spaziergangsregelung, als es nach einer Haftdauer ![]() | 48 |
Ein täglicher wenigstens halbstündiger Spaziergang stellt in Rücksicht auf die geistige und körperliche Gesundheit des Gefangenen das absolute Minimum dar. Im Lichte der dargestellten Rechtsprechung muss aber jedenfalls dort, wo die tatsächlichen Verhältnisse dies zulassen, ein täglicher Spaziergang von einer Stunde Dauer gewährleistet werden. Leider sind noch nicht in allen Bezirksgefängnissen die baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen. Entsprechende Bemühungen sind indessen dringend notwendig und gemäss Vernehmlassung der Justizdirektion teilweise auch im Gang. Ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse erscheint aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nach einer Haftdauer von einem Monat ein täglicher Spaziergang von mindestens einer Stunde notwendig. Der Wortlaut der allgemeinen Spaziergangsregelung der zürcherischen Bezirksgefängnisverordnung lässt sich mit diesen Grundsätzen insofern nicht vereinbaren, als er die Gewährung eines längeren als halbstündigen Spazierganges pro Tag in das Ermessen der Behörde stellt. § 47 des angefochtenen Erlasses ist daher aufzuheben. Die Gefangenen haben von Beginn weg Anspruch auf Bewegung im Freien von täglich mindestens einer halben Stunde, und wo es die Verhältnisse erlauben, von einer Stunde. Nach einem Monat Haftdauer ist in jedem Fall ein zumindest einstündiger täglicher Spaziergang zu gewährleisten. Vorbehalten bleibt die Beschränkung des Spazierganges aus Sicherheits- und disziplinarischen Gründen (vgl. E. c und t).
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l) In der Beschwerde wird geltend gemacht, § 52 Abs. 3 und 5 GVO (insbesondere die vorgesehene Sperrfrist für Zeitungsabonnemente in der ersten Woche) würde gegen die persönliche Freiheit, Art. 4 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 und Art. 10 EMRK verstossen.
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aa) Die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit, die schon Art. 55 BV stillschweigend unter Schutz stellt, gilt, wie auch die ![]() | 51 |
bb) Der Umstand, in den ersten sieben Tagen der Haft keine eigenen Zeitungen und Zeitschriften abonnieren zu dürfen, bedeutet keinen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Gefangenen. Dies umso weniger, als die angefochtene Bestimmung nicht verbietet, dass die Gefangenen schon in der ersten Woche die von anderen Gefangenen oder von der Gefängnisverwaltung abonnierten Presseprodukte erhalten können. § 52 Abs. 3 Satz 2 GVO sieht in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich vor, dass abonnierte Zeitschriften nach Haftende von der Gefängnisverwaltung nicht nachgeschickt, sondern "für andere Gefangene verwendet" werden. Der angefochtene Erlass lässt es ohne weiteres zu, dass das gleiche mit sämtlichen Presseprodukten geschieht, welche von Häftlingen oder Gefängnispersonal zur Verfügung gestellt werden. Auch der Bücherbezug wird in der ersten Woche nicht beschränkt (vgl. § 52 Abs. 1 f. GVO). § 48 der alten Verordnung über die Bezirksgefängnisse hatte noch ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Gefangenen in der ersten Woche "von der Gefängnisverwaltung abonnierte" Presseprodukte beziehen durften. Sogar diese absolute Pressesperre betrachtete das Bundesgericht in BGE 99 Ia 283 E. a als nicht besonders schweren und zulässigen Eingriff. Auf der anderen Seite werden der Gefängnisverwaltung durch die (in der revidierten Verordnung entschärfte) Einschränkung erhebliche Umtriebe erspart, da die Verteilung und Kontrolle (§ 52 Abs. 5 GVO) der privat abonnierten Zeitungen und Zeitschriften bei Gefangenen, die nicht länger als eine Woche inhaftiert sind, wegfällt. Bei ![]() | 52 |
Daraus ergibt sich, dass die angefochtene Norm die Freiheitsrechte der Gefangenen nicht in verfassungswidriger Weise einschränkt. Ebenso folgt aus dem Gesagten, dass keine Benachteiligung der erst kürzere Zeit Inhaftierten vorliegt, welche sich entgegen Art. 4 BV nicht auf sachliche Gründe stützen könnte. Auf die Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (da gemäss § 52 Abs. 5 GVO die Gefängnisverwaltung und nicht ein Gericht über die Beschränkung oder Verweigerung des Bezuges von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften entscheidet) ist aus den in Erwägung 1b dargelegten Gründen nicht einzutreten.
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m) ... Gegenüber § 54 Abs. 2 GVO macht der Beschwerdeführer geltend, die Bestimmung könne dazu führen, dass den Gefangenen verwehrt wird, in der Zelle das Fernsehprogramm ihrer Wahl zu verfolgen. Es sei jedoch "keinem Gefangenen zuzumuten, nur jenes Fernsehprogramm mitansehen zu müssen, das gerade in einem Gemeinschaftsraum läuft", daher verstosse die Bestimmung gegen Art. 10 EMRK. - Es kann indessen offengelassen werden, ob dem Gefangenen ein Grundrechtsanspruch darauf zusteht, das Fernsehprogramm seiner Wahl ansehen zu können, so dass das im Gemeinschaftsraum angebotene Programm nicht ausreichen würde. Die Freiheitsrechte eines Gefangenen finden ihre Schranken nämlich an den Rechten der Mitgefangenen und an den Regeln, welche zur Aufrechterhaltung der Gefängnisordnung unerlässlich sind. Zumindest soweit sich der Gefangene nicht in einer Einzelzelle befindet, muss er sich mit Rücksicht auf die Wünsche und Ruhebedürfnisse seiner Mitgefangenen daher durchaus gefallen lassen, mit dem im Gemeinschaftsraum angebotenen Fernsehprogramm vorliebzunehmen. Ob der Betrieb von Fernsehgeräten auch in Einzelzellen die Ruhe von Zellennachbarn übermässig stören kann, hängt von den lokalen Verhältnissen (Schallisolation) ab. Die angefochtene Bestimmung, welche besagt, dass die Hausordnung den Fernsehkonsum von Gefangenen, die zur Gemeinschaft zugelassen sind, auf die Gemeinschaftsräume beschränken ![]() | 54 |
n) Die Beschwerde richtet sich sodann gegen die Sperrfrist von einer Woche für Besuche gemäss § 55 Abs. 1 GVO. Diese verstosse gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c, Art. 8 und Art. 10 EMRK.
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aa) Art. 8 Ziff. 2 und Art. 10 Ziff. 2 EMRK lassen im Rahmen der Verhältnismässigkeit Einschränkungen des Rechts auf Privat- und Familienleben und auf Meinungsäusserungsfreiheit insbesondere im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung oder zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Nachrichten zu. Zur "Ordnung" im Sinne der EMRK gehört, wie schon erwähnt, auch die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen und ungestörten Gefängnisbetriebes. Das öffentliche Interesse an der Einschränkung ist den tangierten privaten Interessen gegenüberzustellen (vgl. E. 3l, aa).
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bb) Bei Untersuchungsgefangenen ist in den ersten Tagen der Haft (insbesondere bis zu den ersten Einvernahmen) regelmässig schwieriger abzuschätzen, zu welchen Personen in welcher Hinsicht Kollusionsgefahr bestehen könnte, und welche Sicherungs- und Überwachungsmassnahmen bei Besuchen zur Gewährleistung des Haftzwecks notwendig sind. Für alle Gefangenenkategorien gilt, dass Besuche einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen. Im Interesse der Sicherheit des Gefängnisses und der Nichtgefährdung des Haftzweckes muss insbesondere eine Besuchsbewilligung erteilt werden (§ 55 Abs. 1, § 56 Abs. 2 GVO), alle Besuche müssen überwacht werden, notfalls müssen die Gespräche auf Tonband aufgezeichnet oder es muss eine Kleider- und Effektendurchsuchung vollzogen werden (§ 57 GVO, Art. 5 Abs. 3 VStGB 1), unter Umständen sind weitere Sicherheitsmassnahmen erforderlich. Es liegt im öffentlichen Interesse, den personellen und zeitlichen Aufwand im Verwaltungsbetrieb von Gefängnissen nach Möglichkeit auf ein vertretbares Mass zu beschränken, solange die daraus resultierenden Eingriffe verhältnismässig bleiben. Die Sperrfrist von einer Woche erspart den Behörden erhebliche Umtriebe gerade im Falle von kurzfristig Gefangenen, die ansonsten ebenfalls in den Genuss der Besuchsregelung kämen. Bei Verzicht auf die Sperrfrist könnten z.B. auch Gefangene, die lediglich eine Haftstrafe von wenigen Tagen zu verbüssen haben, einen Anspruch auf einen Besuch in der ersten Woche geltend machen.
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cc) Es fragt sich, ob die erwähnte Sperrfrist für Gefangene, die länger als nur wenige Tage inhaftiert sind, zu einer übermässigen ![]() | 58 |
Die Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK ist offensichtlich unbegründet. Die angefochtene Bestimmung schränkt den Verkehr mit dem Anwalt in keiner Weise ein, dieser ist vielmehr in § 60 GVO geregelt und grundsätzlich unbeschränkt. Hinsichtlich der Frage, welchen Anwalt er zur Verteidigung beauftragen soll, kann der Gefangene per Briefverkehr schriftlich seine Meinung äussern und Nachrichten empfangen.
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o) Der Beschwerdeführer stösst sich daran, dass § 56 Abs. 1 GVO als besuchsberechtigte "nahe Angehörige" Eltern, Geschwister, Ehefrau und Kinder des Gefangenen aufzählt, nicht aber nichteheliche Lebenspartner. Ausserdem würden im Gegensatz zu Arbeitgeber und Vormund des Gefangenen "Freunde, Bekannte, Angestellte sowie Geschäftspartner" ausgeschlossen, was gegen Art. 8 und Art. 14 EMRK verstosse. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist indessen auch diese angefochtene Bestimmung der verfassungs- bzw. konventionskonformen Auslegung zugänglich. Insbesondere legt sie nicht fest, dass die erwähnte Aufzählung von "nahen Angehörigen" abschliessend sei. Unter den Begriff der nahen Angehörigen im Sinne von § 56 Abs. 1 GVO können somit ohne weiteres auch nichteheliche Lebenspartner subsumiert werden. Was den Kreis der übrigen Besuchsberechtigten betrifft, so muss im Interesse eines geordneten Gefängnisbetriebes eine sachgerechte Beschränkung getroffen werden (vgl. E. n, bb). Auch der Mindestgrundsatz Nr. 43 Ziff. 1 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 sieht für den Besuchsverkehr den Vorbehalt der Erfordernisse der Haft sowie von Sicherheit und Ordnung vor. Es kann indessen offengelassen werden, ob dem Gefangenen ein Grundrechtsanspruch zusteht, irgendwelche Freunde, Bekannte und Geschäftspartner als Besucher ![]() | 60 |
p) Auch die Einschränkung eines übermässigen Briefverkehrs, welcher die Briefkontrolle erheblich erschwert (§ 58 Satz 2 GVO), verletzt Art. 8 EMRK nicht. Gegen Missbräuche des in § 58 Satz 1 GVO gewährleisteten Prinzips auf unbeschränkten Briefverkehr muss zur Wahrung eines ungestörten Gefängnisbetriebes eingeschritten werden können. Andernfalls könnte ein Gefangener den "Freipass" ausnützen und den Gefängnisbetrieb lähmen, indem er z.B. täglich mutwillig Dutzende von Briefen schreibt, welche (insbesondere zur Sicherung des Haftzweckes) ausnahmslos kontrolliert werden müssten (§ 59 GVO, Art. 5 Abs. 3 VStGB 1). Allerdings muss § 58 Satz 2 GVO konsequent als Missbrauchsbestimmung im engeren Sinne angewendet werden. Dies wird durch § 58 Satz 1 verdeutlicht, welcher als Grundregel bestimmt: "Der Briefverkehr der Gefangenen ist nicht beschränkt." Der Beschwerdeführer verkennt aber, dass sich auch ein Rechtsanwalt oder ein Bankier die Einschränkungen seines Briefverkehrs gefallen lassen muss, die der ordnungsgemässe Gefängnisbetrieb verlangt. Kann der Gefangene jedoch schutzwürdige Interessen für einen umfangreichen Briefverkehr geltend machen, läge kein Missbrauch des freien Briefverkehrs vor und die Behörden hätten entsprechend besondere Anstrengungen zur Bewältigung des Kontrollaufwandes zu unternehmen. Die angefochtene Bestimmung lässt sich im dargelegten Sinne grundrechtskonform auslegen.
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q) § 59 Abs. 2 GVO sieht vor, dass die für die Briefkontrolle zuständige Behörde verlangen kann, "dass die Kosten für die zur Kontrolle erforderliche Übersetzung nicht in einer Landessprache abgefasster und umfangreicher Korrespondenz" vom Gefangenen vorzuschiessen sind. Bei Verweigerung werden die betroffenen Sendungen dem Absender zurückgegeben. Der Beschwerdeführer beanstandet, die Bestimmung würde insbesondere bei mittellosen Gefangenen gegen Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK verstossen.
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Analog dem zu § 58 GVO Ausgeführten lässt sich jedoch auch diese Bestimmung grundrechtskonform anwenden. Es steht jedenfalls ![]() | 63 |
r) § 62 Abs. 1 lit. b GVO sieht als Disziplinarmassnahme unter anderem die Beschränkung bzw. Sperre des Bücher- und Zeitungsbezuges sowie den Entzug von Radio- und Fernsehempfang vor. In der Beschwerde wird geltend gemacht, diese Einschränkungen würden gegen Art. 10 EMRK verstossen.
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Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Gefängnisses möglich sein muss, Gefangene, welche die Gefängnisordnung missachten und sich disziplinarische Verstösse zuschulden kommen lassen, mit wirksamen Disziplinarsanktionen zu belegen (vgl. auch Mindestgrundsatz Nr. 33 des Europarates R (87) 3: "L'ordre et la discipline doivent être maintenus dans l'intérêt de la sécurité, d'une vie communautaire bien organisée et des objectifs du traitement poursuivi dans l'établissement"). Dies gilt auch für Untersuchungsgefangene (§ 76 Abs. 4 StPO/ZH). Die vorgesehenen Massnahmen zur entsprechenden Verschärfung des Haftregimes sind ihrem Charakter nach sachgerecht und verhältnismässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist bei schweren Disziplinarverstössen der Vollzug einer ![]() | 65 |
s) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, dass auch Disziplinarstrafen gemäss § 62 GVO in "zivilrechtliche Ansprüche" eingreifen könnten. Das Disziplinarverfahren gemäss § 64 GVO verletze daher den Anspruch auf einen unabhängigen Richter gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
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aa) Die Rüge ist unbegründet, soweit im Lichte von Art. 90 Abs. 1 lit. a und b OG überhaupt darauf eingetreten werden kann (vgl. E. 1b). Erstens übersieht der Beschwerdeführer, dass der in diesem Zusammenhang allein angefochtene § 64 GVO eine gerichtliche Überprüfung der Disziplinarsanktion nicht ausschliessen würde. Zweitens ist nach der Praxis des Bundesgerichtes und der Strassburger EMRK-Organe Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf Disziplinarmassnahmen gegenüber Gefangenen in der Regel nicht anwendbar. So hat das Bundesgericht im schon erwähnten Urteil vom 17. April 1991 i.S. J. N. entschieden, dass sogar die Ausfällung einer disziplinarischen Arreststrafe ![]() | 67 |
bb) Ob eine Arreststrafe von 20 Tagen, welche gemäss § 62 Abs. 1 lit. e GVO ausgefällt werden könnte, einer strafrechtlichen Sanktion gleichkommt, welche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK von einer richterlichen Behörde sanktioniert werden müsste, ist im vorliegenden Fall nicht zu untersuchen, da § 62 Abs. 1 lit. e und § 68 GVO nicht angefochten worden sind. Im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes drängen sich hier freilich gewisse Bedenken auf (vgl. BGE 117 Ia 187 ff.). Allfällige Grundrechtsverstösse könnten vom Betroffenen aber notwendigenfalls immer noch im konkreten Anwendungsfall gerügt werden. Es empfiehlt sich allerdings für schwere Disziplinarvergehen dringend eine diesbezügliche Ergänzung der zürcherischen Bezirksgefängnisverordnung; andernfalls wären entsprechenden Beschwerden im Einzelfall nicht geringe Erfolgsaussichten beschieden.
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t) Der Beschwerdeführer rügt sodann, der Entzug des Spazierganges während den ersten drei Tagen bei Arreststrafen von mehr als drei Tagen Dauer (§ 66 Abs. 4 GVO) verstosse gegen das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit. Dem ist ebenfalls nicht zu folgen. Die persönliche Freiheit darf im Falle von Arreststrafen wegen schweren Disziplinarvergehen eingeschränkt werden. Wie das Bundesgericht im zitierten Urteil vom 17. April 1991 festgestellt hat, ist eine disziplinarische Arreststrafe von einigen Tagen, angeordnet nach alter Zürcher Gefängnisverordnung, grundsätzlich mit Art. 3 EMRK bzw. der persönlichen Freiheit vereinbar (a.a.O., nicht veröffentlichte E. 5). Auch der mit der Arreststrafe verbundene Spaziergangsentzug in den ersten drei Tagen ist nicht unverhältnismässig, sondern stellt eine angemessene Verschärfung des ordentlichen Haftregimes zur Sanktionierung von schweren Disziplinarvergehen und damit zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Gefängnisses dar. Bei Arreststrafen von mehr als drei Tagen Dauer wird dem Gefangenen vom vierten Tag an täglich Gelegenheit zum Einzelspaziergang gegeben. Diese Regelung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. ... Was allfällige Gesundheitsrisiken ![]() | 69 |
4. Zusammenfassend ergibt sich, dass lediglich die allgemeine Spaziergangsregelung von § 47 GVO sowie die in § 34 Abs. 2 lit. b GVO vorgesehene Möglichkeit des vollständigen Entzuges des Spazierganges als besondere Sicherungsmassnahme gegen die Bundesverfassung verstossen (vgl. E. 3c, aa und E. 3k). § 47 GVO ist aufzuheben. Die Verfassungsmässigkeit von § 34 Abs. 2 lit. b GVO kann durch die Aufhebung der Wendung "oder der Entzug" hergestellt werden. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.
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