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Zitiert durch:
BVerfGE 142, 123 - OMT-Programm
BVerfGE 142, 25 - Oppositionsrechte
BVerfGE 140, 160 - Evakuierung aus Libyen
BVerfGE 139, 194 - Landesersuchen Bundespolizei
BVerfGE 131, 152 - Unterrichtungspflicht
BVerfGE 129, 108 - Legislativstreit Schuldenbremse
BVerfGE 123, 267 - Lissabon
BVerfGE 121, 135 - Luftraumüberwachung Türkei
BVerfGE 117, 359 - Tornadoeinsatz Afghanistan
BVerfGE 102, 224 - Funktionszulagen
BVerfGE 90, 286 - Out-of-area-Einsätze
BVerfGE 70, 324 - Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste


Zitiert selbst:
BVerfGE 10, 285 - Bundesgerichte
BVerfGE 4, 375 - Schwerpunktparteien
BVerfGE 2, 143 - EVG-Vertrag
BVerfGE 1, 208 - 7,5%-Sperrklausel


A. -- I.
II.
III.
B. -- I.
II.
1. § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG macht die Befugnis zur Einleitu ...
2. Bei Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes nach Art. 93 Abs. ...
3. Die damit sichtbar werdende Abweichung gegenüber den Orga ...
4. Die Antragsteller sind hiernach nur befugt, den durch ihre Ant ...
III.
Bearbeitung, zuletzt am 02.02.2023, durch: Sabrina Gautschi, A. Tschentscher
BVerfGE 60, 319 (319)Zur Antragsbefugnis bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten innerhalb eines Landes (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG).
 
 
Beschluß
 
des Zweiten Senats vom 27. April 1982 gemäß § 24 BVerfGG
 
-- 2 BvH 1/81 --  
in dem Verfassungsrechtsstreit über die Vereinbarkeit der Verabschiedung und Verkündung des Haushaltsgesetzes der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 1981 vom 16. Dezember 1980 (GBl. 1981 S. 7) mit Art. 66 Abs. 2, 67 Abs. 1, 83 Abs. 1, 101 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 102, 104, 105 Abs. 5, 119, 123 Abs. 3, 131 Abs. 2 und 132 Satz 1 und 2 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen sowie mit Artikel 109 Abs. 3 des Grundgesetzes und dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens, Antragsteller: 1. Gruppe der Bremer Grünen Liste in der Bremischen Bürgerschaft, vertreten durch den Vorsitzenden, Am Wall 164, Bremen l -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Axel Adamietz, Mozartstraße 12, Bremen l --, 2. Abgeordneter Axel Adamietz, Mozartstraße 12, Bremen 1; Antragsgegner: 1. Bremische Bürgerschaft, vertreten durch den Präsidenten, Haus der Bürgerschaft, Bremen 1, 2. Senat der Freien Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten, Rathaus, Bremen 1.BVerfGE 60, 319 (319)
 
 
BVerfGE 60, 319 (320)Entscheidungsformel:
 
Die Anträge werden verworfen.
 
 
Gründe:
 
 
A. -- I.
 
Die Antragstellerin zu 1) ist eine aus vier Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft bestehende Gruppe gemäß § 7 Abs. 6 der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft vom 7. November 1979 (GBl. S. 415) -- GO --. Der Antragsteller zu 2) ist ein dieser Gruppe angehörender Abgeordneter der Bürgerschaft.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem am 22. Juli 1981 eingegangenen Antrag nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG gegen das Haushaltsgesetz der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 1981 -- Haushaltsgesetz 1981 --, das von der Bürgerschaft am 11. Dezember 1980 in erster und zweiter Lesung beschlossen, vom Senat der Freien Hansestadt Bremen am 16. Dezember 1980 ausgefertigt und am 22. Januar 1981 im Gesetzblatt verkündet wurde.
In § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes wird der dem Gesetz als Anlage beigefügte Haushaltsplan in Einnahme und Ausgabe auf 3 183 429 350 DM festgestellt. Der im Haushaltsplan enthaltene Einzelplan 09 -- Finanzen -- schreibt unter dem Kapitel 0995 -- Allgemeines -- im Titel 972 10-7 vor, daß im Laufe des Haushaltsjahres 1981 eine globale Minderausgabe von 22 305 640 DM erwirtschaftet werden muß.
Durch § 3 Abs. 4 Satz 3 und § 6 Abs. 1 Nr. 1-4 des Haushaltsgesetzes 1981 werden der Finanzdeputation, einem gemeinsamen Ausschuß von Senat und Bürgerschaft, Kompetenzen beim Haushaltsvollzug übertragen. Die Finanzdeputation tritt insoweit anstelle der Bürgerschaft. Hiernach hat die Finanzdeputation die Befugnis,
a) die Entscheidung über die Aufhebung von Stellensperren zu treffen, wobei sie sich auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken hat,
b) Nachbewilligungen auf den Haushalt im Rahmen von DecBVerfGE 60, 319 (320)BVerfGE 60, 319 (321)kungsmöglichkeiten im laufenden Haushaltsjahr zu beschließen,
c) anstelle veranschlagter Verpflichtungsermächtigungen andere Verpflichtungsermächtigungen zu erteilen,
d) anstelle von Verpflichtungsermächtigungen Vorgriffe zu bewilligen,
e) Wegfall- und Umwandlungsvermerke im Stellenplan zu streichen oder auszubringen.
II.
 
Die Antragsteller, die in der Finanzdeputation nicht vertreten sind, sind der Ansicht, die genannten, dieser Deputation erteilten Ermächtigungen verstießen gegen jene Bestimmungen der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 (GBl. S. 251) -- LV --, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. März 1973 (GBl. S. 17), nach denen die Haushaltsgesetzgebung in die alleinige Zuständigkeit der Bürgerschaft falle. Durch diese Ermächtigungen habe das Parlament Rechte aufgegeben, die ihm als Ganzem und damit auch den Antragstellern entsprechend ihrem Mitwirkungsanteil im Plenum zuständen. Zumindest hätte jedoch der Spielraum des ermächtigten Organs durch nähere Bindungen eingeschränkt werden müssen. Daß durch den Haushaltsplan die Exekutive ermächtigt werde, unter Ausschluß des Parlamentsplenums und damit auch der Antragsteller nachträglich eine globale Minderausgabe von außergewöhnlicher Höhe zu erwirtschaften, verstoße gegen die Entscheidungszuständigkeit des Parlaments und gegen das Verfassungsgebot der konkreten Veranschlagung eines ausgeglichenen Staatshaushalts durch Gesetz. Auch die im Einzelplan 09, Kapitel 0980, Titel 352 01-3 des Haushaltsplans eingeplante "Entnahme aus der Kassenverstärkungs- und allgemeinen Ausgleichsrücklage" in Höhe von 110 550 000 DM verletze das Gebot des Haushaltsausgleichs. Denn diese Rücklage sei gar nicht vorhanden gewesen, sondern habe erst durch nachträgliche Ausnutzung von Kreditermächtigungen aus dem Haushalt 1980BVerfGE 60, 319 (321) BVerfGE 60, 319 (322)gebildet werden müssen. Dies stelle eine Umgehung des § 18 der Landeshaushaltsordnung dar.
Die Bürgerschaft habe auch gegen die §§ 49, 50 Abs. 3 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273) verstoßen. Sie habe nämlich das Haushaltsgesetz verabschiedet, obwohl ihr vom Senat nicht der nach den §§ 9 Abs. 2, 14 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl. I S. 582) zu erstellende Finanzplan, sondern lediglich "Materialien" hierzu vorgelegt worden seien. Dieses Verfahren, mit dem dem Plenum ohne rechtfertigenden Grund wesentliche Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlagen entzogen worden seien, verletze die Bestimmungen der Landesverfassung über die Zuständigkeit der Bürgerschaft für die Haushaltsgesetzgebung, ferner Art. 109 Abs. 3 GG sowie den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens.
Da der Gesetzesbeschluß der Bürgerschaft mithin sowohl nach seinem Inhalt als auch nach der Art seines Zustandekommens verfassungswidrig gewesen sei, hätte der Senat das Gesetz gar nicht verkünden dürfen. Hinsichtlich der Beachtung dieser Pflicht stehe auch Minderheiten des Parlaments und einzelnen Abgeordneten eine "Wächterfunktion" zu.
III.
 
Die Antragsteller beantragen,
1. festzustellen, daß die Bremische Bürgerschaft (Landtag) durch die Verabschiedung des § 3 Abs. 4 Satz 3 und des § 6 Abs. 1 Nr. 1-4 des Haushaltsgesetzes der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 1981 vom 16. Dezember 1980 (GBl. 1981 S. 7) sowie durch die Einstellung einer globalen Minderausgabe in Höhe von 22 305 640 DM in den diesem Haushaltsgesetz anliegenden Haushaltsplan -- Einzelplan 09, Kapitel 0995, Titel 972 10-7 -- in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes gegen die Artikel 66 Abs. 2, 67 Abs. 1, 83 Abs. 1, 101 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 105 Abs. 5, 132 Satz 1BVerfGE 60, 319 (322) BVerfGE 60, 319 (323)der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen verstoßen hat, hilfsweise,
festzustellen, daß die Bremische Bürgerschaft (Landtag) durch die Verabschiedung des § 3 Abs. 4 Satz 3 und des § 6 Abs. 1 Nr. 1-4 des Haushaltsgesetzes 1981 insoweit gegen die Artikel 66 Abs. 2, 67 Abs. 1, 83 Abs. 1, 101 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 105 Abs. 5, 132 Satz 1 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen verstoßen hat, als die in den genannten Vorschriften des Haushaltsgesetzes enthaltenen Regelungen nicht an Einschränkungen gebunden sind;
2. festzustellen, daß die Bremische Bürgerschaft (Landtag) durch die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1981 und der in dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 enthaltenen Feststellung des Haushaltsplans in Einnahme und Ausgabe auf 3 183 429 350 DM gegen die Artikel 101 Abs. 1 Nr. 1, 102, 131 Abs. 2, 132 Satz 1 und 2 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen verstoßen hat;
3. festzustellen, daß die Bremische Bürgerschaft (Landtag) gegen die Artikel 101 Abs. 1 Nr. 1,131 Abs. 2 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen sowie gegen Artikel 109 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen hat, indem sie das Haushaltsgesetz 1981 verabschiedet hat, obwohl ihr der Finanzplan 1980-1984 der Freien Hansestadt Bremen ohne rechtfertigenden Grund nicht vorgelegen hat;
4. festzustellen, daß der Senat der Freien Hansestadt Bremen gegen die Artikel 104, 119, 123 Abs. 3 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen verstoßen hat, indem er das Haushaltsgesetz 1981 verkündet hat, ohne gemäß Art. 104 der Landesverfassung Bedenken zu erheben.
 
Die Antragsteller können das Bundesverfassungsgericht in einem Rechtsstreit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG nur dannBVerfGE 60, 319 (323) BVerfGE 60, 319 (324)anrufen, wenn ihnen ein Rechtsweg zum bremischen Staatsgerichtshof nicht eröffnet ist. Nach Art. 140 LV kann der Staatsgerichtshof nur vom Senat, der Bürgerschaft oder einem Fünftel der gesetzlichen Mitglieder der Bürgerschaft oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft des Landes angerufen werden. Nach Art. 75 Abs. 1 LV besteht die Bürgerschaft aus 100 Abgeordneten. Demnach muß eine Anrufung des Staatsgerichtshofs von mindestens 20 Abgeordneten unterstützt werden. Da die Antragsteller dieses Quorum nicht erreichen, ist ihnen der Rechtsweg zum Staatsgerichtshof nicht eröffnet.
II.
 
Aber auch mit dem von ihnen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig gemachten Verfahren zur Entscheidung einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit innerhalb eines Landes können sie keinen Erfolg haben. Denn die von ihnen gestellten Anträge sind unzulässig. Den Antragstellern fehlt die für diese Verfahrensart in § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG vorgeschriebene besondere Antragsbefugnis.
1. § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG macht die Befugnis zur Einleitung und zum Betreiben eines Verfassungsstreits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG davon abhängig, daß die Streitbeteiligten "durch den Streitgegenstand in ihren Rechten oder Zuständigkeiten unmittelbar berührt sind". Sie müssen also in diesem prozeßrechtlichen Sinne betroffen sein.
Gegenstand der vorliegenden Verfassungsstreitigkeit sind diejenigen verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisse, deren Feststellung die Antragsteller begehren. Die Antragsteller sind also nur dann antragsbefugt, wenn sie schlüssig behaupten, daß sie und die Antragsgegner an diesen Rechtsverhältnissen unmittelbar beteiligt sind und daß die Antragsgegner hieraus erwachsende eigene Rechte und Zuständigkeiten der Antragsteller durch die beanstandeten Maßnahmen verletzt oder unmittelbar gefährdet haben (vgl. BVerfGE 1, 208 [221, 228 f.]).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.BVerfGE 60, 319 (324)
BVerfGE 60, 319 (325)2. Bei Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG können gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG allerdings parteifähige Teile oberster Bundesorgane auch Rechte des Organs, dem sie angehören, im eigenen Namen geltend machen, ohne ein Betroffensein in eigenen Rechten nachweisen zu müssen.
Im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG ist dies jedoch nicht möglich (vgl. Geiger, BVerfGG, § 71 Anm. 4; Lechner, BVerfGG, 3. Aufl., § 71 Anm. 2; Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, § 71 Rdnr. 4; a.A.: Maunz u. a., GG, Art. 93 Rdnr. 63).
Der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte sowie die Systematik und der Zweck der im Grundgesetz und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht getroffenen Regelungen von Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts schließen bei "öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten innerhalb eines Landes" gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG eine Prozeßstandschaft von Minderheiten aus. § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG enthält eine besondere, von § 64 Abs. 1 BVerfGG schon im Wortlaut deutlich abweichende Regelung der Antragsbefugnis. Der Wortlaut dieser Bestimmung läßt keinen ernstlichen Zweifel daran zu, daß eine "unmittelbare Berührung" eigener Rechte oder Zuständigkeiten der jeweiligen Antragsteller und Antragsgegner verlangt wird. Dies entspricht auch dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz, daß Verfahrensbeteiligte mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einer Prozeßstandschaft nur eigene Rechte geltend machen können.
3. Die damit sichtbar werdende Abweichung gegenüber den Organstreitigkeiten zwischen Bundesorganen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG rechtfertigt sich aus dem unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Zusammenhang und verfassungspolitischen Zweck beider Verfahrensarten:
Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zielt nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte unmittelbar auf den vollen Minderheitenschutz im Verfassungsgefüge des Bundes (vgl. BVerfGE 45, 1BVerfGE 60, 319 (325) BVerfGE 60, 319 (326)[29 f.]). Demgegenüber soll die subsidiäre Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG für "andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten innerhalb eines Landes" nur einen lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz für alle verfassungsrechtlichen Streitigkeiten innerhalb der Länder gewährleisten (vgl. BVerfGE 4, 375 [377]).
Dieser Zweck entspricht im verfassungsrechtlichen Bereich der im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern geltenden Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Er ist bereits dann erreicht, wenn den am Verfassungsleben in einem Land Beteiligten gegen alle Verletzungen ihrer eigenen verfassungsmäßigen Rechte der Rechtsweg offensteht, und zwar in erster Linie zum Landesstaatsgerichtshof und nur hilfsweise zum Bundesverfassungsgericht.
Ob und unter welchen Voraussetzungen Minderheiten innerhalb eines Landesparlaments gegen den Willen der Parlamentsmehrheit befugt sein sollen, die gegenseitigen rechtlichen Beziehungen zwischen dem Parlament als Ganzem und anderen Verfassungsorganen des Landes durch ein Gericht des Bundes abschließend klären zu lassen, obwohl diese Beziehungen möglicherweise bewußt dem politischen Kräftespiel im Lande überlassen bleiben sollten, stellt eine weittragende verfassungspolitische Entscheidung dar. Sie kann mit dem Argument, die Bundesverfassung müsse auch Minderheiten in Landesparlamenten Rechtsschutz gewähren, nicht begründet werden. Der Ausnahmevorschrift des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 (dritte Alternative) GG (zum Ausnahmecharakter vgl. BVerfGE 10, 285 [293 f.]) läßt sich eine derartige verfassungspolitische Entscheidung jedenfalls nicht entnehmen. Im Gegenteil weist Art. 99 GG die Kompetenz für die Begründung einer so weitgehenden Einwirkungsmöglichkeit eines Bundesorgans in das Verfassungsgefüge einzelner Länder ausdrücklich dem Landesgesetzgeber selbst zu. Dieser hat hier aber in bewußter politischer Entscheidung die Möglichkeit einer Parlamentsminderheit, unabhängig von der Verletzung eigener Rechte ein (Landes-)Verfassungsgericht anBVerfGE 60, 319 (326)BVerfGE 60, 319 (327)zurufen, an ein bestimmtes Quorum gebunden (Art. 140 LV i. V. m. § 1 Nr. 1 des bremischen Gesetzes über den Staatsgerichtshof).
Hat sich der Landesgesetzgeber so entschieden, verbietet es die durch das Grundgesetz geschützte Eigenstaatlichkeit der Länder dem Bund, diese Entscheidung durch einfaches Bundesgesetz zu unterlaufen, indem Minderheiten, die dieses Quorum nicht erreichen, durch extensive Interpretation einer Vorschrift des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (§ 71 Abs. 1 Nr. 3) der Weg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet wird.
4. Die Antragsteller sind hiernach nur befugt, den durch ihre Anträge bezeichneten Streit zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu stellen, soweit sie eine unmittelbare Berührung eigener verfassungsrechtlicher Rechte und Zuständigkeiten durch die beanstandeten Maßnahmen der Antragsgegner schlüssig behaupten. Dies ist hier nicht der Fall.
Die meisten von den Antragstellern als verletzt bezeichneten Bestimmungen der Landesverfassung und des Grundgesetzes, deren Verletzung das Bundesverfassungsgericht feststellen soll, schützen weder Rechte und Zuständigkeiten einzelner Landtagsabgeordneter noch solche einzelner parlamentarischer Gruppen: Die Art. 66 Abs. 2, 67 Abs. 1, 101 Abs. 1 Nr. 1 und 5, 102, 105 Abs. 5, 131 Abs. 2 LV betreffen unmittelbar nur Rechte und Zuständigkeiten des Landtags als Ganzen. Die Art. 104, 119, 123 Abs. 3, 132 LV begründen nur Rechte und Pflichten des Senats. Art. 109 Abs. 3 GG und der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens regeln nur das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Land.
Die Antragsteller machen zwar geltend, der Landtag habe durch Selbstaufgabe bestimmter Rechte und Zuständigkeiten zugleich ihre Mitwirkungsrechte aus Art. 83 Abs. 1 LVund § 31 GO sowie allgemein ihre Beteiligungsrechte an der parlamentarischen Arbeit eingeschränkt, weil sie diese Rechte nur im Rahmen der Zuständigkeiten des Landtags ausüben könnten. Damit ist jedoch kein Sachverhalt vorgetragen worden, der die SchlußBVerfGE 60, 319 (327)BVerfGE 60, 319 (328)folgerung zuließe, daß in ihre eigene Rechtsstellung unmittelbar eingegriffen worden sei. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn sie geschäftsordnungswidrig gehindert worden wären, bestimmte Anträge zu stellen, an bestimmten Abstimmungen teilzunehmen oder andere ihnen durch Verfassung oder Geschäftsordnung gewährleistete Befugnisse in einem konkreten Gesetzgebungsverfahren wahrzunehmen. Die Antragsteller behaupten lediglich, durch den Inhalt des nach Art. 105 Abs. 5 LV grundsätzlich statthaften und ohne Verstoß gegen ihre Mitwirkungsrechte zustande gekommenen Haushaltsgesetzes werde die sachliche Reichweite ihres Einflusses als Abgeordnete begrenzt, weil der Gegenstand dieses Gesetzes ihrem Einfluß nunmehr entzogen sei. Durch das Haushaltsgesetz 1981 hat sich die Bremische Bürgerschaft offensichtlich nicht ihrer verfassungsrechtlichen Haushalts- oder Gesetzgebungsbefugnisse begeben (vgl. BVerfGE 2, 143 [166]).
III.
 
Ein Mitglied des Senats ist der Auffassung, daß die Anträge zu 1) und 2) zwar zulässig sind, weil zu den durch die Verfassung gewährleisteten Rechten eines Abgeordneten auch das Recht gehört, an der Beschlußfassung über den Haushalt mitzuwirken; es hält indessen die Anträge in Anbetracht der weitreichenden Ermächtigung des Art. 105 Abs. 5 LV für offensichtlich unbegründet.
(gez.) Zeidler Rinck Wand Dr. Rottmann Dr. Dr. h. c. Niebler Steinberger Träger MahrenholzBVerfGE 60, 319 (328)