Beschluß | |
des Ersten Senats vom 13. Juni 1979
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– 1 BvR 699/77 – | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer 1. a) Heribert F..., b) Christa F..., 2. a) Dr. Josef Sch..., b) Maria Sch..., 3 a) Eberhard K..., b) Marga K..., 4. a) Wolfgang H..., b) Renate H..., 5. a) Franz B ..., b) Franziska B ..., – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Wolfgang Hein und Dr. Bernd Petermann, Marschallstraße 39, Düsseldorf 30 – gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. August 1977 – V A 1364/77 –.
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Entscheidungsformel: | |
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, durch welches vorläufiger Rechtsschutz gegen die Auflösung einer katholischen Bekenntnisgrundschule versagt worden ist. Sie beanstanden die Entscheidung vor allem in zwei Punkten: Das Oberverwaltungsgericht sei unter Verfassungsverstoß nach § 123 VwGO statt gemäß § 80 VwGO verfahren. Ferner habe das Oberverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Auflösungsbeschlusses bejaht, obwohl die Auflösung der Schule der verfassungsrechtlich erforderlichen gesetzlichen Grundlage entbehrt habe.
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I.
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1. Die Beschwerdeführer sind Eltern von schulpflichtigen Kindern, die bis zum Ende des Schuljahres 1976/77 in Kapellen die inzwischen aufgelöste katholische Bekenntnisgrundschule besuchten. Die Gemeinde Kapellen wurde zum 1. Januar 1975 im Zuge der nordrhein-westfälischen Gemeindereform in die Stadt Moers eingegliedert.
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a) Der Rat der Stadt Moers ordnete die Auflösung dieser Schule zum Ende des Schuljahres 1976/77 an. Der Auflösungsbeschluß war auf § 8 des Schulverwaltungsgesetzes (SchVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. April 1975 (GV NW S. 398) und § 16a des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen (Schulordnungsgesetz – SchOG) vom 8. April 1952 (GV NW S. 61) in der Fassung vom 5. März 1968 (GV NW S. 36) gestützt. Er wurde damit begründet, daß die für einen geordneten Schulbetrieb erforderlichen Schülerzahlen nicht mehr erreicht würden. Den Schülern der aufzulösenden Schule wurde anheimgestellt, entweder eine in Kapellen befindliche Gemeinschaftsgrundschule oder eine andere katholische Bekenntnisgrundschule in der Stadtmitte von Moers zu besuchen. Den Eltern der Schulanfänger des Schuljahres 1977/78 wurde die katholische Grundschule Kapellen nicht mehr als Pflichtschule zur Wahl gestellt.
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Zur gleichen Zeit und aus den gleichen Gründen löste der Rat der Stadt Moers auch eine in dem zu Kapellen gehörenden Ortsteil Vennikel bestehende Gemeinschaftsgrundschule auf.
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b) Gegen die Auflösung der katholischen Grundschule Kapellen erhoben die Beschwerdeführer nach erfolglosem Widerspruch Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht.
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Zur vorläufigen Sicherung ihrer Rechte beantragten sie ferner den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Stadt Moers die erneute Durchführung eines Anmeldeverfahrens für die im Schuljahr 1977/78 schulpflichtig werdenden Kinder aufzugeben, bei welchem auch die katholische Grundschule Kapellen mit zur Wahl gestellt werde.
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Das Verwaltungsgericht sah hierin einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und gab diesem statt. Auf die Beschwerde der Stadt hin hob das Oberverwaltungsgericht den Beschluß auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück, da insoweit ein Verfahrensfehler vorliege, als es über den Antrag der Beschwerdeführer nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden habe; vorläufiger Rechtsschutz könne in derartigen Fällen nur über § 123 VwGO gewährt werden.
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Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO, mit welcher der Stadt Moers aufgegeben wurde, das Anmeldeverfahren für die Schulanfänger zu wiederholen und dabei auch die zur Auflösung vorgesehene katholische Grundschule Kapellen als Pflichtschule zur Wahl zu stellen.
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2. Auf Berufung der Stadt Moers hat das Oberverwaltungsgericht durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgehoben und den zugrunde liegenden Antrag der Beschwerdeführer auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgewiesen.
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a) Das Oberverwaltungsgericht befaßt sich in den Urteilsgründen zunächst mit der Form des zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutzes. Es verweist insoweit auf seine erstmals in einem Beschluß vom 27. Februar 1976 (DVBl. 1976, S. 948) vertretene Rechtsansicht, Widerspruch und Anfechtungsklage gegen schulische Organisationsakte hätten keine aufschiebende Wirkung. Vorläufiger Rechtsschutz gegen derartige Maßnahmen könne angesichts der besonderen Interessenlage nur durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung gewährt werden.
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Die gegen diese Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG erhobenen Einwendungen seien unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar dargelegt, daß die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses sei und Art. 19 Abs. 4 GG einen effektiven Rechtsschutz garantiere. Irreparable Entscheidungen, wie sie durch die Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten könnten, seien daher soweit als möglich auszuschließen. Daraus ergebe sich aber noch nicht, wie die in § 80 VwGO für derartige Schulorganisationsakte bestehende Regelungslücke zu schließen sei. Dazu müßten die konkreten Interessen näher abgewogen werden. Es sei Aufgabe der Gerichte, atypische Hoheitsakte in das bestehende Rechtsschutzsystem einzuordnen. Bei schulischen Organisationsakten sei nicht nur der einzelne Kläger davor zu schützen, daß die Behörde vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vollendete Tatsachen schaffe, sondern in solchen Konfliktsituationen seien die Interessen zahlreicher Beteiligter ineinander verflochten. Billige man Widerspruch und Klage eines einzelnen Schülers gegen schulische Organisationsakte auch ohne Glaubhaftmachung individueller Nachteile stets aufschiebende Wirkung zu, so blieben die Interessen der übrigen Betroffenen unberücksichtigt. Außerdem lasse sich das Interesse des einzelnen Klägers, individuell vorläufigen Rechtsschutz zu erhalten, gerade bei schulischen Organisationsakten im Verfahren nach § 123 VwGO durchaus befriedigen.
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b) Das Oberverwaltungsgericht führt weiter aus, die Auflösung der Schule sei rechtmäßig, weil diese nicht mehr die Voraussetzungen eines geordneten Schulbetriebs erfüllt habe. Die vorhandene gesetzliche Regelung sei zwar, gemessen an rechtsstaatlichen Prinzipien, nicht hinreichend bestimmt, um als Rechtsgrundlage für die Auflösung einer Schule wegen zu geringer Schülerzahlen zu dienen; denn es fehle das wesentliche Kriterium einer gesetzlich festgelegten Mindestschülerzahl. Für eine Übergangszeit könne man jedoch davon ausgehen, daß Grundschulen mit weniger als 120 Schülern den Voraussetzungen eines geordneten Schulbetriebs nicht mehr entsprächen und daher aufzulösen seien. Räume man keine Übergangsfrist ein, dürften auch Kleinstschulen mit weniger als 120 Schülern weder aufgelöst noch zusammengelegt werden. Der dadurch verursachte Zustand schulischer Unordnung könne jedenfalls dann nicht hingenommen werden, wenn die Auflösung der Schule unvermeidbar erscheine. Das sei – wofür auch eine inzwischen gefestigte Verwaltungspraxis und die vorgesehenen gesetzlichen Neuregelungen sprächen – der Fall, wenn eine Grundschule weniger als 120 Schüler habe.
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Die Stadt Moers habe zutreffend festgestellt, daß diese Mindestschülerzahl bei der katholischen Grundschule Kapellen nicht mehr erreicht werde. Deren Schülerzahl sei von 166 im Schuljahr 1972/73 stetig auf 107 im Schuljahr 1976/77 zurückgegangen. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß diese Entwicklung durch sachwidriges Verhalten der Stadt Moers verursacht worden sei. Ebensowenig lasse sich für die Zukunft eine grundlegende Änderung der Entwicklung erkennen.
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II.
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Gegen dieses Urteil des Oberverwaltungsgerichts haben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt.
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Sie rügen die Verletzung der Art. 2, 4, 6, 7, 12, 19 Abs. 4, 20, 80 und 123 GG. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgetragen:
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1. Die bisher nur vom Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung, bei Schulorganisationsakten könne vorläufiger Rechtsschutz nicht im Rahmen des § 80 VwGO gewährt werden, verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. § 80 Abs. 1 VwGO sei seinem eindeutigen Wortlaut nach auf schulische Organisationsakte anwendbar. Auch behördliche Maßnahmen innerhalb eines besonderen Gewaltverhältnisses seien zumindest dann Verwaltungsakte, wenn sie in die persönliche Rechtsstellung des Betroffenen eingriffen; Rechtsbehelfe hiergegen hätten aufschiebende Wirkung. Anderes könne auch im Schulverhältnis nicht gelten. Die vom Oberverwaltungsgericht herangezogene Lehre vom sogenannten dinglichen Verwaltungsakt sei hier nicht anwendbar. Diese Lehre sei nur als Regelung sachenrechtlicher Beziehungen akzeptiert worden, deren Kriterien die Adressatlosigkeit und die intransitive Wirkung seien. Hingegen stelle sich das Schulverhältnis als primär personelle Beziehung zwischen Staat, Eltern, Schülern und Lehrern dar. Zu dinglichen Verwaltungsakten würden Schulorganisationsakte auch nicht dadurch, daß sie die Interessen einer Vielzahl von rechtlich Betroffenen berührten; diese Interessenlage sei bei allen Verwaltungsakten mit Doppelwirkung gegeben. Im übrigen schreibe § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO die aufschiebende Wirkung ausdrücklich auch für rechtsgestaltende Verwaltungsakte vor. Nur die in § 80 Abs. 2 VwGO enumerativ bestimmten Fälle seien von der aufschiebenden Wirkung ausgeschlossen.
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§ 80 Abs. 1 VwGO sei eine Auswirkung des Rechtsstaatsprinzips, insbesondere der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Der Bürger habe Anspruch auf einen wirksamen Rechtsschutz für seine grundgesetzlich gewährleisteten Rechtspositionen. Der Rechtsschutz werde hinfällig ohne die aufschiebende Wirkung der Klage. Diese sei daher ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses. Nach § 123 VwGO hingegen könne den Beschwerdeführern kein hinreichender vorläufiger Rechtsschutz gesichert werden.
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Einer Einordnung des vorliegend zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutzes in § 80 VwGO stünden auch nicht überwiegende Interessen anderer Beteiligter entgegen. Alle von der Schulauflösung betroffenen Eltern hätten bereits mit der Einschulung ihrer Kinder zum Ausdruck gebracht, daß diese eine katholische Bekenntnisgrundschule besuchen sollten. Im Falle einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen den Auflösungsbeschluß hätten die anderen Eltern die Möglichkeit, ihre Rechte notfalls im Beschwerdeweg wahrzunehmen. Andererseits könne man nicht davon ausgehen, daß alle Eltern, die nicht gegen die Auflösung klagten, mit dieser auch einverstanden seien. Im übrigen räume das Oberverwaltungsgericht selbst ein, daß den Interessen von Drittbeteiligten auch bei Anwendung des § 80 VwGO Rechnung getragen werden könne, wenn auch "weniger gut". Welche Regelung dann aber besser sei, müsse der Gesetzgeber entscheiden; dem Oberverwaltungsgericht stehe eine Entscheidung entgegen dem bestehenden Gesetz nicht zu.
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2. Das Oberverwaltungsgericht gehe zwar davon aus, daß die bisherigen Bestimmungen keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Auflösung einer Schule darstellten. Soweit es aber die Auffassung vertrete, für eine Übergangszeit sei von Klassenstärkezahlen auszugehen, die es selbst festgesetzt habe, könne ihm nicht gefolgt werden.
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Eine Übergangsfrist könne nicht (mehr) anerkannt werden. Daß wesentliche schulrechtliche Entscheidungen der gesetzlichen Regelung durch das Parlament bedürften, sei keineswegs eine neue Erkenntnis. Bezüglich der Regelung der maßgeblichen Klassenstärke einer Schule habe das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 17. Dezember 1975 (BVerfGE 41, 88) dem Verordnungsgeber in Nordrhein-Westfalen nur eingeräumt, zunächst zuverlässige, einigermaßen konstante Zahlen abzuwarten; für den Fall wesentlich geringerer Klassenstärken als bisher sei der Verordnungsgeber verpflichtet worden, daraus die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Eine solche veränderte Situation sei in Nordrhein-Westfalen aber schon 1975 gegeben gewesen; denn bereits 1973 habe die durchschnittliche Klassenfrequenz aller Grundschulen 31,4 Schüler betragen; sie sei bis Herbst 1974 auf 30,4 Schüler abgesunken.
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Seit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 1975 seien bis zur Schließung der katholischen Grundschule Kapellen weitere 1 1/2 Jahre vergangen, in denen es nicht zu einer – der neuen Lage entsprechenden – gesetzlichen Regelung über die Mindestschülerzahlen einer Grundschule gekommen sei; die parlamentarische Arbeit sei insoweit ersichtlich sehr verzögerlich gehandhabt worden.
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Im übrigen könnten selbst während einer Übergangsfrist nur unerläßliche Maßnahmen getroffen werden. Insoweit habe das Oberverwaltungsgericht seine Ansicht, daß die Auflösung einer Grundschule bei einer von ihm selbst konstruierten Schülerzahl erfolgen könne, nicht näher begründet. Andererseits habe es selbst darauf hingewiesen, daß für die Klassenstärkezahlen die längerfristige Entwicklung beachtet werden müsse; dann hätte es aber folgerichtig auch feststellen müssen, daß die Verwaltungsbehörde vor einem solchen Eingriff mit Dauerwirkung, wie ihn die Schulauflösung darstelle, das Ende der sich anbahnenden gesetzgeberischen Entwicklung hätte abwarten müssen. Bei seiner eigenen Festlegung der maßgeblichen Schülerzahlen stütze sich das Oberverwaltungsgericht auf unbewiesene Hypothesen, die von den Beschwerdeführern nicht überprüft werden könnten; hierin liege eine weitere Beschränkung des Rechtsweges.
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III.
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Zu den Verfassungsbeschwerden haben der Ministerpräsident für die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen und die Stadt Moers Stellung genommen.
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1. Der Ministerpräsident hat zunächst darauf hingewiesen, daß vor der Neuordnung des Grundschulbereichs im Stadtteil Moers-Kapellen drei Gemeinschafts- und eine Bekenntnisgrundschule bestanden hätten. Im Schuljahr 1976/77 hätten die Gemeinschaftsschule Kapellen 285 Kinder, die Gemeinschaftsschule Achterathsfeld 227 und die Gemeinschaftsschule Vennikel 124 Kinder besucht; 107 Kinder seien in die Bekenntnisschule Kapellen-Mitte gegangen. Aus den rückläufigen Geburtenzahlen und den daraus resultierenden voraussichtlichen Einschulungszahlen sei abzulesen gewesen, daß langfristig die Zahl der Schüler für den Fortbestand von vier Grundschulen nicht ausreichen werde. Daher seien schulorganisatorische Maßnahmen erforderlich geworden.
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Ein weiteres Hinausschieben solcher Maßnahmen hätte in pädagogischer Hinsicht Nachteile für die Kinder nicht nur der Bekenntnisschule, sondern auch der Gemeinschaftsschulen gebracht. Denn die Verteilung der Lehrkräfte wäre in unverantwortlicher Weise erschwert worden. Die Lehrerzuweisung richte sich nicht nach der Anzahl der Klassen, sondern nach der Zahl der in einer Schule vorhandenen Schüler. Eine Grundschule mit vier zahlenmäßig nur schwachen Klassen könne nicht mit vier Lehrern rechnen, sondern erhalte weniger Lehrkräfte (entsprechend der jeweiligen Schüleranzahl) zugeteilt. Dies müsse aber im Hinblick auf den Stundenbedarf von vier Klassen einerseits, der durchschnittlichen Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte andererseits zwangsläufig zu einem erheblichen Unterrichtsausfall führen. Besonders schwierig werde die Lage bei derart kleinen Schulen im Falle der Krankheit eines Lehrers.
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Im Hinblick auf die sinkenden Schülerzahlen und die angestrebte gesetzliche Neuregelung habe der Kultusminister die Regierungspräsidenten angewiesen, bei Schulschließungen wegen zu geringer Schülerzahl die Mindestzahl von 120 zugrunde zu legen und die erforderlichen Maßnahmen behutsam zu treffen. Schulorganisatorische Maßnahmen sollten nur dort durchgeführt werden, wo sie auch nach der angestrebten neuen Rechtslage Bestand haben würden. Entsprechend sei auch verfahren worden.
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Bei der Auflösung von Schulen wegen zu geringer Schülerzahlen werde nicht nach Gemeinschafts- und Bekenntnisschulen differenziert; beide würden gleichbehandelt.
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Von einer Stellungnahme zu den durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen prozessualen Rechtsfragen hat der Ministerpräsident abgesehen.
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2. Die Stadt Moers hat folgendes vorgetragen:
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Soweit die Verwaltungsrechtsprechung den Rechtsschutz gegenüber der Vollziehung angefochtener Verwaltungsakte mit Doppel- oder Mehrfachwirkung in das Verfahren nach § 123 VwGO verweise, verkürze sie nicht verfassungswidrig den Justizgewährungsanspruch; denn insgesamt bestehe ein praktisch ins Gewicht fallender Unterschied zwischen dem vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 und dem nach § 123 VwGO weder in der Gestaltung des Verfahrens noch in den materiellen Prüfungsmaßstäben.
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Das Oberverwaltungsgericht habe die von ihm angenommene Fortdauer einer Übergangsfrist bis zur gesetzlichen Regelung der Schulauflösungsvoraussetzungen zu Recht mit der Erwägung begründet, daß die sich sonst selbst für Kleinschulen ergebende Auflösungssperre jedenfalls zeitweilig eine Fortführung und Realisierung der gemeindlichen Schulentwicklungsplanung und ein dem Anspruch auf Chancengleichheit gerecht werdendes gleichmäßiges Bildungsangebot verhindern würde.
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Für die Stadt Moers habe sich die Situation auf der Grundlage einer Mitte 1976 durchgeführten Erhebung folgendermaßen dargestellt: Während für das Schuljahr 1976/77 noch eine voraussichtliche Einschulungszahl von 178 Kindern habe erwartet werden können, würde sich diese Zahl bis zum Schuljahr 1981/82 kontinuierlich auf etwa 75 Kinder verringern. Auf diesen erheblichen Rückgang der Schulkinderzahlen habe sich die Schulentwicklungsplanung in Moers einstellen müssen. Die katholische Grundschule Kapellen habe im letzten Schuljahr ihres Bestehens 107 Schüler gehabt. Nach Abgang der Schüler des vierten Schuljahres wären der Schule 70 Kinder verblieben. Für das neue erste Schuljahr hätten in ganz Kapellen 32 katholische Kinder zur Einschulung angestanden; ferner wären nach der Auflösung der Gemeinschaftsgrundschule Vennikel 26 katholische Kinder verschiedener Schuljahrgänge für den Besuch der katholischen Grundschule Kapellen in Betracht gekommen. Man könne aber keineswegs davon ausgehen, daß alle diese neu einzuschulenden oder umzuschulenden Kinder sich für die katholische Grundschule entschieden hätten. Vielmehr habe man unter Berücksichtigung des Ausgangs des Anmeldeverfahrens, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, allerhöchstem mit einer Gesamtschülerzahl von 114 Schülern bei der katholischen Grundschule rechnen können. Dies sei jedoch lediglich die im Sinne der katholischen Grundschule günstigste denkbare Möglichkeit gewesen; die Stadt Moers habe auch mit anderen Zahlen rechnen müssen, und zwar insbesondere mit den nach den bisherigen Erfahrungen nächstliegenden, die auf eine weit geringere Gesamtschülerzahl für die katholische Grundschule hindeuteten. Eine weitere Aufrechterhaltung dieser Schule würde die gesamte Durchführung der Schulentwicklungsplanung blockiert haben. Bei der Auflösung von Schulen sei weder in diesem noch in anderen Fällen nach Gemeinschafts- oder Konfessionsschulen unterschieden worden.
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Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Die Beschwerdeführer haben hinreichend dargelegt, daß sie durch das angegriffene Urteil in Grundrechten verletzt seien. Das gilt nicht nur, soweit sie geltend machen, durch die Auflösung der katholischen Grundschule in ihrem elterlichen Wahlrecht für die Schule ihrer Kinder beeinträchtigt zu sein (vgl. BVerfGE 34, 165 [179]; 45, 400 [412]), sondern auch soweit sie eine Verletzung ihres verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz durch die Anwendung des § 123 VwGO rügen.
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Auch wenn einige Kinder inzwischen die Grundschule durchlaufen haben sollten, ist damit ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung einer etwaigen Grundrechtswidrigkeit nicht entfallen. Würde man das Rechtsschutzbedürfnis verneinen, so würde der Grundrechtsschutz der Beschwerdeführer in unzumutbarer Weise verkürzt (vgl. BVerfGE 41, 88 [105]).
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Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet.
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I.
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Das prozessuale Vorgehen des Oberverwaltungsgerichts bei der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes verletzt keine Grundrechte der Beschwerdeführer.
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1. In der Verwaltungsgerichtsordnung ist der vorläufige Rechtsschutz einerseits in § 80, andererseits in § 123 geregelt.
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a) Unter § 80 VwGO fallen die Verfahren, bei denen die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung; dies gilt auch bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten.
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In § 80 Abs. 2 VwGO sind eine Reihe von Fällen normiert, in welchen die aufschiebende Wirkung entfällt, darunter die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes durch die Behörde im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Hat die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet, so kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 VwGO).
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Bei dieser Entscheidung hat das Gericht die Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners gegeneinander abzuwägen. Bereits überschaubare Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind in die Überlegungen mit einzubeziehen. Außer den Interessen von Antragsteller und Antragsgegner sind auch alle sonst betroffenen öffentlichen oder privaten Interessen zu berücksichtigen, auch diejenigen sonstiger Beteiligter (zu den Voraussetzungen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO im einzelnen vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., 1977, Anm. 47 ff. zu § 80; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl., 1977, Anm. 12 zu § 80; Redeker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl., 1978, Anm. 46 zu § 80).
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b) § 123 VwGO erfaßt alle Fälle, die nicht durch § 80 VwGO geregelt sind; demgemäß ist in § 123 Abs. 5 VwGO bestimmt, daß die in § 123 Abs. 1 bis 4 VwGO getroffenen Regelungen nicht für die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts oder die Beseitigung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gelten.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen. Voraussetzung des Erlasses ist, daß der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, es bestehe ein Recht oder rechtlich geschütztes Interesse (Anordnungsanspruch), das durch das Verhalten der öffentlichen Gewalt gefährdet sei (Anordnungsgrund). Die Entscheidung, ob die einstweilige Anordnung erlassen werden soll, liegt auch hier – jedenfalls nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur – im Ermessen des Gerichts. Es hat die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Nach überwiegender Ansicht muß das Gericht aufgrund einer Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen über den Erlaß der Anordnung entscheiden, wobei diese Interessenabwägung nach den gleichen Grundsätzen zu erfolgen hat, welche die Gerichte bei der Aussetzung des sofortigen Vollzugs nach § 80 Abs. 5 VwGO zu leiten haben (vgl. dazu im einzelnen Eyermann-Fröhler, a.a.O., Anm. 7 zu § 123 VwGO; Kopp, a.a.O., Anm. 7 zu § 123 VwGO; Redeker-von Oertzen, a.a.O., Anm. 17 zu § 123 VwGO).
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2. Die Einordnung bestimmter Fallgruppen von Verwaltungsakten in das dargestellte System des vorläufigen Rechtsschutzes hat zu erheblichen Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten in Rechtsprechung und Literatur geführt.
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Dies gilt in erster Linie für die sogenannten Verwaltungsakte mit Dritt- oder Mehrfachwirkung (vgl. dazu Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 1973, Rdnrn. 336 ff.; ders., DVBl. 1977, S. 677; Luke, NJW 1978, S. 81; das Thema war auch Gegenstand der Beratungen des Fünften Deutschen Verwaltungsrichtertages vom 21.-24. September 1977 in Mannheim, vgl. dazu den Bericht von Ortloff, in: DVBl. 1978, S. 96 [102]). Die Einordnung dieser Verwaltungsakte ist deshalb problematisch, weil die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage des Drittbelasteten für den Adressaten des Verwaltungsakts bedeutet, daß er von dem ihn begünstigenden Verwaltungsakt keinen Gebrauch machen kann. Teilweise hat daher die Rechtsprechung diese Verwaltungsakte aus dem Anwendungsbereich des § 80 VwGO herausgenommen und dem Drittbetroffenen vorläufigen Rechtsschutz im Wege des Verfahrens der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gewährt (so z.B. OVG Münster, OVGE 22, 247 [249 ff.]; OVG Koblenz, AS l, 400 [402]; OVG Saarlouis, AS 10, 376 [377]; Hess. VGH, NJW 1966, S. 2183 [2184]; OVG Berlin, DÖV 1967, S. 174). Dieser Auffassung hat sich jedoch das Bundesverwaltungsgericht nicht angeschlossen. In einem Beschluß vom 21. Oktober 1968 (NJW 1969, S. 202 [203]; siehe nunmehr auch BVerwGE 49, 244 [250]) hat es auch für diese Verwaltungsakte den vorläufigen Rechtsschutz auf § 80 VwGO gestützt und die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe anerkannt (ebenso BayVGH, VGH n.F. 11, 93; VGH Baden-Württemberg, ES VGH 18, 65; OVG Lüneburg, NJW 1970, S. 963, sowie DVBl. 1977, S. 732). Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben sich nunmehr auch Oberverwaltungsgerichte, die bisher § 123 VwGO zugrunde legten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen und wenden jetzt § 80 VwGO an (vgl. OVG Koblenz, NJW 1977, S. 595 [596 f.]; OVG Berlin, OVGE Bln. 10,103 [104]).
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Auf der Grundlage dieser schon seit langem bekannten Probleme bei der Anwendung des § 80 VwGO ist der Streit über die Einordnung sogenannter Schulorganisationsakte in das System des vorläufigen Rechtsschutzes der Verwaltungsgerichtsordnung entstanden.
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Derartigen Schulorganisationsakten – wie der Schließung einer Schule – wird, wenn sie die Rechtsstellung der Eltern, Lehrer oder Schüler betreffen und damit unmittelbare Außenwirkung haben, die Qualität eines Verwaltungsaktes zugesprochen (vgl. BVerwGE 18, 40 [41]; ferner BVerwG, DVBl. 1966, S. 862, und DVBl. 1978, S. 640; OVG Lüneburg, DÖV 1961, S. 793, sowie DÖV 1974, S. 285; VG Darmstadt, DVBl. 1974, S. 884; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, Anm. 3 zu § 35; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, 1976, S. 54 Rdn. 119; Luke, NJW 1978, S. 81 [82]; zum Ganzen auch Krebs, VerwArch 1978 [69. Bd.], S. 231).
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Die Schließung einer Grundschule kann daher von den Eltern, die mit diesen Maßnahmen nicht einverstanden sind, mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden. Nach dem oben dargestellten System des vorläufigen Rechtsschutzes müßten diese Rechtsbehelfe grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung haben; nach Anordnung der sofortigen Vollziehung des Auflösungsbeschlusses durch die zuständige Schulbehörde käme die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 VwGO in Betracht.
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Hiergegen hat sich seit 1976 der V. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster ausgesprochen. In mehreren Entscheidungen (vom 27.2.1976, DVBl. 1976, S. 948; vom 17.8.1976 – V B 776/76 –; vom 20.12.1976 V B 1639/76 –; vom 1.4.1977 – V A 2192/76 –; vom 2.6.1977, DVBl. 1978, S. 116) sowie in dem mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Ansicht vertreten, bei schulischen Organisationsakten finde vorläufiger Rechtsschutz nicht über § 80 VwGO, sondern im Rahmen des § 123 VwGO statt. Die Überlegungen, die das Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner Rechtsmeinung anführt, sind im einzelnen bereits oben dargelegt worden.
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Das Oberverwaltungsgericht ist jedoch mit dieser Rechtsansicht allein geblieben. Es hat – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum Zustimmung, hingegen in erheblichem Umfang Kritik erfahren (ablehnend z.B. VG Schleswig, DVBl. 1978, S. 117; Krebs, VerwArch 1978 [69. Bd.], S. 231 [238 ff.]; Luke, NJW 1978, S. 81 [86]; Stelkens, in: Stelkens-Bonk-Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1978, Rdnr. 133 zu § 35; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, Anm. 2b zu § 80; Petermann, DVBl. 1978, S. 94 f.). Vor allem jedoch hat das Bundesverwaltungsgericht die vom Oberverwaltungsgericht vorgeschlagene Anwendung des § 123 VwGO auf Schulauflösungsbeschlüsse eindeutig abgelehnt. In einer Entscheidung vom 24. April 1978 (DVBl. 1978, S. 640 f.) setzt sich das Bundesverwaltungsgericht ausführlich mit der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts auseinander und kommt zu dem Ergebnis, daß auch schulische Organisationsakte unter die Regelung des § 80 VwGO fallen. (Dieser Meinung hat sich nunmehr auch das OVG Münster in einem Urteil vom 18. August 1978 – V A 1757/78 – angeschlossen.)
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3. Dieser Frage des Verwaltungsprozeßrechts braucht nicht weiter nachgegangen zu werden; denn im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren hat das Bundesverfassungsgericht nur zu prüfen, ob die vom Oberverwaltungsgericht im angegriffenen Urteil gewählte Verfahrensweise hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte der Beschwerdeführer verletzt hat.
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a) Die Nichtanwendung des § 80 VwGO im vorliegenden Fall verletzt das in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Grundrecht der Beschwerdeführer auf effektiven Rechtschutz nicht.
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aa) Das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur einen Rechtsweg überhaupt, sondern darüber hinaus, daß der Rechtsschutz auch effektiv ist. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263 [274]; 35, 382 [401]; 25, 352 [365]; 37, 150 [153]; 40, 272 [275]; 46, 166 [178]). Art. 19 Abs. 4 GG hat gerade im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes eine erhebliche Bedeutung. Sie liegt auch darin, die "Selbstherrlichkeit" der vollziehenden Gewalt gegenüber dem Bürger zu beseitigen (vgl. BVerfGE 10, 264 [267]). Daher soll nicht nur jeder Akt der Exekutive, der in Rechte des Bürgers eingreift, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig der richterlichen Prüfung unterstellt werden (vgl. BVerfGE 18, 203 [212]), sondern es sollen durch Art. 19 Abs. 4 GG auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich ausgeschlossen werden. Hierin liegt die verfassungsrechtliche Bedeutung des Suspensiveffekts verwaltungsprozessualer Rechtsbehelfe, ohne den der Verwaltungsrechtsschutz wegen der notwendigen Verfahrensdauer häufig hinfällig würde (vgl. BVerfGE 35, 263 [274]; 35, 382 [401 f.]; 46, 166 [178]). Andererseits gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsprozeß nicht schlechthin (BVerfGE 11, 232 [233]). Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Einzelnen einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfGE 35, 382 [402]). Dies muß jedoch die Ausnahme bleiben. Eine Verwaltungspraxis, die dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrte, indem z.B. Verwaltungsakte generell für sofort vollziehbar erklärt würden, wäre mit der Verfassung nicht vereinbar.
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bb) Da die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG nicht schlechthin und ausnahmslos verfassungsrechtlich garantiert ist, erscheint es auch nicht von Verfassungs wegen geboten, jeden Verwaltungsakt, unabhängig von den besonderen Umständen, dem auf dem Suspensiveffekt aufbauenden Rechtsschutzsystem des § 80 VwGO zu unterstellen. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Bürger im dargelegten Sinne ein verfassungsrechtlich ausreichender effektiver Rechtsschutz gewährt wird, mag dies auch auf andere Weise als durch (automatisch eintretende oder gerichtlich wiederhergestellte) aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs geschehen.
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cc) Vergleicht man die Rechtsschutzverfahren nach § 80 und § 123 VwGO, so ergibt sich, daß – trotz bestehender Unterschiede – auch der Weg über § 123 VwGO bei den Schulorganisationsakten geeignet ist, einen im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG ausreichenden effektiven vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
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Unterschiede zwischen den Verfahrensarten bestehen sowohl in der Ausgestaltung des Verfahrens als auch im Inhalt der möglichen vorläufigen Anordnungen. Die Anwendung des § 80 VwGO bringt dem Betroffenen zunächst den Vorteil, daß die Einlegung eines Rechtsbehelfs automatisch zur Suspension der angefochtenen Entscheidung führt, während er bei § 123 VwGO durch einen besonderen Antrag bei Gericht initiativ werden muß, um vorläufigen Rechtsschutz zu erhalten. Andererseits ist zu bedenken, daß der Betroffene dann, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts wegen besonderen öffentlichen Interesses anordnet, auch im Rahmen des § 80 VwGO als Antragsteller versuchen muß, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu erreichen. Allerdings ist auch in diesem Fall seine prozessuale Position im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO günstiger als nach § 123 VwGO; denn bei letzterem Verfahren hat er die Darlegungslast.
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Die Behandlung der Anträge nach § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO ähnelt sich im übrigen: In beiden Fällen muß das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung eine Abwägung der öffentlichen und der beteiligten privaten Interessen vornehmen. Bei den zu treffenden Maßnahmen unterscheiden sich die beiden Verfahrensarten dann wieder: § 80 Abs. 5 VwGO sieht nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, also die Suspension des Vollzugs des Verwaltungsakts vor, während das Gericht im Rahmen des § 123 VwGO flexibler reagieren, nämlich die ihm letztlich geeignet erscheinenden Maßnahmen treffen kann. Insgesamt ist damit der betroffene Bürger im Falle der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Vollzug eines Verwaltungsaktes nach § 123 VwGO zwar teilweise ungünstiger gestellt als im Verfahren des § 80 VwGO; aber auch im ersten Fall kann ihm effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gewährt werden.
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b) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
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Wird bei Schulorganisationsakten – wie der Schließung einer Schule – § 123 VwGO herangezogen, so lassen sich hierfür Argumente anführen, die zwar diese Lösung nicht als geboten, die Ungleichbehandlung gegenüber anderen, in das System des § 80 VwGO eingereihten belastenden Verwaltungsakten aber nicht als willkürlich erscheinen lassen. Die Schulauflösung stellt einen Verwaltungsakt besonderer Eigenart dar, der nicht ein – im Regelfall des Verwaltungsakts gegebenes – Rechtsverhältnis einer Behörde zu einem Einzelnen regelt, sondern die Neuordnung der Schulorganisation bezweckt und Eltern oder Schüler nur folgeweise betrifft, und zwar in gleicher Weise nicht nur die mit der Neuordnung nicht einverstandenen, sondern auch alle übrigen Eltern, Schüler und Lehrer der aufgelösten Schule und möglicherweise auch anderer Schulen, denen die Personal- und Sachmittel der aufgelösten Schule zur Verfügung gestellt werden könnten. Die hierzu angestellten Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts können jedenfalls nicht als sachfremd angesehen werden.
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c) Im übrigen handelt es sich bei dem Problem der Einordnung der Schulorganisationsakte in das System des vorläufigen Rechtsschutzes um eine Frage des Verwaltungsprozeßrechts, über welche die zuständigen Fachgerichte zu befinden haben. Dafür, daß das Oberverwaltungsgericht die Grenzen der verfassungsrechtlich zulässigen Rechtsfortbildung überschritten hätte (vgl. hierzu BVerfGE 34, 269 – "Soraya"; 35, 263 [279]; 49, 304), sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Ob die Lösung des Oberverwaltungsgerichts einfachrechtlich als zutreffend zu beurteilen ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden.
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II.
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Der Auflösungsbeschluß verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip und verletzt keine Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG.
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Das Oberverwaltungsgericht hat – insoweit in Übereinstimmung mit den Beschwerdeführern – angenommen, daß die in dem Zeitpunkt des beanstandeten Schulauflösungsbeschlusses geltende gesetzliche Regelung keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Rechtsgrundlage für die Auflösung einer Schule gewesen sei. Es hat jedoch für eine Übergangszeit die verfassungsrechtlich an sich gebotene gesetzliche Grundlage für entbehrlich gehalten, da andernfalls ein untragbarer Zustand schulischer Unordnung entstünde.
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1. Die Anerkennung einer Übergangsfrist, innerhalb der trotz der unzureichenden gesetzlichen Grundlage Schulauflösungen möglich waren, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Grundsätzlich hat die Feststellung, daß eine Verwaltungsmaßnahme, die in einen grundrechtlich geschützten Bereich eingreift, der verfassungsrechtlich gebotenen gesetzlichen Grundlage entbehrt, zwar die Aufhebung dieser Maßnahme zur Folge (BVerfGE 41, 251 [266]). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in einer Reihe von Fällen, in welchen eine verfassungsrechtlich ursprünglich unbedenkliche Maßnahme aufgrund einer gewandelten Rechtsauffassung oder völlig veränderter tatsächlicher Umstände, die der bisherigen gesetzlichen Regelung zugrunde lagen, verfassungsrechtlich bedenklich geworden ist, die Notwendigkeit von Übergangsfristen anerkannt, in welchen der Gesetzgeber die Gelegenheit einer verfassungsmäßigen (Neu-) Regelung haben sollte (vgl. BVerfGE 21, 12 [40 ff.]; 23, 242 [257]; 25, 167 [179 f.]; 33, 1 [12 f.]; 33, 303 [348]; 40, 276 [283]; 41, 251 [266 f.]). Eine solche Übergangsfrist kann insbesondere dann notwendig sein, wenn eine sonst eintretende Funktionsunfähigkeit staatlicher Einrichtungen vermieden werden soll, die der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als der bisherige Zustand (BVerfGE 33, 1 [12 f.]; 33, 303 [347]; 41, 251 [267]). Bei der Zubilligung von Übergangsfristen ist nach der Schwere des Eingriffs zu differenzieren: Je tief ergreifend eine Verwaltungsmaßnahme Grundrechte des Betroffenen berührt, desto strengere Anforderungen sind an die Einräumung von Übergangsfristen und die innerhalb dieser Fristen unerläßlichen Maßnahmen zu stellen; ist der Eingriff weniger schwerwiegend, kann eine großzügigere Anerkennung von Übergangsfristen in Betracht kommen. In dem Fall, welcher der Entscheidung in BVerfGE 41, 251 zugrunde lag, ging es um einen Eingriff von großer Tragweite, nämlich den Ausschluß eines Kollegialen aus dem zur Hochschulreife führenden Kolleg ganz kurz vor Ablegung der Abschlußprüfung; der im vorliegenden Fall zu beurteilende Eingriff kann hingegen als für die Beschwerdeführer weniger schwer angesehen werden, da für einen entsprechenden anderweiten Schulbesuch ihrer Kinder – wenn auch unter Inkaufnahme gewisser Unbequemlichkeiten – gesorgt ist und dies auch in anderen Fällen entsprechender Schulauflösungen regelmäßig der Fall sein wird.
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Würde die Übergangsfrist versagt, so hätten praktisch bis zum Ende des Schuljahres 1978/79 Schulauflösungen wegen zu geringer Schülerzahl im gesamten Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht durchgeführt werden können. Denn erst das Gesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 1978 (GV NW S. 80) hat in dem neugefaßten § 16a die als erforderlich angesehene gesetzliche Grundlage gebracht. Da einerseits Schulauflösungen nur zum Ende eines Schuljahres in Betracht kommen, andererseits der Schulauflösungsbeschluß sorgfältige Prüfung und Vorbereitung voraussetzt, konnte eine Auflösung auf der Grundlage dieser am 2. März 1978 in Kraft getretenen Regelung kaum mehr bis zum Ende des Schuljahres 1977/78 bewerkstelligt werden. Eine solche länger dauernde völlige Blockierung der Auflösung von Grund- und Hauptschulen wegen zu geringer Schülerzahl mit der Folge, daß selbst Kleinschulen mit ganz geringer Schülerfrequenz hätten aufrechterhalten werden müssen, hätte die Schulentwicklungsplanung dieses bevölkerungsreichsten Bundeslandes über einen langen Zeitraum stark behindert und insoweit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen einer geordneten Weiterentwicklung des Grund- und Hauptschulwesens führen können; insbesondere gilt dies für die Verteilung der Lehrkräfte, worauf der Ministerpräsident in seiner Stellungnahme hingewiesen hat.
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Eine durch die Aufrechterhaltung nicht lebensfähiger Kleinschulen bedingte Lehrerverteilung hätte zu Lasten der größeren Schulen des Landes gehen müssen, an denen ohnehin wegen der hohen Schülerzahl teilweise noch Klassen mit überdurchschnittlichen Frequenzen bestanden. Im übrigen hätte eine ausnahmslose jahrelange Aufrechterhaltung von Kleinschulen auch die Verteilung der Sachmittel unangemessen erschwert, wiederum letztlich zu Lasten der größeren Schulen des Landes. Unter den genannten Gesichtspunkten spricht für eine Durchführung von Auflösungsbeschlüssen auch schon vor der gesetzlichen Neuregelung die im öffentlichen Interesse zu bejahende Notwendigkeit einer kontinuierlichen Schulentwicklungsplanung und letztlich auch der Grundsatz der Chancengleichheit, der möglichst gleichmäßige Schulverhältnisse für alle Schüler fordert. Die Anerkennung einer Übergangsfrist, innerhalb der trotz der fehlenden ausreichenden gesetzlichen Grundlage entsprechende Schulauflösungen möglich waren, erscheint daher verfassungsrechtlich hinnehmbar.
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2. Vertretbar ist ferner die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, daß diese Übergangsfrist 1976, als die Auflösung der katholischen Grundschule Kapellen beschlossen wurde, und im August 1977, als der Auflösungsbeschluß zu Ende des Schuljahres 1976/77 durchgeführt wurde, noch nicht abgelaufen war.
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Für die Dauer derartiger Übergangsfristen können keine allgemein gültigen Maßstäbe gesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat verschiedentlich darauf abgestellt, daß eine gesetzliche Regelung jedenfalls bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode des Parlaments erfolgen müsse (so BVerfGE 33, 1 [13] für ein Strafvollzugsgesetz; später wurde diese Frist verlängert bis 1. Januar 1977, BVerfGE 40, 276 [284]; 16, 130 [142] für die Änderung der Wahlkreiseinteilung; 25, 167 [188] für die Neuregelung des Nichtehelichen-Rechts). Eine Übergangsfrist könnte dann nicht mehr länger anerkannt werden, wenn der Gesetzgeber eine Neuregelung ungebührlich verzögert hätte (vgl. dazu BVerfGE 40, 276 [283]). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Ausdehnung des Vorbehalts des Gesetzes auch auf die wesentlichen Regelungen im Schulbereich geht auf neuere Entwicklungen in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung zurück. Welche konkreten Entscheidungen der Gesetzgeber selbst treffen muß, was "wesentlich" in diesem Sinne ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Daß die bisher in verschiedenen Regelungen genannte Klassenfrequenz von 40 Schülern als Maßstab eines geordneten Schulbetriebs auf Dauer nicht hinnehmbar sein würde, zeigte sich allerdings schon seit Jahren; denn bereits 1970 lag die durchschnittliche Klassenfrequenz in den Grundschulen des Landes Nordrhein-Westfalen bei 35,5 Schülern (vgl. die Information des Kultusministers "Das Schuljahr 1976/77", S. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 17. Dezember 1975 (BVerfGE 41, 88 [114]) eingeräumt, es dürften zunächst zuverlässige, einigermaßen konstante Zahlen hinsichtlich der Klassenfrequenz abgewartet werden; bei den hohen Investitionen, die organisatorische Veränderungen im Schulwesen regelmäßig mit sich brächten, könne nicht von Verfassungs wegen verlangt werden, auf jeden – möglicherweise nur vorübergehenden – Rückgang der Schülerzahlen durch Senkung der vorausgesetzten Klassenstärken zu reagieren. Andererseits verpflichtete das Bundesverfassungsgericht im genannten Beschluß (a.a.O. [115]) dazu, die notwendigen Folgerungen zu ziehen, wenn eine wesentlich geringere Klassenstärke zur Regel werden sollte. Der Gesetzgeber war daher gehalten, jedenfalls im Anschluß an jene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in die ernstliche Prüfung einer neuen Regelung dieser Frage einzutreten. Im Juni 1977 wurde ein Referentenentwurf zur Neufassung des § 16a SchOG vorgelegt, der Regierungsentwurf wurde am 13. Oktober 1977 eingebracht (LTDrucks. 8/2462). Nach den erforderlichen parlamentarischen Arbeiten wurde das Gesetz am 1. Februar 1978 verabschiedet und trat am 2. März 1978 in Kraft. Angesichts der vielschichtigen Problematik, vor allem aber auch der heftigen bildungspolitischen Kontroversen über diese Fragen kann nicht von einer schwerwiegenden Verzögerung der gesetzgeberischen Arbeit gesprochen werden. Jedenfalls stehen die Art und Weise und die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens der Zubilligung einer Übergangsfrist zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt im Schuljahr 1976/77 nicht entgegen.
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3. Während dieser Übergangsfrist konnte allerdings nicht mehr die alte verfassungsrechtlich zu beanstandende Regelung weiter angewandt werden. Vielmehr reduzierte sich bis zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes durch den Gesetzgeber die Befugnis der Behörden und Gerichte zu Eingriffen in verfassungsrechtlich geschützte Positionen auf das, was im konkreten Fall für die geordnete Weiterführung eines funktionsfähigen Betriebs unerläßlich war (vgl. BVerfGE 31, 1 [13]; 40, 276 [283]; 41, 251 [267]).
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Das Oberverwaltungsgericht hat sich an diesem Grundsatz ausgerichtet. Es hat für die Übergangszeit nicht an der bisherigen Regelung festgehalten, sondern versucht, eine neue Grundlage zu finden, die bei Schulauflösungen schonendere Maßnahmen ermöglichte. Es hat eine Klassenstärke von 30 Schülern für eine Grundschule, die einzügig gegliedert sein muß, somit eine Mindestschülerzahl von 120 Schülern, als für die Übergangszeit im Hinblick auf einen geordneten Schulbetrieb unerläßlich ermittelt. Das Gericht hat ausgeführt, diese Zahl entspreche der bisherigen Verwaltungspraxis und ermögliche auch im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG eine ausgeglichene Handhabung bei der Auflösung von Grundschulen. Ferner hat sich das Oberverwaltungsgericht an der Regelklassenstärke der (1977 im Entwurf vorliegenden) beabsichtigten gesetzlichen Neuregelung orientiert. Darüber hinaus entsprach die Klassenstärke von 30 Schülern der Richtzahl des Kultusministeriums für die Klassen l der Grundschulen im Schuljahr 1976/77 (für die Klassen 2 bis 4 war der Richtwert 32 Schüler, vgl. die Information des Kultusministeriums "Das Schuljahr 1976/77", S. 3).
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Die so begründete Ermittlung einer als Richtlinie dienenden Mindestschülerzahl läßt einen Verfassungsverstoß nicht erkennen.
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Daß das Oberverwaltungsgericht versucht hat, nach Möglichkeit für die Übergangszeit eine Lösung zu finden, die eine für alle aufzulösenden Grundschulen weitgehend einheitliche Handhabung zuließ, und zwar durch Festlegung grundsätzlicher Klassen- oder Schulmindestfrequenzen, ist nicht zu beanstanden. Allerdings war dennoch in jedem Einzelfall zu prüfen, ob gerade die Schließung dieser Schule zur Aufrechterhaltung des geordneten Schulbetriebs erforderlich sei; denn besondere Umstände des einzelnen Falles könnten zu dem Schluß führen, daß die Auflösung auch einer kleineren Schule aus besonderen Gründen nicht als unerläßlich zu betrachten ist. Das trifft hier jedoch nicht zu.
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a) Die katholische Grundschule Kapellen hatte nach den vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Zahlen im Schuljahr 1976/77 107 Schüler; die Schülerzahl war seit Jahren ständig gesunken (1975/76 waren es 112, 1974/75 131, 1973/74 157 Schüler). Für die folgenden Jahre konnten nur Prognosen angestellt werden: Danach war für 1977/78 zwar ein leichter Anstieg theoretisch nicht ausgeschlossen, wenn man davon ausging, daß die katholischen Schüler der gleichzeitig aufgelösten Gemeinschaftsgrundschule Vennikel geschlossen zur katholischen Grundschule Kapellen überwechselten. Wie die Stadt Moers in ihrer Stellungnahme ausführt, konnte jedoch aufgrund der bisherigen praktischen Erfahrungen hinsichtlich der Schülerverteilung in Kapellen mit großer Wahrscheinlichkeit nur mit einem geringeren Schülerzulauf zur katholischen Grundschule Kapellen gerechnet werden, der sich – auch im Hinblick auf den starken Geburtenrückgang – in den kommenden Jahren weiter vermindern würde. Unter diesen Umständen lag es nahe, für die katholische Grundschule Kapellen auf längere Sicht von einer deutlich unter 100 Schülern liegenden Gesamtschülerfrequenz auszugehen.
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b) Die Stadt Moers, in welche Kapellen eingegliedert worden war, stand 1976 vor der Situation, daß in diesem Stadtteil nicht weniger als 4 Grundschulen bestanden, obwohl nach – jedenfalls nicht unbegründeter – Ansicht der Stadt auf Dauer nur 2 Grundschulen lebensfähig sein konnten, und zwar aufgrund der prognostizierten Schülerzahlen letztlich nur Gemeinschaftsschulen. Durch die von der Stadt Moers daraufhin beschlossene Auflösung der katholischen Grundschule Kapellen trat für die Kinder, die bisher diese katholische Grundschule besuchten, keine unzumutbare Situation ein. Die 4. Klasse der Schule wurde im Schuljahr 1977/78 ohnehin im alten Schulgebäude in Kapellen weitergeführt (als ausgelagerte Klasse der katholischen Grundschule Moers-Stadtmitte). Im übrigen konnten (und können auch weiterhin) katholische Schüler, die keine der beiden Gemeinschaftsgrundschulen in Kapellen besuchen wollen, ohne große Schwierigkeit die katholische Grundschule Moers-Stadtmitte besuchen. Diese ist zwar etwa 8,5 km von Kapellen entfernt. Die Stadt hat jedoch – wie sie in ihrer Stellungnahme mitgeteilt hat – zu den üblichen Schulzeiten einen kostenlosen Schulbusverkehr eingerichtet.
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4. Schließlich wäre die Schule auch nicht erhalten geblieben, wenn 1976 bereits die gesetzliche Neuregelung des § 16a SchOG vorgelegen hätte, die am 2. März 1978 in Kraft getreten ist.
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Gemäß § 16a Abs. 3 SchOG n.F. sind für die Errichtung einer Grundschule in der Regel 120 Schüler (4 Klassen zu 30 Schülern) notwendig; die Unterschreitung dieser Zahl gibt grundsätzlich gemäß § 16a Abs. 6 SchOG n.F. eine Grundlage für die Einleitung der "erforderlichen schulorganisatorischen Maßnahmen", also auch für die Auflösung der Schule. Die Mindestzahl von 120 Schülern hatte die katholische Grundschule Kapellen im letzten Jahr ihres Bestehens, dem Schuljahr 1976/77, unterschritten. Es bestand keine Aussicht, daß die Zahl von 120 Schülern auf Dauer wieder erreicht würde.
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Auch die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Aufrechterhaltung dieser Grundschule trotz zu geringer Schülerzahl nach § 16a Abs. 4 und 5 in Verbindung mit Abs. 6 SchOG n.F. waren nicht gegeben. Ein "Bedürfnis" nach Fortbestehen der Schule im Sinne dieser Bestimmung kann nicht bejaht werden, da in Kapellen zwei Gemeinschaftsgrundschulen und in Moers eine durch kostenlosen Schulbusverkehr erreichbare katholische Bekenntnisgrundschule bestehen.
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5. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß mit dem Auflösungsbeschluß eine Bekenntnisschule, ihre Schüler und deren Eltern entgegen dem Gleichheitsgrundsatz willkürlich behandelt und gegenüber anderen Grundschulen, insbesondere Gemeinschaftsgrundschulen, sowie deren Schülern oder Eltern diskriminiert worden seien (vgl. dazu BVerfGE 41, 88 [114]). Auch Gemeinschaftsgrundschulen sind in vergleichbaren Fällen wegen zu geringer Schülerzahl aufgelöst worden, wie die gleichzeitig erfolgte Zusammenlegung der Gemeinschaftsgrundschule Vennikel mit der Gemeinschaftsgrundschule Kapellen-Mitte zeigt.
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