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2. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, richtet sich nach der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs.
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3. Die Bevorzugung der Parteien mit drei Direktmandaten beim Verhältnisausgleich ist aus den Grundlagen des Wahlsystems des Bundeswahlgesetzes - der mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl - heraus zu rechtfertigen und verstößt darum nicht gegen den Grundsatz der gleichen Wahl.
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4. Dadurch, daß der Bundesgesetzgeber diesen Sonderstatus nur den "Schwerpunktparteien", die drei Direktmandate gewonnen haben, ![]() ![]() | |
Urteil | |
des Zweiten Senats vom 23. Januar 1957
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-- 2 BvE 2/56 -- | |
in dem Verfassungsrechtsstreit betreffend die Gültigkeit des § 6 Abs. 4 Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (BGBl. I S. 383), Antragsteller: Bayernpartei München, Antragsgegner: Der Deutsche Bundestag.
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Entscheidungsformel:
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Der Antrag wird abgewiesen.
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Der Bundestag hat durch Erlaß des § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (BGBl. I S. 383) nicht gegen die Artikel 3, 21 und 38 des Grundgesetzes verstoßen.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
Nach § 10 Abs. 4 und 5 des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag in der Fassung vom 5. August 1949 (BGBI. S. 25) nahmen an dem Verhältnisausgleich auf Landesebene nur die Parteien teil, für die in mindestens einem Wahlkreis des betreffenden Landes ein Abgeordneter gewählt worden war oder die zumindest 5 v.H. der im Lande abgegebenen gültigen Stimmen erzielt hatten.
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Das Wahlgesetz zum zweiten Bundestag vom 8. Juli 1953 (BGBI. I S. 470) machte die Zulassung zum Verhältnisausgleich von einem auf das gesamte Bundesgebiet bezogenen Quorum abhängig und bestimmte im § 9 Abs. 4 im einzelnen:
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"Bei Verteilung der Sitze auf die Landeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 v.H. der im Bundesgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens einem Wahlkreis einen Sitz errungen haben."
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Diese Vorschrift fand auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen keine Anwendung (§ 9 Abs. 5).
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"Bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Satz 1 findet auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen keine Anwendung."
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Der § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes unterscheidet sich mithin vom § 9 Abs. 4 des Wahlgesetzes zum zweiten Bundestag vom 8. Juli 1953 lediglich dadurch, daß nunmehr nicht mehr ein, sondern drei Direktmandate erforderlich sind, um die 5 v.H. Klausel zu überspringen.
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Das Bundeswahlgesetz ist am 7. Mai 1956 ausgefertigt und am 9. Mai 1956 verkündet worden.
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Die Bayernpartei hatte bei der Bundestagswahl am 14.August 1949 elf Direktmandate (Statistik der Bundesrepublik Deutschland Bd. 10 [1952]: Die Bundestagswahl am 14. August 1949, S. 10 Tabelle 3) und mit 986 478 gültigen Stimmen 4,2 v.H. der abgegebenen gültigen Stimmen im Bundesgebiet und 20,9 v.H. der abgegebenen gültigen Stimmen im Lande Bayern erhalten. Bei der Bundestagswahl am 6. September 1953 erhielt sie jedoch kein Direktmandat mehr. Sie konnte mit 465 641 gültigen Zweitstimmen nur noch 1,7 v.H. der abgegebenen gültigen Zweitstimmen im Bundesgebiet und 9,2 v.H. der abgegebenen gültigen Zweitstimmen im Lande Bayern auf sich vereinigen (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1954 S. 109). Sie wurde deshalb zum Verhältnisausgleich nicht mehr zugelassen.
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II.
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Die Bayernpartei ist der Auffassung, daß der § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen den im Art. 38 Abs. 1 enthaltenen Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verstoße.
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§ 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes vom 7 Mai 1956 (BGBl. I S. 383 ff.) mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 38 Abs. I des Grundgesetzes, für unvereinbar und daher nichtig zu erklären.
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Der Bundestag hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
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den Antrag der Bayernpartei abzuweisen.
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Das Gericht hat der Bundesregierung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Die Bundesregierung hat durch einen Vertreter des Bundesinnenministeriums in der mündlichen Verhandlung allgemein zur Frage der Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht Stellung genommen. Sie hat darauf hingewiesen, daß den Verhältniswahlsystemen, denen eine Einteilung des Wahlgebietes in Listenwahlkreise zugrunde liegt, trotz ihrer weitgehenden Berücksichtigung der Minderheiten eine gewisse Sperrwirkung gegen ![]() ![]() | |
Der Antrag der Bayernpartei ist gemäß Art. 93 Abs. I Nr. 1 GG (= § 13 Nr. 5 BVerfGG) zulässig.nur im Wege des Organstreites geltend machen können. Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung fest.
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Die Antragstellerin behauptet, der Bundesgesetzgeber habe sie durch die im § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes getroffene Regelung in den ihr durch das Grundgesetz übertragenen Rechten verletzt, indem er in unzulässiger Weise den ihr durch Art. 21 und 3 8 GG eingeräumten verfassungsrechtlichen Status beschränkt habe. Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß auch der Erlaß eines Gesetzes eine "Maß ![]() ![]() | |
Der Bundestag ist passiv legitimiert, weil er durch die Beschlußfassung über das Bundeswahlgesetz die angefochtene "Maßnahme" getroffen hat.
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Demnach bestehen weder gegen die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts noch gegen die Aktivlegitimation der Antragstellerin oder die Passivlegitimation des Antragsgegners Bedenken.
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Der Antrag ist schließlich auch innerhalb der im § 64 Abs. 3 BVerfGG gesetzten Frist ordnungsmäßig gestellt worden.
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1. Nach Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in "allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" gewählt. Das Grundgesetz sagt nichts über das Wahlsystem, in dem diese Wahlrechtsgrundsätze zur Geltung kommen müssen. Der Bundesgesetzgeber hat sich in dem Bundeswahlgesetz für eine "mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl" (§ 1 Abs. 1 BWG) entschieden. Jeder Wähler hat eine Erststimme für die Wahl eines Abgeordneten im Wahlkreis; gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Eine Zweitstimme kann der Wähler für eine Landesliste abgeben. Landeslisten können nur von politischen Parteien aufgestellt werden. Die zur Verfügung stehenden Sitze werden auf die Landeslisten im Verhältnis der Summen der zu berücksichtigenden Zweitstimmen im Höchstzahlverfahren d'Hondt verteilt. Da aber nicht alle Parteien, für die Landeslisten zugelassen sind, bei dieser Sitzverteilung gleichmäßig berücksichtigt werden, vielmehr Parteien, die nicht mindestens 5 v.H. der im ganzen Geltungsgebiet des Grundgeset ![]() ![]() | |
2. Die Verhältniswahl setzt Wahllisten voraus, die von den politischen Parteien als den Repräsentanten der im Volke vorhandenen politischen Meinungen aufgestellt werden. Bezogen auf diese Mitwirkung der Parteien bei der Verhältniswahl bedeutet der Grundsatz der gleichen Wahl, daß die Gestaltung des Wahlverfahrens den politischen Parteien gleiche Wettbewerbschancen eröffnen muß (vgl. BVerfGE 1, 242, 255; 3, 26; 3, 393). Diese Deutung des Art. 38 GG wird bestätigt durch den der politischen Partei in Art. 21 Abs. 1 GG zuerkannten verfassungsrechtlichen Status. Die für die verschiedenen Parteien abgegebenen Stimmen müssen also grundsätzlich für deren Wahlerfolg das gleiche Gewicht haben.
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Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn die Verhältniswahl mit Elementen der Mehrheitswahl verbunden wird, wie dies im Bundeswahlgesetz der Fall ist. Daraus, daß der Gesetzgeber die Freiheit hat, die reine Mehrheitswahl einzuführen oder eine Kombination von Verhältniswahl und Mehrheitswahl zu schaffen, kann nicht gefolgert werden, daß der Verhältnisausgleich, der hinter eine Mehrheitswahl im Wahlkreis gesetzt wird, beliebig beschränkt werden kann, weil bei der Mehrheitswahl die für die unterlegenen Parteien abgegebenen Stimmen überhaupt nicht zum Zuge kommen. Wenn der Gesetzgeber sich für einen Teil des Wahlverfahrens für das Verhältniswahlsystem entscheidet, so stellt er sich damit zugleich unter das Gesetz der Verhältniswahl und unterwirft sich damit der spezifischen Ausprägung, die die Wahlrechtsgleichheit unter dem Verhältniswahlsystem erfahren hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [246 f.]).
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3. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 5. April 1952 (BVerfGE 1, 208 ff.) ausgeführt hat, bedeutet der Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl aber nicht, daß jede Diffe ![]() ![]() | |
Der Gleichheitssatz fordert nicht, daß der Gesetzgeber die Einzelnen und ihre relevanten gesellschaftlichen Gruppen unbedingt gleichmäßig behandelt; er läßt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, richtet sich nach der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs. Für den Sachbereich der Wahlen ist nach der geschichtlichen Entwicklung und der demokratisch-egalitären Grundlage des Grundgesetzes davon auszugehen, daß jeder Staatsbürger, der eine in derselben Weise wie der andere, nach seinem individuellen Willen soll bestimmen können, wen er als Volksvertreter wünscht, so daß grundsätzlich die eine Stimme auf das Wahlergebnis rechtlich denselben Einfluß ausüben muß wie die andere. Für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, wie das Grundgesetz sie geschaffen hat, ist die Gleichbewertung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung. Es darf darum das Stimmgewicht nach Zähl- und Erfolgswert sicher nicht differenziert werden nach Bildung, Religion, Vermögen, Klasse, Rasse oder Geschlecht (vgl. auch Art. 3 Abs. 2, 3 GG). Es darf auch nicht der Erfolgswert der Stimmen unterschiedlich gestaltet werden, je nach der Art der politischen Meinung, für die der Wähler sich entschieden hat. Da die Aufgabe der politischen Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG gerade darin besteht, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ist mit der verfassungs ![]() ![]() | |
Die Wahl hat aber nicht nur das Ziel, den politischen Willen der Wähler als einzelner zur Geltung zu bringen, also eine Volksrepräsentation zu schaffen, die ein Spiegelbild der im Volk vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein Parlament als funktionsfähiges Staatsorgan hervorbringen. Würde der Grundsatz der getreuen verhältnismäßigen Abbildung der politischen Meinungsschichtung im Volk bis zur letzten Konsequenz durchgeführt, so könnte sich eine Aufspaltung der Volksvertretung in viele kleine Gruppen ergeben, die die Mehrheitsbildung erschweren oder verhindern würde. Große Parteien erleichtern die Zusammenarbeit innerhalb des Parlaments, weil sie in sich bereits einen Ausgleich zwischen verschiedenen Volkskreisen und deren Anliegen vollziehen. Der unbegrenzte Proporz würde die Möglichkeit schaffen, daß auch solche kleinen Gruppen eine parlamentarische Vertretung erlangen, die nicht ein am Gesamtwohl orientiertes politisches Programm vertreten, sondern im wesentlichen nur einseitige Interessen verfechten. Klare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewußte Mehrheiten im Parlament sind aber für die Bildung einer nach innen und außen aktionsfähigen Regierung und zur Bewältigung der sachlichen gesetzgeberischen Arbeit erforderlich. Es ist also ein aus der Natur des Sachbereichs "Wahl der Volksvertretung" sich ergebendes und darum eine unterschiedliche Bewertung des Erfolgswertes der Stimmen rechtfertigendes Kriterium, nach der größeren Eignung der Parteien für die Erfüllung der Aufgaben der Volksvertretung zu differenzieren. Mit dieser Begründung dürfen daher sogenannte "Splitterparteien" bei der Zuteilung von Sitzen in der Verhältniswahl ausgeschaltet werden, um Störungen des Verfassungslebens vorzubeugen.
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Der Gesetzgeber darf Differenzierungen in dem Erfolgswert ![]() ![]() | |
An dieser seiner grundsätzlichen Auffassung, die der Senat bereits in der Entscheidung vom 5. April 1952 (vgl. BVerfGE 1, 248 [256]) vertreten hat, die er in den Entscheidungen vom 11. August 1954 (BVerfGE 4, 40) und vom 6. Februar 1956 (BVerfGE 4, 380) aufrechterhalten hat, und der sich der Erste Senat in den Entscheidungen vom 3. Juni 1954 (BVerfGE 3, 394), 21. Januar 1955 (BVerfGE 4, 143) und vom 13. Juni 1956 (BVerfGE 5, 83) angeschlossen hat, und die auch von Landesverfassungsgerichten vertreten wird (Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 10. Juni 1949, BayVGHE n. F. Bd. 2 Teil II S. 45; Urteil des Vorläufigen Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. Oktober 1953, Nr. 1/52) hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Insbesondere hat auch der Hinweis auf das sogenannte konstruktive Mißtrauensvotum des Art. 67 GG den Senat nicht davon überzeugt, daß nach der besonderen Gestaltung des Grundgesetzes die aus einer Parteizersplitterung möglicherweise resultierenden Gefahren für den Staat als behoben betrachtet werden können. Hat die Wahl nicht die Grundlagen für eine klare Mehrheitsbildung geschaffen, so kann es sich ergeben, daß bei Beginn der Wahlperiode oder bei einer aus besonderen Gründen während der Wahlperiode eintretenden Vakanz ein Bundeskanzler nur mit relativer Mehrheit gewählt wird. Wenn ein solcher Kanzler auch nur ![]() ![]() | |
4. Angesichts des Ausgangspunktes von der demokratischen Gleichberechtigung der Staatsbürger und von der Gleichbewertung der politischen Parteien im System des Grundgesetzes ist festzuhalten, daß der dem Gesetzgeber bei der Gestaltung des Verhältniswahlrechtes nach dem Grundsatz der gleichen Wahl belassene Ermessensspielraum eng bemessen ist (vgl. BVerfGE 1, 249; 4, 382 f.). Aber in diesen Grenzen bleibt die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts bestehen, die Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens zu achten. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob die innerhalb dieses Rahmens vom Gesetzgeber gefundene Lösung ihm zweckmäßig oder rechtspolitisch erwünscht erscheint. Es kann die Bestimmung eines Wahlgesetzes wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit vielmehr nur dann für nichtig erklären, wenn die Regelung nicht an dem Ziel orientiert ist, Störungen des Staatslebens zu verhindern, oder wenn sie das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet. Daß ein Quorum von 5 % nach der allgemeinen Rechtsüberzeugung zur Verhütung der Parteienzersplitterung im Parlament und damit zur Bewahrung der inte ![]() ![]() | |
5. Die Erringung von drei Sitzen in Wahlkreisen als Voraussetzung für die Teilnahme am Verhältnisausgleich steht alternativ neben dem Quorum von 5 v.H. Sie bedeutet gegenüber dem Erfordernis von 5 v.H. der Gesamtstimmenzahl eine Erleichterung für die kleinen Parteien. Sie kann deshalb die dargelegten Grenzen, die dem Gesetzgeber durch den Satz der Wahlgleichheit bei der allgemeinen Beschränkung des Verhältnisausgleichs gesetzt sind, nicht überschreiten.
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Diese Klausel kommt allerdings nur solchen Parteien zugute, die örtliche Schwerpunkte besitzen. Es fragt sich deshalb, ob die unterschiedliche Behandlung der Parteien, die 5 v.H. der Gesamtstimmenzahl nicht erreicht haben, je nachdem, ob sie drei Direktmandate errungen haben oder nicht, mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl vereinbar ist.
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Diese Bedingung konnte nur gesetzt werden, weil das Wahlsystem des Bundeswahlgesetzes insofern von dem üblichen reinen Verhältniswahlrecht abweicht, als es vor den Verhältnisausgleich eine Personenwahl nach Mehrheit in Wahlkreisen setzt. Der Bundesgesetzgeber hat sich für eine "mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl" entschieden und legt besonderes Gewicht auf die Wahl von Abgeordneten in Wahlkreisen. Der Charakter der Volksvertretung soll auch durch die Anwesenheit von Abgeordneten bestimmt werden, die eine persönliche Beziehung zu ihrem Wahlkreis haben. Diese Beimischung von Ele ![]() ![]() ![]() ![]() | |
6. Die Benachteiligung von politischen Parteien beim Verhältnisausgleich durch § 6 Abs. 4 kann auch nicht dadurch verfassungswidrig werden, daß § 6 Abs. 4 Satz 2 eine Ausnahme für die Parteien nationaler Minderheiten statuiert. Wäre diese Ausnahme unzulässig, so würde daraus höchstens folgern, daß § 6 Abs. 4 Satz 2 ungültig sein würde, nicht aber könnte daraus gefolgert werden, daß § 6 Abs. 4 Satz 1 ungültig ist, oder daß Ausnahmen für weitere Parteien gemacht werden müßten. Bei den Parteien nationaler Minderheiten liegen besondere Verhältnisse vor, die mit der Situation anderer kleiner Parteien nicht zu vergleichen sind. Die Merkmale der großen Stimmenzahl oder der Direktmandate erlangt eine Partei erst im und durch den Wahlvorgang, während das Merkmal, das die Parteien nationaler Minderheiten von allen anderen Parteien unterscheidet, außerhalb des Wahlvorgangs liegt. Es handelt sich also um nicht vergleichbare Tatbestände. Der Gleichheitssatz verbietet nicht, Parteien wegen eines Kriteriums, das in einem anderen Bereich liegt zum Verhältnisausgleich zuzulassen, wenn Parteien mit geringer Stimmenzahl und Parteien ohne örtliche Schwerpunkte davon ausgeschlossen werden. Der Gleichheitssatz gebietet andererseits auch nicht, daß für alle Parteien, die sich durch Merkmale charakterisieren lassen, die außerhalb des Wahlvorganges liegen, eine Ausnahme gemacht wird, wenn eine Partei ausnahmsweise zum Verhältnisausgleich zugelassen wird, weil sie eine nationale Minderheit repräsentiert. Es liegt im Ermessen des Gesetzgebers, ob er eine Partei ohne Rücksicht auf die erzielte Stimmenzahl und die Erringung von Direktmandaten wegen politischer Umstände, die eine besondere Regelung gerade im Wahlverfahren rechtfertigen, für parlamentswürdig erachtet oder nicht. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen Wahl könnte in einer solchen Ausnahme nur dann gefunden werden, wenn die Kriterien, die den Anlaß für die besondere Regelung geben, auch für andere Parteien zutreffen ![]() ![]() | |
7. Der Umstand, daß das Bundeswahlgesetz in § 21 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Zulassungsbeschränkungen für Wahlvorschläge enthält, indem ein bestimmtes Unterschriftenquorum vorgeschrieben wird, macht die Sperrklausel des § 6 Abs. 4 nicht unzulässig. Das Unterschriftenquorum dient dem legitimen Ziel, nur solche Vorschläge zuzulassen, für die die Vermutung besteht, daß hinter dem Vorschlag eine ernstzunehmende Gruppe steht, die sich mit diesem Vorschlag am Wahlkampf beteiligen will (vgl. BVerfGE 4, 381 f.). Das Unterschriftenquorum wirkt allerdings auch schon der Stimmenzersplitterung entgegen und verfolgt insofern auch den Zweck, die Bildung handlungsfähiger und wahrhaft repräsentativer Verfassungsorgane zu ermöglichen. So wenig wie Zulassungsbeschränkungen durch Sperrklauseln überflüssig werden (vgl. BVerfGE 3, 394), werden Sperrklauseln durch Zulassungsbeschränkungen überflüssig. Zulassungsbeschränkungen (Unterschriftenquorum) werden vor der Stimmabgabe der Wähler angewendet und müssen in einem engen Rahmen bleiben, um der Wählerentscheidung möglichst wenig vorzugreifen. Sie können also nicht verhindern, daß Parteien, die die ![]() ![]() | |
8. Schließlich war der Gesetzgeber nicht - wie die Antragstellerin meint - mit Rücksicht auf den föderativen Charakter der Bundesrepublik gehalten, der besonderen Struktur der Antragstellerin als "Landespartei" durch die Eröffnung einer weiteren Ausnahme von der 5 v.H.-Klausel Rechnung zu tragen. Wie im einzelnen dargelegt, hat der Gesetzgeber in gewissen Grenzen das Recht, bestimmten Parteien wegen ihrer spezifischen politischen Bedeutsamkeit gegenüber dem allgemeinen Quorum potentiell einen repräsentativen Sonderstatus zu verleihen. Dadurch, daß der Bundesgesetzgeber diesen Sonderstatus nur den "Schwerpunktparteien", die drei Direktmandate gewonnen haben, und den Parteien nationaler Minderheiten gewährt hat nicht aber Parteien von der Art der Antragstellerin, hat er nicht den Gleichheitssatz verletzt. Denn das Kriterium, nach dem die Antragstellerin ihren Sonderstatus bestimmt sehen möchte, liegt auf einer anderen Ebene als bei den vorbezeichneten Parteien. Die Antragstellerin beruft sich auf ihr Stimmgewicht in einem Land und glaubt, daraus einen Anspruch auf besondere Berücksichtigung bei der Formierung des Bundesparlaments herleiten zu können. Der Bundesgesetzgeber braucht aber bei der Wahl zum Bundestag als dem unitarischen Verfassungsorgan des Bundes föderative Gesichtspunkte nicht zu berücksichtigen. Die Nichtberücksichtigung von regionalen Landesparteien durch den Gesetzgeber erscheint unter diesem Blickpunkt daher als sachlich motiviert und nicht willkürlich. ![]() |