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2. Dem parlamentarischen Informationsinteresse kommt besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht.
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Beschluß | |
des Zweiten Senates vom 30. März 2004
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- 2 BvK 1/01 - | |
In dem Verfahren über den Antrag festzustellen, dass das Verlangen der Antragsgegner nach Vorlage a) des Haushaltsvoranschlages des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur mit Begründungen zum Landeshaushalt 2001, b) des Entwurfs des Ministeriums für Finanzen und ![]() ![]() | |
Entscheidungsformel:
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Der Antrag wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Das Organstreitverfahren, das als Verfassungsstreit innerhalb eines Landes (Art. 99 GG, § 13 Nr. 10 BVerfGG) vor dem Bundesverfassungsgericht geführt wird, betrifft die Frage, ob die Landesregierung berechtigt ist, die von Mitgliedern eines Ausschusses des Landtages verlangte Vorlage der im Antrag bezeichneten Akten gemäß Art. 23 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (LV) wegen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung zu verweigern.
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I.
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Im Juli 2000 hatte die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushaltsplans für das Jahr 2001 beschlossen, entgegen der zuvor geübten Praxis nunmehr die Lehrer grundsätzlich als Beamte zu beschäftigen, um auf diese Weise Einsparungen für den Haushalt zu erzielen. Die errechneten Einsparungen wurden in der von der Antragstellerin am 14. November 2000 beschlossenen Nachschiebeliste zum Haushalt aktualisiert. Anfang Mai 2001 wurde offenbar, dass der Haushalt 2001 für die Lehrerpersonalausga ![]() ![]() | |
Nachdem sämtliche Mitglieder des Bildungsausschusses des Landtages wie auch Mitglieder des Finanzausschusses, gestützt auf Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LV, im Hinblick auf den "Fehlbetrag bei der Berechnung der Lehrergehälter" die Vorlage von insgesamt zwölf die Vorbereitung des Landeshaushalts 2001 betreffenden Aktenvorgängen aus dem Ministerium für Finanzen und Energie und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur verlangt hatten, übermittelte das Bildungsministerium am 19. Juli 2001 an die Vorsitzenden der beiden Ausschüsse die gewünschten Unterlagen mit Ausnahme derjenigen, um die es im vorliegenden Verfahren geht. Diese vorzulegen, lehnte das Ministerium mit der Begründung ab, dass eine Vorlage die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung (vgl. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV) beeinträchtigen würde.
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Artikel 23
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Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten, Aktenvorlage durch die Landesregierung
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(1) ...
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(2) Die Landesregierung hat jeder oder jedem Abgeordneten Auskünfte zu erteilen. Sie hat dem Landtag und den von ihm eingesetzten Ausschüssen auf Verlangen eines Viertels der jeweils vorgesehenen Mitglieder Akten vorzulegen. Die Auskunftserteilung und die Aktenvorlage müssen unverzüglich und vollständig erfolgen.
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(3) Die Landesregierung kann die Beantwortung von Fragen, die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Akten ablehnen, wenn dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften oder Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen oder wenn die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigt werden. Die Entscheidung ist den Fragestellenden oder den Antragstellenden mitzuteilen. Auf deren Verlangen ist die Ablehnung vor dem Parlamentarischen Einigungsausschuss zu begründen. Soweit zwischen dem Parlamentarischen Einigungsausschuss und der Landesregierung keine Einigung erzielt wird, ist die Landesregierung verpflichtet, dem Informationsverlangen unverzüglich zu entsprechen, es sei denn, dass sie eine gegenteilige einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts erwirkt; bis zur Entscheidung über ihren Antrag besteht keine Antwort-, Auskunfts- oder Vorlagepflicht.
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(4) Das Nähere regelt ein Gesetz.
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Ein Gesetz nach Art. 23 Abs. 4 LV ist bislang nicht ergangen.
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Mit Schreiben vom 8. August 2001 beantragten die Antragsgegner -- Mitglieder der CDU-Fraktion im Bildungsausschuss -- im Hinblick auf die nicht vorgelegten Akten gemäß Art. 23 Abs. 3 Satz 3 LV die Einberufung des Parlamentarischen Einigungsausschusses. Dieser tagte am 28. September 2001, konnte aber eine Einigung mit der Landesregierung nicht erzielen.
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II.
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1. a) Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2001 hat die Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt, festzustellen, dass das Verlangen der Antragsgegner zu 1. bis 4. sowie einer Reihe wei ![]() ![]() | |
Auf den zugleich gestellten Antrag der Landesregierung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2002 entschieden, dass die Landesregierung bis zu einer Entscheidung über den Antrag in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, dem Vorlagebegehren der Antragsgegner zu entsprechen (BVerfGE 106, 51 [52]).
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b) Zur Begründung ihres Antrags in der Hauptsache trägt die Landesregierung vor, das Verlangen der Antragsgegner nach Vorlage der bezeichneten Unterlagen verstoße gegen Art. 23 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 LV, weil es die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtige.
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Mit dem Ausschluss des Aktenvorlagerechts für den Fall, dass die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung durch die Vorlage beeinträchtigt würde, knüpfe Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV an den aus dem Gewaltenteilungsprinzip abgeleiteten Grundsatz, dass ein auch für das Parlament unantastbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung anzuerkennen sei, und dessen Konkretisierung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss an (BVerfGE 67, 100 [139]). Das Ausschlusskriterium der Beeinträchtigung von Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung sei dabei als einheitliches Tatbestandsmerkmal zu verstehen; mit einer Beeinträchtigung der Eigenverantwortung der Regierung sei zugleich deren Funktionsfähigkeit gestört und umgekehrt.
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Für die Entscheidung des vorliegenden Falles komme es nicht auf allgemeine Überlegungen zum Rang des parlamentarischen Aktenvorlagerechts, sondern auf die in Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV getroffene Regelung an. Mit dieser Bestimmung sei der Schutz der Landesregierung relativ stark ausgestaltet. Sie nehme nicht auf den Kernbe ![]() ![]() | |
eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vermindertes Gewicht auf.
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Die Eigenverantwortung der Exekutive sei nicht erst durch ein unmittelbares Mitregieren und Mitentscheiden, sondern bereits dann betroffen, wenn es zu einer Ausforschung des internen Willensbildungsprozesses der Landesregierung komme.
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Die von der Landesregierung wahrzunehmende Integrationsfunktion setze einen offenen Kommunikationsprozess und ein nach außen einheitliches Auftreten der Regierung voraus. Deshalb müsse der Willensbildungsprozess innerhalb der Regierung unter dem Schutz der Vertraulichkeit stehen.
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Die Begrenzung des Aktenvorlagerechts gelte grundsätzlich auch für abgeschlossene Vorgänge. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss (BVerfGE 67, 100 [139]) lasse sich für das Verhältnis zwischen abgeschlossenen und noch laufenden Vorgängen nur eine gewisse graduelle Abstufung des Schutzes entnehmen, nicht dagegen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis derart, dass bei abgeschlossenen Vorgängen eine Verweigerung der Vorlage grundsätzlich nicht in Betracht komme. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich, dass der Schutz des Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV auch in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge eingreife. In den Beratungen des Sonderausschusses für die Verfassungs- und Parlamentsreform sei eine ursprünglich vorgesehene Klausel, die den Schutz auf die Phase der Entscheidungsvorbereitung begrenzt hätte, mit Blick auf die Notwendigkeit, eine freie und offene Willensbildung innerhalb der Regierung auch gegen ![]() ![]() | |
Die Erörterungen der Landesregierung bei der Erstellung des Entwurfs des Haushaltsplanes beträfen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dies gelte für alle im Antrag bezeichneten Unterlagen. Der von den Antragsgegnern angeführte Grundsatz der Budgetöffentlichkeit sei hier nicht einschlägig; er beziehe sich nicht auf die regierungsinterne Vorbereitung des Haushaltsentwurfs der Regierung. Würden Äußerungen von Regierungsmitgliedern und sonstige Vorarbeiten aus dem Prozess der Willensbildung nach außen dringen, werde die notwendige offene Kommunikation innerhalb der Regierung gestört. Die jeweilige Opposition könnte solche Informationen nutzen, um etwa einzelnen Regierungsmitgliedern mangelnde Durchsetzungsfähigkeit vorzuhalten; der regierungsinterne Einigungsprozess würde so zu einem öffentlichen Kräftemessen innerhalb der Regierung. Um dies zu vermeiden, müsste der Meinungsbildungsprozess aus dem Verfassungsorgan Regierung hinaus in informelle Gesprächsrunden verlagert werden. Der Regierung müsse, wie der Opposition ohnehin, ein "forum internum" zustehen.
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Das von den Antragsgegnern verfolgte politische Ziel sei demgegenüber nicht entscheidend. Für die Frage, ob eine Beeinträchtigung von Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung drohe, komme es maßgeblich auf die Eigenart und Schutzbedürftigkeit der Unterlagen an, nicht auf die Motive der Antragsgegner für ihr Vorlagebegehren. Die Ursachen der aufgetretenen Haushaltslücke seien im Übrigen bereits aufgeklärt und eingehend erläutert worden; die von den Antragsgegnern behauptete Unstimmigkeit bestehe nicht. Ihnen gehe es wesentlich um die Ausforschung interner Beratungs- und Meinungsbildungsprozesse innerhalb der Landesregierung, um die daraus gewonnenen Informationen, etwa über die politischen Kräfteverhältnisse zwischen den einzelnen Ressorts, in der allgemeinen politischen Auseinandersetzung zu nutzen. ![]() | |
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2. Die Antragsgegner machen geltend, der Antrag sei bereits unzulässig. Als Ausschussminderheit, die gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LV die Vorlage der Unterlagen verlangt habe, seien sie weder parteifähig noch passiv prozessführungsbefugt, da es sich bei dem Recht auf Aktenvorlage nicht um ein eigenes Recht der Antragsgegner, sondern um ein Recht des Parlaments handele und eine Prozessstandschaft hier nicht vorgesehen sei. Der Antrag sei im Übrigen unstatthaft, weil das von der Antragstellerin als verfassungsverletzend ![]() ![]() | |
Der Antrag sei unbegründet, weil ein Verweigerungsrecht das Aktenvorlagebegehren nicht verfassungswidrig mache. Auch wenn der Antrag auf Feststellung eines Verweigerungsrechts lautete, wäre er unbegründet, weil ein Verweigerungsrecht nach Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV nicht bestehe.
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Das Vorlagebegehren der Antragsgegner diene der Klärung der politischen Verantwortlichkeit für die aufgetretene Haushaltslücke in Höhe von 35,1 Mio. DM. Ihm lägen Zweifel an der Schlüssigkeit der von der Kultusministerin sowie anderen Regierungsmitgliedern und Vertretern der Regierungsfraktion abgegebenen Erklärung zugrunde, die fehlerhafte Einbeziehung von 800 Stellen in die Berechnung der durch Verbeamtungen erzielbaren Einsparungen beruhe auf dem Rechenfehler einer Schulexpertin im Kultusministerium und sei erst im März 2001 entdeckt worden.
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Ein Vermerk aus dem Ministerium für Finanzen und Energie vom 7. Dezember 2000, der sich bei den bereits vorgelegten Aktenbestandteilen befunden habe, stütze die Vermutung, dass das Nichtzustandekommen einer zwischen Finanzministerium und Bildungsministerium vereinbarten Rücklage die eigentliche Ursache der Haushaltslücke sei, und dass für die fehlende Verfügbarkeit dieser Rücklage schon im Dezember 2000 Anhaltspunkte bestanden hätten. Weiter sei aus dem Ergebnis der Akteneinsicht festzuhalten, dass die vorgelegten Akten keinen Beleg für den von der Bildungsministerin angeführten Rechenfehler enthielten, obwohl laut Schreiben der Antragstellerin vom 19. Juli 2001 aus den vorgelegten Akten nur diejenigen Unterlagen entfernt worden seien, die Aufschluss über die Willensbildung innerhalb der Landesregierung gäben, so dass Unterlagen über die fragliche Berechnung in den Akten hätten enthalten sein müssen.
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In das für die parlamentarische Kontrollfunktion überragend wichtige Aktenvorlagerecht dürfe nur unter ganz besonderen Umständen eingegriffen werden. Speziell in der Haushaltspolitik dürfe ![]() ![]() | |
Die von der Antragstellerin angeführte Unbefangenheit der Regierungsmitglieder bei künftigen Entscheidungen sei verfassungsrechtlich nicht geschützt. Die parlamentarische Kontrolle setze ein öffentliches Kräftemessen gerade voraus. Verzagte Regierungsmitglieder, deren Unbefangenheit schon durch die Akteneinsicht in frühere Vorgänge gefährdet werde, entsprächen nicht dem Bild, das die Verfassung von der Landesregierung zeichne. Jedenfalls sei gegenüber dem parlamentarischen Kontrollrecht bei einem Vorgang von herausgehobener politischer Bedeutung wie dem vorliegenden das Interesse an künftiger Unbefangenheit nachrangig. Anderenfalls könnte sich die Regierung einen Arkanbereich sichern und damit jegliche Kontrolle ausschließen.
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Bei abgeschlossenen Vorgängen sei der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung in der Regel nicht berührt, weil hier eine Mitentscheidung des Parlaments ausgeschlossen sei. Die von der Antragstellerin herangezogene Feststellung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss (BVerfGE 67, 100 [139]), es gebe einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich, beziehe sich dem Zusammenhang nach gerade nicht auf abgeschlossene Vorgänge. Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 Abs. 3 LV bestätige, dass auch nach dieser Vorschrift eine Vorlageverweigerung bei abgeschlossenen Vorgängen im Regelfall ausscheide. Die Aufnahme eines anderslautenden Zusatzes sei abgelehnt worden. Der Verfassungsgeber habe ![]() ![]() | |
Bezüglich der unter c) und d) des Antrags genannten Unterlagen sei das der Antragsformulierung zugrundeliegende Vorlagebegehren der Antragsgegner weit aufzufassen. Die Antragsgegner hätten in ihrem Aktenvorlagebegehren den Begriff "Haushaltsverhandlungsvermerke" in einem umfassenden Sinne verstanden. Zu den "Haushaltsverhandlungsvermerken" zählten alle Vermerke, die sich auf die Haushaltsverhandlungen beziehen, namentlich alle vorbereitenden Vermerke, aber auch die Vermerke über sämtliche geführten Gespräche, einschließlich der Vermerke über Chefgespräche, sowie diejenigen Vermerke, die nachträglich über diese Gespräche gefertigt wurden. Erfasst seien damit alle von der Antragstellerin in der oben wiedergegebenen Darstellung des Haushaltsaufstellungsverfahrens bezeichneten Vermerke, Protokolle und Gesprächsunterlagen.
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3. Die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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a) Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium des Innern Stellung genommen. Es verweist auf die Grundsätze der Flick-Entscheidung (BVerfGE 67, 100 [139]) zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Nach den Ausführungen der Antragstellerin dokumentierten die Unterlagen, deren Vorlage begehrt werde, einen Teil der internen Willensbildung der Landesregierung bei der ihr obliegenden Vorbereitung und Aufstellung des Landeshaushalts 2001. Demnach handele es sich um Informationen aus abgeschlossenen Vorgängen, die gegenständlich dem Kernbereich der Exekutive zuzuordnen seien. Das parlamentarische Kontrollinteresse habe, jedenfalls außerhalb eines besonderen Untersuchungsverfahrens, ![]() ![]() | |
b) Der Thüringer Landtag hat ausgeführt, die Regierung verfüge nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich. Kabinettserörterungen wie auch die Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen seien diesem Bereich zuzuordnen. Voraussetzung für eine selbständige Regierungsgewalt sei, dass in einem nicht ausforschbaren Beratungsbereich vor den Regierungsentscheidungen freimütig beraten werden könne. Die erforderliche Unbefangenheit und Offenheit der Entscheidungsfindung werde wesentlich beeinträchtigt, wenn die Entscheidungsträger befürchten müssten, dass ihre im Rahmen der Regierungsberatungen abgegebenen Stellungnahmen in Parlamentsaus ![]() ![]() | |
1. Der Antrag ist zulässig; insbesondere fehlt es, wie bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung festgestellt, nicht an der Parteifähigkeit und Prozessführungsbefugnis der Antragsgegner (BVerfGE 106, 51 [55 ff.]). Die Zulässigkeit des Antrags scheitert auch nicht an deren Einwand, das von der Antragstellerin als verfassungsverletzend beanstandete Vorlagebegehren sei keine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG. Der Antrag der Landesregierung ist darauf gerichtet, das Vorlagebegehren der Antragsgegner abzuwehren. Aus Art. 23 Abs. 3 Satz 4 LV folgt, dass sie dazu eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeiführen muss. Nach dieser Vorschrift ist die Landesregierung verpflichtet, dem Informationsverlangen unverzüglich zu entsprechen, es sei denn, dass sie eine gegenteilige einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts erwirkt. Damit hat die Landesverfassung in zulässiger Umkehr der üblichen Klagelastverteilung (vgl. BVerfGE 106, 51 [56]) zum Gegenstand des Streits vor dem Bundesverfassungsgericht auch für das Hauptsacheverfahren die -- den Anforderungen des § 64 Abs. 1 BVerfGG entsprechend konkret um ![]() ![]() | |
2. Auf welche Dokumente sich der Antrag unter c) und d) bezieht, ist angesichts der nicht feststehenden Bedeutung der verwendeten Begriffe "Haushaltsverhandlungsvermerke" und "Verhandlungsvermerke zur Nachschiebeliste" auslegungsbedürftig. Die Antragstellerin hat in der Formulierung ihres Antrags zu c) und d) die von den Antragsgegnern in ihrem Aktenvorlagebegehren zu den betreffenden Punkten verwendete Bezeichnung der gewünschten Dokumente aufgegriffen. Ihr Antrag ist demnach zu c) und d) darauf gerichtet, das Vorlagebegehren der Antragsgegner bezüglich derjenigen Dokumente abzuwehren, auf die sich das Vorlagebegehren der Antragsgegner in den betreffenden Punkten bezieht.
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Für die Beantwortung der Frage, welche Unterlagen vom Aktenvorlagebegehren der Antragsgegner erfasst sind, ist nicht die von den Antragsgegnern hierzu im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgegebene Erklärung, sondern der objektive Sinn des ursprünglichen Aktenvorlagebegehrens der Antragsgegner maßgebend. Das schließt nachfolgende Präzisierungen nicht aus; ein Vorlagebegehren kann aber jedenfalls nicht in späteren Verfahrensstadien einseitig nach Belieben auf andere als die ursprünglich verlangten Unterlagen erstreckt werden.
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Unter den im Aktenvorlagebegehren der Antragsgegner vom Juli 2001 genannten Haushaltsverhandlungsvermerken des Bildungsministeriums und des Ministeriums für Finanzen und Energie waren und sind die als unmittelbare Grundlage der Haushaltsverhandlungen zwischen den beiden Ministerien zur beiderseitigen Kenntnis erstellten Vermerke sowie die Protokolle dieser Verhandlungen zu verstehen. Neben Unterlagen, für die bereits nach dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 9. Dezember 2003 außer Streit steht, dass sie als "Haushaltsverhandlungsvermerke" qualifiziert werden können -- die Protokolle der Referentenverhandlungen sowie die im Fi ![]() ![]() | |
Aus dem Wortlaut und aus dem Zusammenhang, in den das Vorlagebegehren ausdrücklich gestellt war, ergibt sich, dass die begehrte Vorlage der Haushaltsverhandlungsvermerke des Bildungsministeriums und des Ministeriums für Finanzen und Energie nicht auf alle in diesen Ministerien im Zusammenhang mit den Haushaltsverhandlungen entstandenen, sondern auf die speziell für oder über die bilateralen Verhandlungen zwischen Finanz- und Bildungsministerium gefertigten Vermerke zielte. Die Vorlage sollte der Aufklärung der Deckungslücke im Lehrerpersonalhaushalt dienen. Diesem Zweck hätte etwa die Vorlage von Haushaltsverhandlungsvermerken aus dem Finanzministerium, die sich auf Verhandlungen mit anderen Ressorts als dem Bildungsministerium beziehen, von vornherein nicht dienen können. Unter anderem der hierdurch verdeutlichte Bezug auf die zwischen Bildungs- und Finanzministerium geführten Verhandlungen schließt ein Verständnis des Vorlagebegehrens aus, wonach dieses auch vorbereitende Vermerke für und Protokolle von Kabinettsverhandlungen erfasst hätte. Ohnehin könnten Protokolle von Kabinettssitzungen auch bei großzügiger Auslegung nicht als Vermerke des Bildungs- oder des Finanzministeriums aufgefasst werden.
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Dass schließlich unter den zur Vorlage verlangten Haushaltsverhandlungsvermerken des Bildungs- und des Finanzministeriums nicht sämtliche im Hinblick auf die Verhandlungen zwischen diesen Ministerien gefertigten Unterlagen verstanden werden können, sondern nur diejenigen, die den ressortinternen Bereich verlassen haben und auch der Verhandlungsgegenseite als Verhandlungsgrundlage zugänglich gemacht wurden, ergibt sich ebenfalls aus einer den Zusammenhang berücksichtigenden Interpretation. Alle im Zusammenhang mit der Verhandlungsvorbereitung ressortintern erarbeiteten oder auch nur zusammengestellten Unterlagen als "Verhandlungsvermerke" zu bezeichnen, läge schon angesichts der unbe ![]() ![]() | |
Der Antrag ist nicht begründet. Die Landesregierung ist nicht berechtigt, die Vorlage der im Antrag bezeichneten Unterlagen zu verweigern.
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1. Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV knüpft an die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss entwickelten Grundsätze zum Schutz eines Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung an (vgl. Hübner, in: v. Mutius u.a., Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, Bd.I, 1995, Art. 23 Rn. 19, m.w.N.). Gründe, einem Untersuchungsausschuss Akten vorzuenthalten, können sich nach dieser Entscheidung vor allem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört z.B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 [139]).
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Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der ![]() ![]() | |
Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen. Zwar gebietet dieser Grundsatz gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann (vgl. BVerfGE 67, 100 [130]). Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem Parlament grundsätzlich verschlossen blieben. Andererseits würde aber ein -- sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender -- schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist. Das Bundesverfassungsgericht hat daher bereits im Urteil zum Flick-Untersuchungsausschuss deutlich gemacht, dass Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsent ![]() ![]() | |
2. Beide Aspekte, den des Schutzes eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung vor parlamentarischer Mitentscheidung in laufenden Angelegenheiten wie den eines auch bei abgeschlossenen Vorgängen eingreifenden, in erster Linie präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, greift Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV auf, indem er die Informationspflichten der Landesregierung gegenüber dem Parlament durch den Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung begrenzt.
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Die beiden Elemente des Begriffspaars "Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung" erfassen dabei gerade in ihrer Kombination als einheitliches Tatbestandsmerkmal beide genannten Schutzaspekte. Wären stattdessen Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung als zwei Tatbestandsmerkmale zu verstehen, die kumulativ erfüllt sein müssen, je für sich aber nur einen der genannten Schutzgesichtspunkte erfassen mit der Folge, dass etwa die Eigenverantwortung der Regierung nur bei einem Informationszugriff auf noch unabgeschlossene Vorgänge als beeinträchtigt gelten könnte, so entfiele im Ergebnis jeder Schutz in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge, weil eine in diesem Sinne eng verstandene Eigenverantwortung der Regierung hier definitionsgemäß nie beeinträchtigt und damit eines der beiden kumulativ erforderlichen Merkmale in dieser Fallkonstellation nie erfüllt wäre. Dieses Ergebnis wäre unvereinbar mit den Rechtsprechungsgrundsätzen, an die Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV anknüpft, und entspräche nicht dem in der Entstehungsgeschichte des Art. 23 LV deutlich zutage getretenen Willen des Verfassungsgebers. ![]() | |
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Der Umstand, dass eine vom Innenminister und von einer Ausschussminderheit vorgeschlagene Ergänzung "Dies gilt auch für zeitlich abgeschlossene Vorgänge" (Protokolle, a.a.O., 30. Sitzung, S. 35) nicht in den Verfassungstext aufgenommen wurde, spricht vor dem Hintergrund dieser Klarstellung nicht für die Annahme, damit ![]() ![]() | |
Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV ist folglich dahingehend auszulegen, dass die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung auch dann beeinträchtigen kann, wenn es sich um Akten zu einem abgeschlossenen Vorgang handelt (vgl. auch Hübner, in: v. Mutius u.a., Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, Bd.I, 1995, Art. 23 Rn. 20; für die entsprechende Rechtslage in anderen Bundesländern vgl. VerfG Hamburg, DÖV 1973, S. 745 [746]; Nds.StGH, NdsVBl 1996, S. 189 [190]; BbgVerfG, NVwZ-RR 1998, S. 209 [211]; einschränkend BremStGH, NVwZ 1989, S. 953 [956 f.]).
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4. a) Die Frage, ob die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung abgeschlossener Regierungsentscheidungen, aus denen Aufschluss über die Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder gewonnen werden kann, die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigen würde, kann demnach nicht pauschal verneint werden. Ebensowenig ist sie aber pauschal zu bejahen. Würde sie, in der Annahme, dass jeder der Regierung unerwünschte parlamentarische Einblick in das Zustandekommen von Regierungsentscheidungen die Offenheit des Willensbildungsprozesses und damit die Funktionsfähigkeit der Regierung beeinträchtigt, grundsätzlich bejaht, so unterlägen die Entscheidungen der Regierung dem parlamentarischen Kontrollrecht nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere Hintergründe -- auch solche, ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die politische Verantwortung der Regierung für Fehler, die gerade das Zustandekommen ihrer Entscheidungen betreffen, nicht zur Geltung gebracht werden kann -- könnten dagegen nach Belieben unzugänglich gehalten werden. Das Aktenvorla ![]() ![]() | |
Auch die bundesverfassungsrechtliche Rechtslage, an die Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV anknüpft, geht dahin, dass parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nicht grundsätzlich immer dann ausscheiden, wenn es sich um Akten aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt (BVerfGE 67, 100 [139]; 77, 1 [59]; vgl. auch VerfG Hamburg, DÖV 1973, S. 745 [746]; BremStGH, NVwZ 1989, S. 953 [954 ff.]; a.A. Nds.StGH, NdsVBl 1996, S. 189 [190]).
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Ob die Vorlage solcher Akten die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich daher nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte. In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf.
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b) Anhaltspunkte dafür, dass die schleswig-holsteinische Landesverfassung parlamentarischen Informationsbegehren unterschiedliches Gewicht beimäße je nachdem, ob sie von einem Untersuchungsausschuss oder von einem sonstigen Ausschuss ausgehen, sind nicht ersichtlich. Art. 18 Abs. 4 Satz 2 LV verweist für das Aktenvorlagerecht von Untersuchungsausschüssen auf die für isolierte ![]() ![]() | |
Zwar weist die Antragstellerin mit Recht darauf hin, dass Aktenvorlagebegehren von Abgeordneten außerhalb eines Untersuchungsausschusses durch ihre potentiell größere Häufigkeit mit höheren Belastungen für die Regierung verbunden sein können, während das hinter dem Informationsverlangen stehende Aufklärungsinteresse des Parlaments typischerweise eher bei einem Untersuchungsausschuss besonders gewichtig sein wird. Dies führt jedoch, da es sich hier nur um Mögliches oder Typisches handelt, nicht dazu, dass im Rahmen der Anwendung des Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV den Aktenvorlagebegehren aus regulären Ausschüssen generell engere Grenzen gesetzt werden als denen eines Untersuchungsausschusses. Der richtige Ort für die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist vielmehr die im konkreten Fall notwendige Abwägung.
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c) Aus dem Umstand, dass Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV auf eine Beeinträchtigung und nicht, wie Art. 53 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und Art. 24 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung, auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung abstellt, lässt sich nicht ableiten, dass der schleswig-holsteinische Verfassungsgeber dem Informationsinteresse des Parlaments ein im Verhältnis zu den Geheimhaltungsinteressen der Regierung prinzipiell geringes Gewicht zugemessen hätte. Ein solcher Schluss verbietet sich schon deshalb, weil die genannten Vergleichsvorschriften von anderen Gesetzgebern später als Art. 23 LV erlassen worden sind.
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d) Auch aus der in Art. 23 Abs. 3 Satz 4 LV vorgesehenen Umkehr der Klagelast lassen sich allgemeine Schlüsse auf das abwägungsrelevante Gewicht der parlamentarischen Informationsinteressen ![]() ![]() | |
e) Als funktioneller Belang, der durch eine Vorlagepflicht beeinträchtigt werden könnte, fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung (s.o. B. II. 1.), sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Dieser letztere Gesichtspunkt war bestimmend für die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Verfassungsgebers, den Vorlageverweigerungsgrund einer drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung nicht von vornherein auf noch laufende Vorgänge zu beschränken (s.o. B. II. 3.). Unter diesem Aspekt sind Unterlagen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu.
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Auf der anderen Seite ist das Gewicht des parlamentarischen Informationsinteresses in Anschlag zu bringen. Müsste in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge jedem beliebigen parlamentarischen Informationsinteresse allein deshalb, weil es angemeldet wurde, Zugang zum innersten Bereich der Willensbildung der Regierung verschafft werden, so liefe die in Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV auch für abgeschlossene Vorgänge vorgesehene Möglichkeit der Informa ![]() ![]() | |
Besonders hohes Gewicht kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 [130]).
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III.
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Nach diesen Maßstäben ist die Landesregierung nicht berechtigt, die Vorlage der im Antrag bezeichneten Unterlagen zu verweigern.
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1. Alle im Antrag bezeichneten Unterlagen fallen in den Bereich, der in der Phase der Vorbereitung einer Regierungsentscheidung dem parlamentarischen Informationszugriff in der Regel entzogen ist und ihm -- nach Maßgabe einer Abwägung -- auch nach Abschluss der Angelegenheit noch entzogen sein kann (vgl. BVerfGE 67, 100 [139]). Sie betreffen sämtlich den Bereich der Willensbildung der Regierung, zu dem nicht nur die Kabinettsberatungen zu zählen sind, sondern auch die Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfG, ebd.).
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Nachdem die Aufstellung des Landeshaushalts 2001 abgeschlossen ist, greift der Gesichtspunkt, dass die autonome Wahrnehmung der Regierungskompetenzen zu schützen ist (s.o. B. II. 1.), nicht mehr ein, wohl aber der Gesichtspunkt des Schutzes der funktionsnotwendigen freien und offenen Willensbildung innerhalb der Regierung. Die erforderliche Abwägung fällt zugunsten des Informationsanspruchs der Antragsgegner aus.
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2. Die im Antrag aufgeführten Unterlagen stehen in engem Bezug zu der Entscheidung über den Haushaltsentwurf, die der Landesregierung als Kollegium obliegt (vgl. Art. 50 Abs. 3 LV), und geben unmittelbar Aufschluss über den Verlauf der Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts. Die Sicherung der Freiheit und Offenheit der Willensbildung in derartigen Abstimmungsprozessen hat hohes ![]() ![]() | |
Die von der Antragstellerin geltend gemachte Gefahr, dass zur Vermeidung unerwünschter Publizität Abstimmungsprozesse aus dem Verfassungsorgan Regierung hinaus in informelle Gesprächsrunden verlagert werden, besteht im vorliegenden Fall nicht. Das Anliegen, dass die der Regierung als Verfassungsorgan zugewiesenen Entscheidungen nicht aus dem Regierungskollegium hinaus verlagert werden, wird durch die Vorlage von Akten, die nicht die Beratungen der Regierung als Kollegium, sondern deren Vorbereitung innerhalb der Ressorts und zwischen den Ressorts betreffen, nicht berührt.
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Die schützenswerte Freiheit und Offenheit des der Regierungsentscheidung über den Haushaltsentwurf vorgelagerten interministeriellen Abstimmungsprozesses könnte durch die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen aus diesem Abstimmungsprozess beeinträchtigt werden, wenn die dadurch ausgelöste Befürchtung eventueller späterer Publizität geeignet wäre, eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten zu hemmen.
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a) Bezüglich der im Antrag unter a) und b) aufgeführten Unterlagen -- Haushaltsvoranschlag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie Haushaltsentwurf des Ministeriums für Finanzen und Energie, jeweils für den Landeshaushalt 2001 -- liegt diese Gefahr von vornherein nicht nahe. Es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass wegen befürchteter späterer Publizität Ministerien künftig einen realistisch ermittelten Haushaltsbedarf nicht mehr offen anmelden oder das Finanzministerium seine Vorstellungen -- und damit das Ergebnis der vorausgegangenen Ressortabstimmungen -- nicht mehr offen in seinem Haushaltsentwurf für das Kabinett zum Ausdruck bringen würden.
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Auch soweit die Antragstellerin geltend macht, die an den verlangten Unterlagen ablesbaren ressortspezifischen Durchsetzungserfolge könnten von der Opposition zum Maßstab der Durchsetzungsfähigkeit einzelner Ressortmitglieder genommen, die Regierung so "auseinanderdividiert" und die Haushaltsverhandlungen ![]() ![]() | |
b) Eher als die Vorlage des Haushaltsvoranschlags und des Haushaltsentwurfs könnte die Vorlage der unter c) und d) des Antrags aufgeführten Unterlagen -- Haushaltsverhandlungsvermerke des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur und des Ministeriums für Finanzen und Energie sowie Verhandlungsvermerke zur Nachschiebeliste -- die von Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV geschützte Freiheit und Offenheit der Willensbildung im die Regierungsentscheidung vorbereitenden Abstimmungsprozess berühren. Diese Unterlagen geben nicht nur Aufschluss über den größeren oder geringeren Verhandlungserfolg der Beteiligten. In den haushaltsbezogenen Verhandlungen des Finanzministeriums mit den anderen Ressorts geht es letztlich darum, welche Anmeldungen des jeweiligen Ressorts in den vom Finanzministerium ins Kabinett einzubringenden Haushaltsentwurf aufgenommen werden. Die über diese Verhandlungen -- oder als Grundlage dafür -- gefertigten Vermerke können aber Informationen enthalten, die über diesbezügliche Verhandlungsergebnisse hinausgehen. So enthalten nach ![]() ![]() | |
Nach Abwägung mit dem Gesichtspunkt wirksamer parlamentarischer Kontrolle überwiegt jedoch auch hier das Informationsinteresse der Antragsgegner. Ihr Interesse, das Zustandekommen der aufgetretenen Deckungslücke von 35,1 Mio. DM im Haushalt des Jahres 2001 aufzuklären, hat deshalb besonderes Gewicht, weil es dabei um die Frage geht, ob das Parlament im Verfahren der Haushaltsaufstellung seitens der Regierung nach bestem Wissen informiert wurde oder ob ihm Informationen über eine zu erwartende oder sich abzeichnende Unterdeckung, die auf Regierungsebene bereits vorhanden waren, vorenthalten worden sind. Es handelt sich also darum, ob eines der wichtigsten Rechte des Parlaments, das Budgetrecht (Art. 50 Abs. 2 LV), missachtet wurde. Das Budgetrecht des Parlaments schließt einen Anspruch des Parlaments wie der einzelnen Abgeordneten darauf ein, dass ihnen die für eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans erforderlichen Informationen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 70, 324 [355]). Die Gründe, aus denen die Antragsgegner vermuten, dass dies geschehen sei, sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie sind auch nicht durch die von der Landesregierung abgegebenen Erklärungen für das Zustandekommen der Haushaltslücke erledigt. Ob diese Erklärungen zutreffen, ist die Frage, um deren Klärung es geht. Mit ihrem Aktenvorlagebegehren nehmen die Antragsgegner das parlamenta ![]() ![]() | |
Die von Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV geschützte Freiheit und Offenheit der Willensbildung bei der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen steht unter diesen Umständen der begehrten Aktenvorlage nicht entgegen.
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