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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher | |||
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17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_407/2009 vom 18. Januar 2010 | |
Regeste |
Art. 27 und 29 BV; Art. 105 BGG; Art. 1, 10, 11 Abs. 1 lit. f, Art. 13 und 16 in Verbindung mit Art. 66 HMG; Art. 13 und 14 AMZV; Art. 5 AWV; Änderung der Fachinformation für Spedifen®. |
Prüfungs- und Begründungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren gegen Entscheide der Swissmedic (E. 2). |
Übersicht über die Anforderungen an die Arzneimittelinformation und -werbung: In der Fachinformation sind vergleichende Aussagen zu ähnlichen Produkten nicht ausgeschlossen, wenn sie behandlungsrelevant und wissenschaftlich unzweifelhaft belegt sind, was bei Spedifen® hinsichtlich der Wirkgeschwindigkeit gegenüber anderen Ibuprofenprodukten aufgrund der vorgelegten Studien und des Anwendungsbereichs als nicht hinreichend erwiesen beurteilt werden durfte (E. 3 und 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 27. April 2005 teilte das Heilmittelinstitut der X. AG mit, dass zusätzliche Korrekturen am Text nötig seien; es habe sich gezeigt, dass das Gesuch, welches der Verfügung vom 30. September 2003 zugrunde gelegen habe, "ohne detaillierte Prüfung" der Daten genehmigt worden sei. Die X. AG widersetzte sich den vorgeschlagenen Anpassungen, soweit sie einen vergleichenden Hinweis auf die höhere Wirkgeschwindigkeit von Spedifen® als Ibuprofen in Form von Arginat-Salz gegenüber anderen ibuprofenhaltigen Arzneimitteln ausschlossen. Am 6. Juli 2007 hielt die Swissmedic an ihrer Auffassung fest und forderte die X. AG auf, die umstrittene Arzneimittelfachinformation in mehreren Punkten hinsichtlich der Angaben zur Wirkgeschwindigkeit im Vergleich zu anderen Ibuprofenprodukten zu ändern.
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Mit Urteil vom 7. Mai 2009 wies das Bundesverwaltungsgericht die von der X. AG hiergegen eingereichte Beschwerde ab. Es begründete seinen Entscheid im Wesentlichen damit, dass das Institut nicht ![]() | 3 |
Das Bundesgericht weist die von der X. AG hiergegen eingereichte Beschwerde ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
1.1 Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts über Verfügungen der Swissmedic in Anwendung des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) bzw. der Ausführungserlasse dazu kann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gelangt werden (vgl. Art. 82 ff. BGG). Die X. AG ist als Zulassungsinhaberin der Spedifen® -Produkte hierzu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG), soweit sie am Ausgang des vorliegenden Verfahrens noch ein aktuelles Interesse hat (vgl. BGE 123 II 285 E. 4): Die Swissmedic ordnete die umstrittenen Modifikationen der Arzneimittelinformation am 6. Juli 2007 in Abänderung zweier Genehmigungsentscheide vom 30. September 2003 und vom 13. Dezember 2004 an. In den vorinstanzlichen Verfahren war umstritten, ob der Widerruf dieser - angeblich ursprünglich fehlerhaften - Verfügungen zulässig sei. Nachdem die Zulassungsbewilligung der umstrittenen Produkte am 12. Dezember 2009 so oder anders ausgelaufen ist, hat die Beschwerdeführerin kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, dass das Bundesgericht prüft, ob die Verfügung der Swissmedic in diesem Punkt Bundesrecht verletzt hat. Wegen der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel war sie bis zum Ablauf der Bewilligungsdauer nicht verpflichtet, ihre Produkteinformationen gemäss den Anordnungen der Swissmedic vom 6. Juli 2007 anzupassen, womit ihr aus deren Entscheid während der ganzen ![]() | 6 |
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Erwägung 2 | |
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinem Entscheid mit ihren Ausführungen nicht hinreichend auseinandergesetzt und seine Kognition in unzulässiger Weise beschränkt. Beschwerdeinstanzen auferlegten sich zwar ![]() | 8 |
Erwägung 2.2 | |
2.2.1 Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Akts zur Sache äussern zu können (BGE 122 II 274 E. 6b S. 286 f. mit Hinweisen). Er verlangt von der Behörde, dass sie seine Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt (BGE 123 I 31 E. 2c S. 34 mit Hinweisen). Dies gilt für alle form- und fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (BGE 112 Ia 1 E. 3c S. 3). Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Sie muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 133 III 439 E. 3.3 S. 445 mit Hinweisen). Auch eine Rechtsmittelbehörde, der - wie dem Bundesverwaltungsgericht - volle Kognition zusteht, soll in Gewichtungsfragen den Beurteilungsspielraum der Vorinstanz respektieren. Sie muss zwar eine falsche Entscheidung korrigieren, darf aber die Wahl unter mehreren sachgerechten Lösungen der Vorinstanz überlassen. Wenn es um die Beurteilung technischer oder wirtschaftlicher Spezialfragen geht, ![]() | 9 |
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2.2.3 Die Beschwerdeführerin hatte im Widerrufs-/Anpassungsverfahren vor der Swissmedic umfassend Gelegenheit, ihren Standpunkt einzubringen; sie hat dabei verschiedene Kompromissvorschläge zur Formulierung der Fachinformation gemacht und von Swissmedic akzeptierte Alternativvorschläge abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht führte einen doppelten Schriftenwechsel durch, in dem die Beschwerdeführerin sich detailliert zu den wissenschaftlichen Vorbehalten von Swissmedic äussern konnte. Sie erhielt schliesslich auch Gelegenheit, ihren Standpunkt vor Gericht ![]() | 11 |
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Erwägung 3 | |
Erwägung 3.1 | |
3.1.1 Das Heilmittelinstitut entscheidet nach Prüfung der erforderlichen Unterlagen über die Zulassung von Arzneimitteln bzw. neuen Indikationen, wobei die Gesuchstellerin belegen muss, dass ihr Präparat qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist (Art. 10 und Art. 16 HMG). Die Arzneimittelinformation (Fach- und Patienteninformation) bildet Teil des Bewilligungsverfahrens (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. f HMG; Art. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 4 und 5 der ![]() | 13 |
3.1.2 Die Swissmedic kann die Zulassung während der Geltungsdauer von Amtes wegen oder auf Gesuch hin veränderten Verhältnissen anpassen. Sie ist in diesem Rahmen insbesondere auch befugt, Änderungen der Arzneimittelinformationen anzuordnen, wenn diese den gesetzlichen Vorgaben nicht mehr entsprechen (Art. 16 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 HMG). Die Zulassungsinhaberin muss ihrerseits jeweils dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie neuen Ereignissen und Bewertungen Rechnung tragen, wobei sie die nötigen Änderungen in der Regel vorgängig dem Institut zur Bewilligung vorzulegen hat (vgl. Art. 16 der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittel [Arzneimittelverordnung, VAM; SR 812.212.21]). Die Genehmigung erfolgt aufgrund einer wissenschaftlichen Begutachtung, sofern von der Gesuchstellerin eine Dokumentation vorgelegt wird oder die Änderung sicherheitsrelevant ist; ansonsten wird auf eine (erneute) wissenschaftliche Begutachtung verzichtet (vgl. Ziff. 2 Abs. 1 Subziff. 2 und 3, Ziff. 3 Abs. 1 Subziff. 1-3 Anhang 7 AMZV). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird geprüft, ob der vorgeschlagene Text, (noch) dem ![]() | 14 |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, zwischen ihr und der Swissmedic sei in der Sache selber im Wesentlichen noch umstritten, (1) ob Ibuprofen-Arginat (der Wirkstoff in Spedifen [IBA]) schneller wirkt als Ibuprofen-Säure (IBU), die in herkömmlichen Ibuprofen-Präparaten zur Anwendung kommt, (2) ob der Unterschied zwischen IBA und IBU beim Wirkungseintritt in der Arzneimittelinformation erwähnt werden darf und (3) ob Swissmedic ohne triftige Gründe auf die Verfügung vom 30. September 2003 ![]() | 16 |
3.2.2 In Bezug auf die wissenschaftliche Einschätzung der eingereichten Unterlagen bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was die Annahme, die eingereichten Unterlagen genügten im Rahmen der Guten Praxis der Klinischen Versuche (GPKV) für den gewünschten allgemeinen Hinweis einer schnelleren Wirksamkeit von Spedifen® nicht, als offensichtlich unvollständig oder fehlerhaft erscheinen liesse. Ihre Ausführungen erschöpfen sich darin, die eigenen, bereits wiederholt in den vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einschätzungen jenen des Instituts gegenüberzustellen. Sie verkennt dabei, dass es an ihr ist, die Wirksamkeit hinsichtlich der bewilligten Indikationen anhand von wissenschaftlich erhärteten, über vernünftige Zweifel erhabene Untersuchungen nachzuweisen. Die von ihr eingereichten Unterlagen weisen zwar allenfalls auf eine gewisse schnellere Wirkgeschwindigkeit im Rahmen klinischer Versuche bei chirurgischen Zahnextraktionen hin (Dental Surgery-Studien); die Swissmedic durfte indessen davon ausgehen, dass die entsprechende Behauptung für die anderen zugelassenen Indikationen dadurch nicht im Rahmen der CPMP-Guideline (Note for Guidance on Clinical Investigation of Medicinal Products for Treatment of Nociceptive Pain [CPMP/WEWP/612/00]) hinreichend nachgewiesen erschien (vgl. das Urteil 2A.515/2002 vom 28. März 2003 E. 3.5). Das Indikations-/Anwendungsgebiet von Spedifen® umfasst gemäss Arzneimittel-Kompendium "verschiedene Schmerzzustände besonders akuter Natur, wie z.B. Symptome des Zervikalsyndroms, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, muskuläre und osteoartikuläre Schmerzen, schmerzhafte Wirbelsäulensyndrome, posttraumatische und postoperative Entzündungen und Schmerzen; Schmerzzustände in der Gynäkologie wie z.B. Dysmenorrhoe; schubweise wiederkehrende Schmerzzustände bei rheumatischen Erkrankungen entzündlicher und degenerativer Formen und bei morgendlicher Gelenksteifheit; extraartikuläre rheumatische Beschwerden; Fieber- und Schmerzzustände bei infektiösen Erkrankungen (z.B. grippale Infekte)". Die von der Beschwerdeführerin als "Pivotal-Studien" bezeichneten Untersuchungen bezogen sich auf chirurgische Zahnextraktionen; für die anderen Bereiche reichte sie lediglich zwei ergänzende supportive Studien bei Dysmenorrhoe ein; die zwei Studien bei Spannungs-Kopfschmerzen bezeichnete sie im Laufe des Verfahrens als ![]() | 17 |
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3.2.4 Mit der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass nicht jede vergleichende Aussage zu einem anderen ähnlichen Produkt in der Fachinformation ausgeschlossen erscheint (vgl. EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., N. 16 zu Art. 5 AWV). Es kann durchaus ein Interesse daran bestehen, die Fachkreise über den schnelleren Wirkungseintritt eines Stoffes in einer bestimmten Form gegenüber anderen Arzneiformen zu informieren; gleichzeitig müssen dann aber wohl auch die Wirkungsdauer und allenfalls die Wirkungsintensität ![]() | 19 |
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4.1 Zwar fällt ihre Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit, doch darf diese zum Schutz des Publikums im öffentlichen Interesse durch angemessene Massnahmen beschränkt werden (vgl. Art. 36 BV). Dass allenfalls nur wissenschaftlich einwandfrei belegte Charakteristika eines Wirkstoffs in Abgrenzung zu ähnlichen Arzneiformen in die Fachinformation aufgenommen werden können, womit sie hernach im Rahmen der Arzneimittel-Werbeverordnung auch beworben werden dürfen, dient der klaren Information von Fachkreisen und Publikum sowie der Lauterkeit auf dem Medikamentenmarkt (vgl. Art. 1 Abs. 3 lit. c HMG). Dieser soll nicht nur "qualitativ hoch stehende, sichere und wirksame Heilmittel" hervorbringen (Art. 1 Abs. 1 HMG), sondern den Konsumentinnen und Konsumenten zudem auch einen angemessenen Schutz vor Täuschung bieten (Art. 1 Abs. 2 lit. a HMG). Die in Verkehr gebrachten Heilmittel sind ihrem Zweck entsprechend und massvoll zu verwenden ![]() | 21 |
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4.3 Dasselbe gilt bezüglich der Tatsache, dass die französische Zulassungsbehörde Spifen 400 mg mit dem pharmakologischen Hinweis akzeptiert hat: "... Dans les douleurs dentaires post-extractionelles, l'effet antalgique de SPIFEN à été observé plus précocement que pour une forme conventionnelle d'ibuprofène" und die Beschwerdeführerin gestützt hierauf in Frankreich entsprechend wirbt: Es ist nicht ersichtlich, auf welchen rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen die französischen Behörden diesen Hinweis gestattet haben. Bezüglich der Werbung in der Schweiz hat das Bundesgericht die Auffassung von Swissmedic bestätigt, dass bereits gestützt auf die bisherigen Arzneimittelinformationen Aussagen wie "Lindert den Schmerz bereits nach wenigen Minuten" und: "... befreit vollständig vom Schmerz innert 30 Minuten" sachlich unzutreffend und übertrieben seien; der zuletzt genehmigten Arzneimittelinformation könne kein Hinweis darüber entnommen werden, in welchem Umfang und nach welchem Zeitablauf eine Linderung der Schmerzen ![]() | 23 |
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