![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
31. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Schulpflege B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_366/2014 vom 1. Dezember 2015 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 3 BV in Verbindung mit Art. 3 GlG; (Lohn-)Gleichstellung von Mann und Frau; geschlechtsmässige Identifikation des Primarlehrberufs im Kanton Aargau. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Die 1960 geborene A. ist als Primarlehrerin an der Schule B. tätig. Mit Verfügung vom 1. Mai 2012 reihte die Schulpflege B. sie in die Lohnstufe 5 ein, wobei der Verdienst ab 1. Januar 2012 auf brutto Fr. 115'727.- (bei einem Pensum von 100 %) bzw. Fr. 61'996.60 (bei einem effektiven Beschäftigungsgrad von 53,57 %) festgelegt wurde.
| 2 |
A.b In der Folge gelangte sie - samt zahlreichen anderen Lehrpersonen Kindergarten bzw. Primarstufe/Einschulungsklasse sowie dem Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverband - an die Schlichtungskommission für Personalfragen. Sie liess im Wesentlichen beantragen, die Schlichtungsstelle habe festzustellen, dass die Lohneinstufung geschlechtsdiskriminierend erfolgt sei, und den Anstellungsbehörden sei auf dieser Basis zu empfehlen, die Differenz zwischen dem Verdienst bei einer diskriminierungsfreien Neueinstufung und dem effektiv ausgerichteten Lohn (nach Abzug der gesetzlichen Sozialbeiträge zuzüglich Verzugszins von 5 % ab jeweiliger Fälligkeit, rückwirkend ab 1. August 2011) nachzuzahlen. Die Empfehlung der Schlichtungskommission vom 29. Oktober 2012, welche sämtliche der parallel eingereichten Gesuche gemeinsam behandelte, lautete wie folgt: "Da eine diskriminierungsfreie und somit verfassungskonforme Einstufung der Funktionen Kindergarten und Primarstufe/Einschulungsklasse, sogenannt typische Frauenberufe, in die dafür vorgesehenen Lohnstufen 2 und 5 nicht mit Sicherheit bestätigt werden kann, sei das Vektorenmodell zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Auf die Perpetuierung einer möglichen Diskriminierung durch Rückgriff auf altrechtliche Studiengänge im Vektor "Ist-Lohn" sei zu verzichten und es sei sicherzustellen, dass beim Vektor "Marktlohn" die Vergleichslöhne der beigezogenen Referenzkantone ihrerseits diskriminierungsfrei sind. Die ![]() | 3 |
A.c Das Departement Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau (BKS) bestätigte daraufhin die von den Gesuchstellenden angefochtenen Lohnverfügungen (Verfügung vom 18. März 2013).
| 4 |
B.
| 5 |
B.a Mit dagegen eingereichter Beschwerde stellte A. zusammen mit 87 weiteren Lehrpersonen Kindergarten bzw. Primarstufe/Einschulungsklasse sowie dem Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverband beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau den Antrag, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei festzustellen, dass die beschwerdeführenden Lehrpersonen bezüglich der Funktionen Kindergarten und Primarstufe/Einschulungsklasse lohnmässig in geschlechtsdiskriminierender Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151.1) eingereiht worden seien. Die betroffenen Anstellungsbehörden seien deshalb zu verpflichten, den beschwerdeführenden Lehrpersonen die vom Personaldienst Lehrpersonen des BKS zu berechnende summenmässige Differenz zwischen den Bruttolöhnen, die sie auf Grund einer diskriminierungsfreien Neueinstufung in eine höhere Lohnstufe zu beanspruchen vermöchten, und jenen Bruttolöhnen, welche ihnen auf der Basis der angefochtenen bisherigen Lohnstufen zustünden (zuzüglich allfälliger Lohnerhöhungen etc.), nach Abzug der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich eines Verzugszinses von 5 % ab jeweiliger Fälligkeit, rückwirkend ab 1. August 2011, zu bezahlen. Ferner sei in formeller Hinsicht ein Arbeitsgutachten gerichtlich einzuholen, welches sich zu den Lohnunterschieden zwischen einerseits der Funktion Kindergarten und Primarstufe/Einschulungsklasse und anderseits vergleichbaren Funktionen von Angestellten der kantonalen Verwaltung äussere. Auch habe es zur Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit die Ergebnisse der Arbeitsbewertung nach Katz und Baitsch (System der analytischen Bewertung von Arbeitstätigkeiten nach Katz und Baitsch [ABAKABA]) durch die im Vergleich zum Lohnsystem der Angestellten der kantonalen Verwaltung ungleiche Umsetzung bei den ![]() | 6 |
B.b Das angerufene Gericht sistierte mit Verfügungen vom 2. Juli 2013 sämtliche Verfahren ausser denjenigen betreffend A. (Primarlehrerin) und D. (Kindergärtnerin). Am 27. November 2013 führte es eine Verhandlung durch, bei welcher die Beteiligten sowie Dr. C. als sachverständiger Zeuge angehört wurden. Mit gleichentags ergangenem Entscheid wies es die Beschwerde von A. ab, soweit es darauf eintrat. Die D. betreffende Beschwerde wurde mit Entscheid WBE.2013.151 vom 29. Januar 2014 teilweise gutgeheissen, die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Schulpflege zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.
| 7 |
C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung von Ziff. 1 (Beschwerdeabweisung) und 4 (Parteikostenverlegung) des vorinstanzlichen Entscheids vom 27. November 2013 sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
| 8 |
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) schliesst in seiner Stellungnahme auf Gutheissung der Rechtsvorkehr, wohingegen das BKS um deren Abweisung ersucht.
| 9 |
D. Das Bundesgericht hat am 1. Dezember 2015 eine öffentliche Beratung durchgeführt.
| 10 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 11 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
4.1 Der aargauische Gesetzgeber hat im Rahmen der Neufestsetzung der Besoldung des gesamten kantonalen Personals einschliesslich aller Lehrkräfte die Bewertung der verschiedenen Arbeitsplätze anhand des sog. ABAKABA-Systems vorgenommen. Dabei handelt es sich um ein anerkanntes System der analytischen Arbeitsplatzbewertung, das gezielt als Instrument ohne geschlechtsspezifische ![]() | 12 |
Erwägung 4.2 | |
4.2.1 Im erwähnten Entscheid WBE.2013.151 vom 29. Januar 2014 hatte die Vorinstanz betreffend D. erkannt, dass diese in ihrer Funktion als Kindergärtnerin nach ständiger Rechtsprechung (so u.a. BGE 125 II 530 und Urteil 2A.79/2007 vom 15. Juni 2007) einen typischen Frauenberuf ausübe (E. II./1). Ausgehend davon war in der Folge geprüft worden, ob die anhand des Vektorenmodells vorgenommene konkrete Lohneinstufung der Beschwerdeführerin diskriminierungsfrei erfolgt sei. Das kantonale Gericht verneinte diese Frage mit der Begründung, dass wegen der hohen Gewichtung des Marktlohns und der geringen Gewichtung des ABAKABA-Lohns im Rahmen des Vektorenmodells die überdurchschnittlich hohe Differenz zwischen dem Markt- und dem ABAKABA-Lohn für die Lehrpersonen Kindergarten besonders gravierende Auswirkungen zeitige; der Vektor Marktlohn habe hier eine bedeutend höhere Reduktion des ABAKABA-Lohns zur Folge als bei allen anderen Lehrkräften (E. II./7.3). Zudem würden den Lehrpersonen Kindergarten durch die hohe Gewichtung des bisherigen Positionslohns - ähnlich wie beim Marktlohn - deutlich grössere Nachteile erwachsen als dem gesamten übrigen Lehrkörper. Auch aus diesem Grund bedürfe die Frage einer allfälligen früheren Diskriminierung einer eingehenden Überprüfung (E. II./8.2). Zusammenfassend gelangte die Vorinstanz zum Schluss, in teilweiser Gutheissung der Beschwerde sei die angefochtene Lohnverfügung vom 1. Januar 2012 aufzuheben und die Sache an die Schulpflege zurückzuweisen. Der Kanton Aargau habe sodann die Lohneinstufung der Lehrpersonen Kindergarten gestützt ![]() | 13 |
14 | |
Erwägung 5 | |
5.1 Die Beschwerdeführerin rügt, ihre mit Verfügung der Schulpflege B. vom 1. Mai 2012 erfolgte Lohneinstufung sei geschlechtsdiskriminierend. Als Lehrperson Primarstufe/Einschulungsklasse übe sie einen typischen, im Vergleich zu anderen gleichwertigen Tätigkeiten in der kantonalen Verwaltung schlechter entlöhnten Frauenberuf aus. Die frauenspezifische Prägung ergebe sich aus dem Umstand, dass aktuell 86,8 % der Primarlehrpersonen im Kanton Aargau (bzw. 82,1 % gesamtschweizerisch) weiblich seien. Nicht angefochten wird ![]() | 15 |
16 | |
Erwägung 6 | |
Erwägung 6.1 | |
6.1.1 Liegen bei Staatsangestellten ungleiche Besoldungen vor, findet als Schranke grundsätzlich einzig das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV Anwendung. Dieses verschafft nicht unmittelbar ein subjektives Recht auf einen rechtsgleichen Lohn, sondern nur einen Anspruch auf Beseitigung der Ungleichheit und kann lediglich indirekt zur Folge haben, dass der öffentliche Arbeitgeber einer betroffenen Person zur Beseitigung einer Rechtsungleichheit höhere Leistungen ausrichten muss (BGE 131 I 105 E. 3.6 S. 109 f.; Urteil 8C_298/2014 vom 25. März 2015 E. 4.3). Art. 8 Abs. 1 BV verlangt nur - aber immerhin -, dass im öffentlichen Dienstrecht gleichwertige Arbeit gleich entlöhnt wird. Den politischen Behörden wird diesbezüglich ein grosser Spielraum in der Ausgestaltung von Besoldungsordnungen zugestanden. Ob verschiedene Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ausfallen können. Innerhalb der Grenzen des Willkürverbots und des Rechtsgleichheitsgebots sind die Behörden befugt, aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Besoldung von Beamten massgebend sein sollen (BGE 125 I 71 E. 2c/aa S. 79; BGE 124 II 409 E. 9b S. 426 f.; BGE 123 I 1 E. 6b S. 8; BGE 121 I 102 E. 4a/c S. 104 f.; Urteil 8C_664/2014 vom 25. März 2015 E. 4.2). Das Bundesgericht übt dabei eine gewisse Zurückhaltung und greift von Verfassungs wegen bloss ein, wenn der Kanton mit den Unterscheidungen, die er trifft, eine Grenze zieht, die sich nicht vernünftig begründen lässt, die unhaltbar und damit in den meisten Fällen auch geradezu willkürlich ist (BGE 129 I 161 E. 3.2 S. 165; BGE 123 I 1 E. 6a S. 7 f. mit Hinweisen; Urteil 8C_664/2014 vom 25. März 2015 E. 4.2; vgl. auch Urteil 8C_298/2014 vom 4. Mai 2015 E. 4.3).
| 17 |
![]() ![]() | 18 |
6.1.3 Die geschlechtsspezifische Identifizierung der benachteiligten Funktion ist somit Tatbestandsvoraussetzung, damit eine indirekte Geschlechtsdiskriminierung in Frage kommt. Sie grenzt den Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV bzw. Art. 3 GlG von demjenigen des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots von Art. 8 Abs. 1 BV ab (BGE 125 II 530 E. 2a S. 532; BGE 124 II 529 E. 3a S. 530 f. und E. 5d S. 533 f. mit Hinweisen; Urteil 2A.205/2004 vom 8. April 2005 E. 4.1). Ohne Feststellung einer geschlechtsspezifischen Qualifikation kann das Bundesgericht eine formal geschlechtsneutrale Lohnfestsetzung nicht auf die in E. 6.1.2 genannten Kriterien hin überprüfen.
| 19 |
6.2 Wie hievor aufgezeigt, wird eine indirekte Geschlechtsdiskriminierung bejaht, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts gegenüber denjenigen des anderen benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre. Ob eine Tätigkeit, deren (indirekte) Benachteiligung gerügt wird, geschlechtsspezifisch identifiziert ist, kann nicht immer einfach beantwortet werden und hängt teilweise auch von Wertungen ab. In erster Linie ist jedoch entsprechend der Umschreibung der indirekten Diskriminierung auf das quantitative, statistische Element abzustellen. Der Anteil des einen Geschlechts in der Gruppe der Benachteiligten muss erheblich höher sein als der Anteil des anderen Geschlechts (BGE 124 II 529 E. 5e S. 534 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt eine Funktion in der Regel als typisch weiblich, wenn der Frauenanteil eindeutig höher als 70 % liegt (vgl. BGE 125 II 385 E. 3b S. 387, BGE 125 II 530 E. 2b S. 532; Urteile 2A.205/2004 vom 8. April 2005 E. 4.2 und 1A.34/1999 vom 5. Oktober 1999). Es kann aber auch, namentlich wenn die betreffende Funktion in Lohngleichheitsverfahren vergleichsweise als Referenzberuf herangezogen wird, die geschichtliche Dimension bzw. die historische Prägung berücksichtigt werden (BGE 125 II 530 E. 2b S. 532; Urteile 8C_78/2009 vom 31. August 2010 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 136 II 393, und 2A.205/2004 vom 8. April 2005 E. 4.2). Eine berufliche Tätigkeit kann sich hinsichtlich ihrer geschlechtsspezifischen Identifikation im Laufe der Zeit indessen verändern. So hat das Bundesgericht im Urteil ![]() | 20 |
6.3 Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft liegt eine mittelbare Diskriminierung nur vor, wenn "erheblich" oder "wesentlich" oder "prozentual sehr viel mehr" Frauen als Männer nachteilig betroffen sind. Soweit in den bisher entschiedenen Fällen das entsprechende Verhältnis quantitativ bekannt war, war der Anteil der von einer Regelung benachteiligten Frauen durchwegs in der Grössenordnung von ca. 10:1 oder mehr (BGE 124 II 529 E. 5g S. 535 f.; ferner OLIVIER STEINER, Das Verbot der indirekten Lohndiskriminierung, AJP 2001 S. 1281 ff., 1287 f.).
| 21 |
6.4 Das Lohngleichheitsgebot gilt sodann nur für den jeweiligen Arbeitgeber bzw. ein von diesem abhängiges System; der Arbeitgeber darf innerhalb seines Einflussbereichs nicht geschlechtsmässig diskriminieren (BGE 125 I 71 E. 4d/bb S. 86). Deshalb ist auch für die Beurteilung, ob eine (indirekte) Diskriminierung vorliegt, in erster Linie auf die Zahlenverhältnisse beim konkreten Arbeitgeber abzustellen. Wenn dort die Verhältnisse wenig aussagekräftig sind, werden gesamtschweizerische Verhältnisse herangezogen. Da es um die Lohnzahlungen für die Beschäftigten geht, sind zudem primär diejenigen Personen massgebend, die den Beruf tatsächlich ausüben (vgl. BGE 124 II 436 E. 6b S. 440; Urteil 2A.205/2004 vom 8. April 2005 E. 4.5.1 mit Hinweisen).
| 22 |
6.5 Schliesslich ist für die Beantwortung der Frage, ob und wie eine Arbeit, deren Bewertung Gegenstand eines Rechtsstreits ist, als geschlechtsspezifisch identifiziert zu gelten hat, nicht die Sachlage im Urteilszeitpunkt massgeblich. Vielmehr sind die diesbezüglich wesentlichen Verhältnisse im Moment der Bewertungsvorgänge beim Arbeitgeber, die der angefochtenen Lohnverfügung zugrunde liegen, ![]() | 23 |
24 | |
25 | |
Sodann war in BGE 124 II 529 (E. 5f S. 535), welchem ein von einer Sozialarbeiterin initiierter Lohngleichheitsprozess zugrunde lag, zwar ausdrücklich festgehalten worden, gesamtschweizerisch seien 1996 vier Fünftel der Primarlehrerpatente an Frauen erteilt worden. Dennoch gelte, wie sich aus BGE 124 II 409 ergebe, der Primarlehrberuf nicht als spezifisch weiblich; er werde im Gegenteil als geschlechtsneutral identifizierter Vergleichsberuf herangezogen für die Beurteilung, ob typische Frauenberufe wie Kindergärtnerinnen oder Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen diskriminiert würden.
| 26 |
Gemäss höchstrichterlicher Feststellung in BGE 124 II 436 (E. 6b S. 440) hatten im Kanton Solothurn in den vorangegangenen Jahren deutlich mehr Frauen als Männer ein Primarlehrerpatent ![]() | 27 |
In BGE 125 II 530 (E. 2b S. 532) war das Bundesgericht gemäss unbestrittener vorinstanzlicher Sachverhaltsdarstellung von einem Frauenanteil der Primarlehrkräfte in der Stadt Zürich von 72 % bzw. gesamtschweizerisch in den Jahren 1996/97 von rund 70 % ausgegangen. Indessen zeigten BGE 124 II 409 und 436 - so die weiteren Erwägungen -, dass der Primarlehrberuf bisher gemeinhin als geschlechtsmässig neutral betrachtet und gerade auch in Lohngleichheitsverfahren als neutraler Vergleichsberuf gegenüber Frauenberufen, wie etwa demjenigen der in casu betroffenen Kindergärtnerin, herangezogen worden sei, was sich durch die historische Prägung dieses Berufs erklären lasse. Der vom Verwaltungsgericht angestellte Vergleich sei daher grundsätzlich nicht zu beanstanden.
| 28 |
Zuletzt war mit - ebenfalls von Kindergärtnerinnen angestrengten - Urteilen 2A.79/2007, 2A.80/2007 und 2A.81/2007 vom 15. Juni 2007 bezogen auf die im Jahr 2005 geltenden Verhältnisse erwogen worden, dass die Vorinstanzen zutreffend angenommen hätten, der Beruf des Primarlehrers sei, obwohl mittlerweile überwiegend von Frauen ausgeübt, auf Grund seiner historischen Prägung weiterhin als geschlechtsmässig neutral zu werten und könne deshalb in Lohnvergleichsfragen wie bis anhin als neutraler Vergleichsberuf gegenüber Frauenberufen dienen (jeweils E. 2).
| 29 |
7.2 In der Literatur ist die entsprechende Identifikation des Primarlehrberufs bis vor Kurzem weitgehend wertungsfrei wiedergegeben worden (vgl. SUSY STAUBER-MOSER, Gleichstellungsgesetz und bundesgerichtliche Rechtsprechung, in: Wirtschaftsrecht in Bewegung - Festgabe zum 65. Geburtstag von Peter Forstmoser, 2008, S. 485 ff., insb. S. 493 oben und Fn. 38; dieselbe, Lohngleichheit und bundesgerichtliche Rechtsprechung, AJP 2006 S. 1352 ff., insb. S. 1356 und Fn. 41; HANSJÖRG SEILER, Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht, ![]() | 30 |
Erwägung 8 | |
8.1 Das kantonale Gericht hat in seinem Entscheid festgestellt, dass sich der Frauenanteil unter den Lehrpersonen Primarstufe in den letzten Jahren weiter erhöht habe und nunmehr basierend auf den aktuellsten Statistiken bei über 80 % liege. Im Kanton Aargau betrage er 87,2 % und gesamtschweizerisch 81,5 %. Der aargauischen Lehrkräftestatistik 2012/13 ist ferner zu entnehmen, dass sich der Anteil an weiblichen Fachkräften im Bereich Einschulungsklasse gar auf 95,7 % beläuft, wohingegen sich die entsprechenden Zahlen in den Schultypen Realschule (58 %), Sekundarschule (55,8 %), Bezirksschule (56,3 %), Kleinklasse Sekundarstufe I (52,2 %), Berufswahljahr/IBK (38,5 %) und Werkjahr (46,2 %) merklich unter 70 % bewegen. Auf Grund dieser Angaben, auf welche auch die Beschwerdeführerin abstellt, steht mithin fest, dass sowohl gesamtschweizerisch als auch im Kanton Aargau der Frauenanteil bei den ![]() | 31 |
32 | |
8.2.1 Als Begründung führte die Vorinstanz im Wesentlichen an, werde ein bestimmter Beruf wegen seiner historischen Prägung als geschlechtsneutral bzw. als geschlechtsspezifisch angesehen, so müsse diese Qualifikation längerfristig Bestand haben und dürfe nicht allein infolge kurzfristiger Änderungen der Genderverhältnisse wieder in Frage gestellt werden. Tatsächlich sei der Beruf der Primarlehrperson seinerzeit primär aus historischen Gründen als geschlechtsneutral beurteilt worden. Der mittlerweile erfolgte Anstieg des Frauenanteils genüge daher nicht, um die damalige Qualifikation in Zweifel zu ziehen. So hat das Bundesgericht, wie hievor dargelegt, den Primarlehrberuf auf Grund des historisch männlich geprägten Berufsbilds und trotz eines Frauenanteils von 70 % und höher bislang als neutrale Vergleichsgruppe zugelassen. Rechtsprechungsgemäss kann sich eine berufliche Tätigkeit hinsichtlich ihrer geschlechtsspezifischen Wertung indessen verändern. Im Urteil 2A.205/2004 vom 8. April 2005 war bezogen auf die Berufsgruppe der MTRA denn auch ausdrücklich festgehalten worden, angesichts der Entwicklung bei den Anstellungsverhältnissen und der Zahlen bei den Lehrverhältnissen erscheine es nicht ausgeschlossen, dass sich der Beruf ![]() | 33 |
34 | |
8.2.3 Den Beruf der Primarlehrperson weiterhin als geschlechtsneutral anzusehen, rechtfertigt sich nach der Betrachtungsweise des kantonalen Gerichts schliesslich umso mehr, als das entsprechende Bild in der gesellschaftlichen Wahrnehmung nach wie vor stark verankert sei. Es sei gerichtsnotorisch, dass die geringe Vertretung von Männern im Lehrberuf, namentlich auf Primarstufe, allgemein als Mangel betrachtet werde und Korrekturmassnahmen verlangt würden. Seit geraumer Zeit würden denn auch konkrete Vorkehren diskutiert und umgesetzt, um den Männeranteil bei den Primarlehrpersonen wieder anzuheben. Offenbar gäbe es, wie der aktuellen Presse zu entnehmen sei, bereits gewisse Indizien für eine mögliche Trendwende in Bezug auf den Frauenanteil an der Primarstufe. Dem ist ![]() | 35 |
Erwägung 9 | |
36 | |
9.2 Der Frauenanteil bei den Primarlehrkräften liegt im Kanton Aargau - im für die hier vorzunehmende Beurteilung massgeblichen Zeitpunkt der Bewertungsvorgänge beim Arbeitgeber (vgl. E. 6.5 hievor) - unbestrittenermassen deutlich höher als 70 %. Auch ist die absolute Zahl der Beschäftigten nicht so klein, dass von einer zufälligen Geschlechterverteilung gesprochen werden könnte. Zudem geht aus den im vorinstanzlichen Entscheid wiedergegebenen wie auch anderweitigen statistischen Unterlagen klar hervor, dass es sich dabei um eine gesamtschweizerische Erscheinung handelt. Die entsprechenden Angaben belegen überdies den kontinuierlichen, konstanten Charakter dieser Entwicklung namentlich in den letzten ![]() | 37 |
Diese Feststellung beinhaltet ausdrücklich keine Aussage zur (qualitativen) Eignung für die entsprechende Tätigkeit. Unbestrittenermassen sind sowohl Frauen wie Männer gleichermassen befähigt und in der Lage, diese auszuüben. Auch ist ein ausgeglichener Anteil an Frauen und Männern wünschenswert. Im vorliegenden Kontext ist einzig zu beurteilen, wie es sich bezüglich des quantitativen Elements im Rahmen der Entlöhnungsfrage verhält bzw. wie dieses zu werten ist. Erst durch die Bejahung der frauenspezifischen Ausprägung des Primarlehrberufs wird die Möglichkeit und Verpflichtung geschaffen, dessen Entlöhnung unter dem Aspekt der besoldungsmässigen Geschlechtsdiskriminierung insbesondere auf allfällige sachlich nicht erklärbare bzw. diskriminierende Elemente hin zu überprüfen (vgl. E. 6.1.2 hievor).
| 38 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |