BVerfGE 4, 96 - Hutfabrikant | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher, Rainer M. Christmann | |||
1. Art. 9 Abs. 3 GG schützt auch die Koalition als solche. |
2. Vereinigungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG sind nicht nur fachberuflich organisierte Verbände. |
4. Der mit der Koalitionsfreiheit gewährleistete Kernbereich des Tarifvertragssystems verbietet es dem Gesetzgeber, die von den Vereinigungen frei gewählten Organisationsformen schlechthin oder in entscheidendem Umfang bei der Regelung der Tariffähigkeit unberücksichtigt zu lassen und auf diese Weise das Grundrecht der Koalitionsfreiheit mittelbar auszuhöhlen. |
Urteil |
des Ersten Senats vom 18. November 1954 |
- 1 BvR 629/52 - |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. der Vereinigung der Wirtschaft e.V., Arbeitgebervertretung Bamberg, 2. der Firma Heinrich L., Bamberg, gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Bayern, Zweigstelle Nürnberg, vom 9. August 1952 - Ber.Reg. Nr. 183/52/I. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen. |
Gründe: | |
A. | |
In dem Rechtsstreit der Hilfsarbeiterin G. gegen den Hutfabrikanten L. vor dem Landesarbeitsgericht Bayern, Zweigstelle Nürnberg, war der Beklagte und Berufungskläger durch einen Angestellten der Vereinigung der Wirtschaft e V., Arbeitgebervertretung, Bamberg, (im folgenden: Vereinigung der Wirtschaft) als Prozeßbevollmächtigten vertreten. Die Vereinigung der Wirtschaft ist nach dem Vorspruch ihrer Satzung "ein freiwilliger Zusammenschluß der Unternehmer im Bamberger Gebiet, der durch geeignete Maßnahmen und Einrichtungen allen gemeinsame Aufgaben durchführen und für die Arbeitgeber bei der Erfüllung der sozialen Verpflichtungen Verhandlungspartner der Gewerkschaften sein will". Sie bezeichnet sich als Nachfolgeorganisation des im Jahre 1920 gegründeten und 1934 zwangsweise aufgelösten "Arbeitgeberverbandes für Industrie und Großhandel e. V. Bamberg". Sie erstreckt ihre Tätigkeit auf den Dienstbereich des Arbeitsgerichts und des Arbeitsamts Bamberg. Nach Nr. 1 I der Satzung ist die Vereinigung der Wirtschaft berechtigt, "auf Antrag von Mitgliedern oder einer der in ihr nach Fachgebieten zusammengeschlossenen Gruppen von Mitgliedern...Tarifverträge abzuschließen". Dabei ist satzungsgemäß "nur an gebietlich begrenzte (Tarife) gedacht, sofern die üblichen Landes- u. a. Tarife nicht ausreichen oder für bestimmte Angestellten- oder Arbeitergruppen nicht entsprechend gegeben oder anwendbar sind". Unter den einzelnen Aufgaben der Vereinigung der Wirtschaft erwähnt die Satzung insbesondere die arbeits- und sozialrechtliche Beratung der Mitglieder und ihre Vertretung vor dem Arbeitsgericht und gegenüber einschlägigen Dienststellen. Nach Nr. 1 IV der Satzung ist die Vereinigung "keine Interessengemeinschaft, sondern ein Zusammenschluß von Wirtschaftstreibenden, der in gemeinsamer Arbeit die Besserung von Versorgungs-, Verwaltungs-, Export- und anderen Maßnahmen, der Verkehrsverhältnisse usw. anstrebt und insbesondere Arbeitgeber-, arbeitsrechtliche und sozialpolitische Angelegenheiten behandelt".
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Das Landesarbeitsgericht Bayern hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg durch Beschluß vom 9. August 1952 (N 183/52/I-) als unzulässig verworfen, weil der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten zur Vertretung vor den Landesarbeitsgerichten nicht zugelassen, die Berufung also nicht formgerecht eingelegt worden sei. Nach der Rechtsauffassung des Gerichts können gemäß Art. 11 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes des Landes Bayern - BAGG - vom 6. Dezember 1946 (Bay. GVBl. 1947 S. 1) nur Angestellte tariffähiger Vereinigungen die Prozeßvertretung übernehmen; die Vereinigung der Wirtschaft aber sei als "gemischtfachlicher Unternehmerverband", dem Unternehmer der verschiedensten Fachrichtungen als Mitglieder angehörten, nicht tariffähig, weil es bei ihr an einer unerläßlichen Voraussetzung, nämlich am Zusammenschluß auf fachlicher Ebene, fehle.
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Gegen den am 13. August 1952 zugestellten Beschluß haben die Vereinigung der Wirtschaft und der ihr als Mitglied angehörende Beklagte L. am 5. September 1952 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführer fühlen sich in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Beschluß gehen sie davon aus, daß nur tariffähige Vereinigungen vertretungsbefugt im Sinne des Art. 11 Abs. 2 BAGG seien; das werde für die wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitgeber durch Art. 87 Abs. 2 BAGG ausdrücklich bestätigt. Nach der historischen Entwicklung, sowie nach der herrschenden Rechtsprechung und Rechtslehre sei jedoch die Tariffähigkeit nicht auf fachlich organisierte Verbände beschränkt. Wenn gleichwohl das Landesarbeitsgericht der Vereinigung der Wirtschaft wegen ihres gemischtfachlichen Aufbaues die Tariffähigkeit und damit auch die Vertretungsberechtigung vor den Arbeitsgerichten abgesprochen habe, so habe es gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen. Denn das Grundrecht, "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden", gewährleiste nicht nur das Recht, sich frei zu vereinigen, sondern es stelle auch den Gesamtzweck der Koalition und die Freiheit, sich entsprechend zu betätigen, unter Verfassungsschutz. Da der Abschluß von Tarifverträgen und die Prozeßvertretung vor den Arbeitsgerichten die wesentlichsten Aufgaben der Koalitionen ausmachten, sei auch dieser vornehmliche Zweck einer Koalition durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt.
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Die Beschwerdeführer beantragen, den Beschluß des Landesarbeitsgerichts wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 GG aufzuheben und die Tariffähigkeit der Vereinigung der Wirtschaft festzustellen; hilfsweise beantragen sie auszusprechen, daß aus der inneren Organisation der Beschwerdeführerin zu 1 nach dem Fachprinzip keine Bedenken gegen ihre Tariffähigkeit hergeleitet werden können.
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Das Bundesverfassungsgericht hat der Bayerischen Staatsregierung, dem Bundesarbeits- und dem Bundesinnenminister, sowie der Klägerin G. Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Nur die Bayerische Staatsregierung und der Bundesarbeitsminister haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
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Die Bayerische Staatsregierung weist darauf hin, daß nach bisher herrschender Rechtsprechung und Rechtslehre nur solche Koalitionen tariffähig seien, bei denen bestimmte tarifrechtlich unerläßliche Voraussetzungen vorlägen. Hierzu gehöre die vereinsmäßig Organisation, die Interessenvertretung der Mitglieder gerade in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der freie Zusammenschluß, Gegnerfreiheit, Unabhängigkeit, Organisation auf überbetrieblicher Grundlage, Tarifbereitschaft und Anerkennung des geltenden Tarif- und Schlichtungsrechts. Wenn dieses Bündel von Voraussetzungen nicht gegen das Grundrecht der Koalitionsfreiheit verstoße, so könne auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Bayern nicht verfassungswidrig sein, da sie nur eine weitere Voraussetzung, nämlich die Organisation auf fachlicher Grundlage, für unerläßlich halte. Entweder müsse man die ganze bisher herrschende Lehre und Rechtsprechung insoweit für verfassungswidrig halten, oder man könne die angefochtene Entscheidung verfassungsrechtlich nicht beanstanden.
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Der Bundesarbeitsminister hält beide Verfassungsbeschwerden nicht für gerechtfertigt. Art. 9 Abs. 3 GG schütze nur das Koalitionsrecht des Einzelnen, nicht aber die Koalition als solche. Die Beschwerdeführerin zu 1 könne sich daher nicht auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen; ihre Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Im übrigen sei die Frage der Betätigung der Vereinigungen völlig verschieden von der Frage der in Art. 9 Abs. 1 und 3 GG gewährleisteten Vereinigungsfreiheit. Der Gesetzgeber könne daher Tariffähigkeit und Prozeßvertretungsbefugnis jederzeit nach seinem Ermessen regeln, ohne gegen Art. 9 Abs. 3 GG zu verstoßen.
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In der mündlichen Verhandlung waren die Beschwerdeführer und der Bundesarbeitsminister vertreten.
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B. | |
Die form- und fristgerecht eingelegten Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
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Die Beschwerdeführerin zu 1 war in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht als Prozeßpartei beteiligt. Gleichwohl ist sie durch den angefochtenen Beschluß unmittelbar betroffen; denn das Landesarbeitsgericht hat die Berufung ausschließlich deshalb verworfen, weil sie durch einen nicht zugelassenen Vertreter - nämlich den Angestellten einer nicht tariffähigen Arbeitgebervereinigung - eingelegt worden sei. Durch diese Begründung wird unmittelbar die Betätigung der Beschwerdeführerin zu 1 bei der satzungsgemäßen Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder beschränkt. Darin liegt die von der Beschwerdeführerin zu 1 behauptete Verletzung des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG. Da ihr ein anderer Rechtsweg gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts nicht offensteht, ist die auf Verletzung des Art. 9 Abs. 3 GG gestützte Verfassungsbeschwerde zulässig, sofern das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nicht nur den einzelnen Mitgliedern der Vereinigung, sondern auch der Koalition als solcher zusteht. Das ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts der Fall.
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Die Rechtsfrage, ob die Vereinigung als solche durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt sei, war während der Geltung der Weimarer Verfassung umstritten. Auch das Reichsgericht hat sie in den Entscheidungen vom 2. Juli 1925 (RGZ 111, 199 [202]) und vom 11. Februar 1926 (RGZ 113, 33, [36-37]) verschieden beurteilt. In der Rechtslehre schien sich eine überwiegende Meinung dahin zu bilden, daß nicht nur der Einzelne, sondern auch die Vereinigung als solche durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt sei.Dabei wurde insbesondere auf die ausdrückliche Anerkennung der Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Art. 165 Abs. 1 Weimarer Verfassung verwiesen.
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Die Auffassung, daß die Vereinigung selbst in den Schutz des Grundrechts der Koalitionsfreiheit mit einzubeziehen sei, trifft auch für das Grundgesetz zu. Zwar fehlt hier eine dem Art 165 Abs. 1 WV entsprechende ausdrückliche Vorschrift über die Anerkennung der beiderseitigen Organisationen; sie war aber entbehrlich, weil das Grundgesetz unter Berücksichtigung des bestehenden verfassungs- und arbeitsrechtlichen Zustandes in den Ländern von der rechtlichen Anerkennung der Sozialpartner als selbstverständlich ausgehen konnte. Die Einreihung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit in den ersten Abschnitt des Grundgesetzes widerspricht dieser Auslegung nicht; denn weder sind dort nur Rechte einzelner Personen behandelt (vgl. Art. 6 und 7 GG) noch beschränkt sich die Geltung der Grundrechte auf natürliche Personen (Art. 19 Abs. 3 GG). Entscheidend für die hier gefundene Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG ist das ausdrückliche Bekenntnis des Grundgesetzes zum sozialen Rechtsstaat (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Diese Entscheidung des Verfassungsgebers schließt es aus, ein Grundrecht, dessen Ausdehnung auf soziale Gemeinschaften sich bereits in der Weimarer Zeit angebahnt hatte, nunmehr ohne zwingenden Grund in seiner Wirksamkeit auf Einzelpersonen zu beschränken.
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Die Beschwerdeführerin zu 1 ist daher befugt, sich auf ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG zu berufen.
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Gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2 bestehen keine Bedenken.
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C. | |
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
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1. Der angefochtene Beschluß geht zutreffend davon aus, daß zur Prozeßvertretung in zweiter Instanz nach Art. 11 und 87 des zur Zeit der Entscheidung maßgeblichen bayerischen Arbeitsgerichtsgesetzes nur Mitglieder und Angestellte tariffähiger Arbeitgebervereinigungen zugelassen seien. Er spricht jedoch der Beschwerdeführerin zu 1 die Tariffähigkeit ab, weil sie nicht fachberuflich, sondern gemischt-fachlich organisiert sei. Zur näheren Begründung dieser Rechtsauffassung beruft sich das Landesarbeitsgericht auf seine Entscheidung vom 21. März 1950 (Amtsblatt des Ministeriums für Arbeit und Soziale Fürsorge 1950 Nr. 8 S. 243 ff.), wo im wesentlichen folgendes ausgeführt ist:
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Die tatsächliche Entwicklung nach der Kapitulation habe - insbesondere unter dem Einfluß besatzungsrechtlicher Vorschriften - zum Aufbau der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkoalitionen auf "fachberuflicher" Grundlage geführt. Das Ergebnis sei die Bildung einheitlicher, politisch und weltanschaulich neutraler Industriegewerkschaften gewesen, denen die fachlichen Verbände der Arbeitgeber "als Sozialpartner der korporativ-kollektiven Selbstverwaltung" mit der gemeinsamen Aufgabe gegenübergestanden hätten, "Tarifverträge auf fachlicher Grundlage" abzuschließen. Die Bayerische Verfassung, die dieses Organisationsbild politisch und weltanschaulich neutraler Einheitsgewerkschaften vorgefunden habe, lasse in Art. 114, 169 und 170 "mit besonderer Deutlichkeit die Trennung der allgemeinen Vereinigungsfreiheit von der besondern sozialrechtlichen Koalitionsfreiheit" und "die enge Verbindung der sozialrechtlichen Koalitionsfreiheit mit dem Grundsatz der beruflichen Interessenvertretung" erkennen. Daraus ergebe sich bereits, daß "nur an Fachverbände und Fachtarifverträge gedacht und die Delegation von Rechten" - gemeint ist die Verleihung der Tarifvertragsfähigkeit - "nur an diese Art von Verbänden vorgesehen" sei. Die Reihenfolge der erwähnten Bestimmungen der Bayerischen Verfassung zeige klar, daß "das Recht zu Gesamtvereinbarungen über das Arbeitsverhältnis für jedermann und für alle Berufe nicht auch außerhalb der beruflichen Regelung eingeräumt, sondern im Sinne des Art. 169 nur für fachberufliche Gesamtvereinbarungen gewährt sein" solle.
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In der tatsächlichen Entwicklung wie in den rechtlichen Bestimmungen fänden "die Erkenntnisse ihre feste und in der Verfassung wurzelnde Grundlage, daß der Gesetzgeber sich seines Hoheitsrechts zur gesetzlichen Regelung der Arbeitsbedingungen für jeden Berufszweig nur zugunsten solcher fachberuflichen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände" habe "entäußern können und dürfen, die dem Organisationsrecht im Zeitpunkt der Verfassung" entsprochen hätten. Das Bonner Grundgesetz habe sich jeder Bestimmung über Anerkennung und Nichtanerkennung von Gesamtvereinbarungen, also der Tarifverträge, und damit einer eigenen verfassungsrechtlichen Regelung von Tarifhoheit, Tariffähigkeit und Tarifberechtigung enthalten und damit das Verfassungsrecht der einzelnen Länder unberührt gelassen.
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Im übrigen erschöpfe sich die Aufgabe der anerkannten Selbstverwaltungsverbände nicht im Gebiet der Tarifhoheit und der daraus abzuleitenden Tariffähigkeit und Tarifberechtigung, sondern erstrecke sich auf das Gebiet der Gemeinschaftsarbeit im Wirtschafts- und Betriebsverfassungsrecht überhaupt. Gerade deshalb dürfte der Aufbau der Koalitionen nicht den Schwankungen zeitbedingter Organisationsentwicklungen überlassen bleiben. Auch sei nur der fachberufliche Tarif einer Allgemeinverbindlichkeit fähig, so daß es müßig wäre, auch nichtfachlich organisierte Verbände als sozialrechtliche Koalitionen im Sinne der Verfassung anzuerkennen, da ihre kollektiven Vereinbarungen nichtfachliche Tarifverträge seien und somit nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden könnten. Sogenannte gemischtfachliche Verbände wie sie auf der Arbeitgeberseite früher in örtlichen oder bezirklichen Schutzverbänden und ähnlichen Bildungen aufgetreten seien könnten daher das Recht der Tarifhoheit (Tariffähigkeit und Tarifberechtigung) nicht besitzen. Sie seien, da ihnen ohne Fachgruppentrennung die Unternehmer ihres Bezirkes unmittelbar als Mitglieder angeschlossen seien, weder tarifberechtigte fachberufliche Organisationen im Sinne der Verfassung noch aus § 2 Abs. 2 und 3 des Tarifvertragsgesetzes tarifberechtigt, da sie keine Spitzenverbände seien. Ihnen fehle daher die verfassungsrechtlich und tarifrechtlich unentbehrliche Grundlage zu inhaltsgestaltender Arbeitsnormenschöpfung. Industrielles Unternehmertum als solches sei ein wirtschaftlicher und wirtschaftsrechtlicher Begriff, aber kein Berufsbegriff im Sinne des Art. 169 und 170 der Bayerischen Verfassung und des Art. 9 GG.
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2. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses enthält keinen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG:
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a) Das Gericht will seine Rechtsauffassung offenbar nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG begründen; denn es betont ausdrücklich, das Grundgesetz habe sich jeder Bestimmung über Anerkennung und Nichtanerkennung der Gesamtvereinbarungen und damit einer eigenen verfassungsrechtlichen Regelung der Tarifhoheit (Tariffähigkeit und Tarifberechtigung) enthalten.
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Freilich könnten einige Bemerkungen des Urteils vom 21. März 1950 dahin verstanden werden, daß nach der Meinung des Landesarbeitsgerichts das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nur für Vereinigungen solcher Organisationsformen gelte, wie sie bei Inkrafttreten des Grundgesetzes üblich gewesen seien, und daß der Gesetzgeber daher auch nur solchen Vereinigungen die Tariffähigkeit zuerkannt habe. Es bedarf kaum der näheren Ausführung, daß eine solche Auslegung des Grundgesetzes, die das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG auf "fachberufliche" Organisationen beschränken wollte, irrig wäre. Weder Entstehungsgeschichte noch Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG, noch auch die historische Entwicklung und der Zweck der Koalitionsfreiheit rechtfertigen eine solche Beschränkung. Es wäre daher auch unzulässig, aus dieser fälschlich angenommenen verfassungsrechtlichen Beschränkung der den Koalitionen offenstehenden Organisationsformen eine Einschränkung der Tariffähigkeit zu folgern. Hätte also das Landesarbeitsgericht die Tariffähigkeit der Beschwerdeführerin zu 1 ausschließlich oder vorwiegend deshalb verneint, weil aus Art. 9 Abs. 3 GG der verfassungsrechtliche Ausschluß gemischtfachlicher Vereinigungen vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit und damit zugleich ihr Ausschluß von der Tariffähigkeit zu folgern sei, so läge darin ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG.
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Der Zusammenhang der Begründung des Urteils vom 21. März 1950 ergibt jedoch, daß das Gericht die Beschränkung der Tariffähigkeit auf fachberuflich organisierte Vereinigungen nicht aus dem Grundgesetz selbst, sondern aus einer Gesamtschau der rechtlichen Bestimmungen außerhalb des Grundgesetzes gefolgert hat. Ob diese Auslegung von Normen außerhalb des Grundgesetzes zutreffend ist, hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht zu untersuchen. Seine Nachprüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob die für die Entscheidung maßgebende Rechtsauslegung, soweit sie Bestimmungen außerhalb des Grundgesetzes betrifft, mit dem Grundgesetz vereinbar ist; nur wenn das nicht der Fall sein sollte, müßte das Bundesverfassungsgericht weiterhin prüfen, ob etwa auch die der Entscheidung zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen selbst verfassungswidrig seien (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG).
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aa) Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit betrifft nicht nur den Zusammenschluß als solchen, sondern den Zusammenschluß zu einem bestimmten Gesamtzweck, nämlich zu einer aktiven Wahrnehmung der Arbeitgeber- (Arbeitnehmer-) Interessen. Dies bedeutet zugleich, daß frei gebildete Organisationen auf die Gestaltung der Löhne und Arbeitsbedingungen Einfluß nehmen, insbesondere zu diesem Zweck Gesamtvereinbarungen treffen können. Die historische Entwicklung hat dazu geführt, daß solche Vereinbarungen in Gestalt geschützter Tarifverträge mit Normativcharakter und Unabdingbarkeit abgeschlossen werden. Wenn also die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit nicht ihres historisch gewordenen Sinnes beraubt werden soll, so muß im Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG ein verfassungsrechtlich geschützter Kernbereich auch in der Richtung liegen, daß ein Tarifvertragssystem im Sinne des modernen Arbeitsrechts staatlicherseits überhaupt bereitzustellen ist und daß Partner dieser Tarifverträge notwendig frei gebildete Koalitionen sind.
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bb) Zweifelhaft kann nur sein, ob dieses Tarifvertragssystem so gestaltet sein muß, daß jede frei gebildete Koalition verfassungsnotwendig die Tariffähigkeit hat, ob also mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit zugleich die Tariffähigkeit jeder beliebig gestalteten Vereinigung dieses Bereichs verfassungsrechtlich geschützt ist. Unter der Geltung der Reichsverfassung von 1919 haben Rechtsprechung und Rechtslehre zwischen tariffähigen und nicht tariffähigen Vereinigungen dadurch unterschieden, daß sie bestimmte Voraussetzungen für die Tariffähigkeit entwickelt haben. Aus der Gesamtheit der Vereinigungen wurden nämlich nur solche als tariffähig anerkannt, deren satzungsmäßige Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder gerade in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber (Arbeitnehmer) war, die sich frei gebildet hatten, gegnerfrei, unabhängig und daher auf überbetrieblicher Grundlage organisiert waren und die schließlich das geltende Tarif- und Schlichtungsrecht als für sich verbindlich anerkannten. In Wahrheit sind diese Merkmale jedoch nichts anderes als notwendige Voraussetzungen für das Vorhandensein echter arbeitsrechtlicher Vereinigungen überhaupt.
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Art. 9 Abs. 3 GG will ebenso wie Art. 159 WV nach Sinn und Zweck nur solche frei gebildete Vereinigungen schützen, die nach ihrer Gesamtstruktur unabhängig genug sind, um die Interessen ihrer Mitglieder auf arbeits- und sozialrechtlichem Gebiet wirksam und nachhaltig zu vertreten. Eine Sonderstellung können insoweit nur solche Vereinigungen einnehmen, deren Mitglieder von der tariflichen Lohngestaltung durch andere verfassungsrechtliche Bestimmungen ausgeschlossen sind, wie dies sich etwa für Beamte aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) ergibt. Wenn also Rechtsprechung und Rechtslehre mit Bezug auf Vereinigungen, deren Mitglieder von der tariflichen Lohngestaltung erfaßt werden können, besondere Voraussetzungen für die Anerkennung der Tariffähigkeit aufgestellt haben, so haben sie damit in Wahrheit lediglich den Begriff der Vereinigung - auch im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG - zutreffend abgegrenzt; daraus kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß der einfache Gesetzgeber die Tariffähigkeit nach seinem Ermessen auch von weiteren - insbesondere berufsorganisatorischen Voraussetzungen abhängig machen könnte.
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Gleichwohl kann es nicht der Sinn der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit sein, daß der Gesetzgeber schlechthin jede Koalition zum Abschluß von Tarifverträgen zulassen, also als tariffähig behandeln muß. Geht man nämlich davon aus, daß einer der Zwecke des Tarifvertragssystems eine sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens, insbesondere der Lohngestaltung, unter Mitwirkung der Sozialpartner sein soll, so müssen die sich aus diesem Ordnungszweck ergebenden Grenzen der Tariffähigkeit auch im Rahmen der Koalitionsfreiheit wirksam werden. Diese Grenzen der Tariffähigkeit zu ziehen, ist an sich eine Aufgabe des gesetzgeberischen Ermessens. Da der Tarifvertrag das Gebiet des privaten Vertragsrechts verläßt und als unabdingbarer Kollektivvertrag normative Wirkung äußert, kann es dem Gesetzgeber nicht gleichgültig sein, zu wessen Gunsten er sich durch die Verleihung der Tariffähigkeit seines Normsetzungsrechts begibt. In der Gestaltung des Tarifsystems, insbesondere in seiner sachgemäßen Fortbildung, ist der Gesetzgeber nur dadurch beschränkt, daß mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit zugleich die Institution eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems verfassungsrechtlich gewährleistet ist, dessen Partner frei gebildete Vereinigungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG sein müssen. Dieser mit der Koalitionsfreiheit zugleich gewährleistete Kernbereich des Tarifvertragssystems verbietet es dem Gesetzgeber, die von Vereinigungen frei gewählten Organisationsformen schlechthin oder in entscheidendem Umfang bei der Regelung der Tariffähigkeit unberücksichtigt zu lassen und auf diese Weise das Grundrecht der Koalitionsfreiheit mittelbar auszuhöhlen. Der Gesetzgeber darf also einerseits die Tariffähigkeit nicht ausschließlich oder in entscheidendem Maße an solche Organisationsformen und -prinzipien binden, die von den frei gebildeten Vereinigungen allgemein oder vorwiegend abgelehnt werden; andererseits ist er nicht genötigt, außergewöhnliche Organisationsformen oder solche, die durch die tatsächliche Entwicklung des sozialen Lebens nahezu völlig oder doch im wesentlichen als überholt gelten dürfen, auch dann bei der Regelung der Tariffähigkeit zu berücksichtigen, wenn sich daraus erhebliche Störungen einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens, vor allem schwer überwindbare Schwierigkeiten für die Gestaltung des Tarifrechts in Richtung der Tarifklarheit und Rechtssicherheit ergeben würden.
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Starre Grundsätze lassen sich nicht aufstellen. Das Ermessen des Gesetzgebers, der bei einer Normierung der Tariffähigkeit sowohl die historische Entwicklung des Tarifwesens als auch eine für die Ordnung des Soziallebens gedeihliche Fortbildung des Tarifrechts mit dem Blick auf die Betriebsgestaltung in den verschiedenen Wirtschaftsbezirken wird berücksichtigen müssen, findet seine Grenzen darin, daß die freie Entwicklung der Koalitionen und damit auch ihr Entscheidungsrecht über ihre Organisationsform nicht sachwidrig gehemmt oder in ihrem Kern angetastet werden darf.
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Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, daß gemischtfachliche Unternehmerverbände der Tariffähigkeit entbehrten, läßt bei einem solchen Verständnis des Art. 9 Abs. 3 GG einen Verstoß gegen das Recht der Koalitionsfreiheit nicht erkennen. Dabei verkennt das Bundesverfassungsgericht nicht, daß in der Zeit der Weimarer Republik und noch kurze Zeit danach solche Verbände nicht nur allgemein als tariffähig anerkannt, sondern im Verhältnis zu den sogenannten Industrieverbänden durchaus in der Mehrzahl waren. Zu jener Zeit hatten sich aber auch - worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist - zahlreiche Werkvereine, nationalistische, kommunistische und syndikalistische Verbände, schließlich sogar die NSBO, NSHAGO und das nationalsozialistische Landvolk mit Anspruch auf Tariffähigkeit und teilweise sogar mit Anerkennung ihrer Tariffähigkeit herausgebildet, so daß sich die Gefahr eines völligen Tarifwirrwarrs zunehmend abzeichnete. Das Landesarbeitsgericht hat in eingehenden Darlegungen die - auch früher schon erkannten und häufig bemängelten - erheblichen Mißstände und Schwierigkeiten angeführt, die sich aus der Tariffähigkeit gemischtfachlicher Organisationen und der damit verbundenen Tarifüberschneidung und Unübersichtlichkeit der Tarifbeteiligung (Tarifkonkurrenz) ergeben. Es hat ferner ausgeführt, daß die meisten der nach der Kapitulation gebildeten Vereinigungen sich frei für das fachberufliche Organisationsprinzip entschieden hätten und nur eine geringe Minderheit am gemischtfachlichen Aufbau festgehalten habe. Wenn das Gericht angesichts dieser Umstände die einschlägigen Vorschriften dahin auslegt, daß der Gesetzgeber den bei freier organisatorischer Entwicklung durchaus in der Minderzahl gebliebenen gemischtfachlichen Verbänden die Tariffähigkeit versagt habe, so verstößt diese Auslegung weder gegen das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 9 Abs. 3 GG noch gegen den mit diesem Grundrecht zugleich verfassungsmäßig geschützten Kernbereich verbandsmäßiger Lohngestaltung überhaupt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts mag arbeitsrechtlich bestreitbar sein, verfassungsrechtlich ist sie nicht zu beanstanden.
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