Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 25. Juli 1979
| |
- 2 BvR 878/74 - | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn G... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Dietrich Spitta und Dr. Traugott Hahn, Zelgmadenstraße 5, Stuttgart 75 - gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. September 1974 - 1 U 36/74 -.
| |
Entscheidungsformel:
| |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. ![]() | |
A. | |
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, inwieweit die Grundrechte und allgemeine Verfassungsgrundsätze auf den Arzthaftungsprozeß einwirken.
| |
I.
| |
1. Der Beschwerdeführer war Facharbeiter in einer chemischen Reinigung. Er wurde Anfang Juni 1971 wegen eines Tumors am Halse von seiner Hausärztin an die Kieferklinik des ... Hospitals überwiesen und dort erstmals am 9. Juni 1971 ärztlich untersucht. Dabei wurde eine eigroße Geschwulst an der linken Halsseite im oberen Halsdreieck festgestellt, deren Ursache nicht ermittelt werden konnte. Da die Möglichkeit bestand, daß die Geschwulst auf eine Infektion im Zahnsystem zurückzuführen war, wurde beim Beschwerdeführer am 14. Juni 1971 ein Weisheitszahn sowie ein Wurzelrest entfernt. Diese Maßnahme brachte jedoch keine Besserung. Der Beschwerdeführer klagte vielmehr über eine weitere Zunahme der Geschwulst. Nachdem schließlich auf differentialdiagnostischem Wege eine Lungentuberkulose und eine Erkrankung des blutbildenden Systems sowie eine spezifische Entzündung ausgeschlossen war und der Beschwerdeführer auf die eingeleitete Therapie nicht ansprach, entschloß sich der Oberarzt der von der Stadt X. getragenen Kieferklinik zur operativen Entfernung der - möglicherweise bösartigen - Geschwulst. Der Beschwerdeführer willigte hierin ein. Es wurde im Blick auf die Dringlichkeit des Falles baldmöglichste stationäre Behandlung und Operation angeordnet. Der dieser Anordnung zugrundeliegende Befund ist im Krankenblatt wiedergegeben. Danach war eine gänseeigroße Schwellung der linken Halsseite im Bereich des Kopfnickermuskels vorhanden. Sie reichte vom Warzenfortsatz bis zum linken Kieferwinkel. Der Tumor war auf der Unterlage und gegen die Haut verschieblich. Zur Vorge ![]() ![]() | |
Über den Verlauf der Operation liegt folgender Bericht vor:
| |
Art des Eingriffs: Tumor linkes oberes Halsdreieck. Submandibulärer Hautschnitt unterhalb des linken Warzenfortsatzes beginnend 2-querfinger unterhalb und parallel zum Unterkiefer verlaufend. Bei der Präparation ist das Platysma von dem Tumor nicht isolierbar. Darstellung und Anschlingung der Karotis communis, Unterbindung der Vena jugularis. Exzision aus dem Tumor. Dabei entleert sich reichlich Eiter. Die Auskleidung des Hohlraumes ist teilweise unregelmäßig granuliert. Vorsichtige Herauslösung der Wand aus dem umgebenden dicken derben Gewebe zur Schnellschnittuntersuchung. | |
Diagnose: Plattenepitheliale Zyste, stark entzündet. Entnahme von Randproben zur weiteren histologischen Untersuchung. Präparation und Entfernung eines derben Bindegewebsstranges, der zur Karotisgabel zieht. Einlegen einer Redon-Drainage, Adaptation der Wundschichten, Hautnaht. ![]() | |
Nach der Operation klagte der Beschwerdeführer über starke Schmerzen in der linken Schulter; er konnte den linken Arm nicht mehr über die Horizontale bewegen. Letzteres wurde auf eine Lähmung des nervus accessorius zurückgeführt. Der Beschwerdeführer wurde deshalb in verschiedenen Abteilungen des ... hospitals ambulant behandelt. Da sich keine Besserung zeigte, wurde er am 8. Dezember 1971 stationär in die Neurochirurgische Klinik des ... hospitals aufgenommen. Am 10. Dezember 1971 wurde er dort ein zweites Mal im Bereich der linken Halsseite operiert. Bei dieser Operation sollte die Kontinuität des nervus accessorius wiederhergestellt werden. Die beabsichtigte Revision durch den Neurochirurgen Dr. T. gelang nicht. Im Operationsbericht heißt es hierzu:
| |
Revision der linken Halsseite mit dem Ziel einer Wiederherstellung der Kontinuität des nervus accessorius. Wiederherstellung nicht möglich. Das zentrale Stück des nervus accessorius kann nicht aufgefunden werden. Anscheinend ist er bei der Operation sehr hoch abgerissen worden.
| |
2. Im Juli 1972 hat der Beschwerdeführer gegen den kieferchirurgischen Operateur - der die erste Operation am 22. Juni 1971 durchgeführt hatte - sowie gegen die Stadt S. als Träger des Krankenhauses vor dem Landgericht Stuttgart Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld erhoben.
| |
Er hat vorgetragen, der operierende Arzt habe bei der Operation am 22. Juni 1971 infolge eines ärztlichen Kunstfehlers den nervus accessorius durchtrennt. Überdies habe er es zuvor versäumt, ihn über diese Gefahr aufzuklären. Wegen der Durchtrennung des Nerves könne er den Arm nicht mehr über die Horizontale heben und seinen Beruf nicht mehr ausüben; zudem leide er unter ständigen Schmerzen. ![]() | |
Der begutachtende Neurochirurg ging aufgrund der Aufzeichnungen im Krankenblatt davon aus, daß es sich bei dem beim Beschwerdeführer entfernten Tumor um eine plattenepithelial ausgekleidete, vermutlich angeborene Halszyste handelte, die sich sekundär entzündet habe, möglicherweise durch Infektion im Bereich der Mundhöhle. Die technischen Schwierigkeiten bei der Operation seien aus den in die Umgebung übergreifenden entzündlichen Veränderungen im Erkrankungsgebiet verständlich und begründet.
| |
Die beim Beschwerdeführer im linken Armbereich und Schulterbereich vorhandene Bewegungseinschränkung sei teilweise auf einen weitgehenden, jedoch nicht vollständigen Ausfall des linken nervus accessorius zurückzuführen. Ob dieser bei der Operation am 22. Juni 1971 durchtrennt worden sei, könne nicht einwandfrei gesagt werden. Auch dem Operationsbericht des Neurochirurgen lasse sich hierzu nicht Endgültiges entnehmen. Selbst wenn jedoch bei der Erstoperation der Nerv geschädigt worden sein sollte, könne darin kein ärztlicher "Kunstfehler" gesehen werden, da eine solche Schädigung unter den gegebenen Verhältnissen auch bei gewissenhaftem Vorgehen unvermeidlich sein könne. Im verschwielten Nachbargewebe einer schon etwas längere Zeit bestehenden Entzündung könne der Nerv so verborgen sein, daß ein Auffinden nicht möglich ist. Dies lasse sich auch daraus vermuten, "daß sogar der in der operativen Nervenfreilegung erfahrene Neurochirurg den zentralen Stumpf des N. accessorius, der ein stärkeres Kaliber als die distalen Abschnitte dieses Nerves aufweist, nicht auffinden konnte".
| |
Die Funktion des nervus accessorius sei nicht so wichtig, daß sein Ausfall "zu sehr beträchtlichen Störungen führt". Er werde sogar nicht selten absichtlich durchtrennt und unter Verzicht auf seine Funktion, etwa bei Gesichtsnervenlähmung, als Ersatz für den Gesichtsnerv benutzt.
| |
Das kieferchirurgische Zusatzgutachten kam zum Ergebnis, daß die Bewegungseinschränkung des linken Oberarmes durch ![]() ![]() | |
Bei der hier zu beurteilenden operativen Entfernung des Tumors habe sich eine starke Verwachsung des Gewebes aufgrund entzündlicher Vorgänge herausgestellt. Durch solche Verwachsungen könne eine Operation so erschwert werden, daß die Isolierung von Nervenanteilen in Einzelfällen unmöglich wird. Da hier infolge der Verwachsungen des Tumors mit der Umgebung eine stumpfe Isolierung nicht möglich gewesen sei, habe diese durch scharfe Präparation herausgelöst werden müssen. Erst nach dieser Entfernung und nach Eröffnung des Tumors habe sich bei der histologischen Untersuchung herausgestellt, daß es sich um eine mit Eiter gefüllte plattenepitheliale Zyste gehandelt habe. Die anatomischen Verhältnisse bei der Operation seien "nach den Angaben in den Unterlagen jedenfalls so gewesen, daß eine fahrlässige Operationstechnik nicht angenommen werden kann".
| |
Durch Urteil vom 3. Januar 1974 hat das Landgericht Stuttgart die Klage als unbegründet abgewiesen.
| |
Der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können, daß dem operierenden Arzt ein Kunstfehler anzulasten sei. Zwar sei die Kammer davon überzeugt, daß es bei der Operation vom 22. Juni 1971 zu einer Schädigung des nervus accessorius und einer dadurch bedingten Einschränkung der Oberarmbeweglichkeit gekommen sei. Diese Schädigung sei jedoch nicht ![]() ![]() | |
Eine Aufklärungspflicht des Operateurs bezüglich der möglichen Verletzung des nervus accessorius habe nicht bestanden, da der Nerv durch einen starken Muskelstrang verdeckt sei. Bei einer Operation der beim Beschwerdeführer durchgeführten Art sei deshalb mit seiner Verletzung nicht zu rechnen. Auch habe beim Beschwerdeführer der Verdacht einer bösartigen Geschwulst bestanden, die Operation sei dringend geboten gewesen. Endlich sei der durchtrennte Nerv verhältnismäßig unwichtig; bei bestimmten anderen Operationen werde er bewußt durchtrennt.
| |
Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart eingelegt.
| |
Aufgrund des kieferchirurgischen Gutachtens müsse davon ausgegangen werden, daß es bei der Operation zu der Nervenschädigung gekommen sei.
| |
Beide Sachverständigen hätten die Beschädigung des Nerves nur im Falle einer Ausnahmesituation (Verlauf in verschwieltem Gewebe) nicht als einen Kunstfehler bezeichnet. Das Vorliegen einer solchen Ausnahmesituation sei von den Beklagten zu beweisen gewesen.
| |
Gegen den Operateur spreche insbesondere, daß der Operationsbericht weder eine Angabe über die Durchtrennung des nervus accessorius, noch Angaben über verschwieltes Gewebe enthalte oder eine Erklärung gebe, warum eine Durchtrennung des Nerves unvermeidlich gewesen sei.
| |
Zumindest aber habe der beklagte Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt.
| |
Zwischen den Parteien war unstreitig, daß der nervus accessorius im Regelfalle bei der durchgeführten Operation nicht verletzt werden konnte, weil er zu weit von der Operationsstelle entfernt liegt und außerdem durch einen Muskelstrang verdeckt wird.
| |
Das Oberlandesgericht Stuttgart hielt am 4. September 1974 einen mündlichen Termin ab.
| |
Bei dieser Gelegenheit erläuterte der beklagte Arzt den Operationsverlauf. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10. September 1974, den Neurochirurgen Dr. T. "als Sachverständigen zu hören, da dieser die Operation am 10. Dezember 1971 durchgeführt hat und somit am besten die Operation vom 22. Juni 1971 beim Kläger beurteilen kann". Die Beklagten wandten sich im Schriftsatz vom 13. September 1974 gegen diesen Antrag und wiesen hierbei auch darauf hin, daß Dr. T. allenfalls als Zeuge in Betracht komme. Durch Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. September 1974 wurde die Berufung als unbegründet verworfen:
| |
Ein Kunstfehler des beklagten Arztes lasse sich nicht nachweisen, auch wenn - was das Gericht ausdrücklich offenließ - davon ausgegangen werde, daß es am 22. Juni 1971 zu der behaupteten Nervenschädigung gekommen sei.
| |
Das Gewebe im Bereich der Geschwulst des Beschwerdeführers sei stark entzündet gewesen, der Hautmuskel (Platysma) habe sich von der Geschwulst nicht isolieren lassen. Dies ergebe sich aus den Krankenunterlagen, insbesondere aus dem Operationsbericht, auf den verwiesen wurde, sowie aus dem raschen Wachstum der Geschwulst vor der Operation und den geklagten Beschwerden des Patienten. Unter diesen Umständen sei zumindest nicht auszuschließen, daß der Nerv - vor allem bei einem möglicherweise atypischen Verlauf - im Bereich des ent ![]() ![]() | |
Daß der in Anspruch genommene Arzt nicht nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft vorgegangen sei, müsse der Geschädigte beweisen. Der Beweis sei nicht geführt, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestehe, daß die Schadensfolge auch bei sachgerechtem Vorgehen entstanden sein könne. Dies sei hier der Fall, denn nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten sei nicht auszuschließen, daß infolge der Gewebeveränderungen trotz sorgfältigem Herauslösen des Plattenepithels die Nervenschädigung unvermeidlich gewesen sei.
| |
Eine Umkehrung der Beweislast komme auch nicht deshalb in Betracht, weil der Operationsbericht keine nähere Beschreibung über das im Bereich der Geschwulst vorgefundene, entzündete Gewebe enthalte. Krankenunterlagen seien in erster Linie Hilfsmittel des Arztes, um ihm jederzeit einen raschen Überblick über den Verlauf der Krankheit und ihre Behandlung zu ermöglichen. Was er an der Krankengeschichte für wichtig und aufzeichnenswert halte, bleibe regelmäßig dem Ermessen des Arztes überlassen. Der Arzt sei im Verhältnis zum Kranken nicht verpflichtet, die Krankengeschichte sorgfältig und vollständig niederzulegen. Bei Abfassung des Operationsberichtes habe die etwaige Nervverletzung nicht festgestanden. Der Arzt habe auch nicht damit rechnen müssen, vom Beschwerdeführer auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Deshalb könne ihm "aus der Tatsache, daß der Operationsbericht ... keine näheren Angaben über den Zustand des entzündeten Gewebes im Operationsbereich enthält, nicht der Vorwurf gemacht werden, die Krankenunterlagen mangelhaft geführt zu haben und deshalb für seine Behauptung, das Gewebe sei verschwielt gewesen, beweispflichtig zu sein".
| |
Dem Antrag des Beschwerdeführers, den Operateur der Nachoperation zur Frage des Kunstfehlers zu hören, habe nicht entsprochen werden können: Dessen Angaben seien im Bericht ![]() ![]() | |
Eine Verpflichtung des beklagten Arztes, den Kläger vor der Operation darauf hinzuweisen, daß durch den Eingriff möglicherweise der nervus accessorius geschädigt werde, habe nicht bestanden. Das Oberlandesgericht führte dazu wörtlich aus:
| |
In Rechtsprechung und Literatur ist ganz allgemein anerkannt, daß der Arzt den Patienten nicht über solche schädlichen Wirkungen einer vorgesehenen Operation oder Heilbehandlung aufklären muß, die verhältnismäßig selten auftreten und die bei einem verständigen Patienten für den Entschluß, in die Behandlung einzuwilligen, nicht ernsthaft ins Gewicht fallen. Inwieweit eine Aufklärung entbehrlich ist, hängt von den gesamten Umständen des einzelnen Falles ab, insbesondere von der Notwendigkeit des Eingriffes und der Schwere der möglicherweise auftretenden schädlichen Folgen. Je notwendiger ein Eingriff oder eine Heilbehandlung ist, desto mehr werden für die Einwilligung eines vernünftigen Patienten die mit der Behandlung verbundenen Risiken in den Hintergrund treten. Der Kläger stellt nicht in Abrede, daß die Operation vom 22. Juni 1971 unbedingt notwendig war. Er hatte schon mehrere Wochen auf Grund der Geschwulst nicht unerhebliche Beschwerden. Die Geschwulst nahm verhältnismäßig rasch an Größe zu. Es bestand die Möglichkeit, daß si bösartig war. Ein rascher, operativer Eingriff zur Entfernung des Geschwulstes war daher im Interesse der Heilbehandlung unbedingt geboten. Nach eingeholten Gutachten kommen Verletzungen des Accessoriusnerves bei Halsoperationen verhältnismäßig selten vor. Die Schädigung des Nerves führt zu einer Einschränkung der Beweglichkeit des Armes beziehungsweise der betreffenden Schulterseite und Halsseite, ohne daß damit besondere Beschwerden verbunden sind. Bei der Dringlichkeit der Operation und der verhältnismäßig selten auftretenden Schädigung des nerv acc hätte der Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach auch dann in die Operation eingewilligt, wenn er um das mögliche Operationsrisiko gewußt hätte. ![]() ![]() | |
Eine Revision gegen seine Entscheidung hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen (Streitwert: 6.500 DM).
| |
II.
| |
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art 3 Abs 1 GG (Willkürverbot) und Art 103 Abs 1 GG sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
| |
Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:
| |
Das Oberlandesgericht Stuttgart habe elementare Beweisgrundsätze in solchem Maße unrichtig angewendet, daß die angegriffene Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei.
| |
Ob der nervus accessorius bei der Operation durchtrennt worden sei, habe das Gericht nicht offenlassen dürfen. Der Nerv könne bei einer Operation wie der durchgeführten im Regelfall nicht verletzt werden. Wenn seine Schädigung aber so unwahrscheinlich gewesen sei, daß nicht einmal eine Aufklärungspflicht des Arztes über eine mögliche Durchtrennung in Betracht kam, so müsse die Beschädigung des Nerves einen ärztlichen Kunstfehler indizieren. Infolgedessen hätte das Oberlandesgericht dem beklagten Arzt die Beweislast dafür auferlegen müssen, daß eine Abweichung vom Regelfall vorgelegen habe. Nicht hingegen sei es Sache des Beschwerdeführers gewesen, nachzuweisen, daß keine Ausnahmesituation vorgelegen habe.
| |
Trotzdem habe der Beschwerdeführer beantragt, insbesondere den Zweitoperateur zu hören. Sein Antrag sei willkürlich aus Gründen abgelehnt worden, die eine vorweggenommene Beweiswürdigung darstellten und lediglich der raschen Beendigung des Verfahrens dienlich gewesen seien. Dadurch sei der Beschwerdeführer völlig schutzlos gestellt worden. ![]() | |
Das Gericht habe auch gegen Art 103 Abs 1 GG verstoßen, da es die angebotenen Beweismittel aus unzutreffenden und unsachlichen Gründen abgelehnt habe.
| |
III.
| |
1. Zu der Verfassungsbeschwerde hat sich der Justizminister des Landes Baden-Württemberg geäußert:
| |
Art 3 Abs 1 GG durch die angegriffene Entscheidung nicht verletzt.
| |
Das Oberlandesgericht Stuttgart habe die Frage einer eventuellen Beweislastumkehr geprüft und jedenfalls nicht aus sachfremden Gesichtspunkten abgelehnt. Auch die weiteren Beweisanträge des Beschwerdeführers seien nicht willkürlich unberücksichtigt geblieben.
| |
Ebensowenig lasse sich ein Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG feststellen.
| |
Daß das Gericht Tatsachen und Beweisergebnisse verwertet habe, zu denen er sich zuvor nicht habe äußern können, werde vom Beschwerdeführer selbst nicht geltend gemacht.
| |
Das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Beweislastverteilung und die weiteren, von ihm gestellten Beweisanträge seien vom Gericht zur Kenntnis genommen und erwogen worden.
| |
Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gerichtes, sich in den beweisrechtlichen Fragen jeweils der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsansicht anzuschließen, sei aus Art 103 Abs 1 GG nicht zu entnehmen.
| |
Im übrigen könne mit der Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung von Grundrechten, nicht aber ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot geltend gemacht werden.
| |
Die Verfassungsbeschwerde sei mithin offensichtlich unbegründet. ![]() | |
Die Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
| |
I.
| |
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in der angegriffenen Entscheidung einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen "Kunstfehlers" verneint. Bei der Abstimmung darüber, ob dieser Teil der Entscheidung, insbesondere die Handhabung des Beweisrechts, gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot und gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, hat sich im Senat Stimmengleichheit ergeben. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz konnte somit nicht festgestellt werden (§ 15 Abs 2 Satz 4 BVerfGG).
| |
1. Nach Meinung der Richter Zeidler, Hirsch, Niebeler und Steinberger, die die Entscheidung nicht trägt, hat das Oberlandesgericht Stuttgart in der angegriffenen Entscheidung das verfassungsrechtliche Erfordernis eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere den Grundsatz der Waffengleichheit im Prozeß (Art 3 Abs 1 GG), nicht hinreichend beachtet und hierdurch - insgesamt betrachtet - gegen Art 3 Abs 1 GG sowie gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 2, 3 GG) verstoßen.
| |
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein Verfassungsverstoß "bei gerichtlichen Urteilen unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots des Art 3 Abs 1 GG nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler enthalten. Hinzukommen muß vielmehr, daß diese bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden ![]() ![]() | |
Die Maßstäbe dafür, ob und in welchem Maße sachfremde Erwägungen zugrunde liegen, sind in erster Linie den im Grundgesetz konkretisierten Gerechtigkeitsvorstellungen und ihrem Bezug zum jeweiligen Lebenssachverhalt und Regelungsbereich zu entnehmen.
| |
Im Bereich des gerichtsförmigen Rechtsschutzes gebietet der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, daß für jedermann die "gleiche Anrufungschance bestehen" muß (vgl. Dürig, in Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Art 3 Abs 1 Rndr 46). So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß § 80 Abs 6 Satz 2 VwGO, der bestimmte gerichtliche Beschlüsse für unanfechtbar erklärt, verfassungskonform dahin auszulegen ist, daß bei Verwaltungsakten mit drittbelastender Doppelwirkung "beiden" Bürgern die Beschwerde nach § 146 Abs 1 VwGo zusteht (BVerfGE 35, 263 [279]). Dieser Grundgedanke hat nicht nur für den Zugang zum Gericht, sondern auch für die Ausgestaltung und Anwendung der Verfahrensgrundsätze zu gelten.
| |
Grundsätzliche Waffengleichheit im Prozeß und gleichmäßige Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang sind verfassungsrechtlich gebotene Erfordernisse des Gleichheitssatzes (vgl. Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Art 3 Abs 1 Rndr 50) wie auch des Rechtsstaatsprinzips:
| |
Das Rechtsstaatsprinzip gehört zu den allgemeinen Grundsätzen und Leitlinien, die das Grundgesetz nicht zu einem besonderen Rechtssatz verdichtet hat (BVerfGE 2, 380 [403]). Es enthält - soweit es nicht in einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung für bestimmte Sachgebiete ausgeformt und präzisiert ist - keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf (BVerfGE 7, 89 [92 ff.]).
| |
Das Rechtsstaatsprinzip enthält eine materielle Komponente. ![]() ![]() | |
Auch im Zivilverfahren hat der Richter durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung den materiellen Inhalten der Verfassung, insbesondere den Grundrechten, Geltung zu verschaffen (BVerfGE 42, 64 [73]). Im Rahmen dieser Verpflichtung hat er für ein gehöriges, faires Verfahren Sorge zu tragen (BVerfGE 49, 220 [225]; Beschluß vom 24. April 1979 - 1 BvR 787/78 -, Umdruck S 8).
| |
Zu diesen Erfordernissen zählt eine grundsätzlich faire Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregeln, die als Entscheidungsnormen im Schnittpunkt von sachlichem und Verfahrensrecht stehen.
| |
Diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen werden die vom Gesetz vorausgesetzten oder ausdrücklich angeordneten, von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft entwickelten Regeln über die Behauptungsverteilung, Beweisführungsverteilung und Beweislastverteilung in aller Regel gerecht. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner allgemeinen Stellungnahme zu der umstrittenen Frage, ob im Schadensersatzprozeß von dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung, wonach jeder Anspruchsteller im Prozeß die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihm günstigen Normen trägt, dann abzuweichen ist, wenn die Schadensursache aus dem Gefahrenbereich des Schädigers entsprungen ist und der Geschädigte sich typischerweise in einem Beweisnotstand befindet, während der mögliche Schädiger typischerweise den Beweis dafür führen kann, daß der Tatbestand der haftungsbegründenden Norm nicht vorliege; oder ob sich die Zurechnung des Beweisrisikos allgemein nach dem Verschuldensgrundsatz, dem Normzweck oder nach Billigkeitserwägungen richtet. ![]() | |
![]() | |
Diese im Hinblick auf die bestehenden Möglichkeiten der Beweisführung typische Situation der Parteien im Arzthaftungsprozeß hat die Rechtsprechung schon frühzeitig erkannt und im Bereich des haftungsbegründenden Ursachenzusammenhangs auf verschiedene Weise durch Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr auszugleichen versucht (vgl. Baumgärtel und Wittmann, aaO, S 114 ff.). Damit ist insbesondere von der Rechtsprechung ein Instrumentarium geschaffen sworden, das auch im Arzthaftungsprozeß in beweisrechtlicher Hinsicht ein faires Verfahren, eine "gerechte Interessenabwägung" (vgl. RGZ 171, 168 [171]; BGH, NJW 1959, S 1583 [1584]) ermöglicht. ![]() | |
![]() | |
Die genannte Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines gehörigen, fairen Gerichtsverfahrens, insbesondere aus dem Gebot der "Waffengleichheit im Prozeß" (vgl. BGH, NJW 1978, S 1682) und dem Erfordernis der "Rechtsanwendungsgleichheit". Sie ist damit jedenfalls auch eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, deren Beachtung zu überprüfen dem Bundesverfassungsgericht obliegt. Ob hingegen ein Gericht bei dem Bestreben, dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung im Einzelfall nachzukommen, die im konkreten Fall gegebene beweisrechtliche Situation der Parteien in tatsächlicher Hinsicht richtig eingeschätzt oder alle sonstigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen beachtet hat, wird - als Anwendung einfachen Rechts - durch das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin grundsätzlich nicht überprüft.
| |
(1) Das Oberlandesgericht hat den dem Patienten obliegenden Nachweis, sein Schaden beruhe auf einem ärztlichen Kunstfehler, so lange als nicht geführt angesehen, als - auch nur bei Annahme ungewöhnlicher Umstände - medizinisch nicht auszuschließen sei, daß die Schadensfolge selbst bei sachgerechtem Vorgehen gleichwohl eingetreten sein könne.
| |
Damit hat es vom Patienten etwas gefordert, das dieser grundsätzlich und typischerweise nicht zu leisten vermag. Ungewöhnliche medizinische Umstände sind in vielen Krankheitssituationen denkbar; sie sind vom Patienten, der typischerweise weder über die maßgeblichen Tatsachenkenntnisse noch über medizinisches Wissen verfügt, auch mit Hilfe von Sachverständigen in aller Regel nicht mit Sicherheit auszuschließen. Hingegen wäre der Patient in der Regel imstande, den Nachweis zu führen, eine bestimmte Schadensfolge beruhe unter den "typischen" Bedingungen des betreffenden Eingriffs auf einem ärztlichen Kunstfehler. Der positive Nachweis, es hätten "atypische" Umstände vorgelegen, würde dem Arzt viel leichter fallen.
| |
Für einen derartigen Nachweis hat das Oberlandesgericht den beklagten Arzt nicht beweispflichtig gehalten. Es hat nicht einmal ernsthafte Anhaltspunkte für das Vorliegen ungewöhnlicher Umstände gefordert, sondern sich mit dem Nachweis der "Entzündung" zufriedengegeben. Aus dieser folgte im Falle des Beschwerdeführers aber nicht notwendig, daß es zu Gewebeverwachsungen gekommen war oder gar, daß der nervus accessorius im Bereich des verwachsenen Gewebes gelegen und nicht darstellbar gewesen war; für die noch weitergehende Möglichkeit eines atypischen Verlaufs dieses Nervs endlich bestanden keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.
| |
(2) Das Oberlandesgericht hat weiterhin ausgeführt, eine Umkehr der Beweislast komme auch nicht deshalb in Betracht, weil der Operationsbericht keine nähere Beschreibung über das ![]() ![]() | |
Demgegenüber geht die Rechtsprechung der Fachgerichte heute zunehmend dazu über, eine dem Patienten gegenüber bestehende Pflicht des Arztes zur Dokumentation anzunehmen und Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr vorzusehen, wenn dem Patienten die Beweisführung für einen Arztfehler angesichts eines vom Arzt verschuldeten Aufklärungshindernisses billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BGH, NJW 1978, S 2337).
| |
Eine derartige Folgerung hätte auch im Falle des Beschwerdeführers nahegelegen: Zum einen ist angesichts der generell vorhandenen Beweisschwierigkeiten in Arzthaftungsprozessen oftmals nur aufgrund der ärztlichen Dokumentation der Behandlung ein Beweis für bestimmte Tatsachen und Geschehnisabläufe zu führen; der richtigen und umfassenden Dokumentation der ärztlichen Heilbehandlung kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu. Zum anderen hätte im Falle des Beschwerdeführers der Arzt im Hinblick auf die von ihm behauptete "besondere Situation" (Nerv verborgen bzw verwachsen im verschwielten Nachbargewebe) allen Anlaß gehabt, die Umstände in seinem Operationsbericht festzuhalten, die die Gefahr einer Durchtrennung des nervus accessorius und mithin das Risiko der von ihm durchgeführten Operation erhöhten.
| |
(3) Das Oberlandesgericht hat darüber hinaus den Antrag des Beschwerdeführers, den operierenden Arzt der Nachoperation als Sachverständigen zu hören, abgelehnt, ohne diesen Antrag dahingehend umzudeuten, daß der genannte Sachverständige als sachverständiger Zeuge geladen werden sollte. Diese mangelnde Bereitschaft des Gerichts, den Beweisantrag richtig umzudeuten, wirkte sich - ungeachtet des "Mitverschuldens" des Beschwerdeführers und seines Prozeßbevollmächtigten im Anwaltsprozeß und Parteiprozeß - wiederum in unverhältnismäßi ![]() ![]() | |
(4) Das Gericht hat ferner bei der Prüfung des "ärztlichen Kunstfehlers" aufgrund der konkreten Situation (starke Entzündung) eine Schädigung des nervus accessorius für möglicherweise unvermeidbar erachtet. Demgegenüber hat es innerhalb des Anspruchs aus Verletzung der Aufklärungspflicht bei Entscheidung der Frage, ob der schädigende Erfolg mit einer Aufklärung erfordernden hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, lediglich allgemein festgestellt, daß Verletzungen des Accessoriusnervs "bei Halsoperationen" verhältnismäßig selten vorkämen - dies obwohl angesichts des festgestellten raschen Wachsens der Geschwulst und der Beschwerden des Patienten bereits vor der Operation deutliche Anhaltspunkte für das Bestehen einer Entzündung und mithin einer vom "Regelfall" abweichenden, konkreten medizinischen Situation vorlagen.
| |
Dementsprechend hat das Oberlandesgericht Stuttgart einen Schadensersatzanspruch des Beschwerdeführers nach beiden möglichen Anspruchsgrundlagen versagt. Das Gericht hat dabei nicht berücksichtigt, daß zwischen dem Anspruch aus "Kunstfehler" und dem Anspruch aus "Aufklärungspflichtverletzung" eine wechselseitige Beziehung besteht: Je näher in einer bestimmten Situation die Gefahr eines Schadenseintritts liegt, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß der tatsächlich eingetretene Schaden auf einem ärztlichen Kunstfehler beruht. Umgekehrt wächst, je näher von vornherein die Gefahr eines Schadenseintritts liegt, die Wahrscheinlichkeit, daß der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt hat, wenn er seinen Patienten über die betreffende Gefahr nicht aufgeklärt hat. Derselbe Umstand, der sich im Rahmen eines Anspruchs aus "Kunst ![]() ![]() | |
(5) Endlich hat das Oberlandesgericht die Notwendigkeit, den Beschwerdeführer auf die mögliche Schädigung des nervus accessorius hinzuweisen, auch deshalb verneint, weil der Beschwerdeführer "aller Wahrscheinlichkeit nach" auch dann in die Operation eingewilligt hätte, wenn er über das mögliche Risiko aufgeklärt worden wäre:
| |
Sofern das Oberlandesgericht mit dieser Argumentation die Ursächlichkeit einer möglichen Aufklärungspflichtverletzung für den Schaden ausschließen wollte - wofür der Wortlaut der Stelle, nicht hingegen ihre Stellung innerhalb der Begründung spricht -, so wäre dies nach einfachem Recht bedenklich (vgl. BGH, NJW 1976, S 365). Davon abgesehen aber würde auch hier - insbesondere durch einen Vergleich mit der vom Gericht vorgenommenen Verteilung der Beweislast im Zusammenhang mit dem "ärztlichen Kunstfehler" - ein mangelndes Bestreben des Gerichts nach beweisrechtlicher Ausgewogenheit spürbar: Während das Oberlandesgericht vom Patienten sogar den Nachweis forderte, es habe keine Ausnahmesituation vorgelegen, hätte es sich dann zugunsten des beweispflichtigen Arztes ![]() ![]() | |
Das Oberlandesgericht hat damit nicht nur insgesamt und im Ergebnis, sondern auch in zahlreichen beweisrechtlichen Einzelerkenntnissen die Last stets gegen den Kläger gewendet. Diese jeweiligen Einzelerkenntnisse mögen - was dahingestellt bleiben kann - je für sich allein betrachtet sachgerecht und vertretbar gewesen sein. In dem angegriffenen Urteil werden jedoch die einzelnen Punkte sachlich getrennt nacheinander abgehandelt, ohne daß zur beweisrechtlichen Grundproblematik, zu den Auswirkungen der einzelnen Teilerkenntnisse aufeinander oder auf die Gesamtentscheidung ein Wort verloren wird; insbesondere fehlt jede Begründung, die erkennen ließe, warum das Oberlandesgericht die beweisrechtlichen Anforderungen, die es an den Kläger gestellt hat, in ihrer Gesamtheit für gerechtfertigt angesehen hat. Es ist nicht ersichtlich, daß es zu diesem Punkt überhaupt Überlegungen angestellt hat - ein Mangel, der nicht durch die Tatsache ausgeglichen wird, daß das Oberlandesgericht innerhalb der Einzelpunkte zum Teil auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zu den betreffenden Einzelfragen Bezug genommen hat. Eine derartige Begründung wäre aber im vorliegenden Fall angesichts der generellen Beweisrechtsproblematik, der Häufung der zu Lasten des Klägers gewendeten beweisrechtlichen Teilergebnisse sowie der auf den ersten Blick sich aufdrängenden Nachteile des Klägers in beweisrechtlicher Hinsicht auch bei einer knappen Urteilsbegründung erforderlich gewesen. Ohne eine derartige Begründung muß unter den vorliegenden Umständen davon ausgegangen werden, daß das Oberlandesgericht sich im konkreten Fall seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung, für ein faires Verfahren Sorge zu tragen, nicht oder nur unzureichend bewußt gewesen ist.
| |
d) Schon der Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Erfordernis eines fairen Verfahrens reicht hin, um die angegriffene Entscheidung aufzuheben. Im übrigen beruht die Entschei ![]() ![]() | |
2. Nach Meinung der Richter Rinck, Wand, Rottmann und Träger, die die Entscheidung trägt, ist das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden:
| |
a) Aufgabe des bürgerlichen Rechts ist in erster Linie, Interessenkonflikte zwischen rechtlich gleichgeordneten Rechtssubjekten sachgerecht zu lösen (BVerfGE 30, 173 [199]). Die Verwirklichung dieses Ziels soll durch das Verfahrensrecht ermöglicht werden. Es dient der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Gesichtspunkt richtiger und im Rahmen dieser Richtigkeit gerechter Entscheidungen (BVerGE 42, 64 [73]). Entsprechend der Verfügungsmacht des Einzelnen über privatrechtliche Ansprüche ist im Zivilprozeß da, wo öffentliche Belange nicht berührt werden, den Prozeßparteien im großen Umfang auch die Verfügung über das Verfahren eingeräumt. Augenscheinlichen Ausdruck findet diese besondere prozessuale Position der Parteien in dem die entsprechenden Verfahrensarten prägenden Beibringungsgrundsatz. Ihm zufolge liegt es bei den Prozeßparteien, darüber zu befinden, welchen Tatsachenstoff sie dem Gericht unterbreiten wollen. Dazu gehört auch die Möglichkeit den dem Gericht zur Entscheidung gestellten Sachverhalt durch bestimmtes Prozeßverhalten (vgl. § 138 Abs 3, §§ 288 ff. ZPO) maßgeblich zu beeinflussen.
| |
Diese Ausgestaltung des "Erkenntnisverfahrens" in Zivilsachen als Parteienstreit ist von der Überzeugung geprägt, daß aufgrund einer solchen, der Natur des Privatrechts entsprechenden Ordnung der zutreffende, für die gerichtliche Entscheidung ![]() ![]() | |
Es liegt auf der Hand, daß verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Ausgestaltung des zivilprozessualen "Erkenntnisverfahrens" von seiner Grundkonzeption her nicht begründet sind, und zwar auch insoweit nicht, als die in dieses Verfahren eingebettete Beweisführungspflicht der Parteien mit der sie ergänzenden Beweislastregelung in Frage steht (vgl. hierzu BVerfGE 36, 92). Das gilt auch für die Anwendung ![]() ![]() | |
Ob und wieweit in gleichfalls in der Zivilprozeßordnung geregelten speziellen Verfahren, die unmittelbar auf Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum des Bürgers mit Hilfe staatlicher Gewalt abzielen oder direkt der Abwehr solcher Eingriffe dienen, besondere Anforderungen an die Handhabung des einschlägigen prozeßrechtlichen Instrumentariums durch das Gericht im Blick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Grundrechts zu stellen sind (vgl. BVerfGE 42, 64 [76 f.]; 46, 325 [334 f.]; 49, 220 [225 f.]), kann hier offenbleiben. Die hierzu vom Bundesverfassungsgericht speziell für das Verfahren der Zwangsversteigerung (vgl. BVerfGE 49, 220 [225 f.]) und die abweichende Meinung des Richters Dr. Böhmer zu diesem Beschluß (228 ff.) gezogenen Folgerungen sind jedenfalls nicht verallgemeinernd auf zivilrechtliche "Er ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Ob das Oberlandesgericht bei der Gestaltung seines Verfahrens, bei der Feststellung des seiner Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts und der darauf beruhenden Rechtsanwendung fehlerfrei vorgegangen und die aufgezeigten Verfahrensvorschriften und Verfahrensgrundsätze richtig gesehen, ausgelegt und angewendet hat, ist zunächst eine Frage der Handhabung einfachen Rechts. Diese im Einzelfall zu kontrollieren, obliegt dem Bundesverfassungsgericht nicht (BVerfGE 28, 151 [160]). Es würde dem Sinn der Verfassungsbeschwerde und der besonderen Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht werden, wollte es ähnlich wie eine Revisionsinstanz eine unbeschränkte rechtliche Nachprüfung deshalb für sich in Anspruch nehmen, weil eine gerichtliche Entscheidung oder das ihr zugrundeliegende Verfahren möglicherweise Grundrechte des Beschwerdeführers berührt (BVerfGE 18, 85 [92 f.]; 22, 93 [97 f.]; 30, 173 [196 f.]; 49, 304 [314]). Das Bundesverfassungsgericht kann auf eine Verfassungsbeschwerde hin nur eingreifen, wenn das Fachgericht spezifisches Verfassungsrecht verletzt hat, wenn es also bei seiner Entscheidung von einer unrichtigen Anschauung über die Bedeutung und den Umfang des Schutzbereichs eines Grundrechts ausgegangen ist oder wenn eine fehlerhafte Rechtsauslegung und Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß ![]() ![]() | |
b) Das der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegende beweisrechtliche Verfahren und die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts lassen einen Verfassungsverstoß nicht erkennen. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips oder des Willkürverbots vor.
| |
Wie in jedem zivilprozessualen Erkenntnisverfahren hat auch im Arzthaftungsprozeß grundsätzlich eine Prozeßpartei diejenigen Tatsachen zu beweisen, aus denen sie in Verbindung mit den entsprechenden materiell-rechtlichen Normen die von ihr geltendgemachte günstige Rechtsfolge herleitet. Die Beweislast für die Behauptung, der Arzt habe bei der Behandlung gegen die Regeln der ärztlichen Wissenschaft verstoßen, liegt danach zunächst beim geschädigten Patienten (BGHZ 61, 118 [120]). Davon ging auch das Oberlandesgericht aus. Es hat hierbei nicht übersehen, daß die Rechtsprechung - insbesondere im Arzthaftungsprozeß - im Blick auf anerkannte Erfahrungssätze und besondere Verfahrenslagen Beweiserleichterungen zuläßt, die, je nach Gestaltung des Einzelfalles, bis hin zur Umkehr der Beweislast führen können (BGH, NJW 1961, S 777; NJW 1963, S 389 [390]; NJW 1972, S 1520 mw Nachw und neuerdings BGH, JZ 1978, S 721). Ob das Gericht die Voraussetzungen für solche Beweiserleichterungen, wie der Beschwerdeführer behauptet, unzutreffenderweise nicht glaubte feststellen zu können, wäre im Verfassungsbeschwerde-Verfahren nur dann relevant, wenn die Entscheidung insoweit von Erwägungen getragen würde, die sich als sachfremd erwiesen und in keiner Weise nachvollziehbar, im Ergebnis also willkürlich wären (Art 3 Abs 1 GG). Davon kann keine Rede sein.
| |
aa) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, es habe nicht festgestellt werden können, daß der für die Behandlung des Beschwerdeführers verantwortliche Arzt bei der Halsoperation gegen anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft verstoßen habe, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das ![]() ![]() ![]() ![]() | |
bb) Das Oberlandesgericht war verfassungsrechtlich auch nicht gehalten, über die Behauptung des Beschwerdeführers, dem behandelnden Arzt sei bei der Operation ein "Kunstfehler" unterlaufen, weiteren Beweis zu erheben. Den Antrag des Beschwerdeführers, den nachbehandelnden Neurochirurgen Dr. T. als zusätzlichen Sachverständigen über dieses Beweisthema zu hören, hat das Gericht mit prozeßrechtlichen Argumenten abgelehnt, die jeder verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten. Sachfremde, willkürliche Erwägungen liegen dieser Entscheidung, die ersichtlich auf der in der Rechtsprechung anerkannten Auslegung des § 412 ZPO und der danach entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 244 Abs 4 StPO beruht (BGHZ 53, 245 [258]), nicht zugrunde.
| |
Ob das Gericht den Beweisantrag des Beschwerdeführers dahin hätte umdeuten dürfen oder müssen, daß Dr. T. als sachverständiger Zeuge über seine Wahrnehmungen bei der Nachoperation und über mögliche Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Operationsgebietes zur Zeit des sechs Monate früher durchgeführten operativen Eingriffs aussagen solle, ist eine ![]() ![]() ![]() ![]() | |
cc) Wie bereits ausgeführt, hält das Urteil des Oberlandesgerichts auch der verfassungsrechtlichen Nachprüfung stand, soweit die gerichtliche Handhabung der Regeln über die Beweislast in Frage steht. Nachdem das Gericht nicht feststellen konnte, daß der behandelnde Arzt bei der Operation vom 22. Juni 1971 die anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft verletzt hat, hätte der Beschwerdeführer insoweit im Rechtsstreit nach den geltenden beweisrechtlichen Grundsätzen nur dann Erfolg haben können, wenn zu seinen Gunsten Beweiserleichterungen eingegriffen hätten. Dies hat das Oberlandesgericht mit verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung verneint.
| |
Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß schon der unbestrittene und ersichtlich vom Oberlandesgericht übernommene Sachvortrag, der nervus accessorius könne im Regelfalle bei der hier zu beurteilenden Operation nicht verletzt werden, weil er zu weit von der Operationsstelle entfernt liegt und außerdem durch einen Muskelstrang verdeckt ist, zu einer Umkehr der Beweislast hätte führen müssen, begegnet bereits aus der Sicht des einfachen Rechts Bedenken. Der übereinstimmende Sachvortrag der Parteien über die Lage des Operationsgebiets und die dadurch im Regelfall gegebene Unwahrscheinlichkeit einer Gefährdung des Nervs durch den operativen Eingriff hat zwar Bedeutung für die Frage des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht. Er zwingt jedoch nicht zu der Folgerung, die vom Gericht unterstellte Beschädigung des Nervs indiziere bei sol ![]() ![]() | |
Schließlich war das Oberlandesgericht auch nicht von Verfassungs wegen gehalten, im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gerügte "Unvollständigkeit" der im Krankenblatt zusammengefaßten Aufzeichnungen über die Krankheitsgeschichte die Beweislage im Rechtsstreit anders als geschehen zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat, wie sein ausdrücklicher Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dessen Entscheidung vom 16. Mai 1972 (NJW 1972, S 1520) zeigt, die Frage geprüft, ob die Tatsache, daß der im übrigen nicht beanstandete Operationsbericht keine nähere Beschreibung des vorgefundenen entzündeten Gewebes im Operationsbereich enthält, hier zu einer Umkehr der Beweislast oder zu sonstigen Beweiserleichterungen führen könne. Es hat dabei ersichtlich mit berücksichtigt, daß in der dokumentierten Schilderung des Operationsverlaufs und der angewandten Operationstechnik jedenfalls Einzelhinweise auf die Beschaffenheit des Operationsfelds (Nichtisolierbarkeit des Hautmuskels vom Tumor, Umgebung der Wand des Tumors mit dickem derbem Gewebe, Präparation und Entfernung eines derben Bindegewebestranges, der zur Karotisgabel zieht) enthalten waren, die von den zugezogenen Sachverständigen in ihren Gutachten auch entsprechend verwertet werden konnten. Bei solcher Sachlage kann es nicht als sachfremd und willkürlich beurteilt werden, wenn das Fachgericht das ihm vorliegende Krankenblatt in Rücksicht auf dessen therapeutische Funktion (UA S 15) als eine im kon ![]() ![]() | |
dd) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht zu prüfen, ob das Oberlandesgericht bei der Gestaltung seines Verfahrens und bei seiner Urteilsfindung allen Anforderungen gerecht wurde, die die Verfahrensordnung in ihrer zweckbedingten Ausrichtung auf die Verwirklichung des materiellen Rechts an den zur Entscheidung berufenen Richter stellt (vgl. oben Ziff. I 2a). Verfassungsrechtlich halten jedenfalls, wie dargelegt, die beanstandeten beweisrechtlichen Beurteilungen und Entscheidungen des Gerichts der Überprüfung stand. Sie bieten auch, im Zusammenhang gesehen, keinen Anlaß anzunehmen, die gerichtliche Handhabung des Beweisrechts im ganzen weise auf der Ebene des einfachen Rechts in einer solchen Häufung Mängel zu Lasten des Beschwerdeführers auf, daß sie mit den das zivilprozessuale Verfahren bestimmenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und dem Gebot egalitärer Rechtsanwendung nicht mehr vereinbar sei. Zwar hat sich das Oberlandesgericht bei der Abfassung des äußerst knappen Urteils ersichtlich nur an die Mindestanforderungen gehal ![]() ![]() | |
II.
| |
Das Beschwerdevorbringen läßt die Deutung zu, daß der Beschwerdeführer das oberlandesgerichtliche Urteil auch angreift, soweit ihm der weiter geltendgemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht versagt wurde. Der Senat hat deshalb auch diesen Teil des Berufungsurteils in seine verfassungsrechtliche Prüfung einbezogen. Nach Meinung der Mehrheit der Richter des Senats hält die Entscheidung der Nachprüfung stand.
| |
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslegung und Anwendung des bürgerlichen Rechts als solche grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Die in den Grundrechten der Verfassung zum Ausdruck kommende objektive Wertordnung wirkt jedoch auch ![]() ![]() | |
2. a) Das Oberlandesgericht geht, wie aus dem Urteilszusammenhang zu entnehmen ist, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof davon aus, daß ein ärztlicher operativer Eingriff, auch wenn er "kunstgerecht" durchgeführt wird, zu seiner Rechtfertigung grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedarf. Es erkennt auch an, daß eine solche Entscheidung des Patienten im Grunde voraussetzt, daß dieser zuvor vom fachkundigen Arzt über die für seine Entschließung wesentlichen Gesichtspunkte, in der Regel also über den ärztlichen Befund und die danach drohenden Folgen für Leib und Leben, über die Art des vorgesehenen Eingriffs, über die dadurch erwarteten Heilungschancen und über die mit dem Eingriff verbundenen Gefahren und Risiken aufgeklärt worden ist. Das Gericht kam dennoch zum Ergebnis, daß die Einwilligung des Beschwerdeführers in die Operation wirksam erteilt worden sei, weil nach Lage des Falles hier der behandelnde Arzt nach den von der Literatur und Rechtsprechung zur Frage des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht entwickelten Grundsätzen nicht gehalten gewesen sei, den Beschwerdeführer auch auf eine mögliche Schädigung des nervus accessorius hinzuweisen.
| |
Entscheidend für das Gericht war insoweit der unbestrittene Sachvortrag der Parteien. Es leitete daraus ab, daß bei der Lage ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Ob das Oberlandesgericht im übrigen den ihm von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt anhand des dargelegten einfachrechtlichen Maßstabs zutreffend gewürdigt und die dabei erforderlichen Abwägungen richtig vollzogen hat, entzieht sich der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Anhaltspunkte für eine sachfremde, willkürliche Rechtsanwendung (Art 3 Abs 1 GG) fehlen.
| |
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung über die Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht ergeben sich auch nicht aus Art 2 Abs 1 GG.
| |
Zwar wird bei der gegenwärtigen Gesetzeslage und der darauf beruhenden höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl im Strafrecht als auch auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Haftungsrechts die ärztlich angezeigte und kunstgerecht durchgeführte, mit einer Einwirkung auf die körperliche Integrität des Patienten verbundene Heilbehandlung im Falle des Fehlens einer wirksamen Einwilligung als Körperverletzung behandelt. Die Rechtsprechung hat damit diesen Rechtsvorschriften, indem sie die Wirksamkeit der Einwilligung von einer pflichtgemäßen, allen Anforderungen genügenden Aufklärung abhängig macht, zugleich die Aufgabe zugewiesen, das in Art 2 Abs 1 GG gewährleistete Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu schützen. Die Verfassung gebietet indes nicht, diesen Schutz gerade in solcher rechtlichen Ausgestaltung zu verwirklichen.
| |
Es bedarf im vorliegenden Fall nicht der Entscheidung, in welchem Umfang das Grundrecht des Art 2 Abs 1 und 2 GG den Gesetzgeber verpflichtet, die in dieser Verfassungsnorm genannten Rechtsgüter haftungsrechtlich abzusichern (vgl. BVerfGE 39, 1 [41 ff.]; 49, 304 = JZ 1979, S 60 [62] mit Anmerkung von Starck, S 63 f.). Obwohl das Wertsystem des Grundgesetzes seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen ![]() ![]() | |
Die Gründe, die die von der Rechtsprechung im Rahmen zulässiger Gesetzesauslegung und im Vorgriff auf erwartete gesetzgeberische Initiativen geübte behutsame Einschränkung der zivilrechtlichen ärztlichen Haftung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht rechtfertigen, sind vielschichtig:
| |
Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist, so Eberhard Schmidt (Der Arzt im Strafrecht, in: Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, 2. Aufl, 1957, S 2), weit mehr als eine ![]() ![]() ![]() | |
III.
| |
Sonstige Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers, insbesondere sein Anspruch auf rechtliches Gehör, wurden durch die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ebenfalls nicht verletzt.
| |
Wir bedauern, der Entscheidung des Senats nicht zustimmen zu können. Nach unserer Auffassung hätte der Verfassungsbeschwerde stattgegeben werden müssen, weil die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart auf einer Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art 2 Abs 1 GG beruht.
| |
Die rechtlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils zur Notwendigkeit der Aufklärung bei ärztlichen Heileingriffen verkennen prinzipiell die insoweit durch Art 2 Abs 2 Satz 1 GG verbürgte freie Selbstbestimmung des Patienten und ihre normative Einwirkung auf die ärztliche Aufklärungspflicht.
| |
1. a) Die rechtliche Konzeption der Aufklärungspflicht bei Heileingriffen ist von Rechtsprechung und Rechtslehre im Rahmen des Rechtsinstituts der Einwilligung bei zivilrechtlichen und strafrechtlichen Deliktstatbeständen entwickelt und fortgebildet worden (vgl. Eb. Schmidt, Empfiehlt es sich, daß der Gesetzgeber die Fragen der ärztlichen Aufklärungspflicht regelt? Gutachten für den 44. Deutschen Juristentag, in: Ver ![]() ![]() | |
b) Das Bundesverfassungsgericht prüft rechtskräftige Urteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auf Verfassungsbeschwerde hin nur in sachlich begrenztem Umfang nach (BVerfGE 18, 85 [92 f.]; 30, 173 [196 f.]; 32, 311 [316]; 34, 269 [279 ff.]; 42, 143 [147 ff.]; 49, 304 [314]). Insbesondere sind die Feststellung und Würdigung des tatbestandlich erheblichen Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts wie auch die Feststellung des Inhalts von Gewohnheitsrecht und seine Anwendung auf den anhängigen Fall Sache der Fachgerichte.
| |
c) Etwas anderes gilt dann, wenn die angegriffene Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und dem Schutzbereich eines Grundrechts beruht, zumal wenn sie die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die Feststellung, Auslegung oder Anwendung einfachen Rechts grundsätzlich verkennt (vgl. BVerfGE 4, 52 [58]; 7, 198 [205 ff.]; 18, 85 [92 f.]; 22, 93 [97 f.]; 24, 278 [281 f.]; 25, 256 [263 ff.]; 30, 173 [187f, 196 f.]; 32, 311 [316]; 34, 269 [280]; 35, 202 [219]; 42, 143 [147 ff.]; 42, 163 [168]; 49, 304 [314]; Hesse, EuGRZ 1978, S 427 [432 f.]). Dies ist hier der Fall.
| |
2. Unabhängig davon, ob sie als Rechtsgüterverzicht, der schon die Tatbestandsmäßigkeit, oder als Rechtfertigungsgrund, der das rechtliche Unwerturteil über ein tatbestandsmäßig-deliktisches Verhalten nicht aufkommen läßt, verstanden wird, ist die Einwilligung eines der auch praktisch bedeutsamsten Rechtsinstitute. Die Einwilligung bedingt und begrenzt die Rechtmäßigkeit eines rechtserheblichen Verhaltens, das ohne wirksame Einwilligung rechtlicher Mißbilligung ausgesetzt wäre. Ungeachtet der Besonderheiten, die sich aus den verschiedenen Rechtsgebieten ergeben, sind die Einwilligungstatbestände "Generalklauseln" im weiteren Sinne der Entscheidung BVerfGE 7, 198 (206), d.h. sie sind Ausdruck grundlegender ![]() ![]() | |
3. Das Erfordernis der Einwilligung auch zu diagnostischen, zu vorbeugenden und zu Heileingriffen hat seine normative Wurzel in den grundlegenden Verfassungsprinzipien, die zu Achtung und Schutz der Würde und der Freiheit des Menschen und seines Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit verpflichten, Art 1 Abs 1; 2 Abs 1, 2 Satz 1 GG. Indem das einschlägige materielle Recht das grundsätzliche Erfordernis der Einwilligung aufstellt, genügt es grundsätzlich den in diesem Zusammenhang von Art 1, 2 GG her gestellten Anforderungen.
| |
Verfehlt wäre es, dem Kranken oder Gebrechlichen, weil seine Gesundheit oder sein Körper bereits versehrt seien, nur ein gemindertes Maß an Selbstbestimmungsrecht zuzusprechen, und deshalb Eingriffe zum Zwecke der Diagnose, Vorbeugung, Linderung, Besserung oder Behebung eines Leidens dem Erfordernis der Einwilligung zu entziehen oder nur geringere Anforderungen an die Einwilligung und das in ihrem Rahmen gebotene Maß an Aufklärung zu stellen. Das Grundrecht des Art. ![]() ![]() | |
Verfehlt ist es auch, wenn im Schrifttum (vgl. Eb. Schmidt, aaO, S 44, 118), wie es scheint, Zweifel daran gehegt werden, daß die normative Regelung des ärztlichen Heileingriffs oder ihre Anwendung im Einzelfall überhaupt an Art 2 Abs 2 Satz 1 GG gemessen werden dürfe, weil dieses Grundrecht im Hinblick auf die zwangsweisen Menschenversuche und Sterilisationen des nationalsozialistischen Regimes entworfen worden sei, um ähnlichen Untaten zu wehren. Gewiß ist dieser historische Anlaß der Gewährleistungen des Art 2 Abs 2 Satz 1 GG nicht zu verkennen; und sicherlich ist der soziale Sinn von ärztlichen Heileingriffen mit dem verbrecherischen Gebaren ![]() ![]() | |
4. Die Verwurzelung des normativen Erfordernisses der Einwilligung zu ärztlichen Heileingriffen in grundlegenden Verfassungsprinzipien und der ihr zugrundeliegende Sinn, dem vom Eingriff Betroffenen die Möglichkeit zu verbürgen, sein Selbstbestimmungsrecht über seine leiblich-seelische Integrität ![]() ![]() | |
a) Damit eine freie Entscheidung des einwilligungsfähigen Patienten möglich sei, ist typischerweise, d.h. sofern er nicht auf ihre Kenntnis wirksam verzichtet, erforderlich, daß der Patient die für seine Entscheidung bedeutsamen Umstände kennt. Bedeutsame Umstände in diesem Sinne sind zumindest der angenommene medizinische Befund, die Art des geplanten Eingriffs und seine voraussichtliche gesundheitliche Tragweite sowie - bezogen auf die konkrete Situation dieses Patienten - die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden Heilungsmöglichkeiten oder Besserungsmöglichkeiten und Heilungsaussichten, mögliche andere medizinisch sinnvolle Behandlungsweisen, ferner die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden oder möglichen, nicht völlig unerheblichen Risiken einer Verschlechterung des Gesundheitszustands dieses Patienten. Offenbleiben mag für den vorliegenden Fall, ob etwa für schwerwiegende Eingriffe mit erheblichen Risiken der konkrete Erfahrungsstand des Operateurs mit Operationen dieser Art unter die Aufklärungspflicht fällt.
| |
Erst die Kenntnis dieser Umstände in ihrer Gesamtheit und Bedeutung für die konkrete Situation ermöglicht dem Patienten, der dazu willens ist, eine Abwägung dahin, ob er sich dem Eingriff durch diesen Arzt unterziehen will oder nicht, insbesondere ob er den geplanten Eingriff als nach seiner Auffassung notwendig, sinnvoll und hinreichend erfolgversprechend ansieht. Diese Voraussetzungen der Abwägungsmöglichkeit zu vermitteln, damit eine wirksame Einwilligung erklärt werden könne, ist typischerweise der Sinn der ärztlichen Aufklärungspflicht; dieser grundsätzliche Umfang ist bei der Bestimmung ihres einfachrechtlichen normativen Gehalts von Ver ![]() ![]() | |
b) Dies gilt insbesondere für die unter den konkreten Umständen für den Patienten mit einem Eingriff verbundenen gesundheitlichen Risiken. Deshalb erstreckt sich die Aufklärungspflicht auf alle nicht völlig unerheblichen Gefahren, die mit einer Behandlung der geplanten Art in dem Sinn verbunden zu sein pflegen, daß mit dem Eintreten eines Schadens nach dem jeweiligen Stand medizinischer Wissenschaft, Technik und Erfahrung gerechnet werden muß (vgl. BGHZ 29, 46 [57]). Es sind weithin Fragen des einfachen Rechts und seiner Anwendung im Einzelfall, wo dabei Grenzen der Aufklärungspflicht liegen, etwa welches Maß an Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines gesundheitlichen Schadens hinreichend ist, um insoweit die Aufklärungspflicht im konkreten Einzelfall auszulösen; wo jeweils die Grenze zwischen der ernsthaften Schädigung und der unerheblichen Beeinträchtigung nach objektiver, vernünftiger Betrachtung zu ziehen ist; von welchem Maß an Aufgeklärtheit an der Betroffene auf eine entsprechende Mitwirkung durch Fragen verwiesen werden kann (- sofern ihm zuvor die Fragwürdigkeit der Lage deutlich geworden ist -); welche Begrenzungen der gebotenen Aufklärung ausnahmsweise daraus entspringen können, daß eine volle Aufklärung etwa über den Befund nicht ohne schwere Gefahren für die körperliche oder seelische Verfassung des Patienten möglich ist und der Patient nicht gleichwohl ernsthaft auf einer Aufklärung besteht, die ihm dann nicht verweigert werden darf (vgl. Eb. Schmidt, aaO, S 140 ff.).
| |
Eine grundlegende Verkennung der Einwirkung des Art 2 Abs 2 Satz 1 GG auf die Reichweite der ärztlichen Aufklärungspflicht wäre es allerdings, eine Aufklärung dann grundsätzlich für entbehrlich oder nur in einem eingeschränkten Umfang für erforderlich zu halten, wenn eine Abwägung nach den Maßstäben eines postulierten "vernünftigen Patienten" zwischen der Schwere des Leidens und der Dringlichkeit und Not ![]() ![]() | |
Ein derartiges Verständnis des Selbstbestimmungsrechts des Patienten läuft auch nicht einem - gerade auch im Interesse des Patienten liegenden - besonderen Vertrauensverhältnis (vgl. § 627 Abs 1 BGB) zwischen Arzt und Patient zuwider. Zumal unter den Bedingungen moderner, notwendigerweise arbeitsteilig funktionierender Kliniken und medizinischer Techniken und Verfahren, denen sich ein Patient heutzutage insbesondere bei operativen Eingriffen regelmäßig überantwortet - häufig genug kennt er weder den Operateur noch dessen konkreten Erfahrungsstand mit Operationen dieser Art -, sind andere Voraussetzungen für die Bildung eines Vertrauensverhältnisses gegeben als zwischen dem Patienten und seinem Hausarzt. Ein besonderes Vertrauensverhältnis wird unter diesen Bedingungen noch am ehesten dann gedeihen, wenn der Patient über die ihm zureichend angebotene Aufklärung die Gewißheit gewinnt, daß ![]() ![]() | |
Die Aufklärung des Patienten befreit den Arzt von der Last der alleinigen Verantwortung. Sie macht den Patienten im Hinblick auf die zu treffenden Entscheidungen zu einem verständigen Partner; sie setzt ihn regelmäßig überhaupt erst in Stand, die Schwierigkeit einer Lage, gegebenenfalls auch die Grenzen menschlichen Vermögens und Bemühens, zu erkennen, von da aus eventuell mit weiteren Fragen einzusetzen und sein Selbstbestimmungsrecht sinnvoll wahrzunehmen. Den Unsicherheiten ärztlicher Diagnose und ärztlichen Handelns trägt eine richtig verstandene Aufklärungspflicht gleichfalls Rechnung: Fordert sie doch vom Arzt nicht mehr, als daß er seine Kenntnis von der bestehenden Situation mit ihren Unsicherheiten und Risiken an den Patienten weitergibt - sofern dieser nicht hierauf verzichtet hat. Der Patient wird in die Kenntnis des Risikos einbezogen, dessen eventuellen Konsequenzen er, läßt er den Eingriff zu, ohnehin nicht entgehen kann. Er wird so zum verantwortlichen Partner des Arztes. Realisiert sich das Risiko, trifft ihn dies nicht völlig unerwartet. Daraus wird freilich auch deutlich, daß die Aufklärung dem Patienten, der auf sie nicht ![]() ![]() | |
Mit den aus der Verfassung abzuleitenden Grundsätzen stimmt die recht verstandene Rechtsprechung der Fachgerichte und insbesondere des Bundesgerichtshof weitgehend überein (vgl. z.B. BGHSt 11, 111; BGHZ 29, 46 ff.; 29, 176 ff.; BGH, NJW 1971, S 1887f; 1972, S 335 ff.; 1973, S 556; 1974, S 1422; 1976, S 365; 1978, S 587). Im Unterschied zur Entscheidung des Senats meinen wir indes, daß das Oberlandesgericht diese Grundsätze teilweise verkannt hat und seine Entscheidung darauf beruht.
| |
5. a) Nach Auffassung des Senats hat das Oberlandesgericht entschieden (vgl. S 12 der Senatsentscheidung), daß bei der gegebenen Lage und Beschaffenheit des Operationsfeldes, so wie sie sich vor dem Eingriff bei der ärztlichen Untersuchung darstellten, eine Beeinträchtigung des Akzessoriusnervs durch die geplante operative Maßnahme nicht in Betracht gezogen werden mußte und deshalb eine diesbezügliche Aufklärungspflicht vor der Operation nicht bestanden hat; und daß es weiter gefolgert hat, daß angesichts der besonderen Umstände des Falles der Beschwerdeführer auch bei Kenntnis des sich während der Operation andeutenden Risikos einer Nervschädigung als verständiger Patient in die Operation eingewilligt hätte.
| |
b) Dieses Verständnis der Argumentation des Oberlandesgerichts, auf der die weiteren Ausführungen des Senats aufbauen, vermögen wir nicht zu teilen:
| |
aa) Das Oberlandesgericht hat an der zitierten Stelle das Bestehen einer Aufklärungspflicht nicht aus dem Grunde verneint, in der konkreten Situation sei mit dem eingetretenen Schaden vor der Operation nicht zu rechnen gewesen, und habe anschließend Zusatzerwägungen zur Frage der Auswirkungen eines sich erst "während der Operation andeutenden" Zusatzrisikos angestellt.
| |
bb) Es hat vielmehr das Bestehen einer vor der Operation ![]() ![]() | |
Im Rahmen seiner Gesamtabwägung hat das Oberlandesgericht die für die Operation sprechenden Gesichtspunkte konkret abgehandelt. Das Ausmaß der Wahrscheinlichkeit einer möglichen Nervverletzung hat es allgemein "bei Halsoperationen" geprüft; die konkrete "Lage und Beschaffenheit des Operationsfeldes, so wie es sich vor dem Eingriff bei der ärztlichen Untersuchung darstellte", hat es hierbei nicht mit in die Betrachtung einbezogen.
| |
cc) Für dieses Verständnis der Entscheidung des Oberlandesgerichts sprechen insbesondere folgende Gesichtspunkte: Die entscheidenden Überlegungen des Oberlandesgerichts bilden nicht nur äußerlich eine Einheit; sie führen auch zu einer einheitlichen Schlußfolgerung, nämlich zu dem am Ende der Gesamtüberlegung stehenden Satz, der Beklagte sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf die mögliche Schädigung des Akzessoriusnervs hinzuweisen.
| |
Wäre demgegenüber der Auffassung des Senats zu folgen, so ![]() ![]() | |
Hinzu kommt, daß das Oberlandesgericht im Hinblick auf die Häufigkeit eines möglichen schädigenden Erfolges lediglich festgestellt hat, Verletzungen des Akzessoriusnervs kämen bei Halsoperationen verhältnismäßig selten vor. Diese allgemeine und unpräzise Feststellung wäre nach Rechtsprechung der Fachgerichte für sich allein keineswegs geeignet, das Bestehen einer Aufklärungspflicht deshalb auszuschließen, weil eine Schädigung des Akzessoriusnervs vor der Operation gänzlich unwahrscheinlich gewesen sei und deshalb überhaupt nicht habe in Betracht gezogen werden müssen.
| |
c) Die Auslegung des Inhalts und Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht im konkreten Fall durch das Oberlandesgericht verstößt gegen die durch das Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers aufgerichteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe: Das Oberlandesgericht hat das Bestehen einer Aufklärungspflicht mit der Überlegung verneint, angesichts der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Operation, der verhältnis ![]() ![]() | |
Hiergegen bestehen schwere verfassungsrechtliche Bedenken: Wenn der Bundesgerichtshof in der Entscheidung VI ZR 76/70 - NJW 1972, S 335 (337) - ausführt, auch bei geringer Wahrscheinlichkeit schädlicher Folgen des Eingriffs komme eine Aufklärung über diese Folgen umso eher in Betracht, je weniger der mit dem Eingriff bezweckte Erfolg einem vernünftigen Menschen dringlich und geboten erscheinen müsse, so ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu verfassungswidrigen Ergebnissen aber muß es führen, diese allgemeine Aussage in dem Sinne umzukehren, daß eine Aufklärung umso weniger geboten sei, je notwendiger der Eingriff aus medizinischer Sicht ist. Dies kann allenfalls für die zeitliche Dringlichkeit eines Eingriffs gelten, wenn sofortiges Handeln erforderlich ist. Daß im vorliegenden Fall aus zeitlichen Gründen eine Aufklärung nicht mehr möglich gewesen wäre, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt; dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor.
| |
Der Maßstab, den das Oberlandesgericht zugrunde legt, bedeutet nicht weniger, als daß je notwendiger der Eingriff und je größer das mit seinem Unterbleiben verbundene Risiko ist, ![]() ![]() | |
Während sich die Antwort auf die Frage, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine spürbare, nicht völlig unerhebliche Schädigung oder Beeinträchtigung besteht, notwendigerweise nach allgemeinen Kriterien medizinischer Wissenschaft und Erfahrung - bezogen auf die konkrete Lage dieses Patienten - richten muß, sind alle weiteren Wertungen, insbesondere die Abwägung zwischen der Notwendigkeit des Eingriffs und dem Gewicht der möglicherweise zu erwartenden Folgen von Verfassungs wegen Sache des Patienten. Demgegenüber mutet die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts insoweit dem Patienten letztlich zu, nach den Maßstäben Dritter "vernünftig" zu sein - eine Auffassung, die den Sinn des durch Art 2 Abs 2 GG verbürgten Selbstbestimmungsrechts des Patienten grundlegend verkennt.
| |
Daneben hat das Oberlandesgericht im Rahmen der von ihm vorgenommenen Gesamtabwägung festgestellt, Verletzungen des Akzessoriusnervs kämen "bei Halsoperationen verhältnismäßig selten vor": Damit hat es die Frage der Wahrscheinlichkeit eines möglichen schädigenden Erfolges nur unter allgemeinen Gesichtspunkten bewertet, ohne insoweit auf die besondere Situation des Klägers und auf die "Lage und Beschaffenheit des Operationsfeldes, so wie es sich vor dem Eingriff bei der ärztlichen Untersuchung darstellte" Rücksicht zu nehmen; diejenigen Momente, aus denen es die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Operation ableitete, hat es demgegenüber unter den Gesichtspunkten des konkreten Falles betrachtet.
| |
Diese "allgemeine" Betrachtungsweise bei der Frage der Wahrscheinlichkeit des schädigenden Erfolges war im vorliegenden Fall nicht etwa notwendigerweise in der Fallkonstellation begründet; insbesondere wäre anhand der vom Oberlan ![]() ![]() | |
Die mangelnde konkrete Betrachtungsweise in diesem Punkt findet ihre Rechtfertigung auch nicht darin - wie die Senatsentscheidung annimmt -, daß - was gewiß richtig ist - die Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber dem Patienten sich "in erster Linie nach Gesichtspunkten (richtet), die aus der Sicht vor dem operativen Eingriff vom medizinischen Standpunkt aus für die Entscheidung des Patienten für oder gegen die vorgeschlagene Therapie bedeutsam sein können":
| |
Die Forderungen, daß die für die Entscheidung des Patienten bedeutsamen Gesichtspunkte aus der Sicht vor dem geplanten Eingriff zu betrachten sind und daß Sie auf die jeweilige konkrete Situation dieses Patienten bezogen sein müssen, stehen nebeneinander und widersprechen sich nicht. Entsprechend enthebt eine ex ante angestellte Betrachtung nicht schon der Notwendigkeit, zugleich der Forderung nach einer möglichst konkreten Betrachtungsweise - bezogen auf den Gesundheitszustand des jeweiligen Patienten - nachzukommen. ![]() | |
![]() | |
6. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf diesem Verfassungsverstoß und verletzt deshalb das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art 2 Abs 1 GG. Denn es ist nicht auszuschließen, daß ohne diesen Verstoß der Klage stattgegeben worden wäre. Dabei ist hier über die Rechtsnatur eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Aufklärungspflicht, insbesondere im Hinblick auf die Art des verletzten Rechtsguts und des Schadens sowie seiner Berechnung (vgl. dazu unter anderem A Laufs, NJW 1969, S 529 ff.; ders, NJW 1974, S 2025 ff.; Deutsch, NJW 1978, S 1657 ff., 1660), von Verfassungs wegen nicht zu befinden. Ebensowenig spielt im vorliegenden Zusammenhang eine Rolle, ob solche Schadensersatzpflichten von Verfassungs wegen im einfachen Recht vorgesehen sein müssen, oder wie das Haftungsrecht bei ärztlichen Eingriffen im einzelnen auszugestalten ist. Hier reicht die Feststellung aus, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatz bei Verletzung der Aufklärungspflicht grundsätzlich möglich ist (vgl. BGH, VersR 1958, S 552; 1967, S 495 [496]; verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Möglichkeit sind nicht ersichtlich.
| |