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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Marcel Schröer, Fabian Beer, A. Tschentscher | |||
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2. Die Ausübung der gewerbsmäßigen Astrologie kann nicht wegen mangelnder Sachkunde des Gewerbetreibenden untersagt werden. |
3. Zum Erfordernis der Zuverlässigkeit der Astrologen. |
GG Art. 12 Abs. 1; GewO § 35 Abs. 1; bremische Wahrsageverordnung vom 6. Oktober 1934 |
Urteil |
des I. Senats vom 4. November 1965 |
-- BVerwG I C 6.63 -- |
I. Verwaltungsgericht Bremen |
II. Oberverwaltungsgericht Bremen | |
Der Kläger zeigte gemäß § 14 Abs. 1 GewO der Behörde an, daß er ein Eheanbahnungsinstitut, Astrologie, Graphologie, Hand- und Augendiagnose sowie die Aufstellung von "Biorhythmen" und "Tattwa-Berechnungen" betreibe. Die Beklagte untersagte ihm hierauf das entgeltliche Wahrsagen und die öffentliche Ankündigung entgeltlichen oder unentgeltlichen Wahrsagens. Der Kläger begehrt die Aufhebung dieser Verfügung, soweit ihm die Ausübung der Astrologie untersagt wird. Seine Klage hatte in den beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Auf seine Revision wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Aus den Gründen: | |
1. § 1 Abs. 1 der bremischen Verordnung gegen das Wahrsagen vom 6. Oktober 1934 (Brem. GBl. S. 306 = SaBremR 2190-c-1) -- Wahrsage-VO --, auf den die angefochtene Verfügung in erster Linie gestützt ist, verbietet das entgeltliche Wahrsagen und die öffentliche Ankündigung entgeltlichen oder unentgeltlichen Wahrsagens. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 WahrsageVO ist Wahrsagen im Sinne dieser Verordnung das Voraussagen künftiger Ereignisse, das Ausdeuten der Gegenwart und der Vergangenheit und jede Offenbarung von Dingen, die dem natürlichen Erkenntnisvermögen entzogen sind. Hierzu gehören nach Absatz 2 insbesondere das Kartenlegen, die Stellung des Horoskops (Sterndeuterei), die Zeichen- und Traumdeutung und die Handlese- und Handschriftendeutung. Die wissenschaftliche Betätigung auf diesem Gebiet sowie wissen ![]() ![]() | 2 |
Da der Kläger sich nur dagegen wendet, daß er sich nicht mehr als Astrologe betätigen darf, ist die Wahrsageverordnung hier nicht im ganzen, sondern nur insoweit auf ihre Übereinstimmung mit dem Bundesrecht zu prüfen, als sie die Stellung des Horoskops und die Sterndeuterei verbietet und für strafbar erklärt. Diese Regelung ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Die angefochtene Verfügung kann daher nicht auf die Wahrsageverordnung gestützt werden.
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a) Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit des Berufs. Beruf im Sinne dieses Grundrechts ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, jede auf die Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung (BVerwGE 1, 54, 92 [93], 269 [279]; 2, 85 [86], 89 [92], 295 [298]; 4, 250 [254 f.]). Nach der hiermit übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff "Beruf" weit auszulegen. Die Berufsfreiheit gilt nicht nur für Berufe mit bestimmtem, gesetzlich geregeltem oder überliefertem Berufsbild, sondern auch für die vom einzelnen gewählten untypischen Betätigungen (BVerfGE 7, 377 [397]; 13, 97 [106]; 16, 147 [163], 286 [296]; 17, 232 [241]; 18, 353 [361]).
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Die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit gilt indessen nicht für jede Art von Erwerbstätigkeit. In einer Entscheidung, die sich mit dem Betrieb eines strafbaren Glücksspiels befaßt (BVerwGE 2, 110 [111]), hat der Senat die Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf solche Betätigungen verneint, die vom Recht als unerlaubt behandelt werden. Nach einer späteren Entscheidung (BVerwGE 4, 294 [295 f.]) schützt der Art. 12 Abs. 1 GG nicht solche Betätigungen, die von der geltenden Rechtsprechung als unerlaubt bezeichnet werden. In ähnlicher Weise spricht das Bundesverfassungsgericht in seinem Apotheken-Urteil (BVerfGE 7, 377 [397]) von "(erlaubten) Betätigungen". Ebenso meinen Landmann-Rohmer-Eyermann-Fröhler (Gewerbeordnung, 12. Aufl., Einl. RdNr. 31), der Schutz des Art. 12 GG gelte nicht für verbotene, insbesondere nicht für strafbare Betätigungen.
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b) Die entgeltliche Betätigung als Astrologe ist ein Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Sofern der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg (Urteil vom 15. Februar 1964, ESVGH 14, 5 = JZ 1964, 501 = BaWüVBl. 1964, 90) nicht nur der -- für seine Entscheidung allein erheblichen -- Tätigkeit der Handliniendeuter die Eigenschaft eines Berufes abgesprochen hat, sondern darüber hinaus auch die astrologische Tätigkeit nicht als Beruf anerkennen wollte, könnte ihm nicht gefolgt werden.
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Wenn auch die Astrologie allgemein -- so auch in der bremischen Wahrsageverordnung -- unter den weiten Begriff des Wahrsagens gerechnet wird, so blickt sie doch auf eine gegenüber den sonstigen Arten des Wahrsagens (z.B. dem Kartenlegen, der Zeichendeutung, der Handlesekunst und der sonstigen "Gaukelei") selbständige Entwicklung zurück. Schon im Altertum wurde sie wissenschaftlich betrieben, und selbst im Mittelalter wurde sie an Universitäten gelehrt. Auch heute interessieren sich weite Kreise der Bevölkerung für die Sterndeutung und halten die Stellung der Gestirne im Zeitpunkt der Geburt für bedeutsam. Dieses allgemeine und offen bekundete Interesse kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß außer verschiedenen besonderen Publikationen zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften mit großen Leserkreisen regelmäßig "Horoskope" u. ä. veröffentlichen. Die entgeltliche Tätigkeit eines Horoskopstellers und seine Inanspruchnahme durch das Publikum mögen zwar ungewöhnlich sein. Ähnlich der vom Kläger gleichfalls betriebenen Ehevermittlung haftet jedoch nach heutiger Anschauung weder demjenigen, der aus dieser Tätigkeit ![]() ![]() | 9 |
Auch die Rechtsentwicklung spricht gegen die Auffassung der Beklagten, das entgeltliche Horoskopstellen sei schlechthin eine sozial-unwertige Betätigung. In Preußen war das entgeltliche Wahrsagen und das Horoskopstellen vor 1933 nicht besonders verboten. Offenbar wurde damals die polizeiliche Generalklausel als eine ausreichende Handhabe betrachtet, mit der im Einzelfall gegen eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschritten werden konnte (vgl. Preuß. OVG, Urteil vom 8. Oktober 1914, Pr.VBl. Bd. 36, 578; Urteil vom 16. März 1916, GewArch. Bd. 16, 1 [3]). Eine Änderung trat erst im Jahre 1934 ein. In Berlin wurde durch die Verordnung des Polizeipräsidenten betreffend das Wahrsagen vom 13. August 1934 (ABI. S. 243) das entgeltliche Wahrsagen einschließlich der Stellung des Horoskops und der Sterndeuterei verboten. Entsprechende Polizeiverordnungen erließen die einzelnen Regierungspräsidenten. Diese Verordnungen stimmen weitgehend mit der zu jener Zeit erlassenen bremischen Wahrsageverordnung und der hamburgischen Verordnung über das Wahrsagen vom 10. November 1936 überein. Auch in Württemberg wurde seinerzeit auf Grund des Art. 28 b des Polizeistrafgesetzes in der Fassung vom 26. Januar 1934 (Reg.Bl. S. 32) das Wahrsagen für strafbar erklärt und dadurch gesetzlich verboten (dazu StGH Bad.-Württ. a.a.O.). Dagegen kannten andere deutsche Länder schon früher derartige Bestimmungen. In Bayern wurde gemäß Art. 54 des Polizeistrafgesetzbuches von 1871, der auf ältere Vorschriften zurückgeht, bestraft, wer gegen Lohn oder zur Erreichung eines sonstigen Vorteils sich mit angeblichen Zaubereien oder Geisterbeschwörungen, mit Wahrsagen, Kartenschlagen, Schatzgraben, Zeichen- und Traumdeuten oder anderen dergleichen Gaukeleien abgab. Hierunter fiel auch die Astrologie (BayObLG, Urteil vom 17. Februar 1920, Reger, Bd. 43, 138). In Sachsen war nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Dresden (Urteil vom 21. Juni 1916, GewArch. Bd. 17, 5) das Wahrsagen schon seit dem Jahre 1661 verboten. Mit der bayerischen Regelung stimmt § 68 des Polizeistrafgesetzbuches für Baden von 1863 überein (vgl. dazu Württ.-Bad. VGH, Urteil vom 24. Februar 1950, DÖV 1950, 561; VGH Bad.-Württ., Urteil vom ![]() ![]() | 10 |
Die Rechtsprechung billigte aus ähnlichen Erwägungen derartige Wahrsageverbote. Die Gerichte hatten sich wiederholt mit der Frage zu befassen, ob das Wahrsagen ein Gewerbe sei. Sie verneinten dies mit der Begründung, daß die Ausübung des Wahrsagens keine erlaubte Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1 GewO sei (Verordnung des sächsischen Ministeriums des Innern vom 18. Juni 1912, Fischers Z 41, 82; Sächsisches OVG, Urteil vom 13. Dezember 1921, GewArch. Bd. 23, 11; KG, Urteil vom 2. Februar 1927, GewArch. Bd. 25, 429 [431]). Die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, das das Wahrsagen als einen Verstoß gegen die guten Sitten betrachtete (Pr.VBl. Bd. 48, 68; OVG 81, 410 [412]; 97, 106 [107]; 99, 102 [103]), geht auf die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 56a GewO (Reichstag, 5. Legislaturperiode, 1882/83, Drucksache Nr. 5 S. 49) zurück, wo über die Wahrsager, Traumdeuter "und ähnliches fahrendes Volk" gesagt wurde, sie verübten einen mehr oder minder groben Unfug, welcher den guten Sitten, wenn nicht den (Landes-)Gesetzen zuwiderlaufe und regelmäßig schwindelhaften Zwecken diene (vgl. ferner Sachs. OVG, Urteil vom 11. November 1931, Reger, Bd. 55, 140).
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Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 trat bei der normativen Behandlung des Wahrsagens eine gegenläufige Entwicklung ein. Zwar wurde zunächst in Berlin durch die Polizeiverordnung über das Wahrsagen vom 11. Oktober 1945 (VOBl. 1946 S. 9) in der Fassung vom 3. August 1950 (VOBl. S. 373) das Wahrsagen erneut verboten. Dagegen wurde in Hamburg die Wahrsageverordnung vom Jahre 1936 durch die Verordnung vom 25. Juni 1948 (GVBl. S. 55) ersatzlos aufgehoben. In Bayern erfolgte Entsprechendes durch das Gesetz über das Landesstrafrecht und das Ver ![]() ![]() | 12 |
Auch die Gerichte haben nach 1945, wenn auch nicht einhellig und aus verschiedenartigen Gründen, die frühere Linie verlassen. So hat das Landesverwaltungsgericht Hannover (rechtskr. Urteil vom 15. Oktober 1952, DVBl.1953, 403 = DÖV 1954, 219) die Wahrsageverordnung eines Regierungspräsidenten für ungültig erachtet, weil beim Wahrsagen keine Gefahren zu erwarten seien, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedrohen. Der gleichen Ansicht war das Verwaltungsgericht Berlin (rechtskr. Urteil vom 11. Februar 1955 -- VG1A 491.54 --). Das Landesverwaltungsgericht Düsseldorf (rechtskr. Bescheid vom 11. Juli 1955, GewArch. 1956, 145) hielt die Wahrsageverordnung eines anderen Regierungspräsidenten wegen nicht genügender Bestimmtheit des Begriffes "Wahrsagen" für ungültig. Dagegen haben der Württ.-Bad. VGH (a.a.O.), der VGH Bad.-Württ. (a.a.O.) und der StGH Bad.-Württ. (a.a.O.) die landesrechtlichen Strafbestimmungen über die Gaukelei als geltendes Recht betrachtet (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 11. April 1951, DVBl. 1952, 378). ![]() | 13 |
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Die gewerbsmäßige Betätigung als Astrologe kann im Einzelfall allerdings zu den vom StGH Bad.-Württ. (a.a.O.) erwähnten nachteiligen Folgen des Wahrsagens führen, auf die schon Prof. Hans Bender (Ergebnisse und Probleme der Parapsychologie und ihre Bedeutung für Polizei und Rechtsordnung, in Bekämpfung von Glücks- und Falschspiel, hsg. vom Bundeskriminalamt, 1955, S. 195 [204 f.]) eindringlich hingewiesen hat (vgl. dazu auch Bernd Bender, DÖV 1965, 326 [328]). Demgegenüber hat der Oberbundesanwalt mit Recht bemerkt, der Umstand, daß das leichtgläubige Publikum sich häufig falsche Vorstellungen über den Wert eines Horoskops mache und manche Horoskopsteller zu strafbaren Geschäftspraktiken neigten, rechtfertige es nicht, daß wegen der möglichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einzelne Berufsangehörige die Erwerbstätigkeit als solche für sozialschädlich gehalten und ![]() ![]() | 15 |
c) Da somit die entgeltliche Betätigung als Astrologe ein Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ist, widerspricht die landesrechtliche Bestimmung, wonach die Wahl und Ausübung dieses Berufes jedermann verboten ist, dem Grundgesetz. Denn diese Regelung läßt von der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit dieses Berufes nichts übrig. Zwar gestattet die Wahrsageverordnung ausdrücklich die wissenschaftliche Betätigung. Daraus läßt sich aber nicht folgern, sie verbiete nur eine bestimmte Art der Berufsausübung. Denn die wissenschaftliche Betätigung auf dem Gebiet der Astrologie und die gewerbliche Betätigung als Horoskopsteller sind nicht verschiedene Ausübungsarten eines Berufs, sondern zwei völlig verschiedene Berufe.
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2. Seit Inkrafttreten des § 35 GewO in der Fassung des Art. I Nr. 17 des Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 5. Februar 1960 (BGBl. I S. 61) ist einem Astrologen die Ausübung seines Gewerbes ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die weitere Ausübung des Gewerbes für die Allgemeinheit eine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit, der Freiheit oder der Sittlichkeit oder eine Gefährdung des Eigentums oder des Vermögens anderer mit sich bringt und diesen Gefährdungen nur durch eine Gewerbeuntersagung begegnet werden kann. Der Kläger wendet sich zu Unrecht gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf ihn.
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a) Der Kläger betreibt ein Gewerbe im Sinne des § 1 GewO und übt keine freie wissenschaftliche Tätigkeit höherer Art aus. Er wendet nur Regeln an, die allenfalls von anderen wissenschaftlich erarbeitet worden sind. Die praktische Verwertung fremder wissenschaftlicher Arbeit ohne eigene Forschung ist keine wissenschaftliche Tätigkeit höherer Art. Da nach den obigen Ausführungen dieser Gewerbezweig durch keine gültige Norm verboten ist, scheitert die Anwendbarkeit des § 35 GewO auch nicht ![]() ![]() | 18 |
b) Die Gewerbeuntersagung ist auch nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil vor ihrem Erlaß keine der in § 35 Abs. 4 GewO genannten Behörden angehört worden ist. Diese Bestimmung ist nur eine Sollvorschrift. Die Anhörung der anderen Stellen dient der Vorbereitung einer sachgerechten Entscheidung der Untersagungsbehörde (Urteil vom 20. November 1962 -- BVerwG I C 40.61 --). Da für das Gewerbe der Astrologen keine besondere staatliche Aufsichtsbehörde besteht und die Anhörung der Industrie- und Handelskammer offensichtlich nicht sachdienlich sein konnte, liegt in der Unterlassung der Anhörung kein Ermessensfehler.
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c) Das Berufungsgericht hält den Kläger für unzuverlässig, weil er die Sterndeutung ohne die für dieses Gewerbe erforderliche Sachkunde betreibe. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.
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Die Frage, inwieweit bei Gewerben, mit deren Betrieb ohne besondere Erlaubnis und ohne den Nachweis genügender Fachkenntnisse begonnen werden darf, mangelnde Sachkunde des Gewerbetreibenden die Untersagung der weiteren Gewerbeausübung gemäß § 35 Abs. 1 GewO rechtfertigt, ist vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht grundsätzlich entschieden worden. Wegen der Besonderheit des vom Kläger betriebenen Gewerbes braucht darauf in diesem Rechtsstreit nicht näher eingegangen zu werden. Dagegen ist durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, daß der Begriff der Unzuverlässigkeit auf das betreffende Gewerbe ausgerichtet ist. Unzuverlässig ist der Gewerbetreibende, der nicht die Gewähr dafür bietet, daß er das von ihm betriebene Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben werde. Die einzelnen Gewerbearten stellen verschieden hohe und verschiedenartige Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden; die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist nach der Eigenart des von ihm betriebenen Gewerbes zu beurteilen. Was die Sachkunde anbelangt, so kann das Fehlen genügender Fachkenntnisse die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden jedenfalls nur bei den Gewerben ergeben, bei denen nach der allgemeinen Lebenserfahrung die ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes von den fachlichen Fähigkeiten des Gewerbetreibenden abhängt. Nur in solchen Fällen läßt sich überhaupt von einer für das betreffende Gewerbe "erforderlichen" ![]() ![]() | 21 |
Dem Berufungsurteil liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Astrologe je nach dem Grade seiner - von der zuständigen Verwaltungsbehörde und den Verwaltungsgerichten festzustellenden - Fachkenntnisse zuverlässig oder unzuverlässig sei. Unter Fachkenntnissen versteht das Berufungsgericht die Fähigkeit des Astrologen, das Horoskop "nach den Regeln der Kunst" zu stellen und zu deuten. Nun wird aber im allgemeinen derjenige, der einen Astrologen aufsucht oder sonst zu Rate zieht, weniger an der vom Astrologen angewandten Methode interessiert sein. Vielmehr wird es ihm darauf ankommen, daß er sich auf die Richtigkeit der astrologischen Voraussagung, Charakterdeutung oder Beratung verlassen kann. An einer methodisch "richtigen" Arbeitsweise, die zu falschen Ergebnissen führt, dürfte ihm hingegen nichts gelegen sein. Die gewerberechtliche Feststellung, ob der Astrologe über genügende fachliche Kenntnisse verfügt, hätte nur dann einen mit dem Zweck des § 35 Abs. 1 GewO zu vereinbarenden Sinn, wenn man -- ähnlich wie es bei den Fachkenntnissen und der Arbeitsleistung z.B. eines Handwerkers der Fall ist -- auf Grund bestimmter Kenntnisse auf astrologischem Gebiet richtig prophezeien könnte und die Richtigkeit einer Prognose demnach nur von genügenden Fachkenntnissen des Astrologen abhinge. Diese Möglichkeit setzte voraus, daß das Schicksal der Menschen vom Stand der Gestirne im Zeitpunkt der Geburt und vom Geburtsort abhinge. Dies wird von den Anhängern der Astrologie mit mehr oder weniger großen Einschränkungen bejaht, ohne daß der behauptete ursächliche Zusammenhang bisher erwiesen wäre. Er kann daher auch nicht bei der Anwendung des § 35 Abs. 1 GewO als Tatsache betrachtet werden. Im übrigen könnte es auch zweifelhaft sein, ob und wie die für einen Astrologen "erforderliche" Sachkunde feststellbar wäre. Außerdem gehört es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu den Aufgaben des Staates, durch seine Behörden darüber zu wachen, daß der Kunde eines Astrologen "für sein gutes Geld wenigstens eine fachgerechte Leistung" erhält. Wenn die Betätigung der Astrologen und damit zugleich ihre Inanspruchnahme durch das Publikum vom Staat aus verfassungsrechtlichen Gründen auch ![]() ![]() | 22 |
d) Die Unzuverlässigkeit eines Astrologen kann sich jedoch aus anderen Tatsachen ergeben. Der Astrologe wird, wie auch die von der Beklagten in vorliegender Sache ermittelten Fälle zeigen, in vielen Fällen als Helfer und Ratgeber in persönlichen Angelegenheiten, die weit in die Intimsphäre reichen, aufgesucht. Seine Kunden bringen ihm daher ein großes Maß an Vertrauen entgegen. Dieses Vertrauen ist um so stärker, als das horoskopgläubige Publikum der Astrologie meist unkritisch und mit hohen Erwartungen gegenübersteht. In der Annahme, das Schicksal lasse sich bis zu einem gewissen Grade berechnen, will der Kunde mit Hilfe des Astrologen sich von der Last bevorstehender Entscheidungen befreien, künftigen Bedrohungen besser begegnen, Aufschluß über den Charakter eines Menschen gewinnen, ihm unbekannte Tatsachen erforschen u.v.a.m. Eine Berufstätigkeit, an die derartige Wünsche herangetragen werden, stellt besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit. Die Gefahr, daß der Gewerbetreibende das ihm entgegengebrachte Vertrauen mißbraucht, die Hilflosigkeit und Einfalt der Menschen ausnutzt und durch unverantwortliche Prognosen, Ratschläge u.ä. anderen Schaden zufügt, ist bei diesem Beruf unverkennbar groß. Der Gewerbetreibende muß sich daher gegebenenfalls einer strengen Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen lassen. Wie in den anderen Fällen der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO darf aber auch einem Astrologen die Ausübung des Gewerbes nur untersagt werden, wenn Tatsachen bekanntgeworden sind, welche seine Unzuverlässigkeit in bezug auf das von ihm betriebene Gewerbe dartun.
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Die Beklagte hat nähere Angaben über Vorkommnisse gemacht, aus denen sich nach ihrer Ansicht die Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt. Das Berufungsgericht ist auf diesen Vortrag der Beklagten nicht weiter eingegangen, da es seine Entscheidung allein auf die von ihm verneinte ![]() ![]() ![]() | 24 |
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