2. Zum Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung gehört kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen.
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3. a) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält auch außerhalb des Kernbereichs der Garantie ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden, das der zuständigkeitsverteilende Gesetzgeber zu berücksichtigen hat. Dieses Prinzip gilt zugunsten kreisangehöriger Gemeinden auch gegenüber den Kreisen.
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b) Der Gesetzgeber darf den Gemeinden danach eine Aufgabe mit relevantem örtlichen Charakter nur aus Gründen des Gemeininteresses, vor allem also etwa dann entziehen, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre, und wenn die den Aufgabenentzug tragenden Gründe gegenüber dem verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG überwiegen.
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4. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an.
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 23. November 1988
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-- 2 BvR 1619, 1628/83 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Gemeinde Rastede, vertreten durch den Gemeindedirektor, - 2 BvR 1619/83 - und der Stadt B..., vertreten durch den Stadtdirektor, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Siedentopf, Hauptstraße 170, Landau-Godramstein - 2 BvR 1628/83 - gegen § 1 Absätze 1 und 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Abfallbeseitigungsgesetz vom 9. April 1973 (GVBl. S. 109).
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Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 1628/83 wird verworfen, diejenige im Verfahren 2 BvR 1619/83 zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Kommunalverfassungsbeschwerden zweier niedersächsischer Gemeinden betreffen die Frage, ob die Verlagerung der Aufgabenzuständigkeit für die Abfallbeseitigung von den kreisangehörigen Gemeinden auf die Landkreise in Niedersachsen mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist.
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I.
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1. Bis 1972 gab es keine umfassende gesetzliche Regelung der Abfallbeseitigung. Im Laufe der Zeit war es zur Aufgabe der Gemeinden geworden, jedenfalls den Hausmüll zu beseitigen. Im Bundesgebiet wurde Anfang der 70er Jahre der Hausmüll von etwa 75% der Einwohner regelmäßig eingesammelt und abgefahren; die übrigen 25% - zumeist in kleinen Gemeinden, Randgebieten von Gemeinden und Streusiedlungen - waren auf Selbsthilfe angewiesen. In Niedersachsen wurde der eingesammelte Müll auf etwa 2700 Müllkippen gelagert; im Bundesgebiet wurde deren Anzahl auf etwa 50 000 geschätzt.
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2. Durch das Dreißigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. April 1972 erhielt der Bund die Befugnis zur konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung (Art. 74 Nr. 24 GG; BGBl. I S. 593). Er nutzte sie alsbald durch Erlaß des Abfallbeseitigungsgesetzes - AbfG - vom 7. Juni 1972 (BGBl. I S. 873). Das Gesetz verlegte den Schwerpunkt von der Entfernung auf die Beseitigung des Abfalls und bestimmte, diese habe so zu erfolgen, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 2). Nach dem Gesetz umfaßt die Abfallbeseitigung (im weiteren Sinne) das Einsammeln, das Befördern und das Beseitigen im engeren Sinne (Behandeln, Lagern und Ablagern) von ![]() ![]() | |
Das Land Niedersachsen bestimmte in § 1 Abs. 1 und 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Abfallbeseitigungsgesetz - Nds. AG AbfG - vom 9. April 1973 (GVBl. S. 109), in Kraft getreten am 1. Oktober 1973 (vgl. § 8 Abs. 2), folgendes:
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"(1) Zuständige Körperschaften nach § 3 Abs. 2 AbfG sind, soweit sich aus Absatz 5 nichts anderes ergibt, die Landkreise und kreisfreien Städte. Die Aufgaben, die sie hiernach zu erfüllen haben, gehören zum eigenen Wirkungskreis. Die kreisangehörigen Gemeinden leisten den Landkreisen Verwaltungshilfe gegen Erstattung ihrer Kosten.
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(2) Ein Landkreis kann mit Zustimmung seiner Aufsichtsbehörde kreisangehörigen Gemeinden auf deren Antrag die Pflicht zur Beseitigung der in seinem Gebiet angefallenen Abfälle ganz oder teilweise übertragen, wenn gewährleistet ist, daß die Gemeinden die Abfälle in einer dem Wohl der Allgemeinheit (§ 2 AbfG) entsprechenden Weise beseitigen können und hierdurch die zweckmäßige Erfüllung der Beseitigungspflicht, soweit diese dem Landkreis verbleibt, nicht gefährdet wird. Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.
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(3) ...
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(4) ...
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(5) Im Interesse einer schadlosen oder wirtschaftlichen Abfallbeseitigung kann das Land die Beseitigung bestimmter Abfälle übernehmen. Die zuständige oberste Landesbehörde ordnet die Übernahme im Einzelfall oder allgemein durch Verordnung an."
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3. a) Die Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 1619/83 zählt wenig mehr als 17 000 Einwohner und ist kreisangehörige Gemeinde im Landkreis Ammerland, der etwa 81 000 Kreiseinwohner hat und schon vor der Gemeindegebietsreform lediglich sechs großflä ![]() ![]() | |
b) Die Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 1628/83 ist kreisangehörige Gemeinde im Landkreis Stade, der über 140 000 Kreiseinwohner verfügt. Die Beschwerdeführerin zählt nach Eingemeindungen im Zuge der Gemeindegebietsreform etwa 32 000 Einwohner. Seit langem erfüllte sie die Aufgaben der traditionellen Müllabfuhr mit eigenen Geräten, Fahrzeugen und Personal, seit dem 1. Januar 1975 im Wege technischer Verwaltungshilfe für den Landkreis, auf den mit Wirkung von diesem Tage die Abfallbeseitigungspflicht übergegangen war. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin beschränkte sich dabei seit längerem auf das Einsammeln des Haus- und Sperrmülls und dessen Beförderung zu einer Deponie, die von einem Privatunternehmen im Auftrag des Landkreises betrieben wurde und noch betrieben wird.
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II.
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1. a) Am 30. September 1974 legte die Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 1619/83 Kommunalverfassungsbeschwerde gegen § 1 Nds. AG AbfG ein mit der Begründung, durch diese Regelung werde ihr Recht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt; die Abfallbeseitigung sei eine Angelegenheit der örtlichen Gemein ![]() ![]() | |
b) Bereits unter dem 13. Juni 1974 hatte die Beschwerdeführerin beim Landkreis Ammerland beantragt, ihr die Abfallbeseitigungspflicht für den in ihrem Gebiet anfallenden Abfall insgesamt, jedenfalls aber hinsichtlich des Einsammelns und Beförderns zu übertragen. Der Landkreis lehnte den Antrag ab, da eine vollständige oder teilweise Übertragung zu gespaltenen und damit unübersichtlichen Verantwortlichkeiten im Landkreis sowie zu einer ungleichmäßigen Gebührenbelastung der Kreiseinwohner führe und zudem infolge verschiedener Doppelvorhaltungen insgesamt unwirtschaftlich sei. Der Widerspruch der Gemeinde wurde zurückgewiesen, ihre Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg.
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c) Auf die Berufung hin hob das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein die angegriffenen Bescheide mit Urteil vom 8. März 1979 (DÖV 1980, S. 417 = DVBl. 1980, S. 81) auf und verpflichtete den beklagten Landkreis zur Neubescheidung. Zur Begründung führte es aus, eine Gemeinde könne sich auf die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch im Verhältnis zum Landkreis berufen; die Vorschrift normiere den Grundsatz der Allzuständigkeit, der eine Zuständigkeitsvermutung für die Gemeinden und zugleich ein Subsidiaritätsprinzip zu ihren Gunsten begründe. Allerdings greife die gesetzliche Regelung nicht in den gegen jede gesetzliche Schmälerung gesicherten Bereich der Selbstverwaltung der Gemeinden ein. Art. 28 Abs. 2 ![]() ![]() | |
d) Die Revision der beigeladenen Aufsichtsbehörde hatte Erfolg. In seinem Urteil vom 4. August 1983 (BVerwGE 67, 321) führte das Bundesverwaltungsgericht aus, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürge den Gemeinden zunächst einen gegen jeden gesetzlichen Zugriff verschlossenen Kernbereich an hinreichend zahlreichen und gewichtigen Aufgaben. Dieser umfasse freilich kein ein für allemal feststehendes Aufgabenfeld; auch die "Örtlichkeit" als kompetenzbegründendes und kompetenzwahrendes Merkmal werde von den Anforderungen beeinflußt, welche an die Art und Weise des Aufgabenvollzugs im Gemeininteresse gestellt werden müßten. Der unantastbare Kernbereich kennzeichne mithin den Bereich der Garantie, dem gegenüber es keine begrenzenden gleich- oder höherwertigen Rechtsgüter mehr gebe, solle die Garantie ihre Wirksamkeit für das Staatsganze und für den "Aufbau der Demokratie von unten nach oben" (Art. 11 Abs. 4 BayVerf) nicht einbüßen. Die Garantie erschöpfe sich aber nicht darin, eine absolute Grenze zu bezeichnen, jenseits derer der Gesetzgeber in seiner Aufgabenzuweisung frei sei; jenseits des Kernbereichs schirme sie ab gegen unzulässige, weil sachlich nicht gerechtfertigte Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung, die damit unverhältnismäßig erschienen.
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Bei Anlegung dieser Maßstäbe greife die landesgesetzliche Zuständigkeitsverlagerung für die Abfallbeseitigung auf die Kreise weder in den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung ein noch sei sie unverhältnismäßig. Die Aufgabe der Abfallbeseitigung sei aus den Bezügen des lokalen Raumes hinausgewachsen. Das Wohl der Allgemeinheit erfordere, in der Organisation der Abfallbeseitigung möglichst großräumige Lösungen anzustreben, damit der für einen optimalen Umweltschutz notwendige technische und personelle Aufwand in wirtschaftlich vertretbarer Weise auch tatsächlich erbracht werden könne. Der dichte Zusammenhang mit der Abfallbeseitigung im engeren Sinne schließe es auch aus, hinsichtlich der Phasen des Einsammelns und Beförderns des Abfalls noch eine besondere Nähe des Aufgabenfeldes zur engeren Örtlichkeit festzustellen.
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Über diesen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinaus sei der Gesetzgeber an keinen Subsidiaritätsgrundsatz zugunsten der Gemeinden gebunden; er brauche keine Möglichkeit zur Berücksichtigung besonderer Einzelfälle vorzusehen. Daher bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Auslegung der Rückübertragungsmöglichkeit in § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG. Die zuständige Behörde habe ihre Entscheidung vielmehr ausschließlich am Grundsatz des wirksamsten Aufgabenvollzugs auszurichten; dies habe sie beanstandungsfrei getan.
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III.
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Nach Erhalt der letztinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen haben die Beschwerdeführerinnen Kommunalverfassungsbeschwerde gegen § 1 Abs. 1 und 2 Nds. AG AbfG eingelegt.
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1. Die Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 1619/83 trägt zur Begründung ihrer erneuten Beschwerde vor, das Grundgesetz normiere in Art. 28 Abs. 2 einen Vorrang der Gemeinden vor den Kreisen, wie ein Vergleich seiner beiden Sätze zeige: Während Gemeinden wie Gemeindeverbände die Angelegenheiten, für die sie zuständig seien, in eigener Verantwortung regeln dürften, sei darüber hinaus lediglich den Gemeinden ein eigener sachlicher Zuständigkeitsbereich schon von Verfassungs wegen garantiert, während sich der Zuständigkeitsbereich der Gemeindeverbände erst aus der Summe der gesetzlichen Zuweisungen ergebe. Den Vorrang der Gemeinden zeige auch schon der Begriff "Gemeindeverbände", der außer den Kreisen auch andere Zusammenschlüsse von Gemeinden, immer aber eben Zusammenschlüsse von Gemeinden meine. Auch die grundgesetzlichen Bestimmungen über die Finanzausstattung der kommunalen Gebietskörperschaften bevorzugten in Art. 106 Abs. 5 und 6 GG die Gemeinden gegenüber den Gemeindeverbänden; die Gemeindeverbände finanzierten sich lediglich aus Finanzzuweisungen und Umlagen.
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Es könne demgemäß nicht mit dem Bundesverwaltungsgericht zwischen einer "lokalen Örtlichkeit" und einer "übergemeindlichen Örtlichkeit" unterschieden werden. Der Begriff "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" umfasse vielmehr ausschließlich den originären Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. Hierzu seien jedenfalls die Angelegenheiten zu rechnen, die ausschließlich ![]() ![]() | |
Freilich bestünde bei zahlreichen Aufgaben ein Mischbezug auf die örtliche wie auf eine größere Gemeinschaft. Eine Aufgabe wachse aber nicht allein wegen der von ihr gestellten finanziellen Anforderungen aus dem örtlichen Bezug hinaus, da die Finanzkraft der Gemeinden ohnehin überwiegend von Drittzuweisungen abhänge. Bestehe jedoch ein Mischbezug, so dürfe der Gesetzgeber die zuständige Körperschaft zwar bestimmen, sei hierbei jedoch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, in welchen der bereits begründete Vorrang der gemeindlichen Zuständigkeit einmünde.
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Bei Anlegen dieser Maßstäbe sei die Abfallbeseitigung jedenfalls bei hinreichend leistungskräftigen Gemeinden - als solche habe der Gesetzgeber selbst regelmäßig Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern angesehen - auch heute noch eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Bei weniger leistungskräftigen Gemeinden erschiene deren - auch zwangsweiser - Zusammenschluß zu einem Abfall-Zweckverband gegenüber einer Übertragung der Aufgabe auf die Landkreise als milderes Mittel. Eine generelle Aufgabenzuweisung an die Landkreise könne vor Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG allenfalls dann Bestand haben, wenn zugunsten hinreichend leistungskräftiger Gemeinden ein Rechtsanspruch auf Rückübertragung vorgesehen werde; die Regelung in § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG sei schon deshalb verfassungswidrig, weil hier lediglich ein Rückübertragungsermessen eingeräumt werde. Unverhältnismäßig sei auch die Einschaltung der Gemeinden als bloße Verwaltungshelfer für die Kreise, wie sie aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 3 Nds. AG AbfG praktiziert werde. Dies mache aus den Gemeinden bloße Außenstellen der Kreisverwaltung und belege deutlich die zentralistische Tendenz der Landesgesetzgebung.
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Der Erlaß des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Abfallbeseitigungsgesetz sei im Jahr 1973 schließlich auch ohne Abstimmung mit der erst 1972 begonnenen Gemeinde- und Kreisgebiets- und Funktionalreform erfolgt und konterkariere deren Absichten und Ergebnisse. Das verstoße gegen den Grundsatz der Systemgerechtigkeit. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, daß aufgrund der Gebietsreform 1982 von den insgesamt 426 gemeindlichen Verwaltungseinheiten (Gemeinden, Städte und Samtgemeinden) 215 mehr als 10 000 Einwohner und 75 sogar mehr als 20 000 Einwohner aufwiesen. Der Gesetzgeber selbst habe angenommen, daß Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern hinreichend leistungskräftig seien, um die Abfallbeseitigung eigenverantwortlich durchzuführen.
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2. Die Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 1628/83 stützt ihre Verfassungsbeschwerde im wesentlichen auf dieselben Erwägungen. Ergänzend weist sie darauf hin, die Abfallbeseitigung sei durch das Bundes-Abfallbeseitigungsgesetz erstmals gesetzlich insgesamt dem Ziel eines möglichst wirksamen Umweltschutzes unterstellt worden. Umweltschutz sei indes nicht zwangsläufig eine überörtliche Aufgabe, sondern ein Querschnittsziel, dem sämtliche Träger öffentlicher Gewalt in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Rechnung zu tragen hätten. Das Abfallbeseitigungsgesetz gehe zwar davon aus, daß die Abfallbeseitigung im engeren Sinne groß ![]() ![]() | |
IV.
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1. In ihrer Stellungnahme führt die Niedersächsische Landesregierung aus, daß die in den Art. 20 Abs. 1, 28 und 30 GG normierte vertikale Gewaltenteilung nicht Selbstzweck sei, sondern der Durchsetzung der Grundrechte und der Staatszielbestimmungen des Art. 20 Abs. 1 GG diene, so auch des Sozialstaatsgebots, welches eine möglichst umfassende und differenzierte Daseinsvorsorge gebiete. Dann aber komme es für die Bestimmung der jeweils zuständigen Verwaltungsebene darauf an, welche dieser Ebenen die Aufgabe nach dem jeweiligen Gesetzeszweck am wirksamsten erfüllen könne.
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Unter diesem Gesichtspunkt sei die angegriffene Gesetzesbestimmung verfassungsgemäß. Zunächst sei der materiell-polizeiliche Charakter der Aufgabe zu berücksichtigen, der diese typischerweise nicht mehr dem Selbstverwaltungsbereich der kommunalen Körperschaften, sondern deren übertragenem Wirkungskreis zuordne. Des weiteren erfordere eine umweltschutzgerechte Abfallbeseitigung weit in die Zukunft greifende Problemlösungen; das ![]() ![]() | |
2. Der Landkreis Ammerland hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Er tritt in rechtlicher Hinsicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bei und schildert im übrigen die Verwaltungspraxis in seinem Gebiet.
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3. Nach Auffassung des 7. Senats des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, auf den seit 1984 die Zuständigkeit für das Recht der Abfallbeseitigung übergegangen ist, normiert Art. 28 Abs. 2 GG keinen Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Gemeinden. Das Merkmal "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" schaffe keine Rangordnung zwischen Gemeinden und Kreisen, sondern grenze lediglich die beiderseitigen Aufgabenbereiche voneinander ab. Durch die Zuweisung der Abfallbeseitigung im engeren Sinne an die Landkreise werde die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie gar nicht berührt, da die hiermit verbundenen Schwierigkeiten von den Gemeinden nicht mehr eigenverantwortlich bewältigt werden könnten. Demgegenüber wiesen die Phasen des Einsammelns und Beförderns örtliche ![]() ![]() | |
4. Das Bundesverwaltungsgericht weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin, daß es die Bedeutung genügend großer Einzugsbereiche für eine dem Wohl der Allgemeinheit (§ 2 Abs. 1 AbfG) entsprechende Abfallbeseitigung für so wesentlich ansehe, daß es die angegriffene gesetzliche Regelung auch dann als mit Art. 28 Abs. 2 GG und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für vereinbar hielte, wenn im Hinblick auf diese Verfassungsvorschrift an die Aufgabenverteilung zwischen Kreisen und Gemeinden strengere Anforderungen zu stellen seien, als sie der Senat nach wie vor für richtig halte.
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5. Im Rahmen des Äußerungsverfahrens haben außerdem der Niedersächsische Städtetag, der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund und der Niedersächsische Landkreistag Stellung genommen. Jene unterstützen Anliegen und Argumentation der Beschwerdeführerinnen, während dieser die Verfassungsbeschwerden für unbegründet hält und hierzu ergänzend ein Rechtsgutachten vorlegt (Loschelder, Die Befugnis des Gesetzgebers zur Disposition zwischen Gemeinde- und Kreisebene, 1986).
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Nach Auffassung des Niedersächsischen Landkreistages war die Aufgabe der Abfallbeseitigung schon 1972 überörtlicher Natur. Nach den seinerzeitigen fachwissenschaftlichen Erkenntnissen habe auch im ländlichen Raum der Einzugsbereich einer Deponie wenigstens 100 000 Einwohner und der eines Einsammelbezirks wenigstens 80 000 Einwohner umfassen müssen, um unter anderem die notwendige Behältervielfalt und Entsorgungssicherheit zu ge ![]() ![]() | |
Unzutreffend sei auch die Darstellung der Beschwerdeführerinnen, infolge kumulierter gesetzlicher Eingriffe finde eine Erosion der gemeindlichen Selbstverwaltung statt. Zwar seien den Gemeinden die Aufgaben der Abfallbeseitigung und - teilweise - der Schulträgerschaft entzogen worden. Im Gegenzuge seien ihnen aber etwa 190 zusätzliche Zuständigkeiten, wenn auch im übertragenen Wirkungskreis, zugewiesen und auf den Gebieten der Landschaftspflege und der Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes neue Aufgaben erschlossen worden. Zudem habe der herkömmliche Aufgabenkreis der Gemeinden auf den Gebieten der Erholung, von Sport und Freizeit, aber auch der Abwasserbeseitigung und der Bauleitplanung im Laufe der Zeit erheblich an Gewicht gewonnen.
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B. | |
Der Richter Franßen hat an den Revisionsurteilen des Bundesverwaltungsgerichts mitgewirkt, die in den von den Beschwerdeführerinnen vor Erhebung ihrer Verfassungsbeschwerden durchgeführten Verwaltungsstreitverfahren ergangen sind. Hierdurch ist er von der Ausübung seines Richteramts im vorliegenden Verfahren nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG ausgeschlossen. Zwar richten sich die Verfassungsbeschwerden nicht gegen diese Gerichtsurteile; denn die Kommunalverfassungsbeschwerde ist nur als Rechtssatzverfassungsbeschwerde möglich (vgl. BVerfGE 76, 107 [113, 115]). Gleichwohl begehren die Beschwerdeführerinnen materiell gerade auch die Überprüfung dieser Urteile, die dieselbe Verfassungs ![]() ![]() | |
Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 1619/83 ist zulässig, diejenige im Verfahren 2 BvR 1628/83 dagegen nicht.
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1. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Regelung in § 1 Abs. 1 und 2 Nds. AG AbfG und damit gegen ein Gesetz im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, § 91 Satz 1 BVerfGG. Da nach Art. 42 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung und § 13 des Niedersächsischen Gesetzes über den Staatsgerichtshof eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung bei dem Staatsgerichtshof nicht erhoben werden kann, ist die Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht trotz der Subsidiaritätsklausel des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b letzter Halbsatz GG und des § 91 Satz 2 BVerfGG gegeben (vgl. BVerfGE 59, 216 [225]; 76, 107 [117]). Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angegriffene Rechtsnorm auch selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen (vgl. hierzu BVerfGE 71, 25 [34]; 76, 107 [112 f., 116]); denn sie haben unmittelbar durch § 1 Abs. 1 Nds. AG AbfG ihre Zuständigkeit für die Aufgaben der Abfallbeseitigung in ihrem Gebiet verloren. Weiterhin haben sie die Verfassungsbeschwerden "wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 28 GG" erhoben; sie legen mit ihnen einen Sachverhalt dar, aufgrund dessen der Schutzbereich dieser Verfassungsnorm betroffen sein könnte (vgl. BVerfGE 71, 25 [36 f.]; 76, 107 [116]).
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a) Die für Kommunalverfassungsbeschwerden nach § 93 Abs. 2 BVerfGG geltende Frist von einem Jahr nach Inkrafttreten der angegriffenen Rechtsnorm (vgl. BVerfGE 76, 107 [115]) ist mit dem 30. September 1974 abgelaufen. Die Einleitung der auf Rückübertragung der entzogenen Zuständigkeit nach § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG gerichteten Verwaltungsverfahren konnte den Fristlauf nicht unterbrechen. Denn die in der gesetzlichen Regelung liegende Beschwer, auf deren Beseitigung die Kommunalverfassungsbeschwerde zielt, liegt hier darin, daß den kreisangehörigen Gemeinden die Zuständigkeit zur Abfallbeseitigung generell entzogen wird. Diese Beschwer kann ein auf Rückübertragung im Einzelfall gerichtetes Verwaltungsverfahren nicht beseitigen; das zeigt schon der Umstand, daß eine solche Rückübertragung bei veränderten Umständen ihrerseits wieder zurückgenommen werden kann; sie verleiht keine gesetzliche, nur durch Gesetz wieder aufhebbare Zuständigkeit (vgl. auch BVerfGE 71, 25 [35 f.]; 76, 107 [112 f.]).
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b) Der Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 1619/83 kommt jedoch zugute, daß sie am 30. September 1974 und mithin fristgerecht bereits einmal Kommunalverfassungsbeschwerde gegen § Abs. 1 und 2 Nds. AG AbfG eingelegt hatte und seinerzeit durch Beschluß des Vorprüfungsausschusses des erkennenden Senats vom 10. September 1976 auf den Weg über § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG verwiesen worden war, demgegenüber die Verfassungsbeschwerde subsidiär sei. Aus diesem Grunde muß sie so behandelt werden, als hätte die Einleitung dieses Verwaltungsverfahrens den Fristlauf unterbrochen und als hätte die Jahresfrist mit Zustellung des letztinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteils am 16. September 1983 erneut zu laufen begonnen (vgl. BVerfGE 76, 107 [115 f.]). Die erneute, am 12. Oktober 1983 eingekommene, Verfassungsbeschwerde muß somit als fristgerecht erhoben angesehen werden.
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c) Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 1628/83 ist verspätet. Die Beschwerdeführerin hat ihre Verfassungsbeschwerde überhaupt erst am 13. Oktober 1983 eingelegt.
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Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 1619/83 ist unbegründet. § 1 Abs. 1 und 2 des Nds. AG AbfG verletzt Art. 28 Abs. 2 GG nicht.
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I.
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Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die darin liegende Garantie der Einrichtung gemeindliche Selbstverwaltung bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung und Formung. Der Vorbehalt "im Rahmen der Gesetze" überläßt dem Gesetzgeber diese Ausgestaltung und Formung jedoch nicht beliebig. Zum einen setzt der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ihm eine Grenze; hiernach darf der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt werden. Aber auch außerhalb des Kernbereichs ist der Gesetzgeber nicht frei: Indem der Verfassungsgeber die Institution gemeindliche Selbstverwaltung nicht nur in ihrer überkommenen Gestalt aufgegriffen, sondern mit eigenen Aufgaben in den Aufbau des politischen Gemeinwesens nach der grundgesetzlichen Ordnung eingefügt hat, hat er ihr eine spezifische Funktion beigemessen, die der Gesetzgeber zu berücksichtigen hat.
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1. Die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich (BVerfGE 26, 228 [237 f.]; 56, 298 [312]; 59, 216 [226]). Der Gesetzesvorbehalt, den Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ausspricht, umfaßt dabei nicht nur die Art und Weise der Erledigung der örtlichen Angelegenheiten, sondern ebenso die gemeindliche Zuständigkeit für diese Angelegenheiten. Zwar ließe vom Wortlaut her die Stellung der Worte "im Rahmen der Gesetze" innerhalb der Vorschrift auch eine andere Deutung zu. Um Sinngehalt und Tragweite der Grundrechtsbestimmungen und anderen Garantienormen, denen oft eine lapidare Sprachgestalt eigen ist, richtig zu erfassen, ist jedoch der ![]() ![]() | |
a) Für das 19. Jahrhundert war es - ungeachtet der in einigen Verfassungen für die Gemeinden enthaltenen Verbürgung der selbständigen Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten (siehe etwa § 184 Reichsverfassung von 1849; Art. 105 Abs. 1 Nr. 3 Preußische Verfassungsurkunde von 1850) - nicht streitig, daß die Rechte der Gemeinden und ihr Umfang auf gesetzlicher Bewilligung und gegebenenfalls Eingrenzung beruhen (E. Walz, Gemeinde I. Allgemeines, in: v. Stengel/Fleischmann (Hrsg.), Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2. Aufl., 1913, S. 39). Das Preußische Oberverwaltungsgericht führte in einer Entscheidung im Jahre 1886 (PrOVGE 13, 89 [106]) wie selbstverständlich aus, daß "den Gemeinden die Pflege der sittlichen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Angehörigen ganz allgemein zu (steht), soweit nicht etwa Spezialgesetze bestimmte Ausnahmen machen". Dieses Regel- Ausnahme-Prinzip fand angesichts zunehmender Zuständigkeitskonkurrenzen zwischen Staat und Gemeinden Aufnahme in die meisten Verfassungen der teilweise neu gebildeten Länder nach 1945, zum Teil mit verstärkter Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (vgl. Art. 137 Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946; Art. 49 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947; Art. 39 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949; Art. 78 Abs. 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950; Art. 44 Abs. 3 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung vom 13. April 1951; Art. 71 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953). Mit Ausnahme der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 (vgl. ![]() ![]() | |
b) Wie die Entstehungsgeschichte des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zeigt, wollte der Parlamentarische Rat zwar die Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung durch ihre Aufnahme ins Grundgesetz deutlich unterstreichen, aber dabei allgemein und bezüglich der gemeindlichen Aufgaben nicht über den herkömmlich gesicherten Bestand hinausgehen (vgl. BVerfGE 1, 167 [175]). Der Abgeordnete Dr. Laforet hob die Übereinstimmung darüber hervor, daß der außerordentlichen Bedeutung der Gemeinden und Gemeindeverbände auch im Grundgesetz an besonderer Stelle zu gedenken und das Prinzip der Selbstverwaltung als ein Grundgedanke herauszustellen sei, an den die Länder gebunden seien. Die Frage des Gesetzesvorbehalts hinsichtlich des gemeindlichen Aufgabenbereichs wurde anhand eines Formulierungsvorschlags des Ausschusses für Grundsatzfragen ausführlich diskutiert. Der Vorschlag lautete:
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"Die Länder haben den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung zu gewähren. Zum Wesen der Selbstverwaltung gehört, daß die Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln haben, soweit das Gesetz dem Lande oder einem Gemeindeverbande nicht Aufgaben zuweist." (PR, Kurzprot. der 11. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, S. 7, und der 12. Sitzung, S. 1).
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Der allgemeine Redaktionsausschuß und, diesem folgend, der Hauptausschuß verwarfen diesen Vorschlag, nicht weil sie den gemeindlichen Aufgabenbereich dem Gesetzesvorbehalt entziehen wollten, sondern weil die Formulierung des Grundsatzausschusses gerade umgekehrt eine zu starke Einschränkung des Gesetzesvorbehalts bedeuten könnte. Der Abgeordnete Dr. Laforet, dem der Hauptausschuß insoweit folgte, führte aus, daß eine Einschränkung des Aufgabenkreises der Gemeinden nur durch Gesetz erfolgen könne, daß in diesen Gesetzen aber nicht nur Gemeindeverbänden und Ländern, sondern auch anderen Trägern der öffentlichen Verwaltung wie den Trägern der Sozialversicherung Befugnisse zuge ![]() ![]() | |
2. Zunächst setzt der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie dem Gesetzgeber eine Grenze; hiernach darf der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt werden (vgl. BVerfGE 1, 167 [174 f.]; 38, 258 [278 f.]; 76, 107 [118]; st. Rspr.). Bei der Bestimmung des Kernbereichs ist in besonderer Weise der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 59, 216 [226]; 76, 107 [118]; st. Rspr.). Hiernach gehört zum Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen ("Universalität" des gemeindlichen Wirkungskreises).
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Die Formulierung "alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stellt vor allem eine Umschreibung des herkömmlichen Begriffs der "Allzuständigkeit" dar (vgl. BVerfGE 21, 117 [128 f.]). Schon in der preußischen Städteordnung von 1808 wurde den Gemeinden Allzuständigkeit zuerkannt. Mit diesem Begriff wurde vor allem die Vorstellung verbunden, daß eine Gemeinde all das in ihre Wirksamkeit einbeziehen durfte, "was die Wohlfahrt des Ganzen, die materiellen Interessen und die geistige Entwicklung der Einzelnen fördert", ohne hierfür eines speziellen Kompetenztitels zu bedürfen (vgl. PrOVGE 2, 186 ![]() ![]() | |
Diese Befugnis der Gemeinden, bislang "unbesetzte" Aufgaben in ihrem Bereich an sich zu ziehen, galt unter der Weimarer Reichsverfassung als übereinstimmendes Landesrecht fort (vgl. Anschütz, Kommentar zur Weimarer Reichsverfassung, 14. Aufl., 1933, Anm. 2 zu Art. 127). Durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurde sie zu Bundesverfassungsrecht erhoben und auch vom Parlamentarischen Rat als Essentiale der gemeindlichen Selbstverwaltung angesehen, im Gegensatz zur lediglich speziellen Kompetenz der Gemeindeverbände kraft ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung (vgl. die Ausführungen des Abg. Laforet in der 5. Sitzung des Hauptausschusses am 18. November 1948, Sten.Prot., S. 60). Das Grundgesetz beschränkt dieses gemeindliche Zugriffsrecht freilich gegenständlich auf die Angelegenheiten "der örtlichen Gemeinschaft" und verwehrt den Gemeinden so, unter Berufung auf ihre Allzuständigkeit auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit zu machen (vgl. Abg. Laforet, ebd.; BVerfGE 8, 122 [134]; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 34).
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Ob daneben auch die "Totalität" oder Einheitlichkeit der öffentlichen Verwaltung auf Gemeindeebene in Händen der gemeindlichen Behörden zu den identitätsbestimmenden Merkmalen der gemeindlichen Selbstverwaltung zu zählen ist, kann offen bleiben.
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3. Die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erschöpft sich hinsichtlich des gemeindlichen Zuständigkeitsbereichs jedoch nicht darin, den Grundsatz der Allzuständigkeit als identitätsbestimmendes Merkmal der gemeindlichen Selbstverwaltung zu normieren. Sie entfaltet vielmehr aus ihrer normativen Intention, den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich zu sichern, Rechtswirkungen auch jenseits dieses engsten Bereichs.
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a) Die gesetzliche Aufgabenverteilung zwischen Staat und Kommunen wie auch innerhalb der kommunalen Ebene zwischen Krei ![]() ![]() | |
Gegen diese Entwicklung bietet der Grundsatz der Allzuständigkeit den Gemeinden keinen Schutz. Auch der Gedanke, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbiete es, die gemeindliche Selbstverwaltung als solche - sei es durch ihre Aufhebung, sei es durch schleichende Aushöhlung - zu beseitigen (vg. BVerfGE 1, 167 [174 f.]; 38, 258 [279]; st. Rspr.), greift erst, wenn sich positiv feststellen ließe, daß der den Gemeinden nach einem Aufgabenentzug verbleibende Aufgabenbestand einer Betätigung ihrer Selbstverwaltung keinen hinreichenden Raum mehr beläßt. Dann aber wäre der Minimumstandard schon erreicht; er würde allenfalls verteidigt, aber nicht verhindert.
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Dies aber würde Ziel und Inhalt der Gewährleistung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht. Das Grundgesetz hat sich auch innerhalb der Länder für einen nach Verwaltungsebenen gegliederten, auf Selbstverwaltungskörperschaften ruhenden Staatsaufbau entschieden (vgl. BVerfGE 52, 95 [111 f.]). Es hat darüber hinaus ![]() ![]() | |
Mit dieser Stärkung der dezentralen Verwaltungsebene wollte der Verfassungsgeber auf die gegenläufigen zentralistischen Tendenzen während des nationalsozialistischen Regimes antworten. Er tat dies im Zutrauen in die Gemeinden, im Sinne eines "Aufbaues der Demokratie von unten nach oben" (vgl. Art. 11 Abs. 4 der Verfassung des Freistaates Bayern) Keimzelle der Demokratie und am ehesten diktaturresistent zu sein. In diesem Sinn hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, daß Kommunalverfassungsrecht und -wirklichkeit seit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes von der Tendenz bestimmt sind, unter Zurückdrängung des bürokratisch-autoritativen Elements dem Gedanken des Selbstbestimmungsrechts der Gemeindebürger wieder erhöhte Geltung zu verschaffen (BVerfGE 7, 155 [167]; vgl. BVerfGE 11, 266 [275]). Hieran hat sich dadurch, daß sich die grundge ![]() ![]() | |
b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält daher auch außerhalb des Kernbereichs der Garantie ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden, das der zuständigkeitsverteilende Gesetzgeber zu berücksichtigen hat. Auf diese Weise sichert Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden einen Aufgabenbereich, der grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfaßt (vgl. BVerfGE 26, 228 [237 f.]; 56, 298 [312]; 59, 216 [226]).
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Dieses Aufgabenverteilungsprinzip gilt zugunsten kreisangehöriger Gemeinden auch gegenüber den Kreisen. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG sichert den Gemeindeverbänden - und damit den Kreisen - anders als Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden gerade keinen bestimmten Aufgabenbereich. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach festgestellt (vgl. BVerfGE 21, 117 [128 f.]; 23, 353 [365]). Wortlaut und systematisches Verhältnis zwischen den beiden Sätzen des Art. 28 Abs. 2 GG belegen dieses Ergebnis. Es entspricht auch der Tradition des Kommunalverfassungsrechts (vgl. BVerfGE 23, 353 [366]) und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift in den Beratungen des Parlamentarischen Rates. Während der ursprüngliche Vorschlag des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung Gemeinden und Gemeindeverbände noch ununterschieden nebeneinandergestellt hatte (vgl. PR, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, Kurzprot. der 10. Sitzung am 8. Oktober 1948, S. 1), nahm der Hauptausschuß die heutige Differenzierung gerade mit der Begründung vor, den Gemeindeverbänden komme herkömmlich im Unterschied zu den Gemeinden gerade keine Allzuständigkeit zu (vgl. die Ausführungen des Abg. Laforet in der 5. Sitzung des Hauptausschusses am 18. November 1948, Sten. ![]() ![]() | |
Diesem Befund läßt sich nicht mit einem Hinweis auf Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG entgegentreten. Das Grundgesetz hat mit dieser Vorschrift zwar angeordnet, daß das Volk nicht nur in den Ländern und Gemeinden, sondern auch in den Kreisen eine demokratisch gewählte Vertretung haben muß; dadurch werden die Kreise unter den Gemeindeverbänden nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG besonders hervorgehoben. Dies ist im Hinblick auf das gewachsene Gewicht und den tatsächlichen Umfang der Kreistätigkeit geschehen (vgl. BVerfGE 52, 95 [112]). Das Grundgesetz hat damit jedoch auf die gegebene Tatsache reagiert, daß die Landkreise kraft Landesrechts vielfach Zuständigkeiten innehaben, die sich einer Allzuständigkeit annähern; es hat nicht darüber hinaus angeordnet, daß sie Allzuständigkeit auch haben sollen.
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c) Sichert mithin das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zum Ausdruck gebrachte Aufgabenverteilungsprinzip den Gemeinden auch gegenüber den Kreisen einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich, so ist, was zu diesen Angelegenheiten gehört, nach der doppelten Funktion dieses Begriffs zu bestimmen: Einerseits ist die gemeindliche Allzuständigkeit gegen den Zuständigkeitsbereich der allgemeinen Politik abzugrenzen (vgl. BVerfGE 8, 122 (134) und oben 2), andererseits der grundgesetzlich gewollten Teilnahme der Bürger an der öffentlichen Verwaltung ihr Betätigungsfeld zuzuordnen. Hiernach sind Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. insoweit BVerfGE 8, 122 [134]; 50, 195 [201]; 52, 95 [120]), die also den Gemein ![]() ![]() | |
Demgegenüber verbietet sich eine Auslegung, die ein anderweitig bestimmtes einheitliches sogenanntes kommunales Leistungsniveau zu ihrem Ausgangspunkt wählt, das im kreisfreien Raum von den Städten, im kreisangehörigen Raum dagegen von Gemeinden und Kreisen gemeinsam zu erreichen sei (so aber BVerwGE 67, 321 [324]). Zwar mag den Kreisen unter diesem Gesichtspunkt eine "Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion" im Hinblick auf weniger leistungsstarke kreisangehörige Gemeinden zukommen (vgl. BVerfGE 58, 177 [196]); auch mag der Landesgesetzgeber den Kreisen darüber hinaus die Erledigung überörtlicher Aufgaben übertragen, die im Gebiet kreisfreier Städte noch als örtliche erscheinen, um so ein Leistungsgefälle zwischen "Stadt" und "Land" zu mindern oder auszugleichen. Gleichwohl bleiben Angelegenheiten, die gerade das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen, Angelegenheiten dieser örtlichen Gemeinschaft; Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unterscheidet nicht zwischen "lokal-örtlichen" (Gemeinde-) und "regional-örtlichen" (Kreis-) Aufgaben und läßt die Kreise mithin an seinem Gewährleistungsgehalt nicht teilhaben.
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4. Der Gesetzgeber darf nach alledem die Institution gemeindliche Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Aufgabenausstattung der Gemeinden regeln. Er hat hierbei indes den Vorrang zu berücksichtigen, den Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG in den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Gemeindeebene auch vor der Kreisebene einräumt. Der Gesetzgeber ist dagegen in seiner Zuordnung frei, wenn die Aufgabe keinen oder keinen relevanten örtlichen Charakter besitzt; sie fällt dann aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG heraus.
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b) Die Prüfung, ob und inwieweit die fragliche Aufgabe sich als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellt, muß differenziert nach der Größe der betroffenen Gemeinden vorgenommen werden; sie hat anhand von Sachkriterien unter Orientierung an den Anforderungen zu erfolgen, die an eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu stellen sind.
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Bei der Einschätzung der örtlichen Bezüge einer Aufgabe und ihres Gewichts kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Hierbei darf nicht übersehen werden, daß sich eine Aufgabe nicht hinsichtlich all ihrer Teilaspekte und nicht für alle Gemein ![]() ![]() | |
c) Hat die Aufgabe einen relevanten örtlichen Charakter, so muß der Gesetzgeber berücksichtigen, daß sie insoweit an sich der gemeindlichen Ebene zuzuordnen ist. Will er die Aufgabe den Gemeinden gleichwohl entziehen, so kann er dies nur, wenn die den Aufgabenentzug tragenden Gründe gegenüber dem verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG überwiegen; sein Entscheidungsspielraum ist insoweit normativ gebunden.
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Auch hier ist von Verfassungs wegen zu prüfen, ob die Entscheidung des Gesetzgebers eine vertretbare Ausfüllung des Rahmens darstellt, den Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG mit dem unbestimmten Verfassungsbegriff "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" und dem in ihm normierten Aufgabenverteilungsprinzip festlegt. Die gesetzgeberischen Entscheidungen auf ihre Vertretbarkeit hin statt nur auf das Fehlen sachfremder Erwägungen zu überprüfen, ist angesichts des Gewichts, welches das Grundgesetz der gemeindlichen Selbstverwaltung beimißt, geboten und macht die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG vorgesehene Kommunalverfassungsbeschwerde, die der gemeindlichen Selbstverwaltung auch verfahrensrechtlich einen besonderen Schutz zukommen lassen wollte, in diesem Be ![]() ![]() | |
II.
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§ 1 Abs. 1 und 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Abfallbeseitigungsgesetz genügt den dargelegten Anforderungen.
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1. a) Der Gesetzgeber darf das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden weder rechtlich noch faktisch beseitigen. Eine rechtliche Beseitigung steht nicht zur Diskussion. Das Selbstverwaltungsrecht würde jedoch dann faktisch beseitigt, wenn das Gesetz die gemeindliche Selbstverwaltung innerlich aushöhlte, sie die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verlöre und nur noch ein Scheindasein führen könnte (BVerfGE 1, 167 [174 f.]; 22, 180 [204 f.]; 23, 353 [367]; 38, 258 [279]). Davon kann jedoch keine Rede sein. Den niedersächsischen kreisangehörigen Gemeinden steht - auch soweit sie nicht Große selbständige Städte nach § 11 NGO sind - nach dem in Rede stehenden Aufgabenentzug noch ein hinreichendes Betätigungsfeld zu eigenverantwortlicher Regelung offen. Dies gilt selbst dann, wenn man neben dem Aufgabenentzug auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung sämtliche von der Beschwerdeführerin angeführten Zuständigkeitsminderungen und Ermessensbindungen einbezieht und obendrein die Zahlreichen - allerdings weniger substantiellen - Aufgabenneuzuweisungen im Zuge der Funktionalreform außer Betracht läßt (ebenso OVG Lüneburg, DÖV 1980, S. 419; BVerwGE 67, 321 [327]).
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b) Die angegriffene Gesetzesregelung ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil durch sie die gemeindliche Allzuständigkeit in ihrem identitätsbestimmenden Gehalt verletzt würde. Sie stellt das Recht der Gemeinden, sich bislang unbesetzter Aufgaben nach eigenem Ermessen anzunehmen, nicht in Frage. Der Umstand, daß durch den Aufgabenentzug die Abfallbeseitigung dem gemeindlichen Zugriff nicht mehr offensteht, betrifft nicht das Zugriffsrecht als solches, sondern nur dessen möglichen Anwendungsbereich.
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a) Soweit die Abfallbeseitigung im engeren Sinne (Behandeln, Lagern und Ablagern der Abfälle) in Rede steht, hat sich der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit den Regelungen des Abfallbeseitigungsgesetzes des Bundes (vgl. § 2 AbfG) maßgeblich von Gründen des besseren Umweltschutzes sowie - ergänzend - der Seuchenabwehr und der Landschaftspflege leiten lassen. Er hielt es für erforderlich, die im Jahr 1972/73 in Niedersachsen geschätzten 2700 überwiegend ungeordneten Deponien und Müllkippen zum großen Teil zu schließen; lediglich 145 Deponien - einschließlich einiger Verbrennungs- und Kompostierungsanlagen - hätten seinerzeit den neuen Anforderungen genügt oder entsprechend ausgebaut werden können (vgl. Begründung der Regierungsvorlage, LTDrucks. 7/1332, S. 5). Darüber hinaus verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Zahl der Deponien landesweit weiter zu reduzieren (vgl. Generalplan Abfallbeseitigung Niedersachsen, 1972, S. 10; Staatssekretär Dr. Zill in der 35. Sitzung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen des Siebenten Nds. Landtags, Niederschrift vom 10. Oktober 1972, S. 6 f.), auch dies ersichtlich aus Gründen des besseren Umweltschutzes und der Landschaftspflege. Umweltschutz, Seuchenabwehr und Landschaftspflege aber sind Gemeininteressen, und zwar solche von hoher Bedeutung. Jedenfalls bei Umweltschutz und Seuchenabwehr handelt es sich darüber hinaus um Gesichtspunkte der polizeilichen Gefahrenabwehr (vgl. BVerwGE 67, 321 [327]), die schon zuvor zu Einschränkungen der gemeindlichen Regelungsfreiheit namentlich durch das Wasserhaushaltsgesetz, das Bundesseuchengesetz und die Gewerbeordnung geführt hatten.
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Im Hinblick auf diese Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sieht das Gesetz die Aufgabe der Abfallbeseitigung im engeren Sinne hinsichtlich der kreisfreien Städte als unverändert örtlich, hinsichtlich der kreisangehörigen Gemeinden jedoch im Regelfall als überörtlich an. Es hat dabei Besonderheiten bei den kreisangehörigen Gemeinden durch die Rückübertragungsmöglich ![]() ![]() | |
Da die Aufgabe der Abfallbeseitigung im engeren Sinne nach der mithin vertretbaren, dem Gesetz zugrunde liegenden Einschätzung hinsichtlich der kreisangehörigen Gemeinden nicht mehr als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft erscheint, ist sie aus dem Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG herausgewachsen. Bestehenden Verschiedenheiten unter den kreisangehörigen Gemeinden, insbesondere im Hinblick auf die Großen selbständigen Städte nach § 11 NGO, hat der Gesetzgeber durch die Rückübertragungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG Rechnung getragen. Diese Regelung des Aufgabenübergangs ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
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b) aa) Anders als die Abfallbeseitigung im engeren Sinne hat der Landesgesetzgeber im Jahre 1972 die Phasen des Einsammelns und Beförderns der Abfälle - jedenfalls des Hausmülls - auch hinsichtlich der kreisangehörigen Gemeinden nicht als überörtlich bezoge ![]() ![]() | |
Beide Gesichtspunkte erlauben den Aufgabenentzug - für sich genommen - nicht. Denn sie zielen ausschließlich auf die Beseitigung von Umständen, die gerade durch die vom Grundgesetz gewollte dezentrale Aufgabenansiedlung bedingt werden, und stellen mithin gegenüber Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG keinen allgemeinen Grund dar.
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Dies gilt für den Gesichtspunkt möglichster Gebührengleichheit im Kreisgebiet ohne weiteres. Auch Art. 3 Abs. 1 GG gebietet keine andere Beurteilung. Dieser Verfassungsgrundsatz verlangt lediglich die Gleichbehandlung der Bürger durch den nämlichen - zuständigen -, nicht aber auch ihre Gleichbehandlung durch mehrere, voneinander unabhängige Verwaltungsträger (vgl. BVerfGE 21, 54 [68] m. w. N.). Die Möglichkeit des Ausgleichs eines allzu großen Gebührengefälles innerhalb des Kreisgebietes kann hier dahinstehen.
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Aber auch die angeführten Gründe der größeren Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erlauben den Aufgabenentzug nicht. Sie ziehen durchweg einen zweckmäßigen Größenzuschnitt der öffentlichen Verwaltungsträger nach sich, statt von deren gegebener Größe auszugehen. Wirtschaftlichkeitserwägungen können aber, wie dargelegt, einen Aufgabenentzug erst dann rechtfertigen, wenn ein Belassen der gemeindlichen Aufgabenzuständigkeit zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führen würde. Die im Gesetzgebungsverfahren angeführten Gesichtspunkte lassen indes eine solche Gefahr nicht erkennen, auch wenn man Leerkapazitäten, Doppelvorhaltungen und dergleichen in Rechnung stellt.
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Hierdurch wird nicht in Frage gestellt, daß diesen Wirtschaftlichkeitserwägungen von den jeweils zuständigen Verwaltungsträgern ![]() ![]() | |
bb) Daß das Gesetz den Gemeinden auch die Phasen des Einsammelns und Beförderns trotz deren überwiegend örtlichen Bezügen entzieht, erweist sich jedoch aus anderen Gründen und im Hinblick auf die in § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG vorgesehene Rückübertragungsmöglichkeit gleichwohl als eine vertretbare Ausfüllung des Rahmens, den das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG normierte Aufgabenverteilungsprinzip vorgibt.
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Schon das Abfallbeseitigungsgesetz des Bundes von 1972 hat den Schwerpunkt der Aufgabe von der herkömmlichen Müllabfuhr auf die Behandlung, Lagerung und Ablagerung des Abfalls verlegt. Während unter dem Blickwinkel der städtischen Wegereinigung früher das Hauptgewicht auf dem Einsammeln des Abfalls und seinem Verbringen aus dem Weichbild der Städte gelegen hatte, trat das Einsammeln und Befördern nunmehr zur bloßen Hilfsfunktion der Abfallbeseitigung im engeren Sinne zurück. Diese Schwerpunktverlagerung hat sich seither - veranlaßt nicht zuletzt durch das Wachsen der Abfallmenge und das Hinzutreten gefährlicherer Abfallstoffe - verstärkt und befestigt. Alles Gewicht wird auf die Abfallbeseitigungsanlagen, deren Standorte, deren Umweltverträglichkeit und deren Zahl verlegt (ebenso BVerwGE 67, 321 [325 f.]). Unter diesem Gesichtspunkt durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, daß die Abtrennung der Phasen des Einsammelns und Beförderns zu einer Erschwerung und damit möglicherweise Gefährdung der Ordnung der Abfallbeseitigung im engeren Sinne führen kann. Er hatte andererseits in Rechnung zu stellen, daß diese Gefahr nicht überall und nicht einmal typischerweise besteht, zumal notwendige Angleichungen bei den Verfahren und Instrumen ![]() ![]() | |
Wenn das Gesetz bei dieser Sachlage die Zuständigkeit für die Aufgabe der Abfallbeseitigung im weiteren Sinn nicht nach Aufgabenphasen trennt, sondern den kreisangehörigen Gemeinden auch die Phasen des Einsammelns und Beförderns entzieht, so ist dies deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil es zugleich für bestimmte Fälle die Möglichkeit der gesonderten Rückübertragung dieser Phasen vorsieht. Zwar enthält dieser Weg für die betroffenen Gemeinden gegenüber einer Zuständigkeit unmittelbar kraft Gesetzes vor allem die Erschwernis, daß die Rückübertragung die "zweckmäßige" Erledigung der dem Landkreis verbleibenden Restaufgabe nicht gefährden darf. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß die Behörden bei der Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 2 Nds. AG AbfG und insbesondere bei der Ausübung des ihnen hiernach eingeräumten Ermessens an das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG normierte Aufgabenverteilungsprinzip gebunden sind. Dann aber ist die "zweckmäßige" Erfüllung der dem Landkreis verbleibenden Beseitigungspflicht, anders als das Bundesverwaltungsgericht meint (vgl. BVerwGE 67, 321 [331 f.]), nur dann "gefährdet", wenn ihre im Sinne von § 2 AbfG allgemeinen Anforderungen nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigen Mehrkosten ordnungsgemäß erfüllbar wären, nicht aber schon dann, wenn sie unterhalb dieser Schwelle lediglich teurer würde und damit weniger wirtschaftlich erschiene (vgl. oben 4. a, Seite 153).
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3. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. AG AbfG die Entscheidung über einen Rückübertragungsantrag einer Gemeinde in die Zuständigkeit des von dieser Entscheidung unmittelbar selbst betroffenen Landkreises legt und zudem bestimmt, daß dessen Aufsichtsbehörde nur einer stattgebenden, nicht aber auch einer versagenden Entscheidung zustimmen müsse. Dies schon deshalb, weil die antragstellende Gemeinde eine behördliche und gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle herbeiführen kann.
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4. Auch § 1 Abs. 1 Satz 3 Nds. AG AbfG begegnet keinen verfas ![]() ![]() | |