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BVerfGE 158, 89 - PSPP Vollstreckungsanordnung
BVerfGE 157, 1 - CETA-Organstreit I
BVerfGE 154, 17 - PSPP-Programm der EZB
BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion
BVerfGE 146, 216 - PSPP-Vorlagebeschluss
BVerfGE 142, 123 - OMT-Programm
BVerfGE 140, 317 - Identitätskontrolle
BVerfGE 140, 160 - Evakuierung aus Libyen
BVerfGE 137, 185 - Rüstungsexport
BVerfGE 135, 317 - ESM-Vertrag
BVerfGE 134, 366 - OMT-Beschluss
BVerfGE 132, 195 - Europäischer Stabilitätsmechanismus
BVerfGE 131, 152 - Unterrichtungspflicht
BVerfGE 129, 124 - EFS
BVerfGE 129, 78 - Anwendungserweiterung
BVerfGE 126, 286 - Ultra-vires-Kontrolle Honeywell
BVerfGE 126, 55 - G8-Gipfel Heiligendamm
BVerfGE 123, 267 - Lissabon
BVerfGE 121, 135 - Luftraumüberwachung Türkei
BVerfGE 118, 277 - Verfassungsrechtlicher Status der Bundestagsabgeordneten
BVerfGE 104, 23 - Altenpflegegesetz
BVerfGE 92, 203 - EG-Fernsehrichtlinie
BVerfGE 89, 155 - Maastricht
BVerfGE 75, 223 - Kloppenburg-Beschluß
BVerfGE 73, 339 - Solange II
BVerfGE 70, 324 - Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste
BVerfGE 60, 319 - Parlamentsgruppe Bremen
BVerfGE 58, 1 - Eurocontrol I
BVerfGE 41, 291 - Strukturförderung
BVerfGE 37, 271 - Solange I
BVerfGE 24, 33 - AKU-Beschluß
BVerfGE 10, 20 - Preußischer Kulturbesitz
BVerfGE 3, 58 - Beamtenverhältnisse
BVerfGE 1, 396 - Deutschlandvertrag
BVerfGE 1, 372 - Deutsch-Französisches Wirtschaftsabkommen
BVerfGE 1, 351 - Petersberger Abkommen


A.
I.
1. Die Europäische Union und Kanada beschlossen auf ihrem Gi ...
2. CETA – ein Freihandelsabkommen "neuer Generation" &ndash ...
3. Am 5. Juli 2016 unterbreitete die Europäische Kommission, ...
II.
1. Der Beschwerdeführer zu I. hat mit Schriftsatz seines Bev ...
2. Die Beschwerdeführer zu II. rügen eine Verletzung de ...
3. Die Beschwerdeführer zu III. – Abgeordnete der Frak ...
4. Die Beschwerdeführer zu IV. haben mit Schriftsatz vom 29. ...
5. Die Antragstellerin zu V. hat im Organstreit mit Schriftsatz v ...
III.
1. Die Bundesregierung erachtet die Verfassungsbeschwerden der Be ...
2. Nach Ansicht des Deutschen Bundestages sind die Verfassungsbes ...
3. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat erg ...
IV.
1. Mit Urteil vom 13. Oktober 2016 hat der Senat in den vorliegen ...
2. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 hat der Senat in den Verfah ...
3. Nach den Entscheidungen des Senats hat der Gerichtshof der Eur ...
B.
I.
1. Bei verständiger Würdigung wenden sich die Beschwerd ...
2. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, soweit sie sich ...
3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführ ...
II.
1. Die Beteiligten des Verfahrens sind Verfassungsorgane oder Tei ...
2. Mangels unmittelbarer Rechtswirkungen unzulässig ist die  ...
C.
I.
1. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutsch ...
2. Die Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des Rates ...
II.
Bearbeitung, zuletzt am 19.12.2023, durch: Sabrina Gautschi, A. Tschentscher
BVerfGE 160, 208 (208)CETA – Vorläufige Anwendung
 
 
Beschluss
 
des Zweiten Senats gemäß § 24 BVerfGG vom 9. Februar 2022
 
– 2 BvR 1368, 1444, 1482, 1823/16 und 2 BvE 3/16 –  
in den Verfahren I. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Prof. Dr. rer. nat. (...) – Bevollmächtigter: (...) – gegen 1. eine Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland durch das zuständige Regierungsmitglied zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und deren Zustimmung zur vorläufigen Anwendung dieses Abkommens im Rat der Europäischen Union, 2. für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht erkennt, dass die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union nicht der Zustimmung aller Mitgliedstaaten und damit auch nicht der Zustimmung Deutschlands bedürfen, gegen das Unterlassen der Bundesregierung, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verabschiedung des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens durch Beschluss des Rates der Europäischen Union zu verhindern, insbesondere eine Staatenklage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Europäische Union zur Klärung der Vertragswidrigkeit des Abkommens der Europäischen Union mit Kanada, CETA, und auch dessen vorläufige Anwendbarkeit zu betreiben – 2 BvR 1368/16–,II. über die Verfassungsbeschwerden der Frau (...), sowie 68.015 weiterer Beschwerdeführer – Bevollmächtigte: 1. (...), 2. Prof. Dr. Martin Hochhuth, Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, Dennewartstraße 25–27, 52068 Aachen – gegen 1. die Zustimmung zum CETA-Vertrag durch die Bundesregierung im Rat derBVerfGE 160, 208 (208) BVerfGE 160, 208 (209)Europäischen Union oder im Europäischen Rat, 2. hilfsweise die Zustimmung der Europäischen Union zum CETA-Vertrag, 3. die Zustimmung des Bundestages zum CETA-Vertrag – 2 BvR 1444/16–,III. über die Verfassungsbeschwerden des Herrn (...), sowie 62 weiterer Beschwerdeführer – Bevollmächtigter: (...) – gegen 1. die Nichtablehnung der durch die Kommission beantragten Annahme des CETA sowie die ebenfalls beantragte Autorisierung des Ratspräsidenten zum Abschluss des CETA im Namen der EU durch den Deutschen Vertreter im Rat der EU, 2. die Nichtablehnung der durch die Kommission beantragten vorläufigen Anwendung des CETA im Namen der EU durch den Deutschen Vertreter im Rat der EU – 2 BvR 1482/16–,IV. über die Verfassungsbeschwerden des Herrn (...), sowie 125.011 weiterer Beschwerdeführer – Bevollmächtigte: 1. (...), 2. (...) – gegen die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union zur Unterzeichnung, zum Abschluss und zur vorläufigen Anwendung des Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA) bzw. gegen die Nichtablehnung dieser Ratsbeschlüsse durch den deutschen Vertreter im Rat – 2 BvR 1823/16–,V. über den Antrag, im Organstreitverfahren festzustellen, dass die Antragsgegnerin 1. mit der Nichtablehnung der durch die Kommission beantragten Annahme des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) sowie der ebenfalls beantragten Autorisierung des Ratspräsidenten zum Abschluss des CETA im Namen der EU durch den Deutschen Vertreter im Rat der EU Grundgesetz und Europarecht und dadurch Rechte des Deutschen Bundestages verletzt, 2. mit der Nichtablehnung der durch die Kommission beantragten vorläufigen Anwendung des CETA im Namen der EU durch den Deutschen Vertreter im Rat der EU Grundgesetz und Europarecht und dadurch Rechte des Deutschen Bundestages verletzt, Antragstellerin: Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, vertreten durch die Fraktionsvorsitzenden Dr. Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, – Bevollmächtigter: (...) – Antragsgegnerin: Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin, – Bevollmächtigter: (...) ,– 2 BvE 3/16 –.
 
 
Entscheidungsformel:
 
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
 
2. Die Verfassungsbeschwerden und der Antrag im Organstreitverfahren werden verworfen, soweit sie sich gegen die Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des Rates der EuBVerfGE 160, 208 (209)BVerfGE 160, 208 (210)ropäischen Union über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Beschluss [EU] 2017/37 des Rates vom 28. Oktober 2016, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 1 f.) sowie gegen den noch ausstehenden Beschluss des Rates der Europäischen Union über den Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (COM[2016] 443 final vom 5. Juli 2016) richten.
 
3. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden und der Antrag im Organstreitverfahren zurückgewiesen.
 
 
Gründe:
 
 
A.
 
Die Verfassungsbeschwerden und das Organstreitverfahren wenden sich gegen das Verhalten deutscher und europäischer Organe in Bezug auf die Unterzeichnung, die vorläufige Anwendung und den Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA).
I.
 
1. Die Europäische Union und Kanada beschlossen auf ihrem Gipfeltreffen in Berlin im Jahr 2007, ein Gutachten über die Kosten und Vorteile einer engeren ökonomischen Partnerschaft einzuholen. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass eine Beseitigung der Handelsschranken mit einer erheblichen Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität der Europäischen Union, aber vor allem Kanadas einherginge.
Am 10. Juni 2009 nahmen die Europäische Union und Kanada Verhandlungen über ein Wirtschafts- und Handelsabkommen auf (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 10. Juni 2009, IP/09/896). Am 1. August 2014 wurden die VerhandlunBVerfGE 160, 208 (210)BVerfGE 160, 208 (211)gen abgeschlossen und das Abkommen paraphiert. Auf dem Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und Kanada im September 2014 wurde das Ende der Verhandlungen bekannt gegeben (vgl. COM[2016] 444 final vom 5. Juli 2016, S. 2). Nach Veröffentlichung des bereits ausgehandelten Textes im August 2014 vereinbarten die Europäische Kommission und die kanadische Regierung später, im Rahmen von CETA einen neuen Ansatz für den Investitionsschutz und die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zugrunde zu legen. Am 29. Februar 2016 verkündete die Europäische Kommission, dass sich die Europäische Union und Kanada auf einen solchen neuen Ansatz bei Investitionen geeinigt hätten und von dem zunächst ausgehandelten System der Ad-hoc-Schiedsgerichte zugunsten eines ständigen, institutionalisierten Gerichts abgewichen werde. Die Mitglieder des Gerichts würden künftig nicht mehr von den Streitparteien, also dem Investor und dem beteiligten Staat, sondern von den Vertragsparteien des Abkommens im Voraus ernannt. Ethische Verpflichtungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten würden detailliert geregelt und ein Berufungssystem eingeführt, das den in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bestehenden Rechtsschutzsystemen vergleichbar sei (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 29. Februar 2016, IP/16/399).
Ausweislich der Erwägungsgründe soll CETA der weiteren Stärkung der engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien (erster Erwägungsgrund) und der Schaffung eines erweiterten und sicheren Marktes für Waren und Dienstleistungen der Vertragsparteien durch den Abbau oder die Beseitigung von Handels- und Investitionshemmnissen (zweiter Erwägungsgrund) dienen. Gleichzeitig bekräftigen die Vertragsparteien ihr Recht, in ihren Hoheitsgebieten unter Wahrung ihrer Flexibilität berechtigte Gemeinwohlziele wie öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz, öffentliche Sittlichkeit, Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt zu verfolgen sowie regelnd tätig zu werden (sechster und achter Erwägungsgrund).
2. CETA – ein Freihandelsabkommen "neuer Generation" – besteht in seinem Hauptteil aus 30 Kapiteln, die teilweise in AbBVerfGE 160, 208 (211)BVerfGE 160, 208 (212)schnitte gegliedert sind. Der im Hauptteil enthaltene Art. 30.1 erklärt sämtliche Protokolle, Anhänge, Erklärungen, Gemeinsame Erklärungen, Vereinbarungen und Fußnoten des Abkommens zu Bestandteilen desselben (vgl. ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 23 ff.).
Kapitel 1 enthält allgemeine Begriffsbestimmungen und einleitende Bestimmungen.
Art. 1.1 CETA definiert:
Kapitel 2 enthält das Gebot der Inländerbehandlung und Regeln über den Marktzugang für Waren. Kapitel 3 befasst sich mit handelspolitischen Schutzmaßnahmen, Kapitel 4 mit technischen Handelshemmnissen, Kapitel 5 mit gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen, Kapitel 6 mit Zoll- und Handelserleichterungen und Kapitel 7 mit Subventionen.
Kapitel 8 betrifft Investitionen. Es sieht unter anderem vor:
    Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck
    (...)
    Investition Vermögenswerte jeder Art, die direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle eines Investors stehen und die Merkmale einer Investition aufweisen; hierzu gehören eine gewisse Dauer und andere Merkmale wie die Bindung von Kapital oder anderen Ressourcen, die Erwartung von Wertzuwachs oder Gewinn oder dieBVerfGE 160, 208 (212) BVerfGE 160, 208 (213)Übernahme von Risiken. Zu den Formen, die eine Investition annehmen kann, zählen:
    a) ein Unternehmen,
    b) Anteile, Aktien und sonstige Formen der Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen,
    c) besicherte und unbesicherte Schuldverschreibungen sowie sonstige Schuldtitel eines Unternehmens,
    d) ein Darlehen an ein Unternehmen,
    e) jede andere Art der Beteiligung an einem Unternehmen,
    f) ein Interesse, das sich ergibt aus
    i) einer nach dem Recht einer Vertragspartei oder im Rahmen eines Vertrags erteilten Konzession, beispielsweise für die Aufsuchung, Bewirtschaftung, Gewinnung oder Nutzung natürlicher Ressourcen,
    ii) Verträgen über schlüsselfertige Erstellungen, Bau-, Produktions- oder Einnahmeaufteilungsverträgen oder
    iii) sonstigen ähnlichen Verträgen,
    (...)
    (1) Nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gewährt jede Vertragspartei in ihrem Gebiet den erfassten Investitionen der anderen Vertragspartei sowie Investoren in Bezug auf ihre erfassten Investitionen eine gerechte und billige Behandlung sowie vollen Schutz und volle Sicherheit.
    (2) Eine Vertragspartei verstößt gegen die Verpflichtung zu der in Absatz 1 genannten gerechten und billigen Behandlung, wenn eine Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen Folgendes darstellt:
    a) eine Rechtsverweigerung in straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren,BVerfGE 160, 208 (214)
    BVerfGE 160, 208 (215)b) eine grundlegende Verletzung rechtsstaatlichen Verfahrens, einschließlich einer grundlegenden Verletzung der Pflicht zur Transparenz, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren,
    c) offenkundige Willkür,
    d) gezielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen wie Geschlecht, Rasse oder religiöser Überzeugung,
    e) missbräuchliche Behandlung von Investoren wie Nötigung, Zwang und Schikane oder
    f) einen Verstoß gegen etwaige weitere von den Vertragsparteien nach Absatz 3 festgelegte Bestandteile der Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung.
    (...)
    (1) Unbeschadet der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus Kapitel neunundzwanzig (Streitbeilegung) kann ein Investor einer Vertragspartei bei dem nach diesem Abschnitt eingesetzten Gericht Klage gegen die andere Vertragspartei einreichen wegen Verletzung einer Pflicht
    a) nach Abschnitt C: in Bezug auf die Ausweitung, die Leitung, den Betrieb, die Verwaltung, die Aufrechterhaltung, die Verwendung, die Nutzung und den Verkauf seiner erfassten Investition oder die Verfügung darüber oder
    b) nach Abschnitt D,
    wenn der Investor geltend macht, infolge des vorgeblichen Verstoßes einen Verlust oder Schaden erlitten zu haben.
    (2) Klagen nach Absatz 1 Buchstabe a in Bezug auf die Ausweitung einer erfassten Investition können nur insoweit eingereicht werden, als die in Rede stehende Maßnahme den bestehenden Geschäftsbetrieb einer erfassten Investition betrifft und der Investor infolge der Maßnahme einen Verlust oder Schaden hinsichtlich der erfassten Investition erlitten hat.
    (...)BVerfGE 160, 208 (215)
    (1) Das nach diesem Abschnitt eingesetzte Gericht entscheidet im Falle von Klagen, die nach Artikel 8.23 eingereicht werden.
    (2) Bei Inkrafttreten dieses Abkommens ernennt der Gemischte CETA-Ausschuss fünfzehn Mitglieder des Gerichts. Fünf Mitglieder des Gerichts müssen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sein, fünf Mitglieder Staatsangehörige Kanadas (Fn.: Jede Vertragspartei kann stattdessen vorschlagen, bis zu fünf Mitglieder des Gerichts beliebiger Staatsangehörigkeit zu ernennen. In diesemBVerfGE 160, 208 (216) BVerfGE 160, 208 (217)Fall werden die betreffenden Mitglieder des Gerichts als Staatsangehörige der Vertragspartei betrachtet, die ihre Ernennung für die Zwecke dieses Artikels vorgeschlagen hat.) und fünf Mitglieder Staatsangehörige von Drittländern.
    (...)
    (6) Zur Verhandlung der Fälle werden innerhalb des Gerichts Kammern gebildet, denen jeweils drei Mitglieder des Gerichts angehören, und zwar ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, ein Staatsangehöriger Kanadas und ein Staatsangehöriger eines Drittlands. Den Vorsitz einer Kammer führt dasjenige Mitglied des Gerichts, das Staatsangehöriger eines Drittlands ist.
    (...)
Kapitel 9 enthält Regelungen zum grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel, Kapitel 10 zur vorübergehenden Einreise und zum vorübergehenden Aufenthalt von Geschäftszwecke verfolgenden natürlichen Personen, Kapitel 11 zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen, Kapitel 12 zur innerstaatlichen Regulierung, Kapitel 13 zu Finanzdienstleistungen. Kapitel 14 regelt die Dienstleistungen im internationalen Seeverkehr, Kapitel 15 die Telekommunikation, Kapitel 16 den elektronischen Geschäftsverkehr und Kapitel 17 die Wettbewerbspolitik. Kapitel 18 enthält Regelungen zu Staatsunternehmen, Monopolinhabern und Unternehmen mit besonderen Rechten oder Vorrechten, Kapitel 19 zum öffentlichen Beschaffungswesen und Kapitel 20 zum geistigen Eigentum. Kapitel 21 regelt die Regulierungszusammenarbeit, Kapitel 22 betrifft den Handel und die nachhaltige Entwicklung, Kapitel 23 den Handel und die Arbeit, Kapitel 24 den Handel und die Umwelt und Kapitel 25 den bilateralen Dialog und die Zusammenarbeit.
Kapitel 26 enthält Verwaltungs- und institutionelle Bestimmungen:
    (1) Die Vertragsparteien setzen den Gemischten CETA-Ausschuss ein, der sich aus Vertretern der Europäischen Union und Vertretern KaBVerfGE 160, 208 (218)BVerfGE 160, 208 (219)nadas zusammensetzt. Der Vorsitz im Gemischten CETA-Ausschuss wird gemeinsam vom kanadischen Minister for International Trade und von dem für Handel zuständigen Mitglied der Europäischen Kommission oder ihren jeweiligen Vertretern geführt.
    (2) Der Gemischte CETA-Ausschuss tritt einmal jährlich oder auf Ersuchen einer Vertragspartei zusammen. Der Gemischte CETA-Ausschuss legt seinen Sitzungskalender und die Tagesordnungen der Sitzungen fest.
    (3) Der Gemischte CETA-Ausschuss ist für alle Fragen zuständig, welche die Handels- und Investitionstätigkeit zwischen den Vertragsparteien und die Umsetzung und Anwendung dieses Abkommens betreffen. Die Vertragsparteien können den Gemischten CETA-Ausschuss mit allen Fragen der Durchführung und Auslegung dieses Abkommens und allen sonstigen Fragen befassen, welche die Handels- und Investitionstätigkeit zwischen den Vertragsparteien betreffen.
    (4) Der Gemischte CETA-Ausschuss
    a) überwacht und unterstützt die Umsetzung und Anwendung dieses Abkommens und die Verwirklichung seiner allgemeinen Ziele,
    b) überwacht die Arbeit aller Sonderausschüsse und anderen im Rahmen dieses Abkommens eingesetzten Gremien,
    c) sucht – unbeschadet der Kapitel acht (Investitionen), zweiundzwanzig (Handel und nachhaltige Entwicklung), dreiundzwanzig (Handel und Arbeit), vierundzwanzig (Handel und Umwelt) und neunundzwanzig (Streitbeilegung) – nach geeigneten Wegen und Methoden, um Probleme zu vermeiden, die sich in den von diesem Abkommen erfassten Bereichen ergeben könnten, oder um Streitigkeiten zu schlichten, die bei der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens auftreten könnten,
    d) gibt sich eine Geschäftsordnung,
    e) fasst Beschlüsse nach Artikel 26.3 und
    f) prüft alle Fragen, die für die von diesem Abkommen erfassten Bereiche von Interesse sind.
    (5) Der Gemischte CETA-Ausschuss kann
    a) Zuständigkeiten an die nach Artikel 26.2 eingesetzten Sonderausschüsse delegieren,
    b) mit allen interessierten Parteien kommunizieren, auch mit Organisationen des Privatsektors und der Zivilgesellschaft,
    c) soweit in diesem Abkommen vorgesehen, Änderungen prüfen oder beschließen,
    d) die Entwicklung des Handels zwischen den Vertragsparteien untersuchen und erwägen, wie die Handelsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien intensiviert werden können,
    e) Auslegungen der Bestimmungen dieses Abkommens vornehmen,BVerfGE 160, 208 (219)
    BVerfGE 160, 208 (220)die für die nach Kapitel acht Abschnitt F (Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) und nach Kapitel neunundzwanzig (Streitbeilegung) eingesetzten Gerichte bindend sind,
    f) Empfehlungen zur Förderung von Handel und Investitionen nach Maßgabe dieses Abkommens formulieren,
    g) die Aufgaben, die den nach Artikel 26.2 eingesetzten Sonderausschüssen übertragen wurden, abändern oder selbst übernehmen oder Sonderausschüsse auflösen,
    h) Sonderausschüsse und bilaterale Dialogforen einrichten, die ihn bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützen, und
    i) in Wahrnehmung seiner Aufgaben andere von den Vertragsparteien beschlossene Maßnahmen ergreifen.
Kapitel 27 enthält Transparenzvorschriften, Kapitel 28 regelt Ausnahmen, Kapitel 29 betrifft die Streitbeilegung, Kapitel 30 enthält die Schlussbestimmungen und sieht unter anderem vor:
    (1) Die in Anhang 30-A aufgeführten Übereinkünfte werden unwirksam und durch dieses Abkommen ersetzt und abgelöst. Die Beendigung der in Anhang 30-A aufgeführten Übereinkünfte wird mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens wirksam.
    (2) Ungeachtet des Absatzes 1 darf unter den folgenden Voraussetzungen eine Klage auf der Grundlage eines der in Anhang 30-A aufgeführten Übereinkünfte im Einklang mit den Regeln und Verfahren der betreffenden Übereinkunft erhoben werden:
    a) die Behandlung, die Gegenstand der Klage ist, wurde zu einem Zeitpunkt gewährt, zu dem das Abkommen nicht beendet war, und
    b) seit der Beendigung des Abkommens sind höchstens drei Jahre verstrichen.
    (...)
    (1) Eine Vertragspartei kann dieses Abkommen kündigen, indem sie dem Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union und dem Department of Foreign Affairs, Trade and Development of Canada beziehungsweise deren Rechtsnachfolgern eine entsprechende Note zustellt. 180 Tage nach dieser Notifikation tritt dieses Abkommen außer Kraft. Die kündigende Vertragspartei stellt außerdem dem Gemischten CETA-Ausschuss eine Kopie der Note zu.
    (2) Wird dieses Abkommen beendet, so behalten die Bestimmungen des Kapitels acht (Investitionen), ungeachtet des Absatzes 1, über den Tag der Beendigung dieses Abkommens hinaus noch 20 Jahre Gültigkeit für Investitionen, die vor diesem Tag getätigt wurden.
    (...)
3. Am 5. Juli 2016 unterbreitete die Europäische Kommission, gestützt auf Art. 91, Art. 100 Abs. 2, Art. 207 Abs. 4 UAbs. 1 in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 und Abs. 6 Buchstabe a Ziffer v und Abs. 7 AEUV, dem Rat der Europäischen Union den Vorschlag, im Namen der Europäischen Union die Unterzeichnung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischenBVerfGE 160, 208 (223) BVerfGE 160, 208 (224)Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits nach Art. 218 Abs. 5 AEUV zu genehmigen (vgl. COM[2016] 444 final vom 5. Juli 2016, S. 13), das Abkommen "nach dessen Artikel 30.7 Absatz 3 von der Union vorläufig" anzuwenden, bis die für seinen Abschluss erforderlichen Verfahren abgeschlossen sind (vgl. COM[2016] 470 final vom 5. Juli 2016, S. 13), und das Abkommen abzuschließen (vgl. COM[2016] 443 final vom 5. Juli 2016).
Die Europäische Kommission schlug dem Rat mit Blick auf Art. 218 Abs. 7 AEUV außerdem vor, für die Zwecke des Art. 20.22 CETA Änderungen des Anhangs 20-A, die im Wege eines Beschlusses des Gemischten CETA-Ausschusses angenommen wurden, von der Europäischen Kommission im Namen der Europäischen Union zu billigen (vgl. Art. 3 des Beschlussentwurfs COM[2016] 443 final vom 5. Juli 2016 und Art. 2 des Beschlussentwurfs COM[2016] 470 final vom 5. Juli 2016, S. 14).
Da viele Mitgliedstaaten die Auffassung zum Ausdruck gebracht hätten, dass die Europäische Union nicht die erforderliche Zuständigkeit besitze, um CETA alleine abzuschließen, und auch keine geteilte Zuständigkeit in zahlreichen von CETA geregelten Bereichen bestehe, habe die Kommission, um die Unterzeichnung des Abkommens nicht zu verzögern, beschlossen, die Unterzeichnung als gemischtes Abkommen vorzuschlagen. Im Hinblick auf das inhaltlich im Wesentlichen gleich gelagerte Freihandelsabkommen mit Singapur (European Union – Singapore Free Trade Agreement – EUSFTA) habe sie nach Art. 218 Abs. 11 AEUV im Juli 2015 allerdings ein Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt. In dieser Rechtssache vertrete sie die Ansicht, dass die Europäische Union die erforderliche Zuständigkeit habe, um EUSFTA alleine abzuschließen, oder andernfalls in den Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union fielen, zumindest eine geteilte Zuständigkeit bestehe. Erst wenn das Gutachten des Gerichtshofs vorliege, müssten die nötigen Schlüsse gezogen werden (vgl. COM[2016] 444 final vom 5. Juli 2016, S. 4 f.). In Art. 3 AEUV sei die gemeinsame Handelspolitik als ausschließliche Zuständigkeit der EuroBVerfGE 160, 208 (224)BVerfGE 160, 208 (225)päischen Union definiert. Die Kommission sei der Auffassung, dass auch solche vom Abkommen erfasste Fragen, die nicht im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zu verorten seien, in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fielen (vgl. COM[2016] 444 final vom 5. Juli 2016, S. 5).
Um die Durchführung des Abkommens zu gewährleisten, sei zudem rechtzeitig vor Anwendung von CETA eine Durchführungsverordnung der Kommission nach Art. 58 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union zu erlassen, um die im Abkommen festgelegten Zollkontingente zu öffnen (vgl. COM[2016] 444 final vom 5. Juli 2016, S. 9).
In der Folge wurden in einen Entwurf für den Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA vom 5. Oktober 2016 (vgl. Dokument des Rates der Europäischen Union 10974/16 vom 5. Oktober 2016) einschränkende Bestimmungen aufgenommen.
Bei der Sitzung des Rates der Handelsminister am 18. Oktober 2016 konnten die in Aussicht genommenen Beschlüsse zur Unterzeichnung, vorläufigen Anwendung und zum Abschluss von CETA zunächst nicht gefasst werden, weil die Wallonische Region die belgische Regierung nicht zur Zustimmung ermächtigt hatte. Nachdem sich die Wallonische Region am 27. Oktober 2016 nach weiteren Verhandlungen zur Ermächtigung bereit gezeigt hatte, leitete das Generalsekretariat des Rates noch am selben Tag ein schriftliches Verfahren ein, in dem die Mitgliedstaaten den Beschlussvorlagen des Rates bis zum 28. Oktober 2016 zustimmen sollten.
Die Bundesregierung übermittelte ihre Zustimmung am 28. Oktober 2016. Am selben Tag gab der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union in Schreiben an den Generalsekretär des Rates der Europäischen Union sowie an den Ständigen Vertreter Kanadas bei der Europäischen Union folgende Erklärung ab:
Am 28. Oktober 2016 (vgl. Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union vom 28. Oktober 2016, 623/16) beschloss der Rat der Europäischen Union gemäß Art. 207 Abs. 4 UAbs. 1 in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 AEUV die Unterzeichnung von CETA (vgl. Beschluss [EU] 2017/37 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens [CETA] zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 1 f.). Beigefügt wurde ein Gemeinsames Auslegungsinstrument (vgl. Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen [CETA] zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 3 ff.).
Darüber hinaus gaben Kommission, Rat und Mitgliedstaaten sowie der Juristische Dienst des Rates insgesamt 38 Erklärungen zur Auslegung von CETA ab, die bei der Annahme des Beschlusses über die Unterzeichnung von CETA in das Ratsprotokoll aufgenommen wurden (vgl. Erklärungen für das Ratsprotokoll, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 11 ff.). Dort heißt es unter anderem:
    (...)
    3. Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung von Bestimmungenüber Verkehr und Verkehrsdienstleistungen:
    Der Rat der Europäischen Union erklärt, dass sein Beschluss, insoweit er die vorläufige Anwendung von Bestimmungen im Bereich der Verkehrsdienstleistungen durch die EU vorsieht, die in die geteilte Zuständigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten fallen, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen ihnen auf diesem Gebiet nicht berührt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada in nicht von diesem Abkommen erfassten Angelegenheiten oder gegenüber einem anderen Drittland im Bereich der in diese Zuständigkeit fallenden Verkehrsdienstleistungen auszuüben.BVerfGE 160, 208 (226)
    BVerfGE 160, 208 (227)4. Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung der Kapitel 22, 23 und 24:
    Der Rat der Europäischen Union erklärt, dass sein Beschluss, insoweit er die vorläufige Anwendung von Bestimmungen der Kapitel 22, 23 und 24 durch die EU vorsieht, die in die geteilte Zuständigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten fallen, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen ihnen auf diesem Gebiet nicht berührt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada in nicht von diesem Abkommen erfassten Angelegenheiten oder gegenüber einem anderen Drittland auszuüben.
    (...)
    Zum Umfang der vorläufigen Anwendung des CETA:
    15. Erklärung des Rates:
    Der Rat der Europäischen Union bestätigt, dass die vorläufige Anwendung nur für Angelegenheiten gilt, die in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen.
    16. Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualiflkationen:
    Der Rat der Europäischen Union erklärt, dass sein Beschluss, insoweit er die vorläufige Anwendung von Bestimmungen auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen durch die EU vorsieht und insoweit dieses Gebiet in die geteilte Zuständigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten fällt, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen ihnen auf diesem Gebiet nicht berührt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada oder einem anderen Drittland in nicht von diesem Abkommen erfassten Angelegenheiten auszuüben.
    17. Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung des Arbeitnehmerschutzes:
    Der Rat der Europäischen Union erklärt, dass sein Beschluss, insoweit er die vorläufige Anwendung von Bestimmungen auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes durch die EU vorsieht und insoweit dieses Gebiet in die geteilte Zuständigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten fällt, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen ihnen auf diesem Gebiet nicht berührt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada oder einem anderen Drittland in nicht von diesem Abkommen erfassten Angelegenheiten auszuüben.
    Zu Beschlüssen des Gemischten CETA-Ausschusses:
    18. Erklärung der Kommission:
    Es sei festgehalten, dass es unwahrscheinlich ist, dass in naher Zukunft ein Beschluss zur Änderung des CETA und eine vom Gemischten CETA-Ausschuss anzunehmende bindende Auslegung des CETA erforderlich sein werden. Daher beabsichtigt die Kommission nicht,BVerfGE 160, 208 (227) BVerfGE 160, 208 (228)gemäß Artikel 218 Absatz 9 einen Vorschlag zur Änderung des CETA oder zur Annahme einer bindenden Auslegung des CETA vorzulegen, bevor das Hauptverfahren vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht abgeschlossen ist.
    19. Erklärung des Rates und der Mitgliedstaaten:
    Der Rat und die Mitgliedstaaten weisen darauf hin, dass der von der Union und ihren Mitgliedstaaten im Gemischten CETA-Ausschuss einzunehmende Standpunkt zu einem Beschluss dieses Ausschusses, der in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, einvernehmlich festgelegt wird.
    Zur Beendigung der vorläufigen Anwendung des CETA:
    20. Erklärung des Rates:
    Falls aufgrund der Entscheidung eines Verfassungsgerichts oder nach Abschluss anderer Verfassungsverfahren und förmlicher Notifizierung durch die Regierung des betreffenden Staates die Ratifizierung des CETA auf Dauer und endgültig scheitert, muss und wird die vorläufige Anwendung beendet werden. Die erforderlichen Schritte werden gemäß den EU-Verfahren unternommen werden.
    21. Erklärung Deutschlands und sterreichs:
    Deutschland und Österreich erklären, dass sie als Vertragsparteien des CETA ihre Rechte aufgrund Artikel 30.7 Absatz 3 Buchstabe c des CETA ausüben können. Die erforderlichen Schritte werden gemäß den EU-Verfahren unternommen werden.
    (...)
    36. Erklärung der Kommission und des Rates zum Investitionsschutz und zum Investitionsgerichtshof:
    Das CETA zielt auf eine bedeutende Reform der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ab, die sich auf die gemeinsamen Grundsätze der Gerichte der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten und Kanadas sowie internationaler Gerichte, die von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und Kanada anerkannt werden, wie des Internationalen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, stützt, als Schritt zur Verbesserung der Achtung der Rechtsnorm. Die Europäische Kommission und der Rat sind der Ansicht, dass dieser auf Grundlage der vorliegenden Erklärung überarbeitete Mechanismus einen Schritt zur Schaffung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs darstellt, der letztendlich das für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten zuständige Gericht sein wird.
    Da alle diese Bestimmungen vom Umfang der vorläufigen Anwendung des CETA ausgenommen sind, bestätigen die Europäische Kommission und der Rat, dass sie nicht in Kraft treten werden, bevor alleBVerfGE 160, 208 (228)
    BVerfGE 160, 208 (229)Mitgliedstaaten das CETA gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Verfahren ratifiziert haben.
    (...)
    38. Erklärung des Juristischen Dienstes des Rates zur Rechtsnatur des Gemeinsamen Auslegungsinstruments
    Der Juristische Dienst des Rates bestätigt hiermit, dass nach Artikel 31 Absatz 2 Buchstabe b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge das Gemeinsame Auslegungsinstrument, das von den Vertragsparteien bei der Unterzeichnung des CETA angenommen werden soll und das den Kontext des CETA bildet, ein Bezugsdokument darstellt, das heranzuziehen ist, wenn bei der Umsetzung des CETA Probleme im Hinblick auf die Auslegung seines Wortlauts auftreten. Deshalb hat es Rechtskraft und verbindlichen Charakter.
Der Rat der Europäischen Union beschloss zudem die vorläufige Anwendung von CETA mit folgenden Einschränkungen (vgl. Beschluss [EU] 2017/38 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens [CETA] zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 1080 f.):
Schließlich beschloss der Rat, die Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Abschluss des Abkommens einzuholen (vgl. Rat der Europäischen Union, Beratungsergebnisse vom 28. Oktober 2016, 13887/16; vgl. zudem Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union vom 28. Oktober 2016, 623/16).
Am 30. Oktober 2016 unterzeichneten Vertreter Kanadas und der Europäischen Union das Abkommen (vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 30. Oktober 2016, IP/16/3581; Announcement der Kommission vom 30. Oktober 2016, AC/16/3890; "Daily News" der Kommission vom 31. Oktober 2016, MEX/16/3588).
Das Europäische Parlament stimmte dem Abkommen in seiner Plenarsitzung vom 15. Februar 2017 zu (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 15. Februar 2017, IP/17/270). Kanada ratifizierte es am 16. Mai 2017 (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20. September 2017, IP/17/3121).
Am 21. September 2017 trat CETA vorläufig in Kraft (vgl. ABl EU Nr. L 238 vom 16. September 2017, S. 9; Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20. September 2017, IP/17/3121).
Bisher haben 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Abkommen ratifiziert, in den übrigen 12 Mitgliedstaaten – darunter die Bundesrepublik Deutschland – ist das Verfahren zur Ratifikation noch nicht abgeschlossen. Auch die Ratifikation durch Kanada und die Europäische Union steht noch aus.BVerfGE 160, 208 (230)
BVerfGE 160, 208 (231)II.
 
1. Der Beschwerdeführer zu I. hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Juni 2016 folgende Anträge gestellt:
a) Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Der Beschwerdeführer zu I. sei selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinenBVerfGE 160, 208 (231) BVerfGE 160, 208 (232)Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 und Art. 146 GG verletzt. Als Bürger Deutschlands müsse er ein Handelsabkommen hinnehmen, das nicht rechtens abgeschlossen worden sei, weil der Europäischen Union die Zuständigkeit für die Handelspolitik nicht wirksam übertragen worden sei. CETA beseitige das Vorsorgeprinzip zugunsten der Unternehmerinteressen, gefährde damit demokratie- und souveränitätswidrig das Leben und die Gesundheit der Bürger Deutschlands und nehme durch die darin vorgesehene Wettbewerbspolitik die politische Freiheit, die Bewältigung des gemeinsamen Lebens durch die öffentliche Hand zu organisieren.
b) Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Die Europäische Union besitze nicht die erforderliche Zuständigkeit zur Aushandlung und zum Abschluss von CETA. Die Handelspolitik Deutschlands dürfe nicht einheitlich mit der Handelspolitik aller anderen Mitgliedstaaten betrieben werden. Die Entäußerung der Befugnis, Handelsabkommen eigenständig auszuhandeln und abzuschließen, verletze die Souveränität Deutschlands und das Recht des Beschwerdeführers zu I. auf Demokratie. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG erlaube nicht, den Binnenmarkt um Kanada zu erweitern. Die vertragliche Ermächtigung der Europäischen Union, Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschließen, sei geradezu ohne materielle Grenzen. Weder an der Bestimmung des Rahmens für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV noch an der Aushandlung und dem Abschluss der Abkommen sei der Deutsche Bundestag beteiligt. Dieses Verfahren entbehre demokratischer Legalität. Die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Bestimmung des Rahmens für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und die fragwürdige Beteiligung desselben am Abschluss der Abkommen nach Art. 218 in Verbindung mit Art. 207 Abs. 3 AEUV genüge dem gebotenen demokratischen Legitimationsniveau nicht, weil das Europäische Parlament alleine nicht ausreiche, um einer Unionspolitik demokratische Legalität zu verschaffen. Durch die Zuständigkeitsregelung des Art. 207 AEUV für die Handelspolitik werde das GrundBVerfGE 160, 208 (232)BVerfGE 160, 208 (233)gesetz in seinem nicht verfügbaren Kern verletzt. Er habe ein durch Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 146 GG geschütztes Recht, dies vor dem Bundesverfassungsgericht zu rügen.
Die Investitionsschutzvereinbarungen in CETA verletzten sein Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG, seine politische Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und seine Eigentumsgewährleistung aus Art. 14 Abs. 1 GG. Der Investitionsschutz in CETA sei durch einen staatswidrigen Schadensersatzanspruch wegen investitionsschädigender Maßnahmen Deutschlands, sogar wegen Gesetzen, die zulasten von kanadischen Investoren gingen, gekennzeichnet, über den obendrein nicht demokratisch legitimierte Investitionsgerichte in erster und zweiter Instanz zu befinden hätten, ohne dass die Möglichkeit bestehe, die Urteile durch staatliche Gerichte zu überprüfen. Das in CETA vorgesehene Investitionsgericht erhalte die Macht, Maßnahmen Deutschlands, sogar Gesetze, die nach deutschem Recht zulässig seien, als vertragswidriges Unrecht zu behandeln und mit Schadensersatzansprüchen in Milliardenhöhe zu sanktionieren. Dies sei mit der Souveränität der deutschen Staatsgewalt unvereinbar.
Die regulatorische Zusammenarbeit nach Kapitel 21 des Abkommens verstoße ohne hinreichende demokratische Legalität gegen den in Art. 38 Abs. 1 GG geschützten Anspruch der Bürger auf Demokratie, gegen die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte politische Freiheit und Souveränität der Bürger und gegen die durch beide Grundrechte in Verbindung mit Art. 146 GG geschützte Verfassungsidentität. Das Regulatorische Kooperationsforum sei, wie sich aus Art. 21.6 CETA ergebe, ein Exekutivgremium. Die Organisation der regulatorischen Zusammenarbeit entbehre somit jeden Ansatzes demokratischer Legalität.
CETA bringe das Vorsorgeprinzip nicht zur Geltung und verändere die Vertragslage in der Europäischen Union, aber auch die Verfassungslage Deutschlands wesentlich. Damit handele die Europäische Kommission ultra vires. Dies verletze den Beschwerdeführer zu I. in seinem Recht auf Demokratie. Das Vorsorgeprinzip gehöre zur Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG). Es diene dem Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der langfristigenBVerfGE 160, 208 (233) BVerfGE 160, 208 (234)Erhaltung der Lebensgrundlagen. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit sei menschenrechtliche Pflicht des Staates, die Menschenrechte aber gehörten ausweislich von Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG zur Identität des Grundgesetzes.
Die in CETA ausgehandelte Wettbewerbspolitik für öffentliche Unternehmen verstoße ebenfalls gegen das Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG und die politische Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Auch sei das demokratische Prinzip bei der politischen Willensbildung des Volkes verletzt. Die Vertragsverhandlungen würden auf Seiten der Europäischen Union von der Kommission geführt. Die Abfassung des Abkommens sei allein in englischer Sprache erfolgt. Es sei für die Bürgerschaft Deutschlands und für deren Vertreter im Deutschen Bundestag, aber auch im Bundesrat nicht möglich gewesen, das Abkommen zur Kenntnis zu nehmen und politisch zu verantworten. Es solle ein Abkommen geschlossen, schlimmer noch dessen vorläufige Anwendung beschlossen werden, das für die Lebensverhältnisse in Deutschland essentiell sei, ohne dass dieses Abkommen in der unverzichtbaren Sachlichkeit im Land und in dessen Parlament habe erörtert werden können.
2. Die Beschwerdeführer zu II. rügen eine Verletzung der in Art. 38 Abs. 1, Art. 20, Art. 20a in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG festgelegten Verfassungsidentität und haben mit Schriftsatz vom 11. Juli 2016 folgende Anträge gestellt:
a) Die Verfassungsbeschwerden seien zulässig. Die Zustimmung der Bundesregierung zum CETA im Rat der Europäischen Union sei ein Akt der öffentlichen Gewalt, der Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könne.
Die Beschwerdeführer zu II. seien in ihren Rechten zwar nicht gegenwärtig betroffen, die Beschwerde sei gleichwohl zulässig, da sie von allgemeiner Bedeutung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) sei. Ihnen entstünde ein schwerer und unabwendbarer Nachteil, falls sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würden, weil ein späterer Zeitpunkt für die Erlangung von Rechtsschutz in diesem Verfahren, in dem es um den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags gehe, ausgeschlossen sei.
Es bestehe die Möglichkeit einer Verletzung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips insbesondere durch die Tribunale aus dem Investorenschutzkapitel, des Demokratieprinzips durch bindende Entscheidungen des Joint Committee (Gemischter CETA-Ausschuss), des Vorsorgeprinzips als Teil der Staatszielbestimmung Umweltschutz sowie des Sozialstaatsprinzips und der kommunalen Selbstverwaltung durch die Bestimmungen zur Marktöffnung im Bereich der Daseinsvorsorge.
Das Rechtsschutzbedürfnis sei zu bejahen. Effektiver Rechtsschutz sei nur gewährleistet, wenn er dazu führe, dass der Vertreter der Bundesregierung, der an das Grundgesetz gebunden sei, schon im Rat gegen die vorläufige Anwendung von CETA stimme. Weiterer Schritte bedürfe es nach Art. 218 Abs. 5 AEUV nicht. Die völkerrechtliche Wirkung brauche nicht abgewartet zu werden, weil der Beschluss über die vorläufige Anwendung dazu führe, dass in der Lebenswirklichkeit Fakten geschaffen würden.
Handele es sich um einen gemischten Vertrag, könne (nur) für die in die nationale Kompetenz fallenden Vertragsteile die Verabschiedung im Bundestag abgewartet werden. Allerdings sei unklar, welche Teile in die Zuständigkeit der Europäischen Union und welche in die der Mitgliedstaaten fielen. Schon aus diesemBVerfGE 160, 208 (235) BVerfGE 160, 208 (236)Grund bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Außenpolitisch sei es außerdem problematisch, wenn das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung nachträglich attestiere, im Rat verfassungswidrig abgestimmt zu haben. Ferner sei die Unterscheidung zwischen ausschließlich europäischen Übereinkommen und gemischten Übereinkommen ein innereuropäisches Problem, so dass die Bindung, die mit der Unterzeichnung und der Erklärung der vorläufigen Anwendbarkeit eintrete, nicht rückholbar sei.
b) Die Verfassungsbeschwerden seien auch begründet. Art. 218 Abs. 5 AEUV, wonach völkerrechtliche Verträge vom Rat für vorläufig anwendbar erklärt werden könnten, sei mit dem Demokratieprinzip insofern unvereinbar, als er es erlaube, grundsätzliche Regelungen für weite Bereiche der Wirtschaftspolitik, wie sie mit CETA vereinbart werden sollten, ohne parlamentarische Zustimmung vorläufig anzuwenden und damit Fakten zu schaffen. Die Bestimmung müsse daher verfassungskonform in dem Sinne eng ausgelegt werden, dass (nur) etwa eilbedürftige Verträge, die unmittelbar einen Schaden abwenden sollten, oder geringfügige Vertragsänderungen vorläufig angewendet werden könnten. Eilbedürftigkeit sei bei CETA nicht zu erkennen, und in keinem Fall handele es sich insoweit um unbedeutende Regelungen.
CETA sei ein gemischtes Abkommen. Zumindest die Vorschriften zum Investitionsschutz, zur Enteignung und Entschädigung sowie die Einrichtung eines Investor-State-Dispute-Settlements fielen nicht in die Kompetenz der Europäischen Union. Eine solche ergebe sich auch nicht als Annex zur Kompetenz für die Handelspolitik (Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e; Art. 207 AEUV), weil diese auch ohne Sondergerichte denkbar sei. Sie ergebe sich ferner nicht aus Art. 81 ff. AEUV, die der Europäischen Union die Kompetenz für die Entwicklung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen übertragen hätten, nicht aber für die Gerichtsorganisation oder die Staatshaftung. Einer Zuständigkeit der Europäischen Union stehe auch Art. 345 AEUV entgegen, wonach die Verträge die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt ließen.
Die Kompetenzüberschreitung der Europäischen Union sei ofBVerfGE 160, 208 (236)BVerfGE 160, 208 (237)fensichtlich und führe zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge zulasten der Mitgliedstaaten. Weil sie deren Kompetenzen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit beeinträchtige, berühre sie auch die Verfassungsidentität.
Der in CETA vorgesehene Investitionsschutz und die Errichtung von Schiedsgerichten verstießen gegen das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz und Art. 101 Abs. 1 sowie Art. 19 Abs. 1 GG folge, dass es kein Sonderrecht und keine Sondergerichte für bestimmte Gruppen geben dürfe. Durch CETA werde allerdings solches Sonderrecht, das sich erheblich vom deutschen Recht unterscheide, geschaffen. Insbesondere der Eigentumsschutz unterscheide sich deutlich von jenem des Grundgesetzes.
CETA verstoße ferner gegen die Autonomie des Unionsrechts, weil die dort vorgesehenen Gerichte Entscheidungen über Rechtsakte der Union treffen könnten, die in Widerspruch zur Spruchpraxis nationaler Gerichte, soweit sie Europarecht anwendeten, wie auch zur Rechtsprechung europäischer Gerichte geraten könnten.
Die bindenden Entscheidungen des Joint Committee verstießen gegen das Demokratieprinzip, weil dort lediglich Vertreter der Europäischen Union und Kanadas entschieden und keine Rückkoppelung an den Bundestag bestehe. Soweit eine internationale Organisation für die Bundesrepublik Deutschland verbindliche Entscheidungen treffen könne, erfordere das Demokratieprinzip aber die Beteiligung eines dem Bundestag verantwortlichen Vertreters Deutschlands. Die Entscheidungen des Gemischten CETA-Ausschusses besäßen keine parlamentarische Ermächtigung, der Vertreter der Europäischen Union keine hinreichende demokratische Legitimation.
Das Vorsorgeprinzip als Teil der Staatszielbestimmung Umweltschutz (Art. 20a GG) werde verletzt, weil CETA davon ausgehe, dass der Freihandel zugunsten des Umweltschutzes nur eingeschränkt werden dürfe, wenn wissenschaftlich nachgewiesen sei, dass Gefahren drohten oder Schäden einträten, das bloße RisikoBVerfGE 160, 208 (237) BVerfGE 160, 208 (238)aber nicht genüge. Das Staatsziel Umweltschutz gehöre zur Verfassungsidentität des Art. 79 Abs. 3 GG. Da die Umwelthaftung in Deutschland nur unzureichend funktioniere, insbesondere die unionsrechtlichen Haftungsrichtlinien faktisch wirkungslos seien, bestehe die Gefahr, dass Umweltstandards abgesenkt würden. Im Übrigen verstoße CETA insofern gegen Art. 191 Abs. 2 AEUV, als auch die europäische Umweltpolitik auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung beruhe.
CETA verstoße schließlich gegen das Demokratieprinzip, das Sozialstaatsprinzip und den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung, weil Bereiche der Daseinsvorsorge wie der Energie- und Wasserversorgung, der Bildung und der Gesundheit für private Konkurrenz geöffnet würden.
3. Die Beschwerdeführer zu III. – Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag – haben mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 15. Juli 2016 folgende Anträge gestellt:
Darüber hinaus regen sie ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union an.
a) Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union zu CETA beziehungsweise zu dessen vorläufiger Anwendung seien jeweils Akte der deutschen öffentlichen Gewalt, die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnten.
Die Beschwerdeführer zu III. seien beschwerdebefugt. Die Verfassungsbeschwerde wende sich gegen eine hinreichend qualifiBVerfGE 160, 208 (238)BVerfGE 160, 208 (239)zierte Kompetenzüberschreitung des Rates der Europäischen Union (Ultra-vires-Rüge) beziehungsweise eine Verletzung der Verfassungsidentität. Die Ratifikation von CETA führe zu einem wesentlichen Gestaltungsverlust des Bundestages. Dadurch würden der Demokratiegrundsatz, der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und das Sozialstaatsprinzip verletzt, und es bestehe jedenfalls die Möglichkeit, dass sie in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20, Art. 23 und Art. 79 Abs. 3 GG verletzt würden.
Sie seien selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen. Es sei unschädlich, dass Verfahrensgegenstand eine künftige Maßnahme sei, denn vorliegend gehe es um vorbeugenden Rechtsschutz, dessen Voraussetzungen erfüllt seien. Mit der Zustimmung setze eine "Automatik" im Hinblick auf die Folgen der Maßnahme ein, die auf nationaler Ebene nicht mehr rückgängig gemacht werden könne und keiner Überprüfung, insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht, unterliege.
b) Die Anträge seien auch begründet. Rechte des Bundestages seien verletzt, da CETA die Kompetenzordnung der Europäischen Union sowie diejenige des Grundgesetzes missachte (ultra vires) und maßgebliche, über die Verfassungsidentität geschützte und für die demokratische Selbstbestimmung zentrale Politikbereiche der Disposition des Bundestages entziehe. Dadurch würden auch die Beschwerdeführer zu III. in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20, Art. 23 und Art. 79 Abs. 3 GG verletzt.
Für zahlreiche in CETA geregelte Materien gebe es keine Sachkompetenz der Europäischen Union. Das betreffe Portfolioinvestitionen, die nach Art. 8.1 CETA vom geschützten Investitionsbegriff umfasst sein sollen, aber auch die Regelungen zum Bereich Verkehr (Kapitel 14 CETA), Arbeitsschutz (Kapitel 23 CETA), Berufsqualifikationen (Kapitel 11 CETA) und pharmazeutische Produkte (Art. 4.5 CETA). Das habe zur Folge, dass das Abkommen als gemischtes Abkommen einzustufen sei.
Die im Abkommen vorgesehene Ausschussstruktur verletze den Bundestag evident und qualifiziert in seinen verfassungsBVerfGE 160, 208 (239)BVerfGE 160, 208 (240)rechtlichen Gestaltungsrechten. Die Mitgliedstaaten seien in den Ausschüssen nicht vertreten (Art. 26.1 Abs. 1 CETA), obwohl die Regelungsbefugnisse auch Sachmaterien beträfen, die in der Kompetenz der Mitgliedstaaten lägen. Der Gemischte CETA-Ausschuss könne nach Art. 30.2 CETA sogar beschließen, Protokolle und Anhänge zu ändern, soweit die Vertragsparteien den Beschluss des Gemischten Ausschusses im Einklang mit ihren zum Inkrafttreten der Änderung erforderlichen "internen Anforderungen und Verfahren" billigten. In den Anhängen seien zentrale Bestimmungen in Bezug auf Reichweite, Anwendungsbereich und materielle Kriterien geregelt. Es sei bisher nicht hinreichend gesichert, dass die Mitgliedstaaten überhaupt Vertragsparteien von CETA seien. Daher bestehe die Möglichkeit, dass diese bei der Abänderung der Anhänge, die in großem Umfang auch nationale Kompetenzen berührten, überhaupt nicht beteiligt würden.
Die vorläufige Anwendung von CETA verletze den Bundestag zudem in seinen Befugnissen gemäß Art. 20, Art. 23, Art. 59 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG und die Beschwerdeführer zu III. in ihren gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20, Art. 23 und Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Rechten. Der Vorschlag der Kommission beziehe sich auch auf Teile, die nicht in der Kompetenz der Europäischen Union lägen und für die Art. 218 Abs. 5 AEUV keine Grundlage biete. Von der Möglichkeit der vorläufigen Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags im Sinne von Art. 25 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) könne nach Art. 59 Abs. 2 GG nur in Gesetzesform Gebrauch gemacht werden. Zudem sei die vorläufige Anwendung von CETA rechtsmissbräuchlich, weil sie den nationalen Exekutiven eine Möglichkeit eröffne, interne Ratifikationsvoraussetzungen zu umgehen.
CETA verletze darüber hinaus die Verfassungsidentität des Grundgesetzes (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 und Art. 20 GG), weil es gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG verstoße. Das Ausschusswesen sei bislang in keiner Weise demokratisch rückgebunden. Die nationalen Parlamente hätten keinen Einfluss, weil keine nationalen Vertreter inBVerfGE 160, 208 (240) BVerfGE 160, 208 (241)den Ausschüssen vorgesehen seien. Das gelte auch für das Europäische Parlament.
Soweit die Vertragsparteien in Art. 8.9 CETA "ihr Recht [bekräftigten], zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, des Schutzes der Umwelt oder der öffentlichen Sittlichkeit, des Sozial- oder Verbraucherschutzes oder der Förderung und des Schutzes der kulturellen Vielfalt in ihrem jeweiligen Gebiet regelnd tätig zu werden", stehe dies – wie auch der Vorbehalt zum Umfang der indirekten Enteignungen (Annex 8-A Ziffer 2 CETA) – unter dem Konkretisierungsvorbehalt des Gemischten CETA-Ausschusses beziehungsweise der Sonderausschüsse. Diese erhielten die Definitionshoheit darüber, was insoweit "legitime politische Ziele" seien, so dass wesentliche Fragen des Grundrechtsschutzes von Exekutive und Judikative entschieden würden. Das gelte auch für die Felder der Gesundheits- und Umweltstandards.
Hinzu komme, dass CETA in vielen Einzelregelungen den demokratischen Prozess einschränke, zumal es am Anwendungsvorrang des Unionsrechts teilhabe und daher dauerhaft nicht durch demokratische Gesetzgebung überschrieben werden könne. Zwar entfalte das Abkommen ausweislich von Art. 30.6 CETA keine unmittelbare Geltung für Privatpersonen. Das ändere jedoch nichts daran, dass die Bundesrepublik Deutschland, anders als bei sonstigen völkerrechtlichen Abkommen, dauerhaft gehindert werde, abweichendes nationales Recht zu setzen (sog. Treaty Override). Darüber hinaus würden über CETA nationale Materien, die eigentlich der Transformation gemäß Art. 59 Abs. 2 GG bedürften, zu unionsrechtlichen Verpflichtungen, obwohl insofern gar keine Hoheitsrechte nach Art. 23 GG auf die Europäische Union übertragen worden seien.
Die Einschränkungen durch CETA seien auch zu unbestimmt. So führe die im CETA verwendete Form der "Negativliste" (wie in Art. 9.7 Abs. 2 CETA), nach der nur gelistete Sektoren nicht dem Geltungsbereich von CETA unterfielen, dazu, dass neue Verwaltungsaktivitäten automatisch der gesetzgeberischen Gestaltung entzogen würden. Anders als der Positivlistenansatz beiBVerfGE 160, 208 (241)BVerfGE 160, 208 (242)spielsweise des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) stelle dies einen im Ergebnis sehr unbestimmten und in seinem Umfang nicht transparenten Eingriff in die demokratische Gestaltungshoheit dar. Die durch die Bundesrepublik Deutschland angemeldeten Vorbehalte könnten dies nicht korrigieren, weil viele Bereiche nicht einbezogen seien. Dass nur wenige Formen der Daseinsvorsorge von den Anforderungen der grenzüberschreitenden Liberalisierung ausgenommen würden, verhindere eine am Gemeinwohl orientierte demokratische Politikgestaltung.
Die Errichtung einer Parallelgerichtsbarkeit widerspreche Art. 92 GG, verletze den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und die Autonomie des Unionsrechts. Die Einrichtung einer außerhalb des europäischen Gerichtsverbunds stehenden Investitionsgerichtsbarkeit unterlaufe das verfassungsrechtliche Recht des Bundestages aus Art. 23, Art. 20 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG, gestaltenden Einfluss auf die Institutionalisierung der Gewaltengliederung zu nehmen. Auch soweit Vorgaben für die Investitionsgerichtsbarkeit nach CETA nicht parlamentarisch, sondern exekutivisch entwickelt würden (Art. 8.10 Abs. 2 Buchstabe f i.V.m. Art. 8.10 Abs. 3 CETA), würden die Rechte des Bundestages zur Ausgestaltung der Rechtsstaatlichkeit verletzt. Die Bestimmung der Richter des Investitionsgerichts durch die Exekutive (Art. 8.27 Abs. 2 CETA) ohne Einbeziehung des Europäischen Parlaments wie auch der nationalen Parlamente verletze den Grundsatz der parlamentarischen Rückbindung der Richter aus Art. 23, Art. 20 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG.
CETA verletze auch den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit (Art. 20 GG, Art. 2 EUV), weil Kernbestandteile sozialer Rechtsstaatlichkeit dem demokratischen Gestaltungsprozess entzogen würden.
4. Die Beschwerdeführer zu IV. haben mit Schriftsatz vom 29. August 2016 Verfassungsbeschwerde erhoben und beantragen:
a) Die Verfassungsbeschwerden seien zulässig. Die in Aussicht genommene Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat sei ein Akt deutscher öffentlicher Gewalt, der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könne, so dass die Beschlüsse des Rates der Europäischen Union über Unterzeichnung, Abschluss und vorläufige Anwendung von CETA mittelbar überprüfbar seien.
Eine Verletzung der Beschwerdeführer zu IV. in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20, Art. 23 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG erscheine möglich. Die Voraussetzungen der Identitätskontrolle lägen vor. CETA berühre die Autonomie des Bundestages, weil der Gemischte CETA-Ausschuss, in dem nicht notwendigerweise deutsche Repräsentanten säßen, ohne parlamentarische Rückbindung über die Inhalte des CETA disponieren könne. Die Verfahren vor dem Investitionsgericht besäßen ein Bedrohungspotenzial, das den Bundestag, auch als Haushaltsgesetzgeber, in seiner Entscheidungsfreiheit einschränken könne. Auf das Investitionsgericht würden ohne ausreichende RechtsBVerfGE 160, 208 (243)BVerfGE 160, 208 (244)grundlage Hoheitsrechte übertragen (Art. 8.41 Abs. 1 CETA), und das Rechtsprechungsmonopol werde durchbrochen.
Die Voraussetzungen der Ultra-vires-Kontrolle lägen ebenfalls vor. Die Europäische Union habe weder die Kompetenz, durch Einsetzung des Investitionsgerichts das Monopol des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen ihrer Organe in Frage zu stellen, noch die Kompetenz, Ausschüsse einzusetzen, die Änderungen am Unionsrecht vornehmen dürfen. Ebenso wenig habe sie die Kompetenz, das primärrechtlich vorgesehene Vorsorgeprinzip aufzugeben. Die vorläufige Anwendung sei nur nach Erlass eines Zustimmungsgesetzes zulässig.
b) Die Verfassungsbeschwerden seien auch begründet, weil die Unterwerfung der Bundesrepublik Deutschland unter das Investitionsgericht, die Einrichtung und Ausgestaltung des Gemischten CETA-Ausschusses, die mit dem CETA einhergehende Verletzung des europäischen Vorsorgeprinzips sowie die vorläufige Anwendung des CETA die Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzten beziehungsweise Ultra-vires-Akte darstellten.
aa) CETA verstoße gegen die Prinzipien der Normenklarheit und der hinreichenden Bestimmtheit. Der Gemischte CETA-Ausschuss könne für die zu errichtenden Gerichte verbindliche Auslegungen des Abkommens vornehmen und Beschlüsse fassen, die für die Vertragsparteien bindend seien. Es verstoße zudem gegen die Prinzipien der Rechtsklarheit und hinreichenden Bestimmtheit, weil nicht vorhersehbar sei, welche staatlichen Verhaltensweisen zu einem – unter Umständen milliardenschweren – Entschädigungsanspruch gegenüber ausländischen Investoren führen könnten.
Das Rechtsstaatsprinzip – in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG – sei verletzt, weil die Investitionsgerichtsbarkeit dem Gebot der prozessualen Waffengleichheit nicht genüge. Es liege allein in der Hand kanadischer Investoren, ein Verfahren vor dem Investitionsgericht einzuleiten, und in der Hand der Europäischen Union, den Beklagten zu bestimmen (Art. 8.21 Abs. 3 CETA), ohne dass es ein Rechtsmittel dagegen gäbe. Zudem könnten die InvestorenBVerfGE 160, 208 (244) BVerfGE 160, 208 (245)zunächst vor den staatlichen Gerichten klagen und bei absehbarem Unterliegen zum Investitionsgericht wechseln, was ihnen ein erhebliches Druckpotenzial zur Herbeiführung von Vergleichen verschaffe. Deutsche Investoren würden ferner dadurch diskriminiert, dass sie Deutschland nicht vor dem Investitionsgericht verklagen könnten. CETA verletze das staatliche Justizmonopol (Art. 92 GG) und den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Jeder Urteilsspruch sei bindend, vollstreckbar und durch kein weiteres Gericht überprüfbar (Art. 8.41 Abs. 1 CETA). Die Letztentscheidungskompetenz habe aber gemäß Art. 92 GG bei staatlichen Gerichten zu liegen. Das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips sei ebenfalls verletzt, weil die Kammern des Investitionsgerichts keine Gewähr für Neutralität und Distanz zu den Parteien böten. Kanadische Investoren hätten zudem die Wahl, ob sie ein deutsches Gericht oder das Investitionsgericht anriefen, wobei Kammern und Einzelrichter nach dem Zufallsprinzip bestimmt würden (Art. 8.27 Abs. 7 und Abs. 9 CETA). Der zuständige Spruchkörper stehe damit nicht im Voraus fest.
Das Demokratieprinzip sei dadurch verletzt, dass das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag durch die Unterwerfung unter das Investitionsgericht entleert werde. Dem Investitionsgericht würden Hoheitsrechte übertragen, weil es gemäß Art. 8.41 Abs. 1 CETA befugt sei, letztverbindliche, auch in Deutschland vollstreckbare Urteile zu erlassen. Die Europäische Union habe aber nicht die Befugnis, Hoheitsrechte zu übertragen. Die Unterwerfung unter das Investitionsgericht führe zudem zur Fremdbestimmung des Gesetzgebers, weil die in Rede stehenden Entschädigungssummen diesen einschüchtern könnten. Schließlich verstoße die mangelnde demokratische Legitimation der Richter des Investitionsgerichts gegen das Demokratieprinzip. Diese würden vom Gemischten CETA-Ausschuss ernannt, dessen Zusammensetzung selbst nur vage festgeschrieben sei.
bb) Die Mitwirkungsakte der Europäischen Union stellten Ultra-vires-Akte dar, weil die Europäische Union keine Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit einem so umBVerfGE 160, 208 (245)BVerfGE 160, 208 (246)fassenden Investitionsschutz besitze. Sie lasse sich weder auf Art. 207 AEUV noch auf Art. 3 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit einer Binnenkompetenz stützen. Zudem beeinträchtige die Unterwerfung der Mitgliedstaaten unter das Investitionsgericht die Autonomie des Unionsrechts. Der Gemischte CETA-Ausschuss beruhe ebenfalls auf einem Ultra-vires-Akt, weil es diesem an sachlicher und personeller demokratischer Legitimation fehle. Die vorläufige Anwendung von CETA stelle ebenso einen Ultra-vires-Akt dar, da es in Deutschland insoweit einer parlamentarischen Zustimmung bedürfe (Art. 59 Abs. 2 GG). Ultra vires sei schließlich die Preisgabe des Vorsorgeprinzips in Art. 191 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV.
c) Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2016 haben die Beschwerdeführer zu IV. mitgeteilt, dass die gegen das Investitionsgericht gerichteten Rügen nicht aufrechterhalten würden, soweit sie die vorläufige Anwendung von CETA beträfen. Diese hielten sie allerdings weiterhin für kompetenzwidrig.
5. Die Antragstellerin zu V. hat im Organstreit mit Schriftsatz vom 15. Juli 2016 beantragt festzustellen:
Darüber hinaus regt sie ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV an.
a) Die Anträge seien zulässig. Die Antragstellerin zu V. sei als Fraktion im Bundestag parteifähig und könne im eigenen Namen Rechte geltend machen, die dem Bundestag gegenüber der Bundesregierung zustünden.BVerfGE 160, 208 (246)
BVerfGE 160, 208 (247)Die Anträge richteten sich gegen die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat und beträfen damit einen tauglichen Verfahrensgegenstand. Die Zustimmung sei ein Akt deutscher Staatsgewalt und der deutsche Vertreter deshalb an das Grundgesetz gebunden.
Die streitgegenständliche Maßnahme stehe konkret bevor. Die Nichtablehnung von CETA durch den deutschen Vertreter im Rat sei der letzte deutsche Hoheitsakt, mit dem auf den Abschluss beziehungsweise die vorläufige Anwendung des Abkommens Einfluss genommen werden könne.
Die Antragstellerin zu V. mache in Prozessstandschaft Rechte des Bundestages geltend und sei somit antragsbefugt. Die Nichtablehnung von CETA durch die Antragsgegnerin verletze Gestaltungsrechte des Bundestages (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 59 Abs. 2 GG), weil es für zahlreiche Materien keine Sachkompetenz der Europäischen Union gebe. Diese Gestaltungsrechte seien ferner dadurch verletzt, dass CETA Ausschüsse etabliere, in denen die Mitgliedstaaten nicht vertreten seien. Da es auch keine unionale Begleitgesetzgebung gebe, die eine mitgliedstaatliche Repräsentation sicherstelle, hätten die Mitgliedstaaten keinerlei Einfluss auf die Tätigkeit der Ausschüsse, obwohl deren Regelungsbefugnisse auch Sachmaterien beträfen, die in ihrer Kompetenz lägen.
CETA verstoße darüber hinaus gegen die Verfassungsidentität des Grundgesetzes (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 und Art. 20 GG). Den CETA-Ausschüssen fehle die demokratische Rückbindung. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit sei verletzt, weil die Investitionsgerichtsbarkeit gegen die Autonomie des Unionsrechts verstoße und Menschenrechte textlich nicht hinreichend verankert seien. Den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit verletze CETA, weil es an einer Verankerung von Sozialstandards fehle.
Die genannten Rügen träfen auch im Hinblick auf die vorläufige Anwendung von CETA zu. Diese sei zudem rechtsmissbräuchlich, weil weder eine besondere Dringlichkeit gegeben sei noch irreversible Folgen drohten.
Dass es um vorbeugenden Rechtsschutz gehe, stehe der ZuläsBVerfGE 160, 208 (247)BVerfGE 160, 208 (248)sigkeit der Organklage nicht entgegen, weil mit der Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zu Annahme, Abschluss und vorläufiger Anwendung von CETA irreparable Folgen drohten.
b) Die Ausführungen zur Begründetheit decken sich im Wesentlichen mit den Ausführungen zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu III.
III.
 
1. Die Bundesregierung erachtet die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. sowie die Organklage der Antragstellerin zu V. für von vornherein unzulässig und offensichtlich unbegründet.
a) Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. seien unzulässig. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die Nichtablehnung der Beschlüsse zur Unterzeichnung, zur Annahme und zur vorläufigen Anwendung der auf Unionszuständigkeiten gründenden Teile des Abkommens durch den deutschen Vertreter im Rat unmittelbar deutsche Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzen könnten. Die besonderen Zulässigkeitsanforderungen für eine auf Art. 38 GG gestützte Verfassungsbeschwerde seien nicht erfüllt. Es gehe vorliegend nicht um eine Verlagerung von neuen Aufgaben und Befugnissen auf die Europäische Union. Auch sei eine qualifizierte Kompetenzüberschreitung von vornherein ausgeschlossen, weil CETA als gemischtes Abkommen geschlossen werde.
Soweit sich die Beschwerdeführer zu I. bis IV. auf eine Verletzung von Staatsstrukturprinzipien wie Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip bezögen, fehle es an der Darlegung des notwendigen Zusammenhangs zu dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein rügefähigen Demokratieprinzip.
Im Übrigen könnten die Beschwerdeführer zu I. bis IV. nicht darlegen, dass sie durch die Nichtablehnung der vorgeschlagenen Beschlüsse durch den deutschen Vertreter im Rat selbst, gegenwärtig und unmittelbar in Grundrechten betroffen seien. CETA werde erst nach einer Ratifikation durch die Mitgliedstaaten auch durch die Europäische Union angenommen, was vorläufig nichtBVerfGE 160, 208 (248) BVerfGE 160, 208 (249)zu erwarten stehe. Für den Beschluss über die Unterzeichnung fehle es ebenfalls an einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit.
Die Organklage der Antragstellerin zu V. sei ebenfalls unzulässig. Eine Verletzung der Rechte des Bundestages durch die Bundesregierung sei nicht erkennbar. Insoweit sei der Antrag mangels Darlegung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG von vornherein unzulässig. Insbesondere sei die Gestaltungsmacht des Bundestages durch die Mitwirkungshandlungen der Bundesregierung am Zustandekommen von CETA auf europäischer Ebene nicht beeinträchtigt. Da es sich insoweit um ein gemischtes Abkommen handele, dem alle Mitgliedstaaten zustimmen müssten, habe es der Bundestag selbst in der Hand, das Zustandekommen des Abkommens zu verhindern. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, wie die Nichtablehnung der Beschlüsse des Rates zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA den Bundestag in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzen oder unmittelbar gefährden könne. Die von der Antragstellerin zu V. behaupteten Verstöße gegen Art. 23 in Verbindung mit Art. 20, Art. 19 Abs. 4, Art. 92 und Art. 79 Abs. 3 GG sowie Art. 2 und Art. 6 EUV in Verbindung mit Art. 267 AEUV und Art. 47 GRCh seien nicht ausreichend substantiiert. Nicht von Zuständigkeiten der Europäischen Union erfasste Teile des Abkommens würden nicht vorläufig angewendet. Insoweit bleibe die freie Entscheidung des Bundestages über die Zustimmung unberührt. Soweit die Kompetenzen der Europäischen Union jedoch reichten, könne der Bundestag von vornherein nicht in seinen Rechten verletzt sein.
b) Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. und die Organklage der Antragstellerin zu V. seien auch offensichtlich unbegründet.
aa) Das Demokratieprinzip sei nicht verletzt. Der Bundestag werde durch CETA nicht in seiner demokratischen Substanz entleert. Es sei nicht ersichtlich, dass CETA eine so erhebliche Einschränkung bedeute, dass er nur noch Angelegenheiten von geringem Umfang zu entscheiden hätte. Das parlamentarischeBVerfGE 160, 208 (249) BVerfGE 160, 208 (250)Budgetrecht sei ebenfalls nicht verletzt. Finanzielle Risiken von ganz erheblichem Gewicht seien im Zusammenhang mit CETA weder dargelegt noch ersichtlich. Die bloße Möglichkeit von Entschädigungszahlungen verletze nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages. Aus den Verpflichtungen zur Marktöffnung im Bereich von Dienstleistungen und Investitionen ergäben sich keine verfassungswidrigen Eingriffe in die demokratische Gestaltungshoheit. Das gelte auch mit Blick auf die vorläufige Anwendung von CETA, weil sich diese nur auf die Bereiche des Abkommens beziehe, die in der Zuständigkeit der Europäischen Union lägen. Zudem könne die vorläufige Anwendbarkeit durch eine Vertragspartei jederzeit beendet werden (Art. 30.7 Abs. 3 CETA).
Die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen (Kapitel 21 CETA) und die Bestimmungen über einen bilateralen Dialog und Zusammenarbeit (Kapitel 25 CETA) verletzten das Demokratieprinzip ebenfalls nicht. Sie berührten nicht die Möglichkeiten jeder Vertragspartei, ihre Regelungs-, Gesetzgebungs- und Politikgestaltungsaufgaben zu erfüllen (Art. 21.2 Abs. 4 CETA). Zudem könne das mit dem Dialog betraute Gremium keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen.
Die Einsetzung von Gremien im Rahmen von Freihandelsabkommen/Assoziationsabkommen der Europäischen Union mit Drittstaaten sei üblich. Dies gelte insbesondere für Gremien, die in genau definierten Fällen Beschlüsse zur Änderung, Ergänzung oder Konkretisierung bestimmter Teile des Abkommens fassen könnten, und sei im Primärrecht der Europäischen Union angelegt. Eine demokratische Rückanbindung der CETA-Ausschüsse bestehe über Unterrichtungspflichten der Bundesregierung nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG), die Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 GG und die Beteiligung des Europäischen Parlaments nach Art. 218 Abs. 10 AEUV. Der Bundestag werde nach Maßgabe der etablierten Mechanismen vorab umfassend über allfällige Beschlussgegenstände in Gremien, die auf der Grundlage vonBVerfGE 160, 208 (250) BVerfGE 160, 208 (251)Freihandelsabkommen/Assoziationsabkommen eingerichtet worden seien, unterrichtet. Dies verschaffe ihm die Möglichkeit, sich mit allen Beschlussgegenständen zu befassen, vor Beschlussfassung des jeweiligen Gremiums gegebenenfalls eine Stellungnahme abzugeben (§ 8 EUZBBG) und dadurch seiner Integrationsverantwortung nachzukommen.
Bindende Beschlüsse des in CETA vorgesehenen Gemischten Ausschusses stünden unter dem Zustimmungsvorbehalt der Vertragsparteien. Art. 26.3 Abs. 2 CETA sehe ausdrücklich vor, dass die Beschlüsse des Gemischten Ausschusses für die Vertragsparteien nur vorbehaltlich der Erfüllung etwaiger interner Anforderungen und des Abschlusses etwaiger interner Verfahren bindend seien. Auch Art. 30.2 Abs. 2 Satz 2 CETA stelle klar, dass Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses von den Vertragsparteien im Einklang mit ihren zum Inkrafttreten der Änderung erforderlichen internen Anforderungen und Verfahren zu billigen seien. Sie träten erst an einem von den Vertragsparteien vereinbarten Tag in Kraft (Art. 30.2 Abs. 2 Satz 3 CETA). Damit unterlägen auch diese Beschlüsse – wie bei Art. 26.3 Abs. 2 CETA – einem Zustimmungsvorbehalt der Vertragsparteien.
Soweit der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen dem Gemischten CETA-Ausschuss nach Art. 8.31 Abs. 3 CETA die Annahme verbindlicher Auslegungsentscheidungen empfehlen könne, dürfe er dies nach Art. 8.44 Abs. 3 CETA nur, wenn zuvor das Einvernehmen der Vertragsparteien hergestellt und deren interne Anforderungen und Verfahren erfüllt worden seien. Damit sei sichergestellt, dass verbindliche Auslegungsentscheidungen nur dann abgegeben werden könnten, wenn auch die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei des Abkommens ihre verfassungsrechtlich gebotenen Verfahren durchgeführt habe.
Eine verfassungswidrige Einschränkung demokratischer Handlungsspielräume sei auch durch die Investitionsschutzbestimmungen des Kapitels 8 CETA nicht gegeben. Die dort niedergelegten Verpflichtungen der Vertragsparteien entsprächen im Wesentlichen denjenigen, denen die Organe der Europäischen Union beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland aufgrund unionsBVerfGE 160, 208 (251)BVerfGE 160, 208 (252)rechtlicher beziehungsweise verfassungsrechtlicher Vorgaben ohnehin unterlägen.
Schließlich sei den auf das Demokratiegebot gestützten Einwänden gegen die Einrichtung von CETA-Ausschüssen entgegenzuhalten, dass das von den CETA-Ausschüssen gesetzte Recht nicht unmittelbar anwendbar sei. Das Abkommen lege ausdrücklich fest, dass es lediglich völkerrechtliche Verpflichtungen der Vertragsparteien enthalte (Art. 30.6 Abs. 1 CETA). Jeder dieser Rechtsakte müsse daher durch europäische oder nationale Verfahren umgesetzt werden.
bb) Auch die von den Beschwerdeführern zu I. bis IV. und der Antragstellerin zu V. erhobene Rüge einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips gehe fehl. Der Autonomie des Unionsrechts drohe durch die Investitionsgerichtsbarkeit keine Gefahr. Ohnehin sei unklar, inwiefern eine Verletzung des Unionsrechts zugleich gegen das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verstoßen könne. Der internationale Menschenrechtsschutz werde nicht beeinträchtigt. Durch die Verpflichtung in Art. 8.31 CETA, das Abkommen gemäß der Wiener Vertragsrechtskonvention auszulegen, werde sichergestellt, dass bei der Auslegung die beiden UN-Menschenrechtspakte von 1966 und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu beachten seien. Die Gerichts- und Rechtsschutzgarantien des Grundgesetzes (Art. 92, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 GG) würden nicht verletzt. Art. 92 GG betreffe die innerstaatliche Rechtsprechungsfunktion, schließe aber die Möglichkeit von internationalen Gerichten und Schiedsgerichten neben den staatlichen Gerichten nicht aus.
cc) Eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips hätten die Beschwerdeführer zu I. bis IV. und die Antragstellerin zu V. nicht nachvollziehbar dargetan. Weder greife die Rüge einer unzureichenden Verankerung von Arbeits- und Sozialstandards in CETA, noch gefährde das Abkommen die Formulierung von sozial-ökologischen Vergabekriterien.
dd) Gegen die Bestimmungen zu Umwelt und Vorsorgeprinzip in CETA gebe es ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die von den Beschwerdeführern zu I. bis IV. und der AntragBVerfGE 160, 208 (252)BVerfGE 160, 208 (253)stellerin zu V. geäußerten Bedenken, wonach völkerrechtliche Vorgaben generell zu einer Aushöhlung der Demokratie und demokratischer Gestaltungsrechte führten, verkennten den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Das Vorsorgeprinzip sei über Verweise auf Bestimmungen des Rechts der Welthandelsorganisation (Sanitary and Phytosanitary-Übereinkommen, Art. XX GATT) sowie einen Verweis auf die Rio-Erklärung über Handel und Entwicklung auch in ausreichendem Maß aufgefangen und gewährleistet. CETA gehe nicht über bereits bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen aus dem WTO-Recht hinaus, an die die Europäische Union und Kanada unabhängig von dem Abkommen gebunden seien.
c) Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bestehe kein Anlass. Die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV seien nicht erfüllt, weil es an einer entscheidungserheblichen Frage zur Gültigkeit oder Auslegung des Unionsrechts fehle. Unabhängig davon sei die richtige Anwendung des Unionsrechts im vorliegenden Fall derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bleibe. Das in CETA vereinbarte Investitionsgericht sei mit den EU-Verträgen und dem in Art. 263 ff. AEUV vereinbarten Letztentscheidungsmonopol des Gerichtshofs der Europäischen Union vereinbar, weil das CETA-Investitionsgericht lediglich die im Abkommen völkerrechtlich vereinbarten Investitionsschutzstandards auslege und weder die Kompetenzen des Gerichtshofs noch den Rechtsschutz einschränke.
2. Nach Ansicht des Deutschen Bundestages sind die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. und der Antrag der Antragstellerin zu V. im Organstreitverfahren ebenfalls unzulässig und unbegründet.
a) Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig, weil die Zustimmung des deutschen Vertreters zu den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union zur Unterzeichnung, zum Abschluss und zur vorläufigen Anwendung von CETA bereits erfolgt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Dezember 2016 (BVerfGE 144, 1) festgestellt habe.BVerfGE 160, 208 (253)
BVerfGE 160, 208 (254)Darüber hinaus drohe keine offensichtliche und für die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten mit struktureller Bedeutung versehene Kompetenzüberschreitung durch Organe der Europäischen Union. CETA sei ein gemischtes Abkommen. Auch sei seit dem Gutachten 2/15 des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Freihandelsabkommen mit Singapur für Freihandelsverträge in der Art von CETA geklärt, dass derartige Abkommen gemischte Verträge seien, die der Zustimmung durch die Mitgliedstaaten bedürften. Dass die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten dadurch verletzt oder gefährdet werde, sei nicht ersichtlich, weil sämtliche weiteren Schritte die Ratifikation oder Zustimmung aller Mitgliedstaaten voraussetzten.
Der Antrag im Organstreitverfahren sei ebenfalls unzulässig. Dass Rechte oder Zuständigkeiten des Bundestages durch die Antragsgegnerin verletzt oder unmittelbar gefährdet würden, sei nicht zu erwarten.
b) Die Verfassungsbeschwerden und der Antrag im Organstreitverfahren seien auch unbegründet.
aa) Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. und die Antragstellerin zu V. geltend machten, CETA führe zu einer unzulässigen Entleerung der demokratischen Substanz des Bundestages, weil von der Europäischen Union beziehungsweise den CETA-Einrichtungen Hoheitsbefugnisse ohne Einhaltung der einschlägigen Voraussetzungen ausgeübt würden, treffe dies nicht zu. Mit Blick auf die Darlegungen des Gerichtshofs der Europäischen Union im Gutachten 2/15 vom 16. Mai 2017 (vgl. Rn. 129) und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 2016 (vgl. Rn. 121) sei es zwar nicht ausgeschlossen, dass die Auslegung der Kompetenzregelungen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union durch den Gerichtshof von der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts in den Bereichen der Seeverkehrs- und der Arbeitsschutzregelungen sowie der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen, der Zuordnung zu den geteilten oder ausschließlichen Zuständigkeiten sowie der Qualifikation der Portfolioinvestitionen voneinander abwichen.BVerfGE 160, 208 (254) BVerfGE 160, 208 (255)Die Interpretation der Unionskompetenzordnung durch den Gerichtshof berühre indes in keinem dieser Bereiche die Ultra-vires-Grenze oder den demokratischen Identitätskern der Verfassung und es sei daher auch verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie dem weiteren Ratifikationsverfahren zugrunde gelegt würde.
Soweit die Rechtsauffassungen von Bundesverfassungsgericht und Gerichtshof der Europäischen Union auch insofern voneinander abwichen, als Letzterer in seinem Gutachten 2/15 die Bestimmungen im Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Singapur zu Portfolioinvestitionen, zu institutionellen Vorgaben über Informationsaustausch, Notifikation, Überprüfung, Zusammenarbeit, Vermittlungen und beschließende Ausschüsse, zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten sowie zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien dem Bereich der geteilten Zuständigkeit zugeordnet habe, bleibe diese Differenz verfassungsrechtlich unbedenklich, weil sich die Interpretationen von Bundesverfassungsgericht und Gerichtshof im Ergebnis nicht unterschieden. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union gehe in seinem Gutachten 2/15 davon aus, dass Vertragsschlüsse im Bereich der geteilten Kompetenzen die Mitwirkung der Mitgliedstaaten voraussetzen. Im Übrigen sei eine Tendenz zur wirksamen Kompetenzauslegung im Sinne der implied powers-Doktrin grundsätzlich hinzunehmen und auch unter demokratischen Gesichtspunkten zulässig (unter Verweis auf BVerfGE 123, 267 [351]).
Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. und die Antragstellerin zu V. eine unzulässige Entleerung der demokratischen Substanz des Bundestages befürchteten, weil durch CETA Hoheitsbefugnisse auf die Europäische Union beziehungsweise die CETA-Einrichtungen übertragen würden, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages unzulässig eingeschränkt und die Integrationsverantwortung der deutschen Staatsorgane beschränkt werde, treffe dies nicht zu. CETA komme weder rechtlich noch faktisch eine Durchgriffswirkung in den innerstaatlichen Bereich zu. Auch das notwendige ZustimmungsgesetzBVerfGE 160, 208 (255) BVerfGE 160, 208 (256)des Bundestages begründe keine unmittelbare innerstaatliche Wirkung des Abkommens.
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die demokratische Legitimation von CETA seien auch hinsichtlich der in die Kompetenz der Europäischen Union fallenden Bereiche gewahrt. Die nötige demokratische Legitimation beruhe auf der bereits erfolgten Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union in den Zustimmungsgesetzen zu dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie auf der fortwirkenden und begleitenden Wahrnehmung der Integrationsverantwortung der deutschen Staatsorgane und insbesondere des Bundestages. Die Errichtung der CETA-Ausschüsse sei durch das Zustimmungsgesetz hinreichend legitimiert, insbesondere weil ihren Beschlüssen keine Durchgriffswirkung oder für die Struktur des Haushalts relevanten Wirkungen zukämen. Hinzu komme die demokratische Legitimation der Ausschusstätigkeiten durch die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung der deutschen Staatsorgane, die auf der Grundlage der entsprechenden Regelungen auch nach dem Abschluss des Abkommens eine Rückkopplung der Vertragspraxis an den Bundestag sicherstelle.
Die vom Bundesverfassungsgericht in seinem im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Urteil vom 13. Oktober 2016 formulierten Bedenken erwiesen sich spätestens seit der gemeinsamen Erklärung von Rat und Mitgliedstaaten – nach der die Position der Europäischen Union im Gemeinsamen Ausschuss zwischen dieser und den Mitgliedstaaten einvernehmlich festgelegt werde, sofern der Beschlussgegenstand in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle – und seit dem Gutachten 2/15 des Gerichtshofs der Europäischen Union als nicht beziehungsweise nicht mehr begründet.
bb) Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. und die Antragstellerin zu V. die Ansicht verträten, CETA sei mit dem grundgesetzlich garantierten Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, gingen sie fehl. Auch die Autonomie des Unionsrechts werde weder beeinträchtigt, noch sei sie über das grundgesetzliche Rechtsstaatsprinzip abgesichert. Das rechtsstaatliche Gebot materiellen MenBVerfGE 160, 208 (256)BVerfGE 160, 208 (257)schenrechts- und Grundrechtsschutzes sei durch mehrfache Verweise auf die einschlägigen UN-Menschenrechtskonventionen in CETA ausreichend gewahrt.
cc) Schließlich seien auch die von den Beschwerdeführern zu I. bis IV. und der Antragstellerin zu V. im Hinblick auf die Umweltpolitik und das Vorsorgeprinzip geäußerten Bedenken verfassungsrechtlich nicht haltbar.
c) Für eine Aussetzung des Verfahrens und ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV bestehe kein Anlass.
3. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ergänzend zur Stellungnahme des Deutschen Bundestages eine eigene Stellungnahme abgegeben.
Anders als der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts habe der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Gutachten 2/15 sowohl die Vorschriften zum internationalen Seeverkehr als auch zum Arbeitsschutz als Teil der ausschließlichen Kompetenz der Europäischen Union angesehen. Eine solche ausschließliche Kompetenz habe er zudem bezüglich ausländischer Direktinvestitionen angenommen, während er Portfolioinvestitionen und die Investor-Staat-Streitbeilegung dem Bereich der geteilten Zuständigkeit zugeordnet habe. Für die vorliegenden Verfahren komme es darauf jedoch nicht an, weil es bei einem gemischten Abkommen denknotwendig nicht zu einer Überschreitung der Kompetenzen der Europäischen Union zulasten der Mitgliedstaaten kommen könne.
Unabhängig davon könne eine Verletzung der Art. 20 und Art. 38 GG vorliegen, wenn CETA Gesetzgebungskompetenzen des Bundestages einschränke oder Vertragsänderungen ohne seine Beteiligung nach Art. 59 Abs. 2 GG möglich mache. Der übergeordnete CETA-Ausschuss bedürfe angesichts der potentiellen Reichweite seiner Entscheidungen einer besonderen demokratischen Legitimation. Deren genaue Ausgestaltung hänge jedoch davon ab, wie die Vorschriften zur Zusammensetzung und zu den Befugnissen des Gemischten Ausschusses, insbesondere Art. 26.1 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 30.2 CETA, konkret auszulegen seien.BVerfGE 160, 208 (257)
BVerfGE 160, 208 (258)Das durch CETA errichtete System des Schutzes ausländischer Investitionen könne zudem zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Inländerdiskriminierung führen.
Auch sei das in CETA verwirklichte System der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit wegen der unvollständigen Unabhängigkeit der Mitglieder des Investitionsgerichtssystems, der unklaren Zuständigkeiten der einzelnen Divisionen und der Befugnis, den Staat zu hohen Schadensersatzleistungen zu verurteilen, rechtsstaatlich bedenklich. Ein Verfassungsverstoß folge daraus jedoch nicht unbedingt. Anders lägen die Dinge nur mit Blick auf den mangelnden Einfluss der Bundesrepublik Deutschland auf die Bestellung der Richter durch den Gemischten CETA-Ausschuss.
Da eine abschließende verfassungsrechtliche Bewertung nur nach Auslegung des CETA durch den Gerichtshof der Europäischen Union möglich sei, werde angeregt, diesem die relevanten Auslegungsfragen gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen.
IV.
 
1. Mit Urteil vom 13. Oktober 2016 hat der Senat in den vorliegenden Verfassungsbeschwerde- und Organstreitverfahren Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die darauf gezielt haben, dem deutschen Vertreter im Rat der Europäischen Union die Zustimmung zu Beschlüssen zur Unterzeichnung, zur vorläufigen Anwendung und zum Abschluss von CETA zu untersagen, nach Maßgabe der Gründe abgelehnt (vgl. BVerfGE 143, 65 [66]).
Soweit sich die Anträge gegen die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA gerichtet haben, hat er ihnen den Erfolg versagt, weil weder die Unterzeichnung noch der erst nach Befassung des Europäischen Parlaments und Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten anstehende Abschluss von CETA im Zeitpunkt der Entscheidung unmittelbare Rechtswirkungen für die Antragsteller zeitigten (vgl. BVerfGE 143, 65 [89 Rn. 42, 101 Rn. 73]).
Soweit sich die Anträge gegen die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat gegen die vorläufige Anwendung gerichtet haben, hat der Senat den Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgrund einer Folgenabwägung abgelehnt. Die Nachteile, die entBVerfGE 160, 208 (258)BVerfGE 160, 208 (259)stünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen werde, sich die Mitwirkung der Bundesregierung an der Beschlussfassung des Rates später aber als unzulässig erweise, wögen weniger schwer als die Nachteile, die mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit der Hauptsache verbunden seien.
a) Zwar hat es der Senat für möglich gehalten, dass sich der Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA als Ultra-vires-Akt erweist und dass die Mitwirkung der Bundesregierung an diesem Beschluss die Beschwerdeführer zu I. bis IV. in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt. Er hat ausgeführt, der Europäischen Union dürfte es unter anderem an einer Vertragsschlusskompetenz für Portfolioinvestitionen, den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und den Arbeitsschutz fehlen (vgl. BVerfGE 143, 65 [93 ff. Rn. 51 ff.]). Nicht auszuschließen sei darüber hinaus, dass sich der Beschluss des Rates auch insoweit als Ultra-vires-Akt darstellen könne, als mit dem Abkommen Hoheitsrechte auf das Gerichts- und das Ausschusssystem weiterübertragen werden sollten (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 Rn. 58]).
Auch eine Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität hat der Senat für nicht völlig ausgeschlossen gehalten, weil die Ausgestaltung des Ausschusssystems in CETA die Grundsätze des Demokratieprinzips, die Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes sind, verletzen könne (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 ff. Rn. 59 ff.]).
b) Das Risiko der geschilderten Nachteile für die Schutzgüter des Art. 38 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG lasse sich jedoch durch unterschiedliche Vorkehrungen praktisch ausschließen, so dass ein schwerer Nachteil für das gemeine Wohl im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG im Ergebnis abgewendet werden könne. Dem Risiko eines Ultra-vires-Akts könne dadurch begegnet werden, dass die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union fallenden Bereiche von CETA von der vorläufigenBVerfGE 160, 208 (259) BVerfGE 160, 208 (260)Anwendung ausgenommen würden (vgl. BVerfGE 143, 65 [98 ff. Rn. 67 ff.]). Einer etwaigen Berührung der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG) durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems könne – jedenfalls im Rahmen der vorläufigen Anwendung – zum Beispiel durch eine interinstitutionelle Vereinbarung, nach der Beschlüsse gemäß Art. 30.2 Abs. 2 CETA nur aufgrund eines einstimmig angenommenen gemeinsamen Standpunktes nach Art. 218 Abs. 9 AEUV gefasst werden, oder andere Vorkehrungen begegnet werden (vgl. BVerfGE 143, 65 [100 Rn. 71]). Zudem müsse sichergestellt werden, dass Deutschland die vorläufige Anwendung von CETA auch einseitig beenden könne, wenn die Bundesregierung die von ihr angekündigten Handlungsoptionen zur Vermeidung eines möglichen Ultra-vires-Akts oder einer Verletzung der Verfassungsidentität nicht realisieren könne (vgl. BVerfGE 143, 65 [100 f. Rn. 72]).
2. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 hat der Senat in den Verfahren 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1823/16 und 2 BvE 3/16 erneute Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. BVerfGE 144, 1 [2]), mit denen die Antragsteller erreichen wollten, dass die nach ihrer Auffassung nicht beachteten Maßgaben aus dem Urteil vom 13. Oktober 2016 eingehalten werden. Der Senat hat festgestellt, die Bundesregierung habe die im Urteil vom 13. Oktober 2016 formulierten Maßgaben vor ihrer Zustimmung zu den Beschlüssen über die Unterzeichnung und die vorläufige Anwendung von CETA umgesetzt (vgl. BVerfGE 144, 1 [12 Rn. 21]). Insbesondere habe sie keiner vorläufigen Anwendung des Abkommens in Bezug auf im Urteil vom 13. Oktober 2016 aufgeführte Sachmaterien zugestimmt. Eine etwaige Berührung der Verfassungsidentität durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems sei ebenfalls nicht zu befürchten, da die Erklärung Nr. 19 des Rates und der Mitgliedstaaten dahingehend auszulegen sei, dass bei einer etwaigen Beschlussfassung des Gemischten Ausschusses im Rahmen der vorläufigen Anwendung des Abkommens alle mitgliedstaatlichen Belange berücksichtigt würden (vgl. BVerfGE 144, 1 [16 f. Rn. 30]). Schließlich hätten Deutschland und Österreich in derBVerfGE 160, 208 (260) BVerfGE 160, 208 (261)Erklärung Nr. 21 festgestellt, dass sie als Vertragsparteien von CETA ihre Rechte aufgrund Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA ausüben könnten, so dass das Recht zur einseitigen Beendigung der vorläufigen Anwendung gewährleistet sei (vgl. BVerfGE 144, 1 [17 Rn. 31 f.]).
3. Nach den Entscheidungen des Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union zwei Gutachten erstattet:
a) In seinem Gutachten 2/15 vom 16. Mai 2017 zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Singapur (vgl. EuGH, Gutachten 2/15 vom 16. Mai 2017, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Singapur, EU:C:2017:376) hat der Gerichtshof auf Antrag der Kommission festgestellt, dass die Europäische Union in allen von dem geplanten Abkommen erfassten Bereichen die ausschließliche Zuständigkeit besitze; ausgenommen seien lediglich andere Investitionen als Direktinvestitionen und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat mit den Mitgliedstaaten als Beklagten. Diese Bereiche fielen in die geteilte Zuständigkeit von Europäischer Union und Mitgliedstaaten mit der Folge, dass das EUSFTA in seiner ursprünglich vorgesehenen Form von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten nur gemeinsam geschlossen werden könne.
b) In seinem Gutachten 1/17 vom 30. April 2019 zum Investitionsschutz in CETA (vgl. EuGH, Gutachten 1/17 vom 30. April 2019, Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, EU:C:2019:341) hat er auf Antrag des Königreichs Belgien festgestellt, dass Kapitel 8 Abschnitt F des CETA mit dem Primärrecht der Europäischen Union vereinbar sei.
 
B.
 
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. (I.) und der Antrag der Antragstellerin zu V. im Organstreitverfahren (II.) sind teilweise zulässig.BVerfGE 160, 208 (261)
BVerfGE 160, 208 (262)I.
 
Die Verfassungsbeschwerden sind bei verständiger Auslegung der gestellten Anträge (1.) zulässig, soweit sie sich gegen die Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA richten (2.). Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden unzulässig (3.).
1. Bei verständiger Würdigung wenden sich die Beschwerdeführer zu I. bis IV. gegen die Zustimmung der Bundesregierung zu dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Beschluss des Rates der Europäischen Union über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Beschluss [EU] 2017/37 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens [CETA] zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 1 f.) und zu dem Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Beschluss [EU] 2017/38 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens [CETA] zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 1080 f.). Diese Beschlüsse wurden mit Zustimmung der Bundesregierung vom selben Tage am 28. Oktober 2016 gefasst.
Ferner wenden sich die Beschwerdeführer zu I. bis IV. gegen den Beschluss des Rates über den Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (COM[2016] 443 final vom 5. Juli 2016). Diese Beschlussfassung ist noch nicht erfolgt.BVerfGE 160, 208 (262)
BVerfGE 160, 208 (263)Die Beschwerdeführer zu II. wenden sich zudem gegen ein (mögliches künftiges) Zustimmungsgesetz des Bundestages zu CETA.
2. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, soweit sie sich gegen die Zustimmung des deutschen Vertreters zum Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA richten. Es handelt sich insoweit um einen tauglichen Beschwerdegegenstand (a). Die Beschwerdeführer zu I. bis IV. sind beschwerdebefugt (b). Die Beschwerdefrist ist eingehalten (c), das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht entfallen (d).
a) Die Zustimmung des deutschen Vertreters zu dem Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA vom 28. Oktober 2016 ist ein tauglicher Beschwerdegegenstand. Es handelt sich dabei um einen Akt deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 151, 202 [279 f. Rn. 100 ff.]).
Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Beschlussfassung im Rat der Europäischen Union ist ein der deutschen Staatsgewalt zurechenbarer Mitwirkungsakt an dem in Rede stehenden Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA. Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland die vorläufige Anwendung nach Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA beenden könnte (vgl. BVerfGE 143, 65 [100 f. Rn. 72]; 144, 1 [17 Rn. 31 f.]), werden mit diesem Beschluss völkerrechtliche Verpflichtungen der Europäischen Union und damit mittelbar auch der Bundesrepublik Deutschland begründet.
Soweit es sich bei diesem Beschluss um eine das Integrationsprogramm der Europäischen Union überschreitende oder die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührende Maßnahme handeln sollte, ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Mitwirkung des deutschen Vertreters im Rat die einzige Möglichkeit, mit der Bürgerinnen und Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht ihr Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG auf demokratische Selbstbestimmung geltend machen können. Nach gefestigter Rechtsprechung haben die Träger der Integrationsverantwortung sicherzustellen, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen undBVerfGE 160, 208 (263) BVerfGE 160, 208 (264)sonstigen Stellen der Europäischen Union einschließlich der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Integrationsprogramm nicht in offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Weise überschreiten und dadurch gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 2, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und Art. 79 Abs. 3 GG verstoßen oder die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Verfassungsidentität des Grundgesetzes berühren. Insoweit unterliegt ihr Handeln verfassungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerfGE 142, 123 [204 f. Rn. 157]).
b) Die Beschwerdeführer zu I. bis IV. sind beschwerdebefugt, soweit sie eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG rügen. Ihr Vortrag lässt es jedenfalls als möglich erscheinen, dass sie durch die Zustimmung des deutschen Vertreters zur vorläufigen Anwendung von CETA in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt werden, weil sich die in Rede stehenden Regelungen als Ultra-vires-Akte darstellen beziehungsweise die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berühren könnten, § 90 Abs. 1 BVerfGG (aa). An der Beschwerdebefugnis fehlt es dagegen, soweit sie eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), die Beschwerdeführer zu II. eine Verletzung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG, die Beschwerdeführer zu II. und III. eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) sowie die Beschwerdeführer zu III. eine Rechtsmissbräuchlichkeit der vorläufigen Anwendung rügen (bb).
aa) Die Beschwerdeführer legen hinreichend substantiiert dar, dass sie durch die Zustimmung des deutschen Vertreters zur vorläufigen Anwendung von CETA in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG (1) selbst (2), gegenwärtig (3) und unmittelbar (4) verletzt werden.
(1) Als grundrechtsgleiches Recht gewährleistet das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag die politische Selbstbestimmung der Bürgerinnen undBVerfGE 160, 208 (264) BVerfGE 160, 208 (265)Bürger und garantiert ihnen eine freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 [340]; 132, 195 [238 Rn. 104]; 135, 317 [399 Rn. 159]; 142, 123 [173 Rn. 81, 190 Rn. 126]; 146, 216 [249 f. Rn. 46]; 151, 202 [274 f. Rn. 91]). Das Wahlrecht erschöpft sich nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern vermittelt dem Einzelnen einen Anspruch darauf, mit seiner Wahlentscheidung Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen und etwas bewirken zu können (vgl. BVerfGE 151, 202 [274 f. Rn. 91]). Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen (vgl. BVerfGE 129, 124 [168]; 134, 366 [396 f. Rn. 52]; 142, 123 [190 Rn. 126]; 151, 202 [286 Rn. 118]; 154, 17 [85 f. Rn. 100]).
Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 [172]; 123, 267 [330]; 134, 366 [396 Rn. 51]; 142, 123 [173 f. Rn. 81]; 146, 216 [249 Rn. 45]; 151, 202 [274 f. Rn. 91]; 153, 74 [152 Rn. 136]).
Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 [397 Rn. 53]; 142, 123 [193 Rn. 134]; 146, 216 [251 Rn. 50]; 151, 202 [297 f. Rn. 144]; 153, 74 [134 Rn. 98]). Darüber hinaus gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG den Wahlberechtigten gegenüber Bundesregierung,BVerfGE 160, 208 (265) BVerfGE 160, 208 (266)Bundestag und gegebenenfalls dem Bundesrat einen Anspruch darauf, dass diese in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung über die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union wachen, am Zustandekommen und an der Umsetzung von Maßnahmen, die die Grenzen des Integrationsprogramms überschreiten, nicht mitwirken und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen aktiv auf seine Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen hinwirken (vgl. BVerfGE 151, 202 [296 Rn. 140]; 153, 74 [133 Rn. 96]). Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG gewährt daher auch Schutz vor hinreichend qualifizierten Kompetenzüberschreitungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union. Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zur Ultra-vires-Rüge BVerfGE 142, 123 [174 f. Rn. 83, 198 ff. Rn. 143 ff.]; 151, 202 [296 ff. Rn. 140 ff.]; 153, 74 [133 Rn. 96, 152 Rn. 136]; 154, 17 [90 Rn. 110]).
Der demokratische Gehalt des Wahlrechts kann ferner dadurch verletzt werden, dass die Rechte des Deutschen Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit dessen Gestaltungsmacht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 123, 267 [341]; 142, 123 [190 Rn. 125]; 154, 17 [87 Rn. 103]). Vor dem Hintergrund des über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG als subjektives öffentliches Recht rügefähig gemachten Demokratieprinzips kann es zudem, wenn Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen werden, nicht ohne Bedeutung sein, ob die auf europäischer Ebene ausgeübte Hoheitsgewalt demokratisch legitimiert ist. Da die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG nur an einer Europäischen Union mitwirken darf, die demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist, muss gerade auch ein legitimatorischer Zusammenhang zwischen den Wahlberechtigten und der europäischen Hoheitsgewalt bestehen, auf den der Bürger nach der verfassungsrechtlichen Konzeption in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG einen Anspruch hat. Die Wahlberechtigten können deshalb auch verfassungsBVerfGE 160, 208 (266)BVerfGE 160, 208 (267)rechtlich relevante Defizite der demokratischen Legitimation der Europäischen Union rügen (vgl. BVerfGE 123, 267 [331]).
Der Beschwerdeführer zu I. rügt eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 146, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, die Beschwerdeführer zu II. eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1, Art. 20, Art. 20a in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. Die Beschwerdeführer zu III. ziehen, ebenso wie die Beschwerdeführer zu IV., Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20, Art. 23 und Art. 79 Abs. 3 GG heran. Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 [187]; 123, 267 [340]; 129, 124 [169, 177]; 132, 195 [238 Rn. 104]; 135, 317 [386 Rn. 125]; 142, 123 [190 Rn. 126]; 146, 216 [249 f. Rn. 46]; 151, 202 [286 Rn. 118]; 153, 74 [153 Rn. 138]; 154, 17 [86 Rn. 101]) hinreichend substantiiert. Sie setzen sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben und deren Bedeutung für den vorliegenden Fall auseinander und erfüllen dadurch auch die besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ultra-vires-Rüge (vgl. dazu BVerfGE 142, 123 [174 f. Rn. 83]; 151, 202 [274 ff. Rn. 90 ff.]; 154, 17 [82 Rn. 90]).
(2) Die Beschwerdeführer zu I. bis IV. sind durch die Zustimmung des deutschen Vertreters in diesem Recht selbst betroffen, weil sie nachvollziehbar geltend machen, durch die vorläufige Anwendung von CETA angesichts der damit verbundenen Risiken für die Einhaltung des Integrationsprogramms und die Wahrung der Verfassungsidentität in ihrem Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG als wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger möglicherweise verletzt zu sein.
(3) Die Beschwerdeführer zu I. bis IV. sind von den Folgen des angegriffenen Mitwirkungsakts gegenwärtig betroffen. Die streitgegenständliche Zustimmung ist am 28. Oktober 2016 erfolgt, der entsprechende Beschluss des Rates am selben Tag gefasst worden und unverändert in Kraft. Seit dem 21. September 2017 wird CETA vorläufig angewandt (vgl. ABl EU Nr. L 238 vom 16. SeptemBVerfGE 160, 208 (267)BVerfGE 160, 208 (268)ber 2017, S. 9; Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20. September 2017, IP/17/3121).
(4) Zudem sind sie als wahlberechtigte deutsche Staatsangehörige von der Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zu einer Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die sich möglicherweise als Ultra-vires-Akt oder Identitätsverletzung darstellt, unmittelbar in ihrem Recht auf demokratische Selbstbestimmung betroffen. Eines Vollzugsaktes bedarf es nicht, ebenso wenig einer Vorklärung durch Fachgerichte.
bb) Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), die Beschwerdeführer zu II. eine Verletzung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG, die Beschwerdeführer zu II. und III. eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) sowie die Beschwerdeführer zu III. eine Rechtsmissbräuchlichkeit der vorläufigen Anwendung rügen, sind sie nicht beschwerdebefugt, da sie den notwendigen Zusammenhang zu dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar rügefähigen Demokratieprinzip nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt haben (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfGE 123, 267 [332 f.]; vgl. auch BVerfGE 3, 58 [74]; 89, 155 [179]; 153, 74 [139 Rn. 107]; 158, 89 [121 f. Rn. 88]).
c) Die Beschwerdefrist des § 93 BVerfGG ist gewahrt. Die Beschwerdeführer zu I. bis IV. haben sich im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes gegen die Mitwirkung des deutschen Vertreters an dem Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA vom 28. Oktober 2016 gewandt. Die Verfassungsbeschwerden sind bereits vor diesem Datum beim Bundesverfassungsgericht eingegangen.
d) Die Beschwerdeführer zu I. bis IV. haben nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis. Das wird durch die Beschränkungen, die sich aus dem Beschluss des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung von CETA und den Erklärungen für das Ratsprotokoll ergeben, nicht in Frage gestellt. Zum einen deckenBVerfGE 160, 208 (268) BVerfGE 160, 208 (269)diese Einschränkungen nicht alle von den Beschwerdeführern zu I. bis IV. gerügten Zuständigkeitsüberschreitungen ab, zum anderen sind sie hinsichtlich ihrer Reichweite auslegungsbedürftig. Offen sind die Rolle des Ausschusssystems im Rahmen der vorläufigen Anwendung und seine Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Demokratieprinzips als Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes.
3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. gegen die Unterzeichnung von CETA richten, sind sie unzulässig, weil von der Unterzeichnung keine unmittelbaren Rechtswirkungen für die Beschwerdeführer ausgehen (vgl. BVerfGE 143, 65 [89 Rn. 42]).
Ebenfalls unzulässig sind die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV., soweit sie sich gegen den noch ausstehenden Beschluss des Rates zum Abschluss von CETA richten, weil dieser Beschluss erst nach Ratifizierung durch sämtliche Mitgliedstaaten gefasst werden soll und zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine unmittelbaren Rechtswirkungen zeitigen kann (vgl. BVerfGE 143, 65 [101 Rn. 73]).
Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu II., soweit sie sich gegen das zukünftige deutsche Zustimmungsgesetz wenden, weil ein solches noch nicht verabschiedet worden ist. Deshalb fehlt es an einem tauglichen Beschwerdegegenstand. Zwar können Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen angesichts der völkerrechtlichen Bindung, die mit der Ratifikation eintritt, schon vor ihrem Inkrafttreten vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden. Die zu überprüfende Norm muss jedoch erlassen – wenn auch nicht notwendigerweise schon in Kraft getreten – sein (vgl. BVerfGE 10, 20 [54]; 104, 23 [29]; 123, 267 [329]; 153, 74 [132 Rn. 94]). Dies setzt voraus, dass sich Bundestag und Bundesrat abschließend mit dem Gesetz befasst haben, das Gesetz also nur noch der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung bedarf (vgl. BVerfGE 1, 396 [413]; 153, 74 [132 Rn. 94]). Ein Zustimmungsgesetz kann mit der Verfassungsbeschwerde daher erst ab dem ZeitBVerfGE 160, 208 (269)BVerfGE 160, 208 (270)punkt seiner Verabschiedung angegriffen werden (vgl. BVerfGE 24, 33 [53 f.]; 123, 267 [329]; 153, 74 [132 Rn. 94]).
II.
 
Die Organklage der Antragstellerin zu V. ist zulässig, soweit sie sich gegen die Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung von CETA richtet (1.). Im Übrigen ist sie unzulässig (2.).
1. Die Beteiligten des Verfahrens sind Verfassungsorgane oder Teile derselben (a). Die Antragstellerin zu V. wendet sich gegen eine Handlung der Antragsgegnerin (b) und macht im Wege der Prozessstandschaft nachvollziehbar geltend, dass dadurch der Bundestag in seinen verfassungsrechtlichen Rechten verletzt werde (c). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben (d).
a) Die Antragstellerin zu V. ist als Fraktion des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren gemäß § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG parteifähig und berechtigt, dessen Rechte im Wege der Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. BVerfGE 1, 351 [359]; 142, 123 [182 f. Rn. 106, 184 Rn. 111]; 152, 8 [18 f. Rn. 25]). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG mögliche Antragsgegnerin.
b) Die Antragstellerin zu V. beantragt festzustellen, dass die "Nichtablehnung" der Beschlussvorlagen zu der Unterzeichnung, dem Abschluss und der vorläufigen Anwendung von CETA Rechte des Deutschen Bundestages verletze, und wendet sich damit gegen das Abstimmungsverhalten der Antragsgegnerin im Rat der Europäischen Union. Dieses ist eine im Organstreit angreifbare Maßnahme (vgl. zu einem Bund-Länder-Streit BVerfGE 92, 203 [227]).
c) Soweit sich die Antragstellerin zu V. gegen die Zustimmung des deutschen Vertreters zum Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA wendet, ist sie auch gemäß § 64 BVerfGG antragsbefugt.
Sie behauptet, dass die Antragsgegnerin dadurch Rechte des Deutschen Bundestages verletze oder unmittelbar gefährde (vgl. BVerfGE 60, 319 [324]; 70, 324 [350]; 137, 185 [224 Rn. 107]),BVerfGE 160, 208 (270) BVerfGE 160, 208 (271)dass sie an einem Ultra-vires-Akt eines Organs der Europäischen Union und darüber hinaus an einer mit der vorläufigen Anwendung von CETA einhergehenden Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität mitwirke. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die in Art. 23 GG verankerte Integrationsverantwortung den Bundestag berechtigt und verpflichtet, solchen Beeinträchtigungen entgegenzutreten, und dass dieses Recht von den Fraktionen auch im Wege der Prozessstandschaft (§ 64 Abs. 1 BVerfGG) geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 132, 195 [247 Rn. 125]; 134, 366 [397 Rn. 54]; 142, 123 [184 Rn. 111]; 157, 1 [18 ff. Rn. 56, 67 ff.]).
In der Sache wendet sich die Antragstellerin zu V. dagegen, dass CETA Gegenstände umfasse, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht unter die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union im Sinne von Art. 207 AEUV fielen. Sie macht darüber hinaus geltend, dass Rechte des Bundestages aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verletzt würden, dass den Ausschüssen auch im Rahmen der vorläufigen Anwendung von CETA zu weitreichende Entscheidungsbefugnisse übertragen werden könnten, ohne dass die Mitgliedstaaten insoweit eingebunden wären und dass dies womöglich auch Materien betreffe, die in der Kompetenz der Mitgliedstaaten lägen. Damit rügt die Antragstellerin zu V. in der Sache eine nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG unzulässige Weiterübertragung von Hoheitsrechten.
Die Beschränkungen für die vorläufige Anwendung, die sich aus dem Beschluss des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung von CETA und den Erklärungen für das Ratsprotokoll ergeben, stehen der Antragsbefugnis aus den oben genannten Gründen (vgl. Rn. 152) nicht entgegen.
d) Auch das Rechtsschutzbedürfnis wird dadurch nicht in Frage gestellt. Das Rechtsschutzbedürfnis im Organstreit entfällt grundsätzlich nicht deshalb, weil eine gerügte Rechtsverletzung abgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 1, 372 [379]; 41, 291 [303]; 121, 135 [152]; 131, 152 [193]; 140, 160 [185 f. Rn. 62]).
Im vorliegenden Fall ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht desBVerfGE 160, 208 (271)BVerfGE 160, 208 (272)wegen entfallen, weil der Rat der Europäischen Union am 28. Oktober 2016 die vorläufige Anwendung von CETA beschlossen hat. Es scheitert auch nicht daran, dass die vorläufige Anwendung des Abkommens in einer Weise eingeschränkt worden ist, die den Bedenken der Antragstellerin zu V. jedenfalls teilweise Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 144, 1 [5 ff. Rn. 9 ff.]). Anliegen der Antragstellerin zu V. war es, eine (drohende) Verletzung der Befugnisse des Deutschen Bundestages durch die Zustimmung der Bundesregierung zu dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Beschlussentwurf zur vorläufigen Anwendung von CETA zu verhindern. Ob die Vorbehalte dies vollständig ausschließen, ist klärungsbedürftig. Entsprechend hat die Antragstellerin zu V. – wie auch die Beschwerdeführer zu II. bis IV. – mit einem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen wollen, dass die nach ihrer Auffassung nicht beachteten Maßgaben aus dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 2016 eingehalten werden (vgl. BVerfGE 144, 1 [2 Rn. 1]).
Dazu hat der Senat im Beschluss vom 7. Dezember 2016 – wie schon in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 – bislang nur auf der Grundlage der nach § 32 BVerfGG gebotenen Abwägung Stellung genommen (vgl. BVerfGE 144, 1 [16 f. Rn. 30]). In der Hauptsache bleibt die Frage, ob die Bundesregierung insoweit an einem Ultra-vires-Akt eines Organs der Europäischen Union und an einer Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität mitgewirkt und dadurch Befugnisse des Bundestages verletzt hat, von ebenso grundsätzlicher wie fortdauernder Bedeutung.
2. Mangels unmittelbarer Rechtswirkungen unzulässig ist die Organklage dagegen, soweit sich die Antragstellerin zu V. gegen die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA wendet. Das hat der Senat für den Antrag auf einstweilige Anordnung bereits im Urteil vom 13. Oktober 2016 ausgeführt (vgl. BVerfGE 143, 65 [89 Rn. 42, 101 Rn. 73]).
Ebenso unzulässig ist sie, soweit die Verletzung objektiver Verfassungsgrundsätze gerügt wird. Der Organstreit eröffnet nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage (vgl.BVerfGE 160, 208 (272) BVerfGE 160, 208 (273)BVerfGE 118, 277 [319]; 126, 55 [68]; 138, 256 [259 Rn. 5]; 140, 1 [21 f. Rn. 58]; 150, 194 [200 Rn. 18]; stRspr). Daher sind die von der Antragstellerin zu V. geltend gemachten Rügen, CETA widerspreche dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, weil die Menschenrechte textlich nicht hinreichend verankert seien und die vorgesehene Investitionsgerichtsbarkeit den Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts verletze, sowie dem Sozialstaatsprinzip, weil es an einer klaren Verankerung von Sozialstandards fehle, unzulässig.
 
C.
 
Soweit die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. zulässig sind, sind sie offensichtlich unbegründet (I.). Dies gilt auch für den Antrag der Antragstellerin zu V. im Organstreitverfahren (II.).
I.
 
Gemessen an Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG sowie dem im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union niedergelegten Integrationsprogramm (1.) ist der Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA vom 28. Oktober 2016 weder als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren noch werden dadurch die Grundsätze des Demokratieprinzips berührt (2.). Eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG liegt deshalb nicht vor.
1. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Gründung und Fortentwicklung der Europäischen Union mit. Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht (vgl. BVerfGE 126, 286 [302]; 140, 317 [335 Rn. 37]; 142, 123 [186 f. Rn. 117]; 158, 210 [239 f. Rn. 73]).
a) Die vom Grundgesetz ermöglichte und vom Integrationsgesetzgeber ins Werk gesetzte Öffnung der deutschen Rechtsordnung für das Unionsrecht findet allerdings ihre Grenzen nicht nurBVerfGE 160, 208 (273) BVerfGE 160, 208 (274)in dem vom Gesetzgeber verantworteten Integrationsprogramm, sondern auch in der ebenso änderungs- wie integrationsfesten Identität der Verfassung (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG). Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union kommt daher nur insoweit ein Anwendungsvorrang zu, als das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 37, 271 [279 f.]; 58, 1 [30 f.]; 73, 339 [375 f.]; 75, 223 [242]; 89, 155 [190]; 123, 267 [348 ff., 402]; 126, 286 [302]; 129, 78 [99]; 134, 366 [384 Rn. 26]; 140, 317 [336 Rn. 40]; 142, 123 [187 f. Rn. 120]; 154, 17 [89 f. Rn. 109]). Nur in diesem Umfang ist die Anwendung von Unionsrecht in Deutschland demokratisch legitimiert (vgl. BVerfGE 142, 123 [187 f. Rn. 120]). Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet dies insbesondere im Rahmen der Identitäts- und der Ultra-vires-Kontrolle.
Diese Anforderungen des Grundgesetzes binden alle Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland und dürfen weder relativiert noch unterlaufen werden (vgl. BVerfGE 158, 210 [241 Rn. 75]). Deutsche Staatsorgane dürfen sich am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren sind oder die durch Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 [188]; 126, 286 [302 ff.]; 134, 366 [387 f. Rn. 30]; 140, 317 [336 Rn. 42]; 142, 123 [207 Rn. 162]; 154, 17 [151 Rn. 234]). Die Verfassungsorgane sind aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung (Art. 23 GG; vgl. BVerfGE 157, 1 [22 ff. Rn. 69 ff.]) darüber hinaus verpflichtet, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfGE 142, 123 [186 Rn. 115, 207 ff. Rn. 163 ff.]).
b) Die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte der Bundesrepublik Deutschland in den Organen und Gremien der Europäischen Union ist Ausübung deutscher Staatsgewalt. Bei seinemBVerfGE 160, 208 (274) BVerfGE 160, 208 (275)Verhandlungs- und Abstimmungsverhalten unterliegt der deutsche Vertreter im Rat grundgesetzlichen Bindungen (vgl. BVerfGE 92, 203 [227 f., 230]; 135, 317 [429 Rn. 234]; 151, 202 [279 f. Rn. 101 f., 281 f. Rn. 105 f.]; 154, 17 [81 f. Rn. 89]).
c) Die Integrationsverantwortung obliegt den Verfassungsorganen nicht nur als objektiv-rechtliche Pflicht. Aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf demokratische Selbstbestimmung folgt vielmehr ein entsprechender Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sie in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung, vor offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen und/oder Berührungen der grundgesetzlichen Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zu schützen (vgl. BVerfGE 142, 123 [174 f. Rn. 83, 188 Rn. 121, 198 ff. Rn. 143 ff.]; 151, 202 [296 ff. Rn. 140 ff.]; 153, 74 [133 Rn. 96, 152 Rn. 136]; 154, 17 [86 Rn. 101, 90 Rn. 110]).
Vor diesem Hintergrund verletzt der deutsche Vertreter im Rat der Europäischen Union das Recht der Bürgerinnen und Bürger aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG, wenn er einer Berührung der Verfassungsidentität oder einem Ultra-vires-Akt zustimmt.
2. Die Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA vom 28. Oktober 2016 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist aufgrund der sich aus dem Beschluss und den Erklärungen für das Ratsprotokoll ergebenden Beschränkungen für die vorläufige Anwendung weder als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren noch verstößt sie gegen die Grundsätze des Demokratieprinzips als Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes (a). Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es allein auf den Inhalt an, den der Beschluss des Rates bei verständiger Auslegung hat. Wie CETA tatsächlich vorläufig angewandt wird, ist dafür ebenso wenig von Belang wie der Umstand, dass die Beurteilung der Kompetenzfrage durch den Gerichtshof der EuropäiBVerfGE 160, 208 (275)BVerfGE 160, 208 (276)schen Union im EUSFTA-Gutachten vom 16. Mai 2017 in einigen Punkten nicht mit dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 2016 übereinstimmt (b).
a) Der Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA stellt sich jedenfalls deshalb weder als Ultra-vires-Akt (aa) noch als Berührung der Verfassungsidentität des Grundgesetzes (bb) dar, weil die ursprüngliche Fassung des Beschlussentwurfs vom 5. Juli 2016 (COM[2016] 470 final) vor der Zustimmung des deutschen Vertreters in wesentlichen Punkten verändert und eingeschränkt worden ist. Eine Verletzung der Integrationsverantwortung der Bundesregierung und des Rechts der Beschwerdeführer zu I. bis IV. aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG durch die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat scheidet damit aus (cc).
aa) Der Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 28. Oktober 2016 erstreckt sich unter Berücksichtigung der für seine Anwendung festgelegten Maßgaben nur auf Gegenstände, die unstreitig in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen. Soweit die Vertragsschlusskompetenz für Portfolioinvestitionen, den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und den Arbeitsschutz umstritten ist (vgl. BVerfGE 143, 65 [93 Rn. 52]), ist die vorläufige Anwendung beschränkt.
(1) Die Bestimmungen betreffend Portfolioinvestitionen, deren Hauptzweck in der Gewinnerzielung liegt, ohne dass der Investor einen direkten Einfluss auf das Unternehmen besäße (vgl. BVerfGE 143, 65 [93 f. Rn. 53]), sind von der vorläufigen Anwendung des Abkommens ausgenommen (vgl. auch BVerfGE 144, 1 [14 Rn. 25]). Der Beschluss des Rates vom 28. Oktober 2016 bestimmt insoweit, dass
– aus Kapitel 8 CETA (Investitionen) nur die Art. 8.1 bis 8.8, 8.13 und 8.15 mit Ausnahme von dessen Absatz 3 sowie Art. 8.16 vorläufig angewendet werden, und dies auch nur, soweit ausländische Direktinvestitionen betroffen sind;
– aus Kapitel 13 CETA (Finanzdienstleistungen) die Art. 13.2 Absätze 3 und 4, Art. 13.3, 13.4, 13.9 und 13.21 nicht vorläufigBVerfGE 160, 208 (276) BVerfGE 160, 208 (277)angewendet werden, soweit sie Portfolioinvestitionen, den Investitionsschutz oder die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten betreffen (Art. 1 Abs. 1 Buchstabe b).
(2) Dies gilt auch für die in Kapitel 8 Abschnitt D CETA unter dem Titel "Investitionsschutz" enthaltenen Regelungen über die Behandlung von Investoren und erfassten Investitionen (Art. 8.10 CETA) sowie die Enteignung (Art. 8.12 CETA) (vgl. Rn. 180).
(3) Mit Blick auf die Vorschriften zu Feeder-Dienstleistungen (Transport zwischen Häfen und Schiffen) und maritimen Hilfsdiensten, die gemäß Art. 207 Abs. 5 AEUV explizit aus dem Anwendungsbereich der Gemeinsamen Handelspolitik ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 143, 65 [94 Rn. 55]), enthält das Ratsprotokoll unter Nr. 3 eine Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung von Bestimmungen über Verkehr und Verkehrsdienstleistungen. Danach wird durch den Beschluss, soweit er die vorläufige Anwendung von Bestimmungen im Bereich der Verkehrsdienstleistungen vorsieht, die in die geteilte Zuständigkeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten fallen, die Aufteilung der Zuständigkeiten auf diesem Gebiet durch den Beschluss über die vorläufige Anwendung nicht berührt, und die Mitgliedstaaten werden nicht daran gehindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada in den nicht von CETA erfassten Angelegenheiten oder gegenüber einem anderen Drittland im Bereich der in diese Zuständigkeit fallenden Verkehrsdienstleistungen auszuüben. Da CETA kein Kapitel zu Verkehr und Verkehrsdienstleistungen im Allgemeinen enthält, ist davon auszugehen, dass von der diesbezüglichen Erklärung des Rates alle in CETA enthaltenen Bestimmungen zu verschiedenen Verkehrsarten und Verkehrsdienstleistungen erfasst sind, insbesondere auch diejenigen, die den internationalen Seeverkehr im Sinne von Kapitel 14 CETA betreffen (vgl. BVerfGE 144, 1 [14 f. Rn. 26]).
(4) Mit Blick auf Kapitel 11 CETA (Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen), dessen kompetenzielle Absicherung im Integrationsprogramm ebenfalls zweifelhaft ist (vgl. BVerfGE 143, 65 [94 f. Rn. 56]), wird durch die Erklärung Nr. 16 im RatsBVerfGE 160, 208 (277)BVerfGE 160, 208 (278)protokoll (Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen) bestimmt, dass der Beschluss über die vorläufige Anwendung von CETA, soweit er Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen betrifft und soweit dieses Gebiet in die geteilte Zuständigkeit fällt, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet nicht berührt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada oder einem anderen Drittland in nicht von diesem Abkommen erfassten Angelegenheiten auszuüben.
(5) Zweifeln an der Zuständigkeit der Europäischen Union für die Vereinbarungen in dem Handel und Arbeit betreffenden Kapitel 23 (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 Rn. 57]) begegnet der Beschluss durch die nahezu gleichlautende Erklärung für das Ratsprotokoll Nr. 4 (Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung der Kapitel 22, 23 und 24). Gleiches gilt für den Arbeitnehmerschutz, der Gegenstand der Erklärung des Rates Nr. 17 ist.
(6) Soweit sich der Beschluss des Rates zur vorläufigen Anwendung von CETA als Ultra-vires-Akt darstellen könnte, weil mit CETA möglicherweise Hoheitsrechte auf das Gerichts- und das Ausschusssystem weiterübertragen werden (Kapitel 8 Abschnitt F und Kapitel 26 CETA) und darüber hinaus zweifelhaft ist, ob ein solcher Schritt noch von Art. 23 Abs. 1 GG gedeckt wäre, weil es jedenfalls denkbar erscheint, dass die Beanspruchung einer umfassenden unionalen Vertragsschlusskompetenz im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik eine entsprechende Mediatisierung der Mitgliedstaaten bedeutete und mit einem weitreichenden Eingriff in deren (Völker-)Rechtssubjektivität einherginge (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 Rn. 58]), wird ein solches Risiko durch die nur eingeschränkte Anwendbarkeit von Kapitel 8 CETA (vgl. Rn. 180) und die Erklärungen Nr. 18 und Nr. 19 zum Ratsprotokoll betreffend den Gemischten CETA-Ausschuss ausgeschlossen. Insbesondere werden entsprechende Entscheidungen ausweislich der Erklärung Nr. 19 zum Ratsprotokoll einvernehmlich getrofBVerfGE 160, 208 (278)BVerfGE 160, 208 (279)fen, wodurch eine Zustimmung des deutschen Ratsvertreters sichergestellt wird.
(7) Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die mitgliedstaatlichen Kompetenzen durch den Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA gewahrt worden sind. Zwar können sich, soweit die Erklärungen nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern vom Rat der Europäischen Union abgegeben worden sind, Unsicherheiten hinsichtlich ihrer Auslegung im Einzelfall ergeben. Diese werden jedoch dadurch begrenzt, dass den Erklärungen erkennbar die Intention zugrunde liegt, die mitgliedstaatlichen Kompetenzen, so wie sie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung verstanden worden sind, zu respektieren. Jedenfalls ist durch die Einschränkungen, die der Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung vom 28. Oktober 2016 erfahren hat, und die in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen ein offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Übergriff in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 144, 1 [15 Rn. 27 f.]).
bb) Eine Berührung der Verfassungsidentität des Grundgesetzes und insbesondere der Grundsätze der Demokratie und der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG) durch den Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 Rn. 59]) scheidet ebenfalls aus.
Art. 26.1 CETA sieht einen Gemischten Ausschuss vor, der für alle Fragen zuständig ist, die die Handels- und Investitionstätigkeit zwischen den Vertragsparteien und die Umsetzung und Anwendung von CETA betreffen (Art. 26.1 Abs. 3 CETA). Seine Beschlüsse sind für die Vertragsparteien – "vorbehaltlich der Erfüllung etwaiger interner Anforderungen und des Abschlusses etwaiger interner Verfahren" – bindend und von ihnen umzusetzen (Art. 26.3 Abs. 2 CETA). Zu den wichtigen Befugnissen des Gemischten Ausschusses gehört, soweit in CETA vorgesehen, die Befugnis, Änderungen des Abkommens zu beschließen (Art. 26.1 Abs. 5 Buchstabe c CETA) und Protokolle und Anhänge zu ändern (Art. 30.2 Abs. 2 Satz 1 CETA). Die Protokolle und Anhänge machen dabei quantitativ gesehen den größten Teil des AbkomBVerfGE 160, 208 (279)BVerfGE 160, 208 (280)mens aus. Der Gemischte CETA-Ausschuss kann ferner durch Beschluss weitere Kategorien von geistigem Eigentum in die Begriffsbestimmung "Rechte des geistigen Eigentums" aufnehmen (Art. 8.1 Abs. "Rechte des geistigen Eigentums" Satz 2 CETA; vgl. BVerfGE 143, 65 [95 f. Rn. 60]).
In Anbetracht der unklaren Regelung des Art. 30.2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 CETA kann nicht ausgeschlossen werden, dass solche Beschlüsse des Gemischten Ausschusses keiner Zustimmung durch die Vertragsparteien bedürfen (vgl. BVerfGE 143, 65 [96 Rn. 61]). So ist nicht vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten dort durch eigene Vertreter mit Sitz und Stimme mitwirken, und zwar unabhängig davon, ob die Ausschüsse Gegenstände behandeln, die in die unionale oder nationale Zuständigkeit fallen. Für den Gemischten CETA-Ausschuss ist lediglich bestimmt, dass er sich aus "Vertretern der Europäischen Union und Vertretern Kanadas" zusammensetzen soll (Art. 26.1 Abs. 1 Satz 1 CETA). Auch wenn der Gemischte Ausschuss seine Beschlüsse einvernehmlich trifft (Art. 26.3 Abs. 3 CETA), er daher Beschlüsse nicht gegen die Stimme der Europäischen Union fassen kann, gibt es insoweit doch keine gesicherte Einflussmöglichkeit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfGE 143, 65 [97 Rn. 63]). Es erscheint daher denkbar, dass deutsche Stellen jedenfalls von unmittelbaren Einflussmöglichkeiten insoweit gänzlich ausgeschlossen werden, so dass eine personelle und sachliche Legitimation der Ausschusstätigkeit durch die Mitwirkung deutscher Hoheitsträger ebenso unmöglich wäre wie ihre Verantwortlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern (vgl. BVerfGE 143, 65 [96 f. Rn. 62]). Das könnte handelspolitische Schutzmaßnahmen (Kapitel 3) ebenso betreffen wie technische Handelshemmnisse (Kapitel 4), gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (Kapitel 5), Zoll- und Handelserleichterungen (Kapitel 6), Subventionen (Kapitel 7), Investitionen (Kapitel 8), den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel (Kapitel 9), die vorübergehende Einreise und den vorübergehenden Aufenthalt natürlicher Personen zu geschäftlichen Zwecken (Kapitel 10), die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (Kapitel 11), ZulasBVerfGE 160, 208 (280)BVerfGE 160, 208 (281)sungs- und Qualifikationserfordernisse (Kapitel 12), Finanzdienstleistungen (Kapitel 13), Dienstleistungen im internationalen Seeverkehr (Kapitel 14), die Telekommunikation (Kapitel 15), den elektronischen Geschäftsverkehr (Kapitel 16), die Wettbewerbspolitik (Kapitel 17), Staatsunternehmen, Monopole und Unternehmen mit besonderen Rechten oder Vorrechten (Kapitel 18), das öffentliche Beschaffungswesen (Kapitel 19) und das in Kapitel 20 geregelte geistige Eigentum (vgl. BVerfGE 143, 65 [96 f. Rn. 62]).
Soweit die Mitgliedstaaten in den Ausschüssen nicht vertreten sind, können sie lediglich mittelbar auf deren Verfahren und Entscheidungen einwirken, indem sie nach Art. 218 Abs. 9 AEUV auf Vorschlag der Kommission in einem Beschluss des Rates den Gemeinsamen Standpunkt festlegen, den der Vertreter der Europäischen Union in den CETA-Ausschüssen zu vertreten hat. Dieser Einfluss ist indes dadurch begrenzt, dass der Rat – soweit nichts anderes festgelegt ist – mit qualifizierter Mehrheit beschließt (Art. 16 Abs. 3 EUV, Art. 218 Abs. 8 UAbs. 1 AEUV). In der Regel dürfte Art. 218 Abs. 9 AEUV Anwendung finden, wenn der Gemischte CETA-Ausschuss beschließt, die Protokolle und Anhänge von CETA zu ändern (Art. 30.2 Abs. 2 Satz 1 CETA), oder wenn er verbindliche Auslegungen von CETA vornimmt (Art. 8.31 Abs. 3 Satz 2, Art. 26.1 Abs. 5 Buchstabe e CETA; vgl. BVerfGE 143, 65 [97 f. Rn. 64]). Die demokratische Legitimation und Kontrolle derartiger Beschlüsse erscheint mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG zweifelhaft (vgl. BVerfGE 143, 65 [98 Rn. 65]; 151, 202 [292 Rn. 131, 295 Rn. 138]).
Dies kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch dahinstehen, weil durch die den Beschluss über die vorläufige Anwendung vom 28. Oktober 2016 flankierenden Einschränkungen in den Erklärungen Nr. 18 und Nr. 19 zum Ratsprotokoll eine Berührung des Demokratieprinzips ausgeschlossen ist. Zum einen hat die Europäische Kommission ausweislich der Erklärung Nr. 18 zugesichert, während der vorläufigen Anwendung jedenfalls bis zu einer abschließenden Entscheidung des Senats keinen Vorschlag gemäß Art. 218 Abs. 9 AEUV zur Änderung oder zur Annahme einerBVerfGE 160, 208 (281) BVerfGE 160, 208 (282)bindenden Auslegung von CETA vorzulegen. Zum anderen folgt aus Entstehungsgeschichte und Kontext der Erklärung Nr. 19, dass der von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten im Gemischten Ausschuss einzunehmende Standpunkt zu einem Beschluss dieses Gremiums immer einvernehmlich festgelegt wird. Das setzt eine Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union voraus, so dass eine etwaige Berührung der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG) durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems während der vorläufigen Anwendung von CETA nicht zu besorgen ist (vgl. BVerfGE 144, 1 [16 f. Rn. 30]).
cc) Stellt sich der Beschluss des Rates vom 28. Oktober 2016 somit weder als Ultra-vires-Akt noch als Berührung der Verfassungsidentität dar, so scheidet auch eine Verletzung der Integrationsverantwortung der Bundesregierung und damit des Rechts der Beschwerdeführer zu I. bis IV. aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG durch die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat aus.
b) Die verfassungsrechtliche Beurteilung der hier angegriffenen Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 28. Oktober 2016 bemisst sich nach dem Inhalt, den dieser Beschluss zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bei verständiger Auslegung hat. Auf seine spätere Anwendung kommt es insoweit nicht an.
Für den vorliegenden Fall ist daher ohne Belang, dass das CETA-Ausschusssystem im Rahmen der vorläufigen Anwendung des Abkommens aktiviert wurde (vgl. den Übersichtsplan der Europäischen Kommission für die Ankündigung und Dokumentierung aller CETA-Ausschüsse und sonstigen CETA-Gremien unter https://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1811&title=CETA-Meetings-and-documents [zuletzt abgerufen am 26. Januar 2022]). Die Bundesregierung hat bekundet, dass die Ausschüsse gemäß Protokollerklärung Nr. 19 des Rates vom 28. Oktober 2016 im Rahmen der vorläufigen Anwendung keine Beschlüsse über Bereiche treffen, die in die mitgliedstaatliche Kompetenz fallen (vgl. BTDrucks 19/6713, S. 6).
Nichts anderes gilt im Hinblick auf das nach der BeschlussfasBVerfGE 160, 208 (282)BVerfGE 160, 208 (283)sung des Rates erstattete EUSFTA-Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Mai 2017, das in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Kompetenzen im Bereich des internationalen Seeverkehrs, der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen und des Arbeitsschutzes von der Beurteilung abweicht (vgl. Rn. 129), die dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 2016 zugrunde lag. Für die Beurteilung der Frage, ob die Bundesregierung dadurch, dass der deutsche Vertreter im Rat der Europäischen Union dem Beschluss über die vorläufige Anwendung von CETA zugestimmt hat, ihre Integrationsverantwortung verletzt hat, kommt es darauf nicht an.
Allerdings bleiben die Verfassungsorgane verpflichtet, während der vorläufigen Anwendung ergriffenen Maßnahmen, die sich als Ultra-vires-Akt oder als Berührung der Verfassungsidentität erweisen, entgegenzutreten. Sollte dies nicht erfolgreich sein, verbleibt der Bundesregierung in letzter Konsequenz die Möglichkeit, die vorläufige Anwendung des Abkommens nach Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA zu beenden (vgl. BVerfGE 143, 65 [100 f. Rn. 72]; 144, 1 [17 Rn. 31 f.]).
II.
 
Soweit zulässig, ist die Organklage der Antragstellerin zu V. aus denselben Gründen wie die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. offensichtlich unbegründet. Da der Beschluss des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung weder als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren ist noch die Grundsätze des Demokratieprinzips als Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührt, ist der Deutsche Bundestag nicht in seinen Rechten verletzt.
König Huber Hermanns Müller Kessal-Wulf Maidowski Langenfeld WallrabensteinBVerfGE 160, 208 (283)