1. § 28 BWahlG trägt den Anforderungen an die Rechtfertigung der mit der Norm verbundenen Eingriffe in die Wahl- und Parteienfreiheit bei verfassungskonformer Auslegung Rechnung.
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2. Bei der Konkretisierung des Begriffs der "Anforderungen" im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Nichtzulassung einer Landesliste einen schwerwiegenden Eingriff in die Wahl- und Parteienfreiheit darstellt.
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3. Eine Landesliste, an deren Aufstellung unter Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG verfrüht gewählte Delegierte nicht mitgewirkt haben, darf regelmäßig nicht allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden.
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Beschluss | |
des Zweiten Senats vom 23. März 2022
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– 2 BvC 22/19 – | |
in dem Verfahren über die Wahlprüfungsbeschwerde 1. der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Landesverband Berlin, (...), ![]() ![]() | |
Entscheidungsformel: | |
1. Die Wahlprüfungsbeschwerde wird verworfen, soweit sie sich gegen die Gültigkeit der Wahl des 19. Deutschen Bundestages im Land Berlin richtet.
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2. Die Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. für die Wahl des 19. Deutschen Bundestages im Land Berlin verletzt die Beschwerdeführerin zu 1. in ihrer Parteienfreiheit aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes und die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zu 2. bis 19. in ihrem Wahlrecht aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
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3. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
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4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 50.000 (in Worten: fünfzigtausend) Euro festgesetzt.
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Gründe: | |
A. | |
Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 21. Februar 2019, mit der ihr Einspruch gegen die Wahl des 19. Deutschen Bundestages am 24. September 2017 im Land Berlin, der sich auf die Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. stützte, zurückgewiesen wurde.
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I.
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1. a) Am 8. Oktober 2016 führte die Beschwerdeführerin zu 1. einen Landesparteitag in Berlin durch. Im Anschluss fand die besondere Vertreterversammlung zur Aufstellung einer Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. für die Bundestagswahl 2017 im Land Berlin statt.
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b) Die Vertreter des Kreisverbandes (...) waren bereits am ![]() ![]() | |
2. Mit Beschluss vom 28. Juli 2017 lehnte der Landeswahlausschuss die Zulassung der von der Beschwerdeführerin zu 1. eingereichten Landesliste ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Liste wegen der zu früh erfolgten Wahl von Vertretern für die Vertreterversammlung nicht den wahlrechtlichen Bestimmungen entspreche. Eine solche Wahl habe erst ab dem 23. März 2016 stattfinden dürfen. Einzelne Vertreter seien aber bereits am 12. Februar 2016 und damit einen Monat zu früh gewählt worden. Wegen der besonderen Formenstrenge des Wahlrechts habe dieser Fehler zur Zurückweisung der gesamten Liste gezwungen.
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3. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Bundeswahlausschuss in seiner Sitzung vom 3. August 2017 zurück.
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a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BWahlG habe der Landeswahlausschuss Landeslisten zurückzuweisen, wenn sie den Anforderungen nicht entsprächen, die durch das Bundeswahlgesetz oder die Bundeswahlordnung aufgestellt seien. Gemäß § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG dürften Wahlen für die Delegierten einer Vertreterversammlung frühestens 29 Monate nach Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden. Dies sei im Hinblick auf die aus dem Kreisverband (...) entsandten Delegierten nicht der Fall gewesen.
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b) Der Gesetzgeber habe mit dem 15. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 27. April 2001 in § 21 Abs. 3 BWahlG die Frist zwischen der Bewerberaufstellung und dem Wahltag bewusst um sechs Monate verkürzt. Damit habe eine angemessene Repräsentation der Parteibasis und ihrer aktuellen Meinung gewährleistet und ein Anspruch auf Teilnahme an der Kandidaten ![]() ![]() | |
c) Hielten Parteien die ihnen in § 21 BWahlG abverlangten demokratischen Mindestregeln einer parteiinternen Kandidatenaufstellung nicht ein, berühre dies die Voraussetzungen einer Wahl im Sinne des § 21 Abs. 1 BWahlG. Fehle an einer Stelle des Aufstellungsverfahrens die demokratische Legitimation der Delegierten, sei der Wahlvorschlag ungültig.
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II.
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Mit Beschluss vom 21. Februar 2019 wies der Deutsche Bundestag den mit Schreiben vom 27. September 2017 erhobenen Wahleinspruch gemäß der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses vom 14. Februar 2019 (BTDrucks 19/7660) als zulässig, aber unbegründet zurück. Dem Vortrag der Einspruchsführer lasse sich keine Verletzung von Wahlrechtsvorschriften und mithin kein Wahlfehler entnehmen.
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1. Die Zurückweisung der Landesliste sei rechtmäßig gewesen. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG habe der Landeswahlausschuss Landeslisten unter anderem dann zurückzuweisen, wenn sie den Anforderungen dieses Gesetzes und der Bundeswahlordnung nicht entsprächen, es sei denn, dass in diesen Vorschriften etwas Anderes bestimmt sei.
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2. Die Landesliste der Einspruchsführer habe den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen.
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a) Nach § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 BWahlG könnten Landeslisten von Parteien im Rahmen von besonderen Vertreterversammlungen aufgestellt werden. Gemäß § 21 Abs. 3 BWahlG würden die Vertreter für die Vertreterversammlungen in geheimer Abstimmung gewählt, wobei die Wahlen frühestens 29 Monate nach Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden dürften. Damit hätten Vertreter für Vertreter ![]() ![]() | |
b) Dieser Fehler habe sich in der besonderen Vertreterversammlung fortgesetzt. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Vertreter des Kreisverbandes (...) tatsächlich nicht an der Wahl der Kandidaten für die Landesliste teilgenommen hätten und sich ihre Stimmen mithin nicht auf das Wahlergebnis hätten auswirken können. Ziel der Regelung des Bundeswahlgesetzes sei es, die Parteimitglieder und ihre Meinungen bei der Listenaufstellung angemessen zu repräsentieren. Die Regelung diene der Absicherung einer demokratischen Bewerberaufstellung; ihre Beachtung sei hierfür konstitutiv. Der Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe sei zum Zeitpunkt der besonderen Vertreterversammlung bereits eingetreten gewesen; er habe sich nicht in der konkreten Teilnahme an der Wahl verfestigen oder gar eine Auswirkung auf das Wahlergebnis haben müssen.
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c) Wenn in Ausnahmefällen Wahlvorschläge trotz Verstoßes gegen die Vorgaben des § 21 BWahlG vom Deutschen Bundestag und vom Bundesverfassungsgericht, insbesondere bei einer versehentlich unberechtigten Teilnahme einzelner Personen an der Vertreterversammlung, zugelassen worden seien, weil eine Zurückweisung des Wahlvorschlags unverhältnismäßig gewesen wäre, so sei dies nicht auf alle weiteren Verstöße gegen § 21 BWahlG übertragbar. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass solche Fehler nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur hinzunehmen seien, wenn die zuständigen Parteigremien organisatorisch alle zumutbaren Vorkehrungen zur Wahrung der elementaren Wahlrechtsregelungen für die Bewerberaufstellung getroffen hätten. Im Hinblick auf die Fristenregelungen des § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG sei für Verhältnismäßigkeitserwägun ![]() ![]() | |
d) An dieser – dem klaren Wortlaut der Norm entsprechenden – Auslegung ändere auch die von den Einspruchsführern erläuterte Gefahr nichts, dass es einzelne Kreisverbände einer Partei durch rechtswidriges Verhalten in der Hand hätten, die Aufstellung einer gesamten Landesliste zu gefährden. Abgesehen davon, dass grundsätzlich vom gemeinsamen Ziel aller Parteimitglieder und Parteigliederungen auszugehen sei, erfolgreich an Wahlen teilzunehmen, sei dem Bundeswahlleiter darin zuzustimmen, dass es in der Hand der Parteien liege, es zum Beispiel durch Regelungen in ihren Satzungen zu unterbinden, dass einzelne Parteigliederungen oder Mitglieder gegen die Interessen ihrer Partei handelten. Im konkreten Fall hätte eine Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der Delegiertenwahlen im Vorfeld der Vertreterversammlung ebenfalls zu einer Aufdeckung des (grundsätzlich heilbaren) Verstoßes gegen § 21 Abs. 3 BWahlG geführt.
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III.
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Mit Schreiben vom 12. März 2019 haben die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Deutschen Bundestages eine Wahlprüfungsbeschwerde erhoben.
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1. Die Landesliste habe nicht wegen der zu früh durchgeführten Wahl der Vertreter des Kreisverbandes (...) zurückgewiesen werden dürfen.
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a) Ein Fehler, der sich auf die Listenaufstellung nicht auswirke, sei wahlrechtlich irrelevant. Die verfrühte Wahl habe auf das Ergebnis der Listenaufstellung keinen Einfluss gehabt und sei deswegen ungeeignet, diese zu "infizieren".
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b) Die Formenstrenge des Wahlrechts stehe nach ihrem Sinn und Zweck hier nicht entgegen. Die Fristenregelung solle sicherstellen, dass die parteiinternen Wahlen in nicht zu großem Abstand vor den Parlamentswahlen erfolgten, damit das Ergebnis ![]() ![]() | |
c) Der Bundestag verkenne den Kern des Problems, wenn er argumentiere, dass in einer politischen Partei normalerweise alle Akteure an einem Strang zögen. Auch der Hinweis auf mögliche Ordnungsmaßnahmen gegen fehlerhaft wählende Kreisverbände greife zu kurz, weil die Beschwerdeführerin zu 1. nur solche Fehler rügen und sanktionieren könne, die ihr auch bekannt seien. Daran habe es hier gefehlt.
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d) Der Landesvorstand habe keinen Einfluss darauf, wann die Kreisverbände ihre Delegierten wählten. Der Versammlungsleiter der besonderen Vertreterversammlung könne lediglich überprüfen, ob die anwesenden Delegierten rechtzeitig und ordnungsgemäß gewählt worden seien, und gegebenenfalls rechtsfehlerhaft gewählte Delegierte von der Versammlung ausschließen. Eine erneute Delegiertenwahl durch die Kreismitgliederversammlung könne er ebenso wenig erzwingen wie der Landesvorstand. Der Sachverhalt liege nicht anders als im Fall des Verzichts eines Kreisverbandes, Delegierte für die Aufstellungsversammlung zu wählen. Das sei wahlrechtlich unstreitig irrelevant.
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e) Träfe die Rechtsauffassung der Wahlausschüsse zu, könnte in dem Falle, in dem der Versammlungsleiter erst zu Beginn der Versammlung die fehlerhaft verfrühte Delegiertenwahl feststelle, gar keine rechtswirksame Liste mehr aufgestellt werden. Sollte sich der betreffende Kreisverband weigern, nachträglich und fristgerecht neue Delegierte zu wählen, würde die Aufstellung einer rechtswirksamen Landesliste endgültig unmöglich, so dass ein einzelner Kreisverband darüber disponieren könnte, ob der Landesverband eine Landesliste aufstellen kann oder nicht. Das hierdurch ermöglichte Diktat einer Minderheit über die Mehrheit sei mit demokratischen Grundsätzen schlechthin unvereinbar.
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f) Die Nichtzulassung der Landesliste sei jedenfalls evident unverhältnismäßig. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sei geklärt, dass ein Wahlvorschlag selbst dann zuzulassen sei, wenn nicht stimmberechtigte Personen an einer Listenaufstellung ![]() ![]() | |
g) Verstöße der Beschwerdeführerin zu 1. gegen ihre Pflichten zur Sicherstellung der Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze seien nicht erkennbar. Mehr als die Überprüfung der Stimmberechtigung der bei der Listenaufstellung anwesenden Delegierten könne vom Sitzungsvorstand nicht verlangt werden. Wenn alle anwesenden Delegierten stimmberechtigt seien, sei es völlig unerheblich, ob tatsächlich gar nicht anwesende Delegierte nicht stimmberechtigt gewesen seien. Die den politischen Parteien obliegenden organisatorischen Pflichten dienten dem Zweck, die Mitwirkung von nicht stimmberechtigten Personen bei der Listenaufstellung zu vermeiden, und nicht dazu, die ordnungsgemäße Wahl von Delegierten sicherzustellen, die bei der Listenaufstellung nicht mitwirkten.
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2. Die Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. sei zudem mandatsrelevant. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei nicht auszuschließen, dass der 19. Deutsche Bundestag im Falle der Zulassung der zurückgewiesenen Landesliste anders zusammengesetzt gewesen wäre, als er es dann gewesen sei. Die Wähler, welche bei Zulassung der Liste die Beschwerdeführerin zu 1. gewählt hätten, hätten mit großer Wahrscheinlichkeit stattdessen die Alternative für Deutschland (AfD) gewählt, so dass deren Ergebnis im Land Berlin fehlerhaft zu hoch gewesen sein dürfte. Ohne diese zusätzlichen Stimmen, deren exakte Höhe nicht prognostiziert werden könne, hätte die AfD im Land Berlin möglicherweise einen Sitz zugunsten einer anderen Partei verloren.
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3. Im Ergebnis sei die Bundestagswahl deswegen im Land Berlin für ungültig zu erklären und eine Wiederholung der Wahl anzuordnen. Jedenfalls sei festzustellen, dass die Beschwerdeführe ![]() ![]() | |
B. | |
1. Dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bundeswahlleiter, der Landeswahlleiterin im Land Berlin und den im 19. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Bundeswahlleiter hat unter Bezug auf die Niederschrift der Wahlausschusssitzung vom 3. August 2017 sowie auf seine Erklärung im Rahmen des Wahleinspruchsverfahrens Stellung genommen.
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2. Von einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 48 Abs. 2 BVerfGG abgesehen worden.
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Die Wahlprüfungsbeschwerde ist im zulässigen Umfang begründet.
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I.
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Sie ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sich gegen die Gültigkeit der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag im Land Berlin wenden (1.). Im Übrigen ist sie zulässig (2.).
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1. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer haben unzureichend dargetan, dass die Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. zur Wahl zum 19. Deutschen Bundestag im Land Berlin zur Ungültigerklärung der Wahl führen könnte. Eine Mandatsrelevanz des gerügten Wahlfehlers kann dem Beschwerdevorbringen nicht entnommen werden.
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a) Gemäß § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG hat der Beschwerdeführer auch im Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde seinen Antrag zu begründen und die erforderlichen Beweismittel anzugeben. Greift er mit der Wahlprüfungsbe ![]() ![]() | |
b) Davon ausgehend, ist die Mandatsrelevanz der Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. für die Wahl des 19. Deutschen Bundestages im Land Berlin von den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern nur unzureichend dargelegt worden. Sie behaupten nicht, dass im Falle einer Zulassung der Landesliste die Beschwerdeführerin zu 1. eigene Bundestagsmandate errungen hätte. Vielmehr beschränken sie ihr Vorbringen zur Mandatsrelevanz auf mittelbare Auswirkungen der Nichtzulassung der Landesliste auf die Sitzverteilung im 19. Deutschen Bundestag, indem sie geltend machen, potentielle Wählerinnen und Wähler der Beschwerdeführerin zu 1. hätten stattdessen die AfD gewählt. Deshalb könnten der AfD zusätzliche Mandate zugefallen sein.
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Dass es sich dabei um eine hinreichend konkrete und nicht ganz fernliegende Konsequenz der Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. handelt, erschließt sich nicht. Bereits die Behauptung, potentielle Wähler der Beschwerdeführerin zu 1. hätten mit großer Wahrscheinlichkeit stattdessen die AfD gewählt, erscheint spekulativ. Allein daraus, dass zwei politische Parteien in der Öffentlichkeit dem gleichen politischen Spektrum zugerechnet werden, folgt nicht ohne Weiteres, dass sich potentielle Wählerinnen und Wähler nur zwischen diesen beiden Partei ![]() ![]() | |
Daneben hätte nachvollziehbar dargelegt werden müssen, dass trotz der von der Beschwerdeführerin zu 1. bei den vorhergehenden Bundestagswahlen im Land Berlin erzielten Wahlergebnisse in einer Größenordnung von nur 1,5% durch die Zulassung ihrer Landesliste auch quantitativ Umschichtungen von Wählerstimmen in einem Umfang zu erwarten gewesen wären, die sich hätten mandatsrelevant auswirken können. Auch dazu verhalten die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sich nicht.
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2. Demgegenüber ist die Wahlprüfungsbeschwerde zulässig, soweit die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer eine Verletzung subjektiver Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geltend machen.
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a) Soweit im Rahmen einer Wahlprüfungsbeschwerde die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung begehrt wird, ist die Darlegung der Mandatsrelevanz entbehrlich. Der Beschwerdeführer muss aber die Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte substantiiert darlegen (vgl. BVerfGE 151, 1 [15 Rn. 32]).
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b) Dem ist vorliegend Rechnung getragen worden. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer haben die Möglichkeit hinreichend dargelegt, durch die Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, zu wählen beziehungsweise gewählt zu werden, sowie in ihrer Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG verletzt worden zu sein. Dem steht nicht entgegen, dass ![]() ![]() | |
c) Die Wahlprüfungsbeschwerde ist auch nicht dadurch unzulässig geworden, dass am 26. Oktober 2021 ein neuer Deutscher Bundestag zusammengetreten ist.
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aa) (1) Soweit das Wahlprüfungsverfahren die gesetzmäßige Zusammensetzung des Deutschen Bundestages gewährleisten soll (vgl. BVerfGE 122, 304 [305 f.]; stRspr), kann eine Entscheidung dieses Ziel zwar nicht mehr erreichen, wenn die Wahlperiode des durch die Wahlprüfungsbeschwerde betroffenen Bundestages gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages beendet ist (vgl. BVerfGE 22, 277 [280 f.]; 34, 201 [203]; 122, 304 [306]). Auch nach der Auflösung eines Bundestages oder dem regulären Ablauf einer Wahlperiode bleibt das Bundesverfassungsgericht jedoch berufen, die im Rahmen einer zulässigen Wahlprüfungsbeschwerde erhobenen Rügen der Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsnormen und wichtige wahlrechtliche Zweifelsfragen zu entscheiden. Zwar steht es in der freien Entscheidung jedes Beschwerdeberechtigten, ob er eine Wahlprüfungsbeschwerde einlegt. Insoweit kommt der Wahlprüfungsbeschwerde eine Anstoßfunktion zu. Über den weiteren Verlauf des überwiegend objektiven Verfahrens (vgl. BVerfGE 34, 81 [97]) entscheidet jedoch das Bundesverfassungsgericht nach Maßgabe des öffentlichen Interesses. Ein solches öffentliches Interesse an einer Entscheidung über eine Wahlprüfungsbeschwerde kann auch nach Ablauf einer Wahlperiode bestehen, wenn ein möglicher Wahlfehler über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. BVerfGE 122, 304 [306] m.w.N.).
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(2) Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass Wahlrechtsvorschriften über die jeweilige Wahlperiode hinaus so lange Wirkung entfalten, bis sie vom Gesetzgeber geändert oder vom Bundesver ![]() ![]() | |
bb) Demgemäß ist keine Erledigung der Wahlprüfungsbeschwerde eingetreten, da auch nach Ablauf der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages ein öffentliches Interesse an der Klärung der mit der Wahlprüfungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage besteht. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob die Zurückweisung einer Landesliste gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG wegen der vorzeitigen Wahl einzelner Delegierter der Landesvertreterversammlung (§ 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG) auch dann gerechtfertigt ist, wenn sich diese Delegierten an der Listenaufstellung nicht beteiligt haben. Dabei handelt es sich um eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Trifft die von Bundes- und Landeswahlausschuss vertretene Auffassung zu, hat dies zur Folge, dass die Zulassung einer Landesliste bereits dann ausgeschlossen ist, wenn ein einzelner Kreisverband seine Delegierten unter Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG verfrüht gewählt hat, obwohl diese Delegierten an der Aufstellungsversammlung nicht teilnehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass derartige Fälle mit der schwerwiegenden Folge einer Nichtzulassung betroffener Landeslisten zur Bundestagswahl wiederholt auftreten. Insoweit besteht ein über den vorliegenden Einzelfall hinausgehender Klärungsbedarf. ![]() | |
Soweit die Wahlprüfungsbeschwerde zulässig ist, ist sie begründet. Die Nichtzulassung der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. im Land Berlin zur Wahl des 19. Deutschen Bundestages stellt einen Wahlfehler (1.) dar, der die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG verletzt (2.).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat bei der im Rahmen einer Wahlprüfungsbeschwerde nach § 13 Nr. 3, § 48 BVerfGG durchzuführenden Kontrolle der Entscheidung des Deutschen Bundestages über den Wahleinspruch sowohl die Einhaltung der Vorschriften des Bundeswahlrechts durch die zuständigen Wahlorgane als auch die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften zu prüfen und gegebenenfalls Wahlfehler festzustellen (vgl. BVerfGE 151, 1 [13 Rn. 26] m.w.N.; stRspr). Als Wahlfehler kommen vor allem Verstöße gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG sowie gegen die Regelungen des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung in Betracht. Daneben können auch Verstöße gegen sonstige Vorschriften einen Wahlfehler begründen, soweit sie mit einer Wahl in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Relevant sind alle Normwidrigkeiten, die den vom Gesetz vorausgesetzten regelmäßigen Ablauf des Wahlverfahrens zu stören geeignet sind. Lediglich Sachverhalte, die "bei Gelegenheit" einer Wahl geschehen, ohne in einem auch nur mittelbaren Bezug zum Wahlvorgang und dessen Ergebnis zu stehen, sind zur Begründung eines Wahlfehlers ungeeignet (vgl. BVerfGE 146, 327 [341 f. Rn. 38f.] m.w.N.).
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2. Gemessen hieran, stellt die Zurückweisung der von der Beschwerdeführerin zu 1. eingereichten Landesliste einen objektiven Wahlfehler dar, der die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zugleich in ihren subjektiven Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG verletzt. Zwar bestehen gegen die grundsätzliche Zulassungsbedürftigkeit von Landeslisten gemäß § 28 BWahlG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (a). Bei der Auslegung und Anwendung der Norm ist allerdings dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Zurück ![]() ![]() | |
a) Die in § 28 BWahlG vorgesehene Zulassungsbedürftigkeit von Landeslisten steht mit der Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG (aa) und der Wahlfreiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG (bb) grundsätzlich im Einklang (cc).
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aa) Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PartG). Zentrale Aufgabe der Parteien ist gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes. Aufgrund dieses Verfassungsauftrags wirken die Parteien in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hinein, ohne selbst diesem Bereich anzugehören. Sie sind Mittler zwischen Meinungen, Interessen und Bestrebungen des Volkes und der staatlichen Willensbildung (vgl. BVerfGE 20, 56 [101]).
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Um ihrem Verfassungsauftrag und der darin enthaltenen Mittlerrolle gerecht werden zu können, gewährleistet das Grundgesetz den Parteien ein Bündel an Freiheiten, die unter dem Begriff "Parteienfreiheit" zusammengefasst werden. Neben der ausdrücklich genannten Gründungsfreiheit garantiert Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG den politischen Parteien auch die Freiheit der Betätigung, die insbesondere das Recht zur Erstellung von Wahl ![]() ![]() | |
bb) Außer an der Parteienfreiheit ist § 28 BWahlG an der Wahlfreiheit aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen. Das Recht, als Wähler oder Wahlbewerber an der Wahl der Volksvertretung teilzunehmen, ist das vornehmste Recht der Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Staat (vgl. BVerfGE 1, 14 [33]). Die Wahlfreiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet neben der Möglichkeit der freien Ausübung des Stimmrechts durch jede Wählerin und jeden Wähler – ohne Zwang, Druck oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen – die freie Wählbarkeit (vgl. BVerfGE 25, 44 [63]) und das freie Wahlvorschlagsrecht für alle Wahlberechtigten (vgl. BVerfGE 89, 243 [251] m.w.N.). Die Möglichkeit, Wahlvorschläge zu machen, ist ein Kernstück des Bürgerrechts auf aktive Teilnahme an der Wahl (vgl. BVerfGE 41, 399 [416]). Daher erstreckt sich der Grundsatz der Wahlfreiheit auch auf das gesamte Wahlvorbereitungsverfahren. Die Entschließungsfreiheit des Wählers darf schon im Vorfeld der Wahl nicht in einer innerhalb des gewählten Wahlsystems vermeidbaren Weise verengt werden (vgl. BVerfGE 95, 335 [350]). Die Aufstellung der Landeslisten stellt sich als wesentlicher Teil des Wahlvorgangs in seiner Gesamtheit dar, durch den eine notwendige Voraussetzung der Wahl geschaffen und daher das aktive und passive Wahlrecht berührt wird (vgl. BVerfGE 89, 243 [251]; 156, 224 [260 Rn. 101] m.w.N.).
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cc) Das Erfordernis der Zulassung einer Landesliste zur Wahl gemäß § 28 BWahlG greift zwar sowohl in die Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG als auch in die Wahlfreiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG ein. § 28 BWahlG trägt jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung dieser Eingriffe grundsätzlich Rechnung. ![]() | |
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(2) Dieses Erfordernis ist dem Grunde nach mit Blick sowohl auf das Parteien- als auch auf das Wahlrecht ausreichend legitimiert. Die Regelung dient jedenfalls dem Schutz von Verfassungsgütern, die den Grundsätzen der Wahl- und Parteienfreiheit die Waage halten können.
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(a) Das Erfordernis der Zulassung der Landesliste einer Partei zur Wahl gemäß § 28 BWahlG soll zunächst die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl (vgl. dazu BVerfGE 157, 300 [316f. Rn. 40]) und die Sicherung ihres Charakters als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes (vgl. dazu BVerfGE 95, 408 [418]; 120, 82 [111]; 129, 300 [320f.]; 135, 259 [286 Rn. 52]) gewährleisten. Es zielt darauf ab, den Wahlakt auf Wahlvorschläge zu beschränken, die in einem formellen und materiellen Anforderungen genügenden Verfahren beschlossen wurden und dadurch den Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit der Wahlteilnahme rechtfertigen. Durch die Beschränkung auf ernsthafte Wahlvorschläge sollen die Stimmberechtigten davor bewahrt werden, ihre Stimmen an aussichtslose Wahlvorschläge zu vergeben. Dies dient der Integrationsfunktion der Wahl und beugt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vor (vgl. BVerfGE 157, 300 [316 Rn. 40]).
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(b) Daneben soll durch das Zulassungserfordernis gewährleistet werden, dass bei der Aufstellung der Landesliste das – den Prozess der Wahlvorbereitung umfassende – aktive und passive Wahlrecht der Parteimitglieder (vgl. dazu BVerfGE 89, 243 [251f.]) beachtet wird. Insoweit zielen insbesondere die im Rahmen von § 28 BWahlG grundsätzlich zu berücksichtigenden Regelungen in § 21 in Verbindung mit § 27 Abs. 5 BWahlG darauf ![]() ![]() | |
b) Ungeachtet der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit von § 28 BWahlG hat die Auslegung und Anwendung der Norm im Lichte der Gewährleistungen der Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG und der Wahlfreiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zu erfolgen. Dies gilt insbesondere, soweit § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG bestimmt, dass der Landeswahlausschuss Landeslisten zurückzuweisen hat, wenn sie den Anforderungen nicht entsprechen, die durch das Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung aufgestellt sind, es sei denn, dass in diesen Vorschriften etwas Anderes bestimmt ist. Bei der Konkretisierung des Begriffs der "Anforderungen" ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Nichtzulassung einer Landesliste einen schwerwiegenden Eingriff in die Wahl- und Parteienfreiheit darstellt. Unter mehreren möglichen Auslegungsvarianten ist daher derjenigen der Vorzug zu geben, die die Grundsätze der Parteien- und Wahlfreiheit einerseits und die das Zulassungserfordernis rechtfertigenden Verfassungsgüter andererseits zu einem bestmöglichen Ausgleich bringt. Insoweit ist § 28 BWahlG verfassungskonform auszulegen.
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c) Danach darf eine Landesliste, die – wie im vorliegenden Fall – unter Nichtbeteiligung verfrüht gewählter Delegierter aufgestellt wurde, regelmäßig nicht allein aus diesem Grund zurückge ![]() ![]() | |
aa) Gemäß § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG dürfen die Wahlen der Delegierten für die Vertreterversammlung zur Aufstellung der Landeslisten frühestens 29 Monate nach dem Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden. Die Regelung dient der Verwirklichung des Prinzips der demokratischen Teilhabe. Durch die möglichst enge zeitliche Verknüpfung der innerparteilichen Kandidatenwahl mit der Bundestagswahl soll gewährleistet werden, dass die den Wählerinnen und Wählern am Wahltag unterbreitete Liste nicht veraltet ist und die für die Liste ausgewählten Kandidaten den mehrheitlichen Willen der Parteimitglieder repräsentieren. Zugleich wird angestrebt, die Mitwirkung an der Listenaufstellung nicht nur angestammten Parteimitgliedern vorzubehalten, sondern auch relativ kurz vor der Wahl eintretenden Neumitgliedern die Möglichkeit einzuräumen, auf die Bestimmung der Listenplätze Einfluss zu nehmen. § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG stellt sich insoweit als Aus ![]() ![]() | |
Diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 27. April 2001 (BGBl I 2001 S. 698) bekräftigt, durch das der zur vorangegangenen Bundestagswahl zu beachtende Abstand von 23 auf 29 Monate erhöht und damit der Zeitraum zwischen Delegiertenwahl und kommender Bundestagswahl weiter verkürzt wurde. Die Gesetzesänderung hat er damit begründet, dass die parteiinternen Wahlen nicht in zu großem zeitlichen Abstand zur Bundestagswahl erfolgen sollten, da andernfalls nicht gewährleistet sei, dass das Ergebnis auch noch am Wahltag dem politischen Willen der Mitglieder der Partei und der sie repräsentierenden Vertreter entspreche. Auch sollten durch die Fristsetzung neuere Strömungen in der Partei berücksichtigt werden können. Je größer der Abstand zwischen den Wahlen der Vertreter, der Bewerberaufstellung und dem Wahltag sei, desto größer sei die Gefahr, dass die gewählten Vertreter und die von diesen gewählten Bewerber am Wahltag nicht mehr eine angemessene Repräsentation der Parteibasis und ihrer aktuellen politischen Meinung darstellten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach dem Gleichheitsprinzip auch neue Mitglieder in einer Partei einen Anspruch auf Teilnahme an der Kandidatenaufstellung hätten (vgl. BTDrucks 14/3764, S. 8).
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bb) Von einem Verstoß gegen die Fristbestimmung des § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG zu unterscheiden ist die Frage, welche Rückwirkungen sich hieraus für die Anwendbarkeit von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG ergeben. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche Verletzung einer Bestimmung des Bundestagswahlrechts ohne Weiteres dazu führt, dass eine Landesliste den "Anforderungen" nicht entspricht, die nach diesem ![]() ![]() | |
Das einfache Recht legt bereits nahe, ausschließlich auf diejenigen Anforderungen abzustellen, die für das Vorliegen eines gültigen Wahlvorschlags gemäß § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 BWahlG erfüllt sein müssen. Dabei fehlt es in § 25 Abs. 2 Satz 2 BWahlG, der die Voraussetzungen regelt, bei deren Erfüllung ein gültiger Wahlvorschlag nicht vorliegt, an einer ausdrücklichen Bezugnahme auf § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG.
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Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BWahlG liegt ein gültiger Wahlvorschlag nicht vor, wenn die Nachweise des § 21 BWahlG nicht erbracht sind. Als insoweit erforderliche Nachweise bestimmt § 21 Abs. 6 Satz 1 BWahlG lediglich die Niederschrift über die Aufstellungsversammlung mit Angaben über Ort und Zeit, Form der Einladung, Zahl der erschienenen Mitglieder und das Ergebnis der Abstimmung. Dabei soll gemäß § 39 Abs. 4 Nr. 3 BWahlO die Niederschrift nach dem Muster der Anlage 23 gefertigt werden. Demgemäß stellt der Versammlungsleiter fest, in welchem Zeitraum die Delegierten gewählt wurden und ob alle Erschienenen, die Anspruch auf die Stimmabgabe erhoben haben, stimmberechtigt waren. Neben der Vorlage der Niederschrift haben gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 21 Abs. 6 Satz 2 BWahlG der Versammlungsleiter und zwei weitere Versammlungsteilnehmer die Beachtung der Anforderungen gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BWahlG an Eides statt zu versichern.
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Die rechtzeitige Wahl der Delegierten gemäß § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG zählt demgegenüber nicht zu den Angaben, deren Richtigkeit eidesstattlich zu versichern ist. Demgemäß dürften die nach § 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BWahlG erforderlichen Nachweise erbracht sein, wenn eine ordnungsgemäße Sitzungsniederschrift vorliegt, aus der sich ergibt, dass die Aufstellung der Landesliste in geheimer Wahl stattgefunden hat, dabei alle stimmberechtigten Versammlungsteilnehmer vorschlagsberechtigt waren sowie alle Bewerber die Möglichkeit hatten, sich und ihr Programm in angemessener Zeit vorzustellen (§ 27 Abs. 5 i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BWahlG), und dieser Niederschrift die erforderlichen ![]() ![]() | |
cc) Diese Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG ist jedenfalls für den Fall, dass lediglich einzelne Delegierte für die Vertreterversammlung zur Aufstellung der Landesliste verfrüht gewählt wurden, an dieser aber nicht teilgenommen haben, mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich geboten. Zwar führt die Wahl einzelner Vertreter unter Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG dazu, dass diese bei der Vertreterversammlung weder stimm- noch vorschlagsberechtigt sind. Nehmen diese Delegierten an der Vertreterversammlung aber gar nicht teil, hat dies nicht zur Folge, dass die aufgestellte Landesliste zurückgewiesen werden muss, weil sie den Anforderungen des Bundeswahlgesetzes nicht entspricht. Verfassungsrechtlich findet dieses Ergebnis seine Begründung in dem Umstand, dass die Nichtzulassung einer Landesliste wegen der verfrühten Wahl einzelner Delegierter einen besonders schweren Eingriff in die Wahl- und Parteienfreiheit beinhaltet (1). Ein solcher würde nicht durch die Schutzzwecke des § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG gerechtfertigt (2). Die Betrachtung vergleichbarer Fallkonstellationen bestätigt das Ergebnis der Zulassungsfähigkeit einer Landesliste, die ohne die Beteiligung der in einzelnen Fällen verfrüht gewählten Delegierten zustande gekommen ist (3).
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(1) Die Nichtzulassung einer Landesliste allein wegen der verfrühten Wahl einzelner, an der Listenaufstellung nicht beteiligter Delegierter greift schwerwiegend in die Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG und in die Wahlfreiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG ein. ![]() | |
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Soweit der angegriffene Beschluss des Deutschen Bundestages dazu ausführt, es sei Sache der Parteien, durch Satzungsregelungen und Ordnungsmaßnahmen zu unterbinden, dass Parteigliederungen oder einzelne Mitglieder gegen die Interessen der Gesamtpartei handelten, rechtfertigt dies keine andere Einschätzung. Den Satzungsregelungen einer Partei kommt zwar nicht zuletzt hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der Teilnahme an der politischen Willensbildung eigenständige Bedeutung zu. Auch wenn in der Satzung einer Partei die Beachtung der Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG ausdrücklich eingefordert und deren Nichteinhaltung mit Sanktionen bis hin zum Parteiausschluss versehen würde, gewährleistete dies aber nicht, dass die verfrühte Wahl einzelner Delegierter tatsächlich unterbleibt. Selbst wenn die Landespartei aufgrund entsprechender – gegebenenfalls satzungsrechtlich festgeschriebener – Meldepflichten davon frühzeitig erführe, ist nicht ersichtlich, wie sie – über die bloße Aufforderung zur Wahlwiederholung hinaus – eine fristgerechte Delegiertenwahl gegenüber der jeweiligen Untergliederung durchsetzen könnte. Damit läge es aber in der Hand einzelner Kreisverbände oder sonstiger ent ![]() ![]() | |
Folgte man der vom Bundeswahlausschuss und dem Deutschen Bundestag vertretenen Auffassung, könnte der Landesverband einer Partei dem Risiko der Nichtzulassung seiner Landesliste auch nicht dadurch begegnen, dass er vor Beginn der entsprechenden Aufstellungsversammlung überprüfte, ob einzelne Delegierte verfrüht gewählt worden sind, und diese gegebenenfalls von der Versammlung ausschlösse. Dies hülfe nach der im angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung nicht darüber hinweg, dass die gesamte Landesliste an dem außerhalb des Einflussbereichs des Landesverbandes liegenden Makel einer verfrühten Delegiertenwahl litte, der für sich genommen ausreicht, die Landesliste zurückzuweisen. Eine solche Interpretation von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 5, § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG verkennt Bedeutung und Tragweite der Parteienfreiheit, die beinhaltet, dass eine Partei auf der jeweils betroffenen Ebene zumindest in der Lage sein muss, eigenständig einen gültigen Wahlvorschlag zu erstellen und einzureichen.
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(b) Nichts Anderes gilt mit Blick auf das durch die Zurückweisung der Liste betroffene aktive Wahlrecht der Wählerinnen und Wähler beziehungsweise das passive Wahlrecht der Listenkandidatinnen und -kandidaten. Mit der Nichtzulassung der Landesliste wird den Wählern die Möglichkeit genommen, sich zugunsten dieser Liste zu entscheiden. Zugleich wird es den aufgestellten Listenkandidaten unmöglich gemacht, sich für ein Bundestagsmandat zu bewerben, ohne dass sie darauf in irgendeiner Weise Einfluss nehmen könnten. Die Zurückweisung einer Landesliste stellt sich insoweit als ein schwerwiegender Eingriff vor allem in das passive Wahlrecht der Wahlbewerberinnen und -bewerber dar.
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(2) Demgegenüber werden bei der Aufstellung einer Landesliste ohne die Beteiligung verfrüht gewählter Delegierter die Schutzzwecke des § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG nicht in einem Maße berührt, dass die Nichtzulassung dieser Liste geboten wäre. ![]() | |
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(b) Daneben soll § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG das Wahlvorschlagsrecht relativ kurz vor der Listenaufstellung eingetretener Neumitglieder der jeweiligen Partei schützen. Auch insoweit überwiegt der Schutzzweck der Norm den Eingriff in die Parteien- und die Wahlfreiheit bei Zurückweisung der ohne Beteiligung der vorzeitig gewählten Delegierten aufgestellten Wahlliste nicht. Zwar mag bei einer vorzeitigen Vertreterwahl neuen Parteimitgliedern zunächst die Möglichkeit genommen sein, sich selbst um eine Benennung als Delegierter zu bemühen und von ihrem Wahl- beziehungsweise Wahlvorschlagsrecht Gebrauch zu machen. Nehmen die stattdessen bestimmten Delegierten ihr Mandat aber nicht wahr, besteht zumindest nicht das Risiko, dass die Listenaufstellung nur durch angestammte Parteimitglieder erfolgt und die gewählten Wahlbewerberinnen und -bewerber nicht den aktuellen Parteiwillen repräsentieren. Außerdem bleibt es den neuen Mitgliedern unbenommen, unter Hinweis auf den Verstoß gegen ![]() ![]() | |
(3) Dieses Ergebnis – eine Landesliste, an deren Aufstellung unter Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG gewählte Delegierte nicht teilgenommen haben, muss zugelassen werden – wird durch die Betrachtung vergleichbarer Fallkonstellationen bestätigt.
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(a) So dürfte eine ähnliche Situation gegeben sein, wenn fristgerecht gewählte Delegierte an der Vertreterversammlung nicht teilnehmen. Auch in diesem Fall könnten nicht als Vertreter gewählte Parteimitglieder an der Vertreterversammlung nicht teilnehmen und keine Wahlvorschläge machen. Gleichwohl dürfte die Ordnungsgemäßheit der Listenaufstellung in diesem Fall keinen Bedenken begegnen. Bleiben einzelne ordnungsgemäß gewählte Vertreter der Aufstellungsversammlung fern, dürfte dies für die Listenaufstellung jedenfalls solange ohne Belang sein, als dadurch die repräsentative Vertretung der Parteimitglieder nicht infrage gestellt wird.
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(b) Für die Richtigkeit des vorstehenden Ergebnisses spricht, dass die Zurückweisung einer Landesliste auch dann nicht in Betracht kommen dürfte, sollte im Rahmen einer Überprüfung der Stimmberechtigung der anwesenden Vertreter die vorzeitige Wahl einzelner Delegierter festgestellt und sollten diese von der Mitwirkung an der Vertreterversammlung ausgeschlossen werden. Könnte in diesem Fall trotz des Ausschlusses nicht stimmberechtigter Vertreter die Landesliste zurückgewiesen werden, wäre ihre Zulassung von Umständen abhängig, auf die die betroffene Landespartei letztlich keinen Einfluss hätte. Dies überspannte die Anforderungen an die Wahrnehmung des den Parteien zugewie ![]() ![]() | |
(c) Dahinstehen kann, ob eine andere Einschätzung geboten ist, sollten verfrüht gewählte Delegierte an der Listenaufstellung mitwirken. Folge eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG dürfte sein, dass den vorzeitig benannten Delegierten keine Stimm- oder sonstigen Mitwirkungsrechte auf der Vertreterversammlung zuwachsen. Nehmen sie trotzdem aktiv an der Aufstellung der Landesliste teil, setzt sich der Makel der vorzeitigen Wahl im Ergebnis der Landesliste fort. Ob in diesen Fällen die Landesliste gleichwohl zulassungsfähig wäre und inwiefern es dabei darauf ankommt, ob die Partei alle ihr rechtlich möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass nur stimmberechtigte Vertreter an der Listenaufstellung teilnehmen (vgl. in diese Richtung BVerfGE 89, 243 [257]; VerfGH Saarland, NVwZ-RR 2012, S. 169 [175]), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Im hier relevanten Zusammenhang fehlt es gerade an der Mitwirkung fehlerhaft gewählter Delegierter an der Bestimmung der Kandidatinnen und Kandidaten auf der Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1.
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d) Ist § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG demgemäß dahingehend auszulegen, dass eine Landesliste nicht allein deswegen zurückgewiesen werden darf, weil einzelne Delegierte, die nicht an der Vertreterversammlung zur Listenaufstellung teilgenommen haben, unter Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWahlG verfrüht gewählt wurden, durfte die Landesliste der Beschwerdeführerin zu 1. zur Wahl des 19. Deutschen Bundestages im Land Berlin nicht zurückgewiesen werden. Die Wahlausschüsse und der Deutsche Bundestag sind aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die vorzeitig gewählten Delegierten des Kreisverbandes (...) an der Vertreterversammlung zur Aufstellung der Landesliste am 8. Oktober 2016 nicht teilgenommen haben. Damit ist die Liste nicht unter Verstoß gegen die Anforderungen des Bundeswahlgesetzes im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWahlG zustande gekommen. Durch die gleichwohl erfolgte Zurückweisung der Liste wurden ![]() ![]() | |
D. | |
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG in Verbindung mit §§ 18, 19 WahlPrüfG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 131, 320 [239]).
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