des Zweiten Senats vom 6. Februar 1979
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-- 2 BvL 5/76 -- | |
in dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Absatz 4 Satz 2 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NW) vom 23. November 1971 (GV NW S. 354) -- Aussetzungsund Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 16. Juni 1976 -- 3 K 1519/74 --.
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Entscheidungsformel: | |
§ 15 Absatz 4 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NW) vom 23. November 1971 (Gesetz- und Verordnungsbl. für das Land Nordrhein-Westfalen S. 354) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Frage, ob § 15 Abs. 4 Satz 2 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1971 (GV NW S. 354) -- GebG NW -- mit dem Grundgesetz vereinbar ist. ![]() | |
§ 15 Gebühren in besonderen Fällen | |
(1) Wird ein Antrag ausschließlich wegen Unzuständigkeit der Behörde abgelehnt, so werden weder Gebühren noch Auslagen erhoben. Dasselbe gilt bei Rücknahme eines Antrages, wenn mit der sachlichen Bearbeitung noch nicht begonnen ist. (2) Wird ein Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung zurückgenommen, nachdem mit der sachlichen Bearbeitung begonnen, die Amtshandlung aber noch nicht beendet ist, oder wird ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt oder wird eine Amtshandlung zurückgenommen oder widerrufen, so ermäßigt sich die vorgesehene Gebühr um ein Viertel; sie kann bis zu einem Viertel der vorgesehenen Gebühr ermäßigt oder es kann von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. (3) Wird gegen eine gebührenpflichtige Sachentscheidung Widerspruch erhoben, so sind für den Erlaß des Widerspruchsbescheides Gebühren und Auslagen zu erheben, wenn und soweit der Widerspruch zurückgewiesen wird. In diesem Falle ist die gleiche Gebühr wie für die Sachentscheidung zu erheben. Richtet sich der Widerspruch nur gegen einen Teil der Entscheidung, so ermäßigt sich die Gebühr entsprechend. Wird der Widerspruchsbescheid der nächsthöheren Behörde von einem Verwaltungsgericht ganz oder teilweise aufgehoben, so sind die für den Widerspruchsbescheid bereits gezahlten Gebühren und Auslagen der Behörde, die die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens zu tragen hat, auf Antrag zu erstatten. (4) Richtet sich in einer gebührenpflichtigen Angelegenheit der Widerspruch ausschließlich gegen die Kostenentscheidung, so gilt Absatz 3 Satz 1 sinngemäß. In diesem Falle beträgt die Gebühr ein Viertel der Gebühr für die Sachentscheidung. Absatz 3 Satz 3 findet Anwendung. (5) Ist der Entscheidung des Beschlußausschusses ein Bescheid seines Vorsitzenden vorausgegangen, so sind nur für die Entscheidung des Beschlußausschusses Gebühren und Auslagen zu erheben. | |
II.
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Die Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragte am 6. Februar 1973 beim Oberstadtdirektor der Stadt Bochum die Baugenehmigung zur Erweiterung eines Preßwerkes. Nachdem ihr ![]() ![]() | |
Mit Bescheid vom 21. August 1973 erlegte die Stadt Bochum daraufhin der Klägerin Gebühren in Höhe von 41 000,- DM auf; dieser Betrag entsprach der Hälfte der Gebühren, die bei der zugrunde gelegten Rohbausumme für die Erteilung der Baugenehmigung angefallen wären.
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Die Klägerin erhob Widerspruch gegen diesen Gebührenbescheid und beantragte dessen Aufhebung insoweit, als er den von ihr für angemessen erachteten Betrag von 8 200,- DM übersteige (d. i. ein Zehntel der Baugenehmigungsgebühren).
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Der Widerspruch wurde am 26. November 1973 als unbegründet zurückgewiesen: Die Gebührenberechnung der Stadt Bochum habe ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 2 GebG NW. Der Oberstadtdirektor habe von dem in § 15 Abs. 2 2. Halbs. GebG NW eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Klägerin bereits eine Teilbaugenehmigung erteilt worden und die sachliche Bearbeitung des Bauantrags schon sehr weit fortgeschritten gewesen sei, sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Klägerin eine Gebühr in Höhe der Hälfte der an sich vorgesehenen Gebühr auferlegt worden sei.
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Für den abweisenden Widerspruchsbescheid wurde unter Zugrundelegung des nach Auffassung der Klägerin zuviel geforderten Unterschiedsbetrages von 32 800,- DM gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 3 GebG NW eine Gebühr von 8 200,- DM festgesetzt. Im Ausgangsverfahren geht es um die Rechtmäßigkeit dieser für den Widerspruchsbescheid auferlegten Gebühr.
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Am 14. Mai 1974 erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Sie vertrat die Auffassung, daß die Gebühr für die Widerspruchsentscheidung 462,- DM nicht übersteigen dürfe, und beantragte deshalb, die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids vom 26. November 1973 inso ![]() ![]() | |
III.
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Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat mit Beschluß vom 16. Juni 1976 das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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1. Nach der Meinung des vorlegenden Gerichts kommt es für seine Entscheidung im Ausgangsverfahren auf die Gültigkeit des § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW an.
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Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestünden nicht. Insbesondere sei die Klage rechtzeitig erhoben, da die dem Widerspruchsbescheid vom 26. November 1973 beigefügte Rechtsmittelbelehrung in bezug auf die Kostenentscheidung unrichtig gewesen sei (§ 58 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage sei begründet, wenn § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW gegen das Grundgesetz verstoße. Die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids müsse dann aufgehoben werden, da es an einer gültigen Berechnungsgrundlage für die Höhe der geforderten Widerspruchsgebühr fehle. Wenn § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW mit dem Grundgesetz vereinbar sei, sei die Klage abzuweisen.
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2. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW gegen das der Gebühr immanente Äquivalenzprinzip, das aus dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot des Art. 20 GG hergeleitet werde. Nach diesem Prinzip müsse im Einzelfall ein angemessenes Verhältnis zwischen der Gebühr und dem Wert der Amtshandlung für den Betroffenen bestehen. Der Gesetzgeber habe zwar insofern einen weiten Ermessensspielraum, als ein Gesetz nur bei einer gröblichen Verletzung des Äquivalenzprinzips nichtig sei; bei ![]() ![]() ![]() | |
1. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hält § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW für mit dem Grundgesetz vereinbar. Auch dieser besonderen Gebührenregelung liege das für das ganze Gesetz maßgebliche Äquivalenzprinzip (§ 3 GebG NW) zugrunde. Angesichts des umfassenden Anwendungsbereichs des Gebührengesetzes sei es für den Gesetzgeber allerdings nicht voll übersehbar gewesen, ob und inwieweit sich die Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW im Einzelfall als unangemessen erweisen könne. Er habe jedoch geglaubt, möglichen Unbilligkeiten durch die Ermächtigung des § 6 i.V.m. § 2 Abs. 2 GebG NW Rechnung tragen zu können. Diese Vorschriften lauten:
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§ 2 Gebührenordnungen | |
(1) Die einzelnen Amtshandlungen, für die Gebühren erhoben werden, und die Gebührensätze sind unter Beachtung der §§ 3 bis 6 in Gebührenordnungen zu bestimmen. (2) Die Gebührenordnungen erläßt die Landesregierung. Sie kann diese Befugnis für bestimmte Bereiche der Verwaltung auf den dafür zuständigen Minister übertragen; in diesem Falle hat der zuständige Minister das Einvernehmen des Innenministers und des Finanzministers herbeizuführen. | |
§ 6 Ermäßigung und Befreiung | |
Aus Gründen der Billigkeit, insbesondere zur Vermeidung sozialer Härten, kann Gebührenermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen und zugelassen werden. Dasselbe gilt für Amtshandlungen, die einem von der handelnden Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interesse dienen.
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Die Landesregierung habe von dieser gesetzlichen Ermächtigung in § 3 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 9. Januar 1973 (GV NW S. 98) -- AVwGebO -- Gebrauch gemacht. § 3 AVwGebO lautet: ![]() | |
Diese Vorschrift verpflichte die kostenfestsetzende Behörde, eine sich im konkreten Einzelfall als unangemessen erweisende Gebühr auf ein angemessenes Maß zu bringen. Eine derartige Korrektur könne auch bei Entscheidungen nach § 15 Abs. 4 GebG NW in Betracht kommen und geboten sein. Wenn man hiervon ausgehe, erschienen die vom vorlegenden Gericht erhobenen Bedenken nicht gerechtfertigt.
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2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens schließt sich in ihrer Äußerung den Ausführungen des vorlegenden Gerichts an. Um darzutun, in welch krassem Gegensatz ihrer Meinung nach die Stellungnahme des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen zu der Gebührenpraxis steht, legt sie einen in anderer Sache gegen sie ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 30. März 1977 vor. Die Klägerin hatte dort gegen eine auf 16 245,- DM festgesetzte Baugenehmigungsgebühr Widerspruch eingelegt, da sie nur 3 249,- DM für angemessen hielt. Der Regierungspräsident wies den Widerspruch zurück. Zugleich setzte er nach § 15 Abs. 3 und 4 GebG NW für den Erlaß des Widerspruchsbescheids eine Gebühr in Höhe von 3 249,- DM fest. In der Begründung der Kostenentscheidung heißt es schlicht, daß Gründe, wonach die Erhebung einer Gebühr unbillig wäre, nicht ersichtlich seien.
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3. Nach Meinung des VII. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ist die Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW jedenfalls dann verfassungswidrig, wenn sie zu einem groben Mißverständnis zwischen dem Gegenstandswert der Verwaltungshandlung und der dafür erhobenen Gebühr führt. Dies sei anzunehmen, wenn Widerspruchsgebühren von mehr als etwa 100,- DM entstünden, die angegriffene Kostenentscheidung also eine Sachentscheidungsgebühr von mehr als etwa 400,- DM betreffe. Nur bei verhältnismäßig geringen Sach ![]() ![]() | |
Zu welch außergewöhnlich hohen Widerspruchsgebühren eine Regelung wie § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW führen könne, illustriere eine Entscheidung, die der Senat wegen einer nach bayerischem Kostenrecht zu beurteilenden Gebühr zu fällen gehabt habe. In jenem Fall sei es um die reine, letztlich zu bejahende Rechtsfrage gegangen, ob für die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Erdölraffinerie neben einer Gebühr für die gewerbe- und baurechtliche Genehmigung in Höhe von zusammen 373 385,- DM eine weitere Gebühr für die Erlaubnis nach der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten in Höhe von 351 750,- DM habe erhoben werden dürfen. Bei Zugrundelegung des nordrhein-westfälischen Gebührenrechts hätte in diesem Fall die Gebühr für den Widerspruchsbescheid nahezu 88 000,- DM betragen müssen.
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4. Der II. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bezieht sich in seiner Stellungnahme auf einen von ihm in anderer Sache in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erlassenen Beschluß. Darin gelangt er zu der Überzeugung, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 15 ![]() ![]() | |
Die Vorlage ist zulässig. Nach der jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbaren Auffassung des vorlegenden Gerichts, von der das Bundesverfassungsgericht ausgeht (vgl. BVerfGE 7, 171 [175], ständige Rechtsprechung), kommt es für die im Ausgangsrechtsstreit zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit des § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW an. Das vorlegende Gericht gelangt nach hinreichender Prüfung zu der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Überzeugung, daß die Anfechtungsklage der Klägerin des Ausgangsverfahrens zulässig ist. Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, daß das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage als fristgerecht erhoben erachtet. Ist § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig, hat das Verwaltungsgericht die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids vom 26. November 1973 aufzuheben. Im Falle der Gültigkeit von § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW ist die Anfechtungsklage der Klägerin des Ausgangsverfahrens dagegen abzuweisen.
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1. Das Grundgesetz enthält -- jedenfalls für Gebührenregelungen der hier in Rede stehenden Art -- keinen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Prüfungsmaßstäbe ![]() ![]() | |
Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. BVerfGE 7, 244 [254]; 18, 392 [396]; 20, 257 [269]; 28, 66 [86 ff.]; BVerwGE 5, 136 [141]; 12, 162 [170]; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 16 ff., 24 ff., 55 ff., 90 ff.).
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Ihre besondere Zweckbestimmung, Einnahme zu erzielen, um speziell die Kosten der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, unterscheidet die Gebühr regelmäßig von der Steuer (vgl. auch § 3 Abs. 1 Abgabenordnung; BVerfGE 20, 257 [269]). Aus dieser Zweckbestimmung folgt indes von Verfassungs wegen nicht, daß die Gebührenhöhe durch die Kosten der Leistung der öffentlichen Hand allgemein oder im Einzelfall in der Weise begrenzt sein müsse, daß Gebühren diese Kosten nicht übersteigen oder nicht unterschreiten dürfen. Desgleichen folgt hieraus verfassungsrechtlich nicht, daß eine Gebührenregelung neben der Erzielung von Einnahmen zum Zwecke der vollständigen oder teilweisen Kostendeckung nicht noch weitere Zwecke verfolgen dürfe.
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Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenzen verfügt der Gebührengesetzgeber aus der Sicht des Grundgesetzes über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke, etwa einer begrenzten Ver ![]() ![]() | |
Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgt zumal, daß Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen, und daß die Verknüpfung zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise sich gestaltet, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist. Darüber hinaus gebietet der Gleichheitsgrundsatz, bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfaßt werden können, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt.
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2. § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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a) Diese Bestimmung legt als Gebührenmaßstab für die variable Gebühr eines Widerspruchsbescheids, der einen ausschließlich gegen die Kostenentscheidung einer Amtshandlung ![]() ![]() | |
aa) Wird gegen eine gebührenpflichtige Sachentscheidung erfolglos Widerspruch eingelegt, so ist für den Erlaß des Widerspruchsbescheids gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 GebG NW die gleiche Gebühr wie für die Sachentscheidung zu erheben. Diese Regelung erscheint, soweit sich der Widerspruch gegen die Ablehnung einer beantragten Amtshandlung richtet, aus zwei Gründen sachgerecht: Zum einen erstrebt der Widerspruchsführer von der Widerspruchsbehörde genau das, was ihm die Ausgangsbehörde verweigert hat, er verfolgt also nach wie vor dasselbe Ziel. Zum ändern ist der Verwaltungsaufwand der Widerspruchsbehörde in aller Regel nicht geringer als der im ursprünglichen Verwaltungsverfahren, da auch der gebotene Umfang der Nachprüfung typischerweise nicht geringer ist.
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Beides trifft nicht zu, wenn mit dem Widerspruch ausschließlich die Kostenentscheidung angegriffen wird. Denn die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung wird in diesem Verfahren nicht mehr geprüft; so kann es zum Streit über die Kostenentscheidung auch dann kommen, wenn die Ausgangsbehörde dem Begehren des Antragstellers in vollem Umfang entsprochen hat, dieser aber der Meinung ist, keine oder nur eine geringere Gebühr zu schulden. Da sich der Streit- und Prüfungsgegenstand bei Ausgangs- und Widerspruchsbehörde unterscheiden, ist auch der bei der Widerspruchsbehörde anfallende Verwaltungsaufwand regelmäßig ein anderer. Die Widerspruchsbehörde hat lediglich zu prüfen, ob von der Ausgangsbehörde bei der Kostenentscheidung die Vorschriften des Gebührengesetzes oder ![]() ![]() | |
bb) Dennoch verknüpft § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW beide Fallarten generell in der Weise miteinander, daß bei einem ausschließlich gegen die Kostenentscheidung gerichteten Widerspruch für den Erlaß des Widerspruchsbescheids stets ein Viertel der Gebühr für die Sachentscheidung anfällt. Für diese Art genereller, durchgängiger Ankoppelung dieser Widerspruchsgebühr an die Sachentscheidungsgebühr läßt sich trotz des verringerten Gebührensatzes in Höhe von einem Viertel der Sachentscheidungsgebühr eine sachliche Rechtfertigung nicht mehr erkennen. Die Kosten des Widerspruchsbescheids stehen mit den Gebühren der Sachentscheidung typischerweise nicht in einem derartigen Zusammenhang, daß im Hinblick auf den Zweck der Kostendeckung für diese Art von Widerspruchsbescheid eine solche Verknüpfung einsichtig erschiene.
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cc) Daran ändert es grundsätzlich auch nichts, daß die Kostenentscheidung einen Teil der Sachentscheidung bildet und insofern mit deren Kosten in Zusammenhang steht. Dieser Zusammenhang mag es rechtfertigen, im Bereich niedriger Sachentscheidungsgebühren diese als Gebührenmaßstab für einen Widerspruchsbescheid, der einen ausschließlich gegen die Kostenentscheidung einer Amtshandlung gerichteten Widerspruch zurückweist, aufzustellen, weil der Gesetzgeber es vorziehen ![]() ![]() | |
Nur beiläufig sei darauf hingewiesen, daß mit Ausnahme von Schleswig-Holstein (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 2 Verwaltungskostengesetz, GVOBl. 1974, S. 39) kein anderes Bundesland für die einschlägigen Tatbestände eine Gebührenstruktur dieser durchgängigen Art kennt; das hamburgische Gebührengesetz verknüpft zwar gleichfalls Sachentscheidungs- und Widerspruchsgebühr, begrenzt die Gebührenhöhe indes auf mindestens 2,- DM und höchstens 100,- DM (vgl. Nr. 7 b der Anlage zum Gebührengesetz, GVBl. 1969, S. 108).
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b) Auch der weitere mit der Regelung verfolgte Zweck, dem Kostenschuldner keinen Anreiz zu geben, die Kostenentscheidung als solche leichtfertig anzufechten (vgl. die Amtliche Begründung zu § 15 Abs. 3 und 4 GebG NW, Landtagsdrucksache 7/821, S. 31), vermag den gewählten Gebührenmaßstab und den Gebührensatz verfassungsrechtlich nicht zu tragen. Zwar ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Kostendeckung auch das Ziel anzustreben, einer leichtfertigen oder gar miß ![]() ![]() | |
Abgesehen davon, daß von jeder nennenswerten Gebühr eine gewisse Hemmungswirkung für den Gebührenschuldner auf die Inanspruchnahme der gebührenpflichtigen Staatsleistung ausgeht, ist die in § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW getroffene Regelung einer Unterliegensgebühr schwerlich dazu angetan, den besonderen Zweck zu erreichen, leichtfertige Anfechtungen der Kostenentscheidung hintanzuhalten; für den Bereich niedriger Gebührenhöhen -- und damit weithin für den Bereich der "Massengeschäfte " der öffentlichen Hand und den Belastungen, die gerade sie für die Verwaltung mit sich bringen -- liegt dies wegen der niedrigen Hemmungsschwelle auf der Hand. Aber auch in den darüber hinausgreifenden Gebührenbereichen ist die Regelung, da sie für diesen besonderen Zweck nicht an einen Leichtfertigkeits- oder Mißbrauchstatbestand anknüpft, nicht geeignet, leichtfertig oder mißbräuchlich eingelegte Rechtsbehelfe von anderen durch die jeweils anfallende Gebühr zu unterscheiden. Vielmehr wird für alle erfolglos gebliebenen Widersprüche eine Unterliegensgebühr verhängt, die im Einzel ![]() ![]() | |
c) § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW ist auch nicht deshalb als mit dem Grundgesetz vereinbar anzusehen, weil nach § 3 AVwGebO NW allgemein von der Erhebung von Gebühren insoweit abgesehen werden kann, als dies aus Gründen der Billigkeit geboten erscheint. Im vorliegenden Zusammenhang sind lediglich sachliche Billigkeitsgründe von Bedeutung; bei den persönlichen Billigkeitsgründen kommt es ausschließlich auf die jeweiligen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des einzelnen Kostenschuldners an (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, OVGE 26, 154 [155]). Sachliche Billigkeitsgründe aber können nur dann bejaht werden, wenn die Heranziehung zur Gebühr im Einzelfall eine ungerechte, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Benachteiligung des Betroffenen gegenüber der großen Zahl der Kostenpflichtigen zur Folge haben würde (vgl. Burghartz, Kommentar zum Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen und zum Verwaltungskostengesetz, 1972, Anm. l zu § 6). Bei § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW erscheint eine derartige Konstellation nicht denkbar. Der Gesetzgeber, der, wie erwähnt, mit der Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW dem Kostenschuldner keinen Anreiz geben wollte, leichtfertig die Kostenentscheidung ![]() ![]() | |
d) Angesichts der vom Gesetzgeber beabsichtigten und getroffenen durchgängigen Struktur der Regelung kann eine verfassungskonforme Einschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW etwa -- in Anlehnung an die Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts -- dahin, daß er nur anzuwenden sei, wenn Sachentscheidungsgebühren von weniger als 400,- DM angegriffen werden, nicht in Betracht kommen. Sie wäre mit dem Sinn der Vorschrift insgesamt nicht mehr vereinbar und stellte einen unstatthaften Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dar.
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3. Da § 15 Abs. 4 Satz 2 GebG NW gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und deshalb nichtig ist, kann offenbleiben, ob die in ihm getroffene Regelung, sei es insgesamt, sei es in den Bereichen höherer Widerspruchsgebühren gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Insbesondere kann die vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene Frage offenbleiben, ob der von der Rechtsprechung der Fachgerichte entwickelte Äquivalenzgrundsatz Verfassungsrang besitzt, und ob die gegen die Ausgestaltung und Handhabung dieses Grundsatzes im rechtswissenschaftlichen Schrifttum erhobenen Bedenken (vgl. Wilke, a.a.O., S. 244 ff., 301 ff.; Klopfer, AöR, Bd. 97 [1972], S. 252 ff.) durchgreifen.
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Eine Frage des einfachen Rechts ist es, ob infolge der Nichtigkeit des Absatzes 4 die Bestimmungen des Absatzes 3 auf Sachverhalte, wie sie dem Ausgangsverfahren zugrunde liegen, anzuwenden sind.
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