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47. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. AG gegen Tamedia AG und Espace Media AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_256/2016 vom 9. Juni 2017 | |
Regeste |
Art. 28 und 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; Persönlichkeitsverletzung durch Mitwirkung an einer Medienkampagne. Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 42 Abs. 2 und Art. 423 OR sowie Art. 85 ZPO; Substanziierung des Gewinnherausgabeanspruchs. Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 49 OR sowie Art. 152, 157 und 168 Abs. 1 lit. f ZPO; Nachweis erlittener seelischer Unbill. | |
Sachverhalt | |
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A.a A. ist Unternehmer. Er hatte bis Ende 2010 den Club C. in Zürich geleitet und ist Mitglied des Verwaltungsrats der B. AG. Diese Gesellschaft bezweckt hauptsächlich die Organisation und Beratung von Veranstaltungen und das Betreiben von Restaurationsbetrieben. Am 24. Februar 2011 verklagten A. und die B. AG die ![]() | 2 |
A.b Die Tamedia AG ist ein grosses Schweizer Medienhaus mit Sitz in Zürich. Die Gesellschaft gibt namentlich die Tageszeitung "Tages-Anzeiger" und die "SonntagsZeitung" heraus und betreibt den Fernsehsender "TeleZüri". Die 20 Minuten AG bezweckte im Wesentlichen die Herstellung und den Vertrieb von Pendlerzeitungen. Sie gab die Tageszeitungen "20 Minuten" (auf Deutsch) und "20 Minutes" (auf Französisch) heraus, die sowohl gedruckt als auch in elektronischer Form erscheinen. Ende Mai 2015 ist die 20 Minuten AG, die zuvor schon die 20 Minutes Romandie SA übernommen hatte, infolge Fusion in der Tamedia AG aufgegangen. Die Espace Media AG gibt die "Berner Zeitung" und die Zeitung "Der Bund" heraus. Auch diese Medien erscheinen in Papierform und online. Die Gesellschaft bezweckt alle Tätigkeiten im Medienbereich und der Informationsvermittlung im Wirtschaftsraum Espace Mittelland. Sie ist (indirekt über die Espace Media Groupe AG) zu hundert Prozent eine Tochtergesellschaft der Tamedia AG.
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A.c Die Klage stützt sich auf Berichte, welche die Beklagten (und ihre Rechtsvorgängerinnen, vgl. Bst. A.b) in ihren Medienerzeugnissen, namentlich in Zeitungen veröffentlichten. Die Berichte erschienen anlässlich diverser Ereignisse, bei denen A. eine Rolle spielte. Im Zentrum steht seine Verhaftung am 3. November 2009. A. wurde der Staatsanwaltschaft Zürich Limmat zugeführt und am 6. November 2009 wieder aus der Haft entlassen. Der klägerische Anwalt wandte sich im Dezember 2009 an die Tamedia AG und rügte ihre Berichterstattung als persönlichkeitsverletzend.
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B.
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B.a Vor Gericht beruft sich A. darauf, dass etliche Berichte der Beklagten seine Persönlichkeit verletzt hätten. Die B. AG machte primär eine Verletzung des UWG geltend. In ihrer Eingabe vom 24. Februar 2011 an das Handelsgericht des Kantons Zürich stellten die Kläger umfangreiche Anträge (s. zum Wortlaut Urteil 5A_658/2014 vom 6. Mai 2015 Sachverhalt Bst. B.a), die sie anlässlich ihrer Replik vom 7. November 2011 ergänzten: Das Gericht soll insbesondere feststellen, dass die Beklagten mit den Berichten, die sie ab ![]() | 6 |
B.b Mit Urteil vom 26. Juni 2014 trat das Handelsgericht auf das Unterlassungsbegehren nicht ein. In teilweiser Gutheissung der Klage stellte es fest, dass die 20 Minuten AG A. mit je einem Artikel in den Zeitungen 20 Minuten und 20 Minutes vom 14. Mai 2010 widerrechtlich in seiner Persönlichkeit verletzte. Die 20 Minuten AG wurde verpflichtet, einen Artikel vom 6. November 2009, den das Gericht als persönlichkeitsverletzend einstufte, auf ihrer Webseite zu löschen. Weiter wurde die 20 Minuten AG unter Strafandrohung verurteilt, gegenüber der SMD Schweizer Mediendatenbank AG bzw. der Swissdox AG eine Willenserklärung abzugeben, die fraglichen Artikel aus ihren Archiven zu löschen. Eine entsprechende Willenserklärung muss die 20 Minuten AG auch gegenüber Google Switzerland GmbH hinsichtlich der Suchmaschine Google abgeben. Im Übrigen wies das Handelsgericht die Klage ab.
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C.a In der Folge wandten sich A. und die B. AG an das Bundesgericht. Sie hielten an den vor Handelsgericht gestellten Begehren (Bst. B.a) fest. Bezüglich der Gewinnherausgabe beantragten sie, die Beklagten "im Grundsatz" zur Herausgabe des Gewinns und zur erwähnten Offenlegung sämtlicher Informationen zur Eruierung bzw. Abschätzung des Gewinns zu verpflichten und die Klage hinsichtlich der Höhe des Anspruchs zur Durchführung des Beweisverfahrens bzw. zur Abschätzung nach richterlichem Ermessen i.S.v. Art. 42 Abs. 2 OR an die Vorinstanz zurückzuweisen. An Schadenersatz forderten sie vor Bundesgericht nur mehr Fr. 627'283.75. Eventualiter beantragten sie, die Klage insgesamt zur neuen Beurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
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C.b Mit Urteil 5A_658/2014 vom 6. Mai 2015 hob das Bundesgericht das Urteil des Handelsgerichts (Bst. B.b) auf. Es stellte eine Reihe weiterer Persönlichkeitsverletzungen durch Aussagen in Presseberichten der Tamedia AG, der damaligen 20 Minuten AG und der Espace Media AG fest und wies die Sache im Übrigen zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. Es befahl dem Handelsgericht, sich erneut mit drei Medienberichten zu befassen, weil es im Streit um den Wahrheitsgehalt der Aussagen die Folgen der Beweislosigkeit falsch gehandhabt hatte (E. 8). Auch hatte die Vorinstanz erneut zu prüfen, ob die Medienunternehmen durch den "Medienhype" um A. dessen Persönlichkeit widerrechtlich verletzten (E. 9). Soweit das Handelsgericht bezüglich der (abermals) zu prüfenden Feststellungsbegehren zu neuen Schlüssen kommen sollte, trug ihm das Bundesgericht auf, auch die entsprechenden Beseitigungsbegehren neu zu beurteilen (E. 12). Die Rückweisung beschlug zudem die Ansprüche auf Gewinnherausgabe und auf Genugtuung (E. 13 und 15).
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D. Vergeblich verlangten A. und die B. AG mit Eingabe vom 11. August 2015 die Revision und Berichtigung des bundesgerichtlichen Urteils (Bst. C.b). Das Bundesgericht wies ein entsprechendes Gesuch ab, soweit es darauf eintreten konnte (Urteil 5F_8/2015 vom 31. August 2015).
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E. Am 8. Februar 2016 fällte das Handelsgericht sein neues Urteil. Dispositiv-Ziffer 1 des neuen Richterspruchs ergänzt die Persönlichkeitsverletzungen, die im ersten Urteil ausgesprochen worden waren (Bst. B.b), um die Verletzungen durch die Presseerzeugnisse der ![]() | 12 |
F.
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F.a Mit Beschwerde vom 6. April 2016 wenden sich A. (Beschwerdeführer) und die B. AG (Beschwerdeführerin) abermals an das Bundesgericht. Sie beklagen sich über widerrechtliche Persönlichkeitsverletzungen, die dem Beschwerdeführer durch verschiedene Medienberichte widerfahren sein sollen. Weiter halten sie am Vorwurf der Persönlichkeitsverletzung durch die "Medienkampagne" fest, welche die Beschwerdegegnerinnen mit ihren Berichten ab 4. November 2009 zum Nachteil des Beschwerdeführers geführt hätten. Ein anderes Rechtsbegehren zielt darauf ab, die Beschwerdegegnerinnen zu verpflichten, dem Beschwerdeführer den durch die widerrechtlichen Berichte (inkl. Folgeberichte) bzw. die Medienkampagne in ihren Medien erzielten Gewinn herauszugeben und sämtliche Informationen zur Eruierung bzw. Abschätzung des Gewinns offenzulegen. Schliesslich hält der Beschwerdeführer auch an seiner Genugtuungsforderung fest.
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F.b Die Beschwerdegegnerinnen beantragen, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Handelsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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In teilweiser Gutheissung der Beschwerde des Beschwerdeführers hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil auf, stellt eine Persönlichkeitsverletzung fest und weist die Sache darüber hinaus zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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6.1 Das Handelsgericht stellt zunächst fest, dass es keine gesetzliche Definition einer "Medienkampagne" gebe und sich auch der ![]() | 19 |
Was den konkreten Fall angeht, anerkennt das Handelsgericht, dass es rund um die laufenden Strafverfahren bzw. -untersuchungen eine Vielzahl an Berichterstattungen über den Beschwerdeführer gegeben habe und in der fraglichen Zeit eine "sehr grosse Flut von Medienberichten" über den Beschwerdeführer hereingebrochen sei. Das Handelsgericht konstatiert, dass die einzelnen Berichte nicht aus einem einzigen Medienhaus stammen, sondern von diversen Medienunternehmen verbreitet wurden, darunter von solchen, die nicht Partei des vorliegenden Verfahrens sind. Dem angefochtenen Entscheid zufolge kann der "Medienhype" aber als präzendenzlos erachtet werden. Tagtäglich seien mehrere Berichte zu demselben Thema erschienen, teils im selben Medium, teils auch in verschiedenen Medien. Gerade zu Beginn des "Falls", als der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft versetzt worden war, sei in einer überdurchschnittlichen Intensität berichtet worden, so dass der Eindruck entstanden sei, dass die Medien den "Fall" geradezu "medial ausschlachteten". Tagtäglich seien neue Fakten ans Tageslicht gekommen und verschiedenste, irgendwie involvierte Personen hätten in den diversen Medien ihre Meinungen zum Thema kundgetan. Das Handelsgericht hält fest, dass sich die Medien regelrecht auf das Ereignis gestürzt hätten, und erklärt, dass durch die Ausschlachtung, die Skandalisierung und die Summe der Einzelberichte "durchaus die Gefahr der Entstehung eines falschen Anscheins verursacht werden" kann. Im konkreten Fall sei dies jedoch zu verneinen.
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Zur Begründung verweist die Vorinstanz auf Erwägung 7.2.2 des bundesgerichtlichen Urteils 5A_658/2014 vom 6. Mai 2015. Danach sei letztlich ausschlaggebend, ob die Äusserungen, so wie sie der Medienbericht wiedergibt, einer Vorverurteilung der verdächtigen Person gleichkommen, die sich mit der Unschuldsvermutung nicht verträgt. Dabei sei massgeblich, wie der Pressebericht bzw. vorliegend die Medienkampagne bei einem durchschnittlichen Leser ![]() | 21 |
Das Handelsgericht resümiert, dass beim Zielpublikum der betroffenen und involvierten Medien offensichtlich ein grosses Interesse bestanden habe, über den "Fall" zu lesen. Entsprechend sei versucht worden, an jedem weiteren Tag einen "neuen" Bericht zu schreiben. Insgesamt würden sich die inkriminierten Berichte jedoch immer um dasselbe Thema drehen, nämlich die Verhaftung bzw. das laufende Strafverfahren des Beschwerdeführers. Für das Handelsgericht ist "klar", dass die Medien die Berichte insofern aufbauschten, als sie neben der Information über die Strafuntersuchung auch noch andere, kleinere Geschichten rund um den Beschwerdeführer "darin verpackten". Diese seien gesamthaft betrachtet aber von so untergeordneter Bedeutung, dass sie eine Persönlichkeitsverletzung zufolge Vorverurteilung nicht zu begründen vermocht hätten. Insgesamt verneint die Vorinstanz eine Persönlichkeitsverletzung "zufolge behaupteter Vorverurteilung durch eine eigentliche Medienkampagne bzw. deren schiere Masse und Intensität", da der Eindruck in der Gesamtheit der Durchschnittsleser in Bezug auf die Unschuldsvermutung bzw. den Verfahrensstand hinreichend klar gewesen sei.
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(...)
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6.3 In der Sache wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, seiner Beurteilung das falsche Prüfungskriterium zugrunde zu legen. Das Handelsgericht versäume es, die Masse, Intensität und Allgegenwärtigkeit der Berichterstattung einer Verhältnismässigkeitsprüfung zu unterziehen und zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerinnen ![]() | 24 |
Der Beschwerdeführer argumentiert, die Vorinstanz hätte gestützt auf den festgestellten Sachverhalt erkennen müssen, dass sich die Beschwerdegegnerinnen mit ihrer Berichterstattung in flagranter Weise über sein Schutzbedürfnis hinwegsetzten. Abgesehen von der Verhaftung, der Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft und dem Fernsehauftritt von Staatsanwalt S. hätten keinerlei Fakten vorgelegen, bezüglich derer sich die Beschwerdegegnerinnen auf ein legitimes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit berufen könnten. Ihre Berichterstattung sei stattdessen von der "Prangerwirkung" und von einem "Foutieren um das Schutzbedürfnis des mit Strafrechtsvorwürfen Konfrontierten" geprägt gewesen. Wie sich auch aus dem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts ergebe, vermöge allein sein Status als "C-Prominenter" eine wahllose Medienkampagne über private und intime Details in präzedenzlosem Umfang nicht zu rechtfertigen. Die Gerichtsberichterstattung habe nicht die Funktion, ![]() | 25 |
Der Beschwerdeführer erinnert weiter an sein Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK und an die diesbezügliche Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Danach sei die Veröffentlichung von Vorwürfen über angeblich verübte Straftaten einer mit Name und Bild identifizierten Person als schwerer Eingriff in das Privatleben unter Umständen zu verbieten oder einzuschränken. Ausnahmen bedürften stets der Einwilligung des Verletzten oder eines übergeordneten öffentlichen Informationsinteresses und müssten das Verhältnismässigkeitsprinzip wahren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass auch blosse Verdächtigungen, Gerüchte und insbesondere die darauf ergehende Berichterstattung von den Medienkonsumenten oft für wahr erachtet würden und die später erwiesene Haltlosigkeit den einmal entstandenen Eindruck kaum beseitige. Der Beschwerdeführer klagt, die schiere Masse der inkriminierten Berichte habe seinen guten Ruf in einer Weise beschädigt, die ihn "in der Achtung seines Privatlebens und seiner psychischen Integrität klar verletzte". Würde die Ansicht der Vorinstanz zutreffen, hiesse das im Umkehrschluss, dass die Medien beliebig viele, ja eine präzedenzlose Flut von Berichten zum stets gleichen Thema seiner Verhaftung bzw. des laufenden Strafverfahrens publizieren durften, solange die Unschuldsvermutung bzw. der Verfahrensstand für den Durchschnittsleser in der Gesamtheit der Berichte hinreichend klar wäre. Eine solche Ansicht kann in den Augen des Beschwerdeführers "nicht richtig sein", weil dadurch die Wahrung der Verhältnismässigkeit und die Grenzen der Gerichtsberichterstattung völlig ausgehöhlt würden.
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Wiederholt betont der Beschwerdeführer, dass sich das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit im Falle der Gerichtsberichterstattung auf die Kontrolle der Ordnungsmässigkeit des Verfahrens richte und nicht - wie hier geschehen - "auf die Befriedigung von ![]() | 27 |
Schliesslich bestreitet der Beschwerdeführer, dass sich die Beschwerdegegnerinnen auf einen Rechtfertigungsgrund berufen können, der die Widerrechtlichkeit der Persönlichkeitsverletzung, die sie ihm mit ihrer Medienkampagne zugefügt haben, beseitigen könnte. Diesbezüglich seien die Beschwerdegegnerinnen weder ihrer Behauptungs- noch ihrer Substanziierungslast nachgekommen. Auch ihre Beweislast hätten sie nicht erfüllt. Die Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips sei "per se widerrechtlich" und könne nicht gerechtfertigt werden, zumal darin "eine Interessenabwägung schon immanent enthalten" und eine (nochmalige) Rechtfertigung nicht möglich sei. Dazu komme, dass Berichte, die - wie vorliegend - Unwahrheiten verbreiten, "ohnehin nicht rechtfertigbar" seien. Auch die Eigeninteressen der Beschwerdegegnerinnen, möglichst viel Profit zu erzielen, können nach der Meinung des Beschwerdeführers keine Rechtfertigung im überwiegenden Privatinteresse darstellen; das Gegenteil würde Art. 28 Abs. 2 ZGB verletzen. Zum Abschluss seiner wortreichen Erörterungen zählt der Beschwerdeführer im Sinne einer Begründung seines Antrages auf einen reformatorischen Entscheid des Bundesgerichts noch einmal die Gründe auf, weshalb die Beschwerdegegnerinnen ihn durch die schiere Masse, Intensität und Allgegenwärtigkeit der Berichte in seiner Persönlichkeit verletzt haben.
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6.4.2 Das Persönlichkeitsrecht verschafft seinem Träger die privatrechtliche Befugnis, über die persönlichen Güter grundsätzlich frei von fremder Einwirkung zu herrschen (JÄGGI, a.a.O., S. 167a). Im vorliegenden Fall tritt diese fremde Einwirkung in Gestalt von Äusserungen der Presse in Erscheinung. Von den verschiedenen Gütern, die Gegenstand des Persönlichkeitsrechts sind, stehen hier das Recht auf Achtung der Privatsphäre (zu den verschiedenen Lebensbereichen s. BGE 97 II 97 E. 3 S. 100 f.) und das Recht auf Achtung des gesellschaftlichen und beruflichen Ansehens, also der Ehre (vgl. BGE 127 III 481 E. 2b/aa S. 487) in Frage. Berühren die von den Medien verbreiteten Presseinhalte diese Individualrechtsgüter, so kann eine Persönlichkeitsverletzung auch dann gegeben sein, wenn die Medien in ihrer Berichterstattung die Wahrheit wiedergeben (BGE 138 III 641 E. 4.1.1 S. 643 mit Hinweisen). Wie das Bundesgericht bereits in seinem ersten Urteil in dieser Sache klarstellt, gilt dieser Grundsatz nicht nur im Streit um den Wahrheitsgehalt verbreiteter Tatsachen, sondern auch mit Blick auf die Objektivität der medialen Äusserungen: Eine Persönlichkeitsverletzung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Berichterstattung insgesamt nicht als einseitig angesehen werden kann (Urteil 5A_658/2014 vom 6. Mai 2015 E. 9.3). Vielmehr ist auch hier letztlich ausschlaggebend, ob die Berichte in die Geheim- oder Privatsphäre eingreifen oder ![]() | 31 |
6.4.3 Art. 28 ZGB enthält keine Umschreibung des rechtserheblichen unerlaubten Verhaltens, das die Verletzung der Persönlichkeit begründet. Die Verletzung kann in einem Tun, einem Dulden oder einem Unterlassen bestehen. Sie erfasst sowohl den einmaligen Akt als auch Wiederholungshandlungen oder einen Zustand. Von der Form her spielt es keine Rolle, ob die Verletzung in verbaler, schriftlicher oder (audio-)visualisierter Form erfolgt (ANDREAS MEILI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 40 zu ![]() | 32 |
6.5 Im konkreten Fall stellt das Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Verhaftung des Beschwerdeführers Anfang November 2009 einen Medienrummel von bisher unbekanntem Ausmass nach sich gezogen hat und dass die Beschwerdegegnerinnen an der medialen Skandalisierung des Beschwerdeführers mit zahlreichen Veröffentlichungen in verschiedenen Medientiteln beteiligt ![]() | 33 |
Das Handelsgericht selbst bezeichnet den "Medienhype", dem der Beschwerdeführer in der Zeit vom 4. November 2009 bis 2. Oktober 2010 ausgesetzt war, als "präzedenzlos". Es stellt fest, dass die Medien in einer "überdurchschnittlichen Intensität berichtet", ja "sich regelrecht auf das Ereignis gestürzt" haben (s. E. 6.1). Dieser Sachverhalt lässt keinen anderen Schluss zu, als dass die Beschwerdegegnerinnen den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit verletzten: Mit den Berichten, die sie im erwähnten Zeitabschnitt veröffentlichten, beraubten sie ihn seines privaten Herrschaftsrechts (E. 6.4.2), selbst darüber zu bestimmen, von welchen Informationen über sich und sein Leben die Öffentlichkeit erfahren soll. Dass dieser Eingriff in die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht allein in den Medien der Beschwerdegegnerinnen stattfand, steht einer Mitwirkung an der Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB nicht entgegen (s. zum Begriff des Mitwirkens Urteil 5A_658/2014 vom 6. Mai 2015 E. 4.2 mit Hinweisen). Auch wenn die Beschwerdegegnerinnen - wie die Vorinstanz ![]() | 34 |
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6.7.1 Die Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes erschliesst, muss der Urheber der Verletzung ![]() | 37 |
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6.7.3 Was die Rechtfertigung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse betrifft, geht es im Kern um die Frage, ob darunter auch die kollektive Klatschsucht fällt, welche die Medienkampagne bedient. Überwiegend im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZGB ist ein öffentliches Interesse, wenn das Opfer, das dem Verletzten mit dem Eingriff in seine persönlichen Verhältnisse aufgebürdet wird, geringfügiger erscheint als der Vorteil, den eine Mehrheit anderer Personen oder die Allgemeinheit daraus zieht (PIERRE TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, 1984, S. 97; kritisch BETTINA BACHER, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz, 2015, S. 276 ff.). Steht der Informationsauftrag der Presse in Frage, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu untersuchen, ob die fraglichen Medienäusserungen vom Informationsauftrag der Medien (dazu BGE 37 I 368 E. 3 S. 377) abgedeckt, also durch ein besonders gewichtiges Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerechtfertigt sind (BGE 97 II 97 E. 4b S. 105 f.; kritisch BACHER, a.a.O., S. 281 f.). Die Rechtfertigung kann stets nur so weit reichen, als ein Informationsbedürfnis besteht (BGE 129 III 529 E. 3.1 S. 531 f. mit Hinweisen). Demgegenüber soll sich ein reines Unterhaltungsbedürfnis, das je nach Akzentsetzung zwischen Sensationsgier und Anteilnahme oszilliert, auf (gar) kein öffentliches Interesse zurückführen lassen (CRAMER, a.a.O., S. 139; ähnlich JÄGGI, a.a.O., S. 245a). Diese Sichtweise ist zu absolut. Wie Aktgemälde, die in einer Kunstzeitschrift veröffentlicht werden, oder Volkslieder, die ein spezialisierter Radiosender ausstrahlt, können auch Sensationsberichte, mit denen ein Boulevardblatt oder ein Lokalfernsehen seinen Lesern bzw. Zuschauern die Zeit vertreibt, im öffentlichen (Unterhaltungs-)Interesse liegen. Falls sich eine skandalisierende Berichterstattung - wie hier - aber als persönlichkeitsverletzend erweist, stellt sich die Frage, ob ein reines Unterhaltungsbedürfnis im Streit unter Privaten, das heisst nach privatrechtlichen Massstäben (TERCIER, a.a.O.), das Interesse des Verletzten auf Achtung seiner Privatsphäre mindestens aufwiegt (E. 6.7.1). Bei dieser Abwägung mit den privaten Persönlichkeitsrechten des Verletzten kommt der reinen Unterhaltung als öffentlichem Interesse nicht das Gewicht zu, welches das Informieren - verstanden als aufklärendes Vermitteln von Neuigkeiten aus verschiedensten Bereichen des Allgemeininteresses - für sich beanspruchen kann. Je weiter die reine Unterhaltung als von ![]() | 39 |
Im konkreten Fall können sich die Beschwerdegegnerinnen unter dem Titel des öffentlichen Interesses auf kein nennenswertes Informationsbedürfnis berufen. Wie sich aus den vorinstanzlichen Feststellungen ergibt, konzentrierten sie sich in der Medienkampagne nicht darauf, dem Publikum Klarheit über den Fortgang des Strafverfahrens zu verschaffen, in das der Beschwerdeführer involviert zu sein schien. Stattdessen beteiligten sie sich am Medienrummel rund um den Beschwerdeführer, indem sie eine Vielzahl von Berichten veröffentlichten, die sich immer um dasselbe Thema drehten. Um den Schwung dieses medialen Karussells aufrechtzuerhalten, bauschten sie die Berichte mit weiteren (angeblichen) Episoden aus dem Leben des Beschwerdeführers von untergeordneter Bedeutung auf (E. 6.1). Soweit die Beschwerdegegnerinnen damit einem Unterhaltungsbedürfnis einer breiteren Öffentlichkeit nachgekommen sind, vermag ein allfälliges öffentliches Interesse an dieser Art von Berichterstattung die Persönlichkeitsverletzung, die dem Beschwerdeführer widerfahren ist, jedenfalls nicht aufzuwiegen.
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6.8 Im Ergebnis stellt das Bundesgericht fest, dass die Beschwerdegegnerinnen die Persönlichkeit des Beschwerdeführers widerrechtlich verletzt haben, indem sie ab 4. November 2009 im beschriebenen Sinn (E. 6.5 und 6.7.3) an einer eigentlichen Medienkampagne rund um die Verhaftung des Beschwerdeführers mitwirkten. Die ![]() | 42 |
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Was den Nachweis des Gewinns angeht, erinnert das Handelsgericht an die Rechtsprechung, wonach das Gericht den Gewinn gestützt auf Art. 42 Abs. 2 OR aufgrund einer Schätzung als ausgewiesen erachten darf, falls er sich ziffernmässig nicht strikt nachweisen lässt. Im konkreten Fall lasse sich eine allfällige Gewinnsteigerung nur aufgrund der als persönlichkeitsverletzend festgestellten Berichte bzw. der Folgeartikel schätzen, die den Eindruck früherer Verletzungen am Leben erhalten und weiter ausbeuten. Das Handelsgericht stellt fest, dass der herauszugebende Gewinn laut der Klage nach Art. 42 Abs. 2 OR durch das Gericht geschätzt werden soll. Die Kläger würden ihn nicht beziffern, sondern zunächst die Edition der Unterlagen verlangen, die eine Berechnung bzw. Schätzung ermöglichen. In diesem Zusammenhang unterstreicht die Vorinstanz, dass Art. 42 Abs. 2 OR dem Geschädigten lediglich eine Erleichterung des Schadensnachweises verschaffe, ihm jedoch nicht die Möglichkeit eröffne, ohne nähere Angaben Schadenersatzforderungen in beliebiger Höhe zu stellen, und ihn auch nicht von seiner ![]() | 46 |
Als Nächstes setzt sich das Handelsgericht mit der (hypothetischen) Frage auseinander, ob den Editionsbegehren der Kläger stattgegeben werden könnte, falls die Grundlagen zur Berechnung des Gewinns hinreichend substanziiert behauptet worden wären. Es zählt die Unterlagen auf, deren Herausgabe die Kläger für die Zeit seit dem 1. Januar 2008 bis zum Urteilszeitpunkt verlangen (sämtliche Informationen zur Eruierung bzw. Abschätzung des Gewinns, Umsatz, Auflage, Leserzahlen, Anzahl Klicks auf Online-Artikel, statistische Auswertungen zu den meistgelesenen Artikeln, Anzahl der Einzelverkäufe pro Tag, Aushänge an den Kiosken und Zeitungsboxen an den Daten mit Negativberichten über die Kläger, die Entwicklung der Abonnementszahlen, die Entwicklung der Inserate und Werbeeinnahmen, die Umsatzrendite der einzelnen Titel und ihrer Medien und insgesamt sowie alle relevanten Vergleichszahlen in Schweizer Franken), und weist darauf hin, dass die Parteien und Dritte gemäss Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet sind und insbesondere die Urkunden herausgeben müssen. Im Rahmen der Verhandlungsmaxime setze die Urkundenedition grundsätzlich voraus, dass die Partei die ![]() | 47 |
Mit dieser (doppelten) Begründung - einerseits wegen unzulänglicher Substanziierung der Berechnungsmethode und -grundlage und anderseits wegen ungenügender Bestimmtheit der Editionsbegehren - weist die Vorinstanz den Gewinnherausgabeanspruch nach Art. 423 OR ab.
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Erwägung 8.2.3 | |
8.2.3.1 Eine Bundesrechtsverletzung erblickt der Beschwerdeführer weiter in der vorinstanzlichen Erkenntnis, dass für die Eruierung des Gewinns nur die persönlichkeitsverletzenden Berichte eine Rolle ![]() | 51 |
8.2.3.2 Wie der Beschwerdeführer selbst schreibt, bezieht sich die erwähnte Rechtsprechung auf diejenigen Fälle, in denen das beklagte Medienunternehmen eine ganze Serie von Artikeln veröffentlicht oder eine eigentliche Kampagne geführt hat. Nachdem die Vorinstanz eine Persönlichkeitsverletzung durch einen Medienhype - wenn auch zu Unrecht (E. 6) - verneint, liegt es in der Natur des angefochtenen Entscheids, dass er nicht auf den Gewinn eingeht, den die Beschwerdegegnerinnen infolge der Medienkampagne allenfalls erzielt haben. Entsprechend kann auch das Bundesgericht den Gewinnherausgabeanspruch des Beschwerdeführers in dieser Hinsicht nicht beurteilen. Die Vorinstanz wird sich in ihrem neuen Entscheid mit diesem Aspekt der Gewinnherausgabeforderung befassen müssen. Soweit der Beschwerdeführer den Gewinn abschöpfen will, der den Beschwerdegegnerinnen infolge der Veröffentlichung ganzer Artikelserien bzw. der Folgeberichte zugefallen sein soll, zeigt er nicht auf, inwiefern sich dieser angebliche Gewinn von den Vorteilen unterscheidet, welche die Beschwerdegegnerinnen aus dem Medienhype gezogen haben sollen. Im Gegenteil verwischt er die Grenzen zwischen der angeblichen Persönlichkeitsverletzung aus den Folgeberichten und derjenigen aus der Medienkampagne selbst, beruft er sich in seinen Erörterungen zur "Ausbeutung" der ![]() | 52 |
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Erwägung 8.2.5 | |
8.2.5.1 Weiter wirft der Beschwerdeführer dem Handelsgericht vor, den Prozesssachverhalt willkürlich festgestellt zu haben. In seiner Klage sei es ihm nicht darum gegangen, direkt die Herausgabe des Gewinns zu erstreiten und sich mit Blick auf die Substanziierung bzw. Bezifferung der materiellen Gewinnherausgabeforderung auf eine konkrete Gewinnberechnung festzulegen. Vielmehr habe er - im Hinblick auf die Durchsetzung des Gewinnherausgabeanspruchs - in einem ersten Schritt im Sinne einer Stufenklage nach Art. 85 ZPO seinen materiellrechtlichen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nach Art. 423 i.V.m. Art. 400 OR durchsetzen wollen. Im Unterschied zur prozessualen Edition verschaffe ihm dieser Anspruch Zugang zu neuen Informationen, nicht nur zur Herausgabe von Dokumenten, die bereits Bekanntes und im Prozess Behauptetes zu beweisen vermögen. Nachdem sich der konkrete, von der Vorinstanz dem Grundsatz nach bejahte Gewinn ziffernmässig nicht strikt beweisen lasse und er, der Beschwerdeführer, die zur konkreten Eruierung der Höhe des Gewinns verlangten Informationen nicht selbst beschaffen könne, sei der Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftsablage ausgewiesen. Zur Substanziierung dieses Anspruchs bzw. zur Erklärung, welche Informationen er für die Bezifferung seines Gewinnherausgabeanspruchs benötige, habe er der Vorinstanz mögliche Berechnungsansätze aufzeigen und auf diese Weise darlegen wollen, welche Bedeutung Anzahl, Grösse, Aufmachung und Positionierung für die Bewertung der inkriminierten Berichte und damit für die Schätzung des Gewinns nach Art. 42 Abs. 2 OR haben. Die Vorinstanz übersehe "aktenwidrigerweise", dass ihm - als notwendige Voraussetzung zur Durchsetzung des Gewinnherausgabeanspruchs - zunächst ein Anspruch auf Rechnungslegung zustehe und er sich die Bezifferung seiner Gewinnherausgabeforderung "nach erfolgter Rechnungslegung" vorbehalten habe. Der Beschwerdeführer folgert, dass das Handelsgericht das Bundesrecht verletze, wenn es für die vorgängige Bezifferung des Gewinns bzw. für die blosse Rechnungslegung eine substanziierte Darlegung aller für den konkreten Gewinn sprechenden Umstände verlange. Davon, dass er mit seinem Begehren eine verpönte Ausforschung betrieben ![]() | 54 |
8.2.5.2 Nach Art. 423 Abs. 1 OR, auf den Art. 28a Abs. 3 ZGB verweist, ist der Geschäftsherr berechtigt, sich die aus der Führung seiner Geschäfte entspringenden Vorteile anzueignen, wenn die Geschäftsführung nicht mit Rücksicht auf sein Interesse unternommen wurde. Von den Voraussetzungen dieses Anspruchs auf Vorteilsabschöpfung oder Gewinnherausgabe, die der Kläger zu beweisen hat, ist dem angefochtenen Entscheid zufolge nur mehr die Höhe des konkreten Gewinns streitig, der herauszugeben wäre. Diesbezüglich besteht nach bundesgerichtlicher Praxis dort eine Beweiserleichterung, wo sich der Gewinn ziffernmässig nicht strikt nachweisen lässt. Diesfalls darf der Richter den Gewinn in sinngemässer Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR aufgrund einer Schätzung als ausgewiesen erachten, wobei sich diese Beweiserleichterung sowohl auf das Vorhandensein als auch auf die Höhe des Gewinns bezieht (BGE 133 III 153 E. 3.3 S. 162 mit Hinweisen). Im Rahmen dieser Schätzung können Eckdaten wie Umsatz-, Auflage- und Leserzahlen eine Rolle spielen, insbesondere aber auch Grösse, Aufmachung und Positionierung der Berichterstattung. Massgeblich ist auch, ob es sich um einen einzelnen Artikel, um eine ganze Serie oder gar um eine eigentliche Kampagne handelt, in welchem Fall die Berichterstattung besonders geeignet ist, über eine längere Zeit dem angestrebten Zweck der Absatzförderung zu dienen. Bei der Kampagne und der Serie ist auch nicht zwingend erforderlich, dass Folgeartikel erneut bzw. eigenständig die Persönlichkeit verletzen, umso weniger als je nach Art der Berichterstattung der geschaffene Unrechtszustand insofern nachwirken kann, als der Eindruck früherer verletzender Aussagen durch (für sich genommen nicht ![]() | 55 |
Gemäss Art. 42 Abs. 2 OR ist der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. Diese ermessensweise Schätzung des Schadens beruht auf Tatbestandsermessen (Urteil 4C.414/2006 vom 14. März 2007 E. 3.3) und gehört zur Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung (BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 277). Im Rahmen seiner pflichtgemässen Ausübung dieses Ermessens ist es auch Aufgabe des Richters, sich Klarheit über die Entscheidungsfaktoren zu verschaffen, die er zu berücksichtigen gedenkt bzw. bezüglich derer er weitergehende Informationen benötigt. Die Befugnis des Richters, den Schaden aufgrund einer blossen Schätzung als ausgewiesen zu erachten, hat freilich nicht zum Zweck, dem Kläger die Beweislast generell abzunehmen oder ihm die Möglichkeit zu eröffnen, ohne nähere Angaben Schadenersatzforderungen in beliebiger Höhe zu stellen. Vielmehr muss der Kläger alle Umstände, die für den Eintritt des Schadens sprechen und dessen Abschätzung erlauben oder erleichtern, soweit möglich und zumutbar behaupten und beweisen; Art. 42 Abs. 2 OR entbindet den Kläger nicht von seiner Substanziierungsobliegenheit. Die vorgebrachten Umstände müssen geeignet sein, den Bestand des Schadens hinreichend zu belegen und seine Grössenordnung hinreichend fassbar werden zu lassen (BGE 122 III 219 E. 3a S. 221 f. mit Hinweisen). Dasselbe gilt im Streit um die Gewinnherausgabe für die Umstände, welche die beweisbelastete Partei für die Erzielung eines Gewinns oder für dessen Verminderung anrufen will (s. BGE 134 III 306 E. 4.1.2 S. 309). Eine genaue Substanziierung darf in Fällen, für die Art. 42 Abs. 2 OR gilt, jedoch nicht verlangt werden (vgl. BGE 77 II 184 E. 10 S. 187 f.). Denn die Beweiserleichterung, die Art. 42 Abs. 2 OR dem Kläger verschafft, zieht auch eine Einschränkung der Behauptungs- und Substanziierungslast nach sich (NICOLAS GUT, Die unbezifferte Forderungsklage nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2014, S. 201 f.; ALEXANDER R. MARKUS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 10 zu Art. 85 ZPO).
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Soweit von Anfang an feststeht, dass die Höhe der eingeklagten Forderung - hier der nach Art. 423 OR herauszugebende Gewinn - sich gar nie exakt beziffern lassen wird, sondern vom Richter in (analoger) Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR geschätzt werden muss, kommt Art. 85 Abs. 2 ZPO, wonach die Forderung im Anschluss an das Beweisverfahren oder die Auskunftserteilung zu beziffern ist, nicht zur Anwendung (GUT, a.a.O., S. 195 f. und 198). Das bedeutet aber nicht, dass der Kläger in diesem Szenario seinen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nicht einklagen kann. Die Stufenklage dient dazu, die gegebenen Klagemöglichkeiten - darunter ![]() | 58 |
8.2.5.3 Im konkreten Fall ist im angefochtenen Entscheid zwar davon die Rede, dass die Kläger eine Bezifferung des geforderten Gewinns unterlassen. Allein daran lässt das Handelsgericht die Klage auf Gewinnherausgabe indes (zu Recht) nicht scheitern. Ebenso wenig stellt es den grundsätzlichen Bestand des Anspruchs auf Gewinnherausgabe in Frage, begrenzen sich seine Erwägungen doch auf die Frage nach dem "konkreten Gewinn, der herauszugeben wäre". Entgegen dem, was der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, ist der Vorinstanz auch nicht entgangen, dass die Kläger zunächst die Herausgabe der für ihn relevanten Unterlagen verlangt hatten, die eine Berechnung bzw. Schätzung des Gewinns ermöglichen würden: Es stellt ausdrücklich fest, dass der Beschwerdeführer die Herausgabe dieser Urkunden verlangt. Der angefochtene Entscheid nennt ![]() | 59 |
Welche Tatsachen zu behaupten und zu substanziieren sind, ergibt sich - wie schon im ersten Urteil in dieser Sache dargelegt - aus der materiellen Anspruchsgrundlage, das heisst aus der im konkreten Fall anwendbaren Norm des Bundesrechts (Urteil 5A_658/2014 vom 6. Mai 2015 E. 6.3.1). Das gilt auch für den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung, den der Geschäftsherr (hilfsweise) geltend macht, um sich Kenntnisse über die Eingriffe des Geschäftsführers und deren Folgen zu verschaffen und seine Gewinnherausgabeforderung zu beziffern oder zu substanziieren. Daran ändert nichts, dass der Geschäftsherr seinen Hilfsanspruch nicht selbständig, sondern in Gestalt einer Stufenklage zusammen mit dem Hauptanspruch durchsetzen will. Wie oben ausgeführt, ist die Stufenklage (bloss) ein prozessualer Modus. Das materielle Recht, nach dem allein sich die Substanziierung eines Anspruchs richtet, wird dadurch nicht beeinflusst. Nun beschlagen die Substanziierungsanforderungen, an denen die Vorinstanz die Klage scheitern lässt, aber nicht den Anspruch auf Herausgabe der relevanten Unterlagen, in dessen "Zusammenhang" der angefochtene Entscheid auf die Substanziierung zu sprechen kommt, sondern offensichtlich den Gewinnherausgabeanspruch selbst, genauer: die nach Art. 42 Abs. 2 OR vorzunehmende Schätzung des herausverlangten Gewinns. Schon für den Informationsanspruch die Substanziierung des Hauptanspruchs zu verlangen, ist aber nicht sachgerecht, dient doch der ![]() | 60 |
8.2.5.4 Was den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung selbst angeht, ist der Vorinstanz vom Grundsatz her darin beizupflichten, dass dieser Rechtsbehelf nicht dazu da ist, die beklagte Partei in beliebige Richtungen hin auszuforschen. Aus der Hilfsfunktion des präparatorischen Informationsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage folgt, dass er sich nur auf relevante Informationen bezieht, das heisst auf solche, die für die inhalts- oder umfangmässige Bestimmung des Zielanspruchs von Interesse sind. Das Ausforschungsverbot will in erster Linie verhindern, dass der Kläger seinen Informationsanspruch dazu missbraucht, einen bloss vermuteten Hauptanspruch ausfindig zu machen oder Anspruchsvoraussetzungen nachzuspüren, die den Inhalt oder Umfang des Hauptanspruchs gar nicht tangieren (LEUMANN LIEBSTER, a.a.O., S. 116 ff., insb. 122 f.; GUT, a.a.O., S. 122 f.; MARKUS AFFOLTER, Die Durchsetzung von Informationspflichten im Zivilprozess, 1994, S. 73). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Hinsichtlich der Medienberichte der Zeitungen 20 Minuten und 20 Minutes (dazu die nicht publ. E. 8.2.2) ist der Tatbestand, aus dem der Kläger seinen Zielanspruch ableitet, das heisst die Persönlichkeitsverletzung als Ursache für die Erzielung eines Gewinns im Sinne von Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 423 OR, dem Grundsatz nach erstellt und der Anspruch nur mehr seinem Inhalt nach, nämlich hinsichtlich der (nach Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzenden) Höhe des konkret herauszugebenden Gewinns streitig.
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8.2.5.5 Angesichts der vorigen Erwägungen ist dem Handelsgericht zu widersprechen, wenn es (im Sinne seiner Eventualbegründung) unter Hinweis auf Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO verlangt, dass die Beschwerdegegnerinnen "aufgrund des Editionsbegehrens genau wissen müssen und abschätzen können, welche Unterlagen bzw. Zahlen sie herauszugeben hätten". Das Handelsgericht verwechselt die Vorgaben für die Formulierung prozessrechtlicher Beweisanträge, die es unter Hinweis auf Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO rekapituliert, mit den erläuterten Anforderungen an die Bestimmtheit des materiellrechtlichen Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens, um das sich der vorliegende Prozess dreht: In Rz. 654 der Klage, auf die der angefochtene Entscheid Bezug nimmt, schreiben die Kläger zwar, dass die Beklagten eine Reihe von Informationen "zu edieren" haben. Es mag zutreffen, dass diese Ausdrucksweise im Justizbetrieb eher für prozessuale Beweisanträge Verwendung findet, mit denen eine Partei ihre materiellrechtliche Position zu stützen sucht. Anders als bei prozessualen Beweisanträgen üblich, ist die Aufzählung der geforderten Auskünfte aber auch im Klagebegehren Ziff. 6 selbst enthalten, und zwar als Konkretisierung des Begehrens, die Beschwerdegegnerinnen zu verurteilen, "sämtliche Informationen zur Eruierung ![]() | 63 |
Losgelöst von der Frage, ob der Hilfsanspruch auf Auskunft und Rechenschaft im Streit um eine Gewinnherausgabe auf Art. 400 OR fusst, ist dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, dass dieser Anspruch dem Geschäftsherrn Informationen über erfolgte Eingriffe und deren Folgen verschaffen soll, von denen er noch keine (detaillierten) Kenntnisse hat (s. E. 8.2.5.2 und 8.2.5.4). Dies liegt in der Natur der Sache, wurzelt der Gewinnherausgabeanspruch doch gerade in einer Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 OR), die nicht mit Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn unternommen wurde (Art. 423 Abs. 1 OR). Insofern passen die vorinstanzlichen Ausführungen zu Art. 400 OR und die Hinweise auf ein dazu ergangenes Bundesgerichtsurteil nicht zum konkreten Fall. Entgegen dem, was das Handelsgericht anzunehmen scheint, kann dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden, mit seinem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren einen "beliebigen und grösstmöglichen Gewinn" berechnen zu wollen. Jede vor Gericht ausgetragene Auseinandersetzung um eine Gewinnherausgabe bringt es mit sich, dass der Kläger einen möglichst hohen Betrag erstreiten will. Vor allem aber dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens, wie ausführlich dargelegt, nicht überspannt werden. War das Handelsgericht der Meinung, die geforderten Auskünfte seien für den massgeblichen Gewinn nicht relevant oder das Begehren sei mit Blick auf das Informationsinteresse in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht zu umfassend formuliert, so hätte es das (materiellrechtliche) Informationsbegehren auf die Elemente beschränken müssen, die es als ausschlaggebend erachtete. Indem es das Begehren pauschal als nicht schutzwürdig beiseiteschiebt, verletzt es den materiellrechtlichen (Neben-)Anspruch des Beschwerdeführers, zum Zweck der ![]() | 64 |
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9.1 Das Handelsgericht lässt offen, ob die festgestellten Persönlichkeitsverletzungen derart schwer wiegen, dass sie einen ![]() | 67 |
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9.3.2 Das Recht auf Beweis ist in Art. 152 ZPO gesetzlich vorgesehen und wurde früher aus Art. 8 ZGB abgeleitet (Urteil 5A_641/2013 vom 25. Februar 2014 E. 1). Danach hat die beweispflichtige Partei einen bundesrechtlichen Anspruch darauf, für rechtserhebliche bestrittene Vorbringen zum Beweis zugelassen zu werden, wenn ihr Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des anwendbaren Prozessrechts entspricht (vgl. BGE 133 III 295 E. 7.1 S. 299; BGE 114 II 289 E. 2a S. 290; Urteil 5A_330/2013 vom 24. September 2013 E. 3.5.2). Dieser Anspruch schliesst eine vorweggenommene (antizipierte) Würdigung von Beweisen nicht aus. Von einer solchen kann allerdings nur dort die Rede sein, wo der Richter zum Schluss kommt, ein form- und fristgerecht beantragter und an sich tauglicher Beweis vermöge seine aufgrund der bereits abgenommenen Beweise gewonnene Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer behaupteten und bestrittenen Tatsache nicht zu erschüttern (BGE 140 I 285 E. 6.3.1 S. 299; BGE 138 III 374 E. 4.3.2 S. 376; BGE 90 II 219 E. 4b S. 224). Keine vorweggenommene Beweiswürdigung, ![]() | 70 |
Entgegen dem, was der angefochtene Entscheid unterstellt, sind Parteibefragung und Beweisaussage gesetzlich vorgesehene (Art. 168 Abs. 1 lit. f ZPO), objektiv taugliche Beweismittel. Der Richter bildet sich seine Überzeugung nach freier Würdigung der Beweise (Art. 157 ZPO). Daraus folgt das Verbot fester Beweisregeln (ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 16 zu Art. 191/192 ZPO). Soweit diese gesetzliche Pflicht zur freien Beweiswürdigung Platz greift, ist es nicht zulässig, einem bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Beweismittel von vornherein jeden Beweiswert, also jede Überzeugungskraft abzusprechen (vgl. BGE 84 IV 171 E. 2 S. 174 f.). Dies gilt auch für die Parteibefragung und Beweisaussage im Sinn von Art. 168 Abs. 1 lit. f ZPO. Eine geschickte Befragung durch den Richter kann erfahrungsgemäss durchaus ein gutes Mittel sein, die Wahrheit zu erforschen, wenn der Befragte - zumal in Konfrontation mit der Gegenpartei - eindringlich verhört wird und auf unerwartete Fragen Antwort geben muss, vor allem aber, weil der Richter, der die Befragung durchführt, dabei einen persönlichen Eindruck gewinnt, der ihm gestatten kann, die Glaubwürdigkeit des Befragten zu beurteilen (BGE 80 II 294 E. 1 S. 297 f.). Zu Recht wird im Schrifttum gefordert, dass diese bundesgerichtlichen Überlegungen auch unter der Herrschaft der Schweizerischen Zivilprozessordnung gelten (s. HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Bd. II, 2. Aufl. 2016, N. 33 zu Art. 191 ZPO). Daran ändert auch der vorinstanzliche Hinweis auf die bundesrätlichen Erörterungen zur ![]() | 71 |
Dass Art. 157 ZPO im vorinstanzlichen Verfahren (auch) im Streit um die eingeklagte Genugtuungsforderung des Beschwerdeführers galt, wird (zu Recht) weder vom Handelsgericht noch von den Beschwerdegegnerinnen in Frage gestellt. Im Ergebnis verwirft das Handelsgericht die besagten Beweismittel also, ohne bereits aufgrund anderer abgenommener Beweise zu einer Überzeugung gelangt zu sein und ohne sich im Einzelfall nach freier Überzeugung ein Urteil darüber zu bilden, ob und gegebenenfalls in welcher Hinsicht den im Rahmen der Parteibefragung gewonnenen Aussagen ein Beweiswert zukommt. Damit aber verletzt der angefochtene Entscheid das Recht des Beschwerdeführers auf Beweis.
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Zur Begründung verweist der Beschwerdeführer in Randziffer 353 auf die Randziffern 341 ff. seiner Beschwerde. Dort (in Randziffer 343) beschreibt er, wie er in seiner Klage dargelegt habe, "dass die inkriminierte Berichterstattung der Beklagten die Ursache für seine seelischen Verletzungen bilden, die es ohne diese nicht gäbe". Er bezieht sich unter anderem auf Randziffer 679 der Klageschrift vom 24. Februar 2011. Dieser Abschnitt trägt den Titel "Die Schwere der widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen rechtfertigt einen finanziellen Ausgleich in Form einer Genugtuung". Weiter steht dort geschrieben: "Wer Solches (wie eingeklagt) über sich ergehen lassen muss, erleidet eine erhebliche psychische Beeinträchtigung" sowie "Die über Monate gegen den Kläger geführte Medienkampagne hat ihn [sc. den Beschwerdeführer] psychisch und moralisch schwer getroffen". Am Schluss von Rz. 679 der Klageschrift ist die Beweisofferte "Parteibefragung, evtl. Beweisaussage" vermerkt. Warum sich dieser Beweisantrag nicht auch auf den natürlichen Kausalzusammenhang beziehen soll, ist angesichts der Formulierung der dazugehörigen Textstelle aus der Klagebegründung in der Tat nicht nachvollziehbar. Auch aus der zitierten Überschrift der besagten Randziffer 679 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Genugtuung für seelische Unbill geltend macht, die er infolge der eingeklagten Persönlichkeitsverletzungen erlitt. Weshalb trotzdem - und zusätzlich zum dort gestellten Beweisantrag - auch noch speziell für das Tatbestandsmerkmal der natürlichen Kausalität eine eigene Beweisofferte erforderlich sein soll, lässt sich dem angefochtenen ![]() | 76 |
9.5 Nach dem Gesagten hält die Abweisung der Genugtuungsklage weder mit der einen noch mit der anderen Begründung im angefochtenen Entscheid vor Bundesrecht stand. Die Sache ist deshalb auch in diesem Punkt an das Handelsgericht zur weiteren Behandlung zurückzuweisen. Mit Blick auf das durchzuführende Beweisverfahren ist dem Handelsgericht die Rechtsprechung in Erinnerung zu rufen, wonach sich die tatsächliche Ursache für den eingetretenen Erfolg im Haftpflichtrecht regelmässig nur aus Indizien schliessen lässt und für den Beweis der natürlichen Kausalität auch der so genannte Anscheinsbeweis genügen kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Der Anscheinsbeweis verschiebt das Beweisthema, indem der Beweisbelastete lediglich den Sachumstand beweisen muss, aufgrund dessen das Gericht - bei Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs - auf den natürlichen Kausalzusammenhang mit der eingetretenen Wirkung schliesst. Der so verstandene Anscheinsbeweis setzt voraus, dass die Typizität des rechtserheblichen Geschehens nach allgemeiner Lebenserfahrung eine behauptete Tatsache als wahr erscheinen lässt, weil Abweichendes ausserhalb jeder vernünftigen Betrachtungsweise läge (zum Ganzen: Urteil 4A_262/2016 vom 10. Oktober 2016 E. 4.4.2.1). Ob dies im konkreten Fall zutrifft und aufgrund eines schlüssigen Anscheins ein Beweis für einen bestimmten Sachumstand - hier für die natürliche Kausalität - gar nicht abzunehmen ist, hat der Richter in pflichtgemässer Ausübung seines Ermessens zu beurteilen. (...)
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