Beschluss | |
des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2021
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– 2 BvL 2/15 – | |
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob § 2 Absatz 3 des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes vom 21. November 2000 (Brem. GBl S. 437), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2012 (Brem. GBl S. 10), mit Artikel 71 und Artikel 73 Absatz 1 Nr. 14 des Grundgesetzes und dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar ist – Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 9. Juli 2015 – 5 K 171/13 –.
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Entscheidungsformel: | |
§ 2 Absatz 3 des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes vom 21. November 2000 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Seite 437), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2012 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Seite 10), ist mit Artikel 71 und Artikel 73 Absatz 1 Nummer 14 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
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Gründe: | |
A. | |
Die konkrete Normenkontrolle richtet sich gegen das Verbot des Umschlags (Be-, Ent- und Umladen) von Kernbrennstoffen in den Häfen der Freien Hansestadt Bremen durch § 2 Abs. 3 Bremisches Hafenbetriebsgesetz (BremHafenbetrG) vom 21. November 2000 (Brem.GBl S. 437), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2012 (Brem.GBl S. 10). Das vorlegende Gericht hält die Regelung für unvereinbar mit den Vorschriften des Grundgesetzes über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern.
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I.
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1. Am 25. Januar 2012 beschloss die Bremische Bürgerschaft das Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes. Durch Art. 1 Ziffer 1 des Gesetzes zur Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes vom 31. Januar 2012 wurden in § 2 die Absätze 2 und 3 neu in das Gesetz eingefügt. Mit Ziffer 2 wurden die bisherigen Absätze 2 bis 4 zu den Absätzen 4 bis 6. Nach Art. 2 trat das Änderungsgesetz am Tag nach seiner Verkündung am 31. Januar 2012 (vgl. Brem.GBl S. 10) in Kraft.
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Soweit hier von Bedeutung, hat das Bremische Hafenbetriebsgesetz seither folgenden Wortlaut:
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(1) Hafengebiet im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen Wasser- und Landflächen, die dem Schiffsverkehr, der Hafenindustrie, dem Güterumschlag, der Güterverteilung sowie deren Lagerung und den hierfür notwendigen Betriebsanlagen dienen. (2) Die bremischen Häfen sind als Universalhäfen gewidmet und stehen als öffentliche Einrichtungen für den Umschlag aller zulässigen Güter offen. (3) Im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft ist der Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Absatz 1 des Atomgesetzes ausgeschlossen. Der Senat kann allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen, insbesondere für Kernbrennstoffe, die unter die Regelung in § 2 Absatz 2 Satz 2 des Atomgesetzes fallen oder nur in geringen Mengen im Umschlagsgut enthalten sind. (4) Zum Hafengebiet gehören: 1. die öffentlichen und nicht-öffentlichen Wasserflächen der Häfen, der Anlagen am Strom und der Geeste, 2. das Hafennutzungsgebiet. Das Merkmal der Öffentlichkeit ist erfüllt, wenn das Hafengebiet im Rahmen seiner Zweckbestimmung von jedem zu gleichen Bedingungen genutzt werden kann. (5) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die wasser- und landseitige Abgrenzung des Hafengebietes vorzunehmen. (6) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Wasserflächen und daran angrenzende Landflächen, die über Wasserflächen des Hafengebietes erreicht werden können, den Bestimmungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu unterstellen. | |
(1) Auf den Wasserflächen des Hafengebietes gelten in Ergänzung zu diesem Gesetz und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen die für die Schifffahrt geltenden bundesrechtlichen Vorschriften. Näheres regelt die Hafenordnung. (2) Soweit dieses Gesetz und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen für Wasserflächen vor Anlagen am Strom gelten, die zur Bundeswasserstraße gehören, bleibt die Geltung der für die Schifffahrt bestehenden bundesrechtlichen Vorschriften unberührt. Dieses Gesetz und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen finden ergänzend Anwendung. (3) Soweit Wasserflächen des Hafengebietes zur Bundeswasserstraße gehören, bleiben die sonstigen Zuständigkeiten des Bundes unberührt. | |
In diesem Gesetz und in den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sind: (...) 4. Fahrzeuge See- und Binnenschiffe, Hafenfahrzeuge, Sportfahrzeuge, schwimmende Geräte und sonstige Schwimmkörper, die gewöhnlich zur Fortbewegung bestimmt sind. Als Fahrzeuge gelten auch Wasserflugzeuge und nichtwasserverdrängende Wasserfahrzeuge. (...) 9. Umschlag Das Be- und Entladen von Fahrzeugen sowie Frachtcontainern einschließlich des Transportes zu ladender oder gelöschter Güter auf den Kajen, in den Kajeschuppen, auf Freiflächen und sonstigen Lagerplätzen. Als Umschlag gilt auch das Ein- und Ausschiffen von Fahrgästen. (...) | |
(1) Fahrzeuge benötigen zum Befahren des Hafengebietes eine Erlaubnis der Hafenbehörde, wenn 1. sie oder ihre Ladung eine Gefahr für Mensch, Umwelt oder Anlagen darstellen; 2. sie zum Verschrotten bestimmt sind; 3. sie aufgelegt werden sollen; das gilt auch für Wracks oder Teile von Fahrzeugen. Die Erlaubnis kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit versagt werden. Näheres regelt die Hafenordnung. (2) Fahrzeuge, die durch Verschulden ihres Fahrzeugführers oder ihrer Besatzung oder infolge mangelhafter Beschaffenheit, Hafen- oder Schifffahrtsanlagen verunreinigen oder beschädigen oder gegen die insoweit ein hinreichender Verdacht besteht, dürfen das Hafengebiet nur mit Erlaubnis der Hafenbehörde verlassen. Näheres regelt die Hafenordnung. (3) Die Erlaubnis nach Absatz 2 ist zu erteilen, wenn 1. die Voraussetzungen für einen dinglichen Arrest nach § 917 der Zivilprozessordnung nicht vorliegen; oder 2. Sicherheit geleistet und ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt worden ist. | |
2. Ausgangspunkt für die Einfügung des jetzigen § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG war eine Entschließung der Bremischen Bürgerschaft vom 11. November 2010 (Bremische Bürgerschaft, Drucks 17/1536, S. 1; Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll 17/76, S. 5773 [5829]). In dieser wurde der Senat unter anderem aufgefordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von Kernbrennstoffen durch die bremischen Häfen und andere Transportwege im Land zu verhindern. Insbesondere sollte der Senat unverzüglich alle aus seiner Sicht rechtlich möglichen Schritte zur Sperrung der bremischen Häfen und anderer Transportwege durch Bremen und Bremerhaven für den Transport von Kernbrennstoffen einleiten und als Eigentümervertreter in von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen nachdrücklich darauf hinwirken, dass sich diese nicht an derartigen Transporten und Umschlägen beteiligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Land Bremen von der völlig falschen und unverantwortlichen Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, besonders betroffen sei. Die Transporte von Kernbrennstoffen seien zum großen Teil der ungelösten Endlagerfrage geschuldet. Bremen und Bremerhaven seien nicht nur den erheblichen Risiken alter Atomkraftwerke noch auf Jahrzehnte ausgesetzt, sondern auch massiv davon betroffen, dass Kernbrennstoffe (und deren Abfallprodukte) noch auf lange Sicht transportiert und nach der Vorstellung der Bundesregierung auch über die bremischen Häfen verladen werden sollen. Die damit zusammenhängenden Sicherheitsprobleme habe der Innensenator dokumentiert. Es sei nicht akzeptabel, dass über den Transport von Kernbrennstoffen ausschließlich das Bundesamt für Strahlenschutz entscheide, das Land dagegen nur gehört und mit den aus der Entscheidung resultierenden (erheblichen) Kosten belastet werde. Der Transport von Kernbrennstoffen durch bremische Häfen gefährde die Sicherheit der Bevölkerung. Zudem werde die wirtschaftliche Tätigkeit im Hafen durch solche Transporte und deren Sicherungsmaßnahmen beeinträchtigt (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 17/1536, S. 1).
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3. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen gab bei einer Rechtsanwaltskanzlei ein Gutachten in Auftrag, in dem rechtliche Handlungsoptionen zur partiellen Sperrung der Bremischen Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen geprüft werden sollten. Das Gutachten vom 27. Oktober 2011 kam zu dem Ergebnis, dass dem Land für ein verkehrsrechtlich ausgerichtetes Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe die Gesetzgebungskompetenz fehle. Es könne jedoch im Rahmen seines umfassenden Gestaltungsspielraums im Widmungsrecht der Häfen eine Teilentwidmung vornehmen und somit die Nutzung seiner Häfen für den Transport von Kernbrennstoffen ausschließen.
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Zu einem vergleichbaren Ergebnis war ein weiteres Rechtsgutachten einer anderen Kanzlei vom 22. Februar 2011 gekommen, das im Auftrag der Fraktion DIE LINKE erstellt worden war.
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4. Am 2. November 2011 brachten die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Antrag auf Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes in die Bürgerschaft ein (Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/96, S. 1 f.). Er wurde damit begründet, dass sich das Land zu einem Wandel hin zu einer alternativen Energieerzeugung bekenne. Gesamtbremisches Ziel sei ein konstanter Ausbau erneuerbarer Energien. Der Umschlag von Kernbrennstoffen in den bremischen Häfen sei mit den landespolitischen Zielsetzungen von Nachhaltigkeit und Vorsorge im Interesse auch zukünftiger Generationen nicht vereinbar. Die Häfen seien ein wichtiger Bestandteil der besonders auf erneuerbare Energien fokussierten bremischen Gesamtwirtschaft. Mit der Errichtung des geplanten Terminals für den Umschlag der Offshore-Windenergieanlagen werde Bremerhaven zum zentralen Standort der Errichtung von Windparks in der Nordsee. Hierzu stünde eine weiterhin andauernde gleichzeitige Nutzung der Hafenanlagen für den Umschlag von Kernbrennstoffen im Widerspruch. Das könne der Weiterentwicklung Bremens schaden. Das Änderungsgesetz sehe deshalb eine Teilentwidmung der Häfen vor, mit der der Umschlag von Kernbrennstoffen ausgeschlossen werde. Diese Teilentwidmung sei integraler Bestandteil der neuen Energie-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik Bremens, die auf Umweltschonung und Nachhaltigkeit ausgerichtet sei.
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In einem Änderungsantrag vom 8. November 2011 der Fraktion DIE LINKE (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/108) wurde eine noch weitergehende Teilentwidmung gefordert, die neben Kernbrennstoffen auch alle "sonstigen radioaktiven Stoffe, die zur Herstellung von Kernbrennstoffen dienen oder bei ihrer Herstellung und Benutzung anfallen", von der Hafennutzung ausschließen sollte.
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5. Die Bürgerschaft überwies den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag nach der ersten Lesung am 9. November 2011 an den federführenden Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen im Lande Bremen und an die staatliche Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung und Energie zur Beratung und Berichterstattung (vgl. Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll 18/7, S. 249 [274 ff., 281 f.]).
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6. In der dritten Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Häfen im Lande Bremen am 30. November 2011 wurden die beiden Gutachten erörtert. Zwei aus den Kanzleien geladene Rechtsanwälte bestätigten die in den Gutachten niedergelegten Auffassungen und sahen den Gesetzesantrag als zulässig an (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/197, S. 3 f., 5 f. [Zusammenfassung]).
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7. In der vierten Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der Häfen im Lande Bremen am 11. Januar 2012 sprach sich die Fraktion der CDU gegen den Gesetzentwurf aus, nachdem sie bereits mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 eine negative Beschlussempfehlung abgegeben hatte (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/197, S. 8 ff. [Zusammenfassung]). Dem Land fehle die Gesetzgebungskompetenz für das beabsichtigte Umschlagsverbot. Die Neuregelung sei mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, der auch den Transport von Kernbrennstoffen umfasse, sowie mit § 4 AtG, der den Transport abschließend regele, unvereinbar. Ein zielgerichtetes Umschlagsverbot durch das Land widerspreche der Sperrwirkung der ausschließlichen Bundeskompetenz. Zwar dürften die Länder zur (allgemeinen) Gefahrenabwehr ergänzende Vorschriften erlassen, die auch den Transport von Kernbrennstoffen berühren könnten; ein zielgerichtetes Verbot des Umschlags und Transports von Kernbrennstoffen ohne Bezug zu einer Gefährdungslage, wie es vorliegend geplant sei, greife jedoch in die ausschließliche Kompetenz des Bundes ein. Aufgrund des Verstoßes gegen § 4 AtG seien zudem Art. 31 GG und der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens verletzt.
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8. Am 24. Januar 2012 brachten die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Änderungsantrag zu dem Gesetzesantrag vom 2. November 2011 ein, der die später Gesetz gewordene Formulierung des § 2 BremHafenbetrG enthielt.
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9. Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs fand am 25. Januar 2012 statt. Dabei wurde die Gesetzgebungskompetenz des Landes Bremen thematisiert (vgl. Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll 18/12, S. 553 [593, 599ff.]). Am Ende der zweiten Lesung beschloss die Bremische Bürgerschaft das Änderungsgesetz in der Fassung des Änderungsantrags der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24. Januar 2012 (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/211) mit 57 Ja-Stimmen gegen 20 Nein-Stimmen (Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll 18/12, S. 553 [602]). Es wurde am 31. Januar 2012 ausgefertigt, im Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen vom 6. Februar 2012 (vgl. Brem.GBl S. 10) verkündet und trat am Folgetag in Kraft.
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Am 4. Mai 2012 stellten 20 Abgeordnete der Bürgerschaftsfraktion der CDU einen Normenkontrollantrag zum Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, um die Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes zu überprüfen (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 8). Die Antragsteller rügten, dass das Änderungsgesetz gegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG verstoße und den Grundsatz der Bundestreue verletze.
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Der Normenkontrollantrag wurde durch Urteil des Staatsgerichtshofs vom 12. April 2013 mit vier zu drei Stimmen mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass der Staatsgerichtshof die Gültigkeit von Landesrecht allein an der Landesverfassung messe, jedoch nicht überprüfe, ob das Gesetz gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes oder den Grundsatz der Bundestreue verstoße. Etwas anderes gelte lediglich für Bestimmungen der Landesverfassung; darum gehe es in diesem Fall jedoch nicht (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 42 ff.). Auch der Hilfsantrag, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob das Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes gegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG und den Grundsatz der Bundestreue verstoße, sei daher unzulässig. Das gelte schließlich auch, soweit mit einem weiteren Hilfsantrag ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu der Frage erstrebt worden sei, welche Vorgaben der Warenverkehrs- (Art. 34 AEUV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) für das angegriffene Gesetz entnommen werden könnten (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 74 f.).
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Zwei Richterinnen und ein Richter gaben ein Sondervotum ab und bejahten die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags, weil die Bremische Landesverfassung (Art. 64 BremLV) dem Landesgesetzgeber verbiete, in den Kompetenzraum des Bundes einzudringen. In der Sache liege ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes vor, da das Land eine atomrechtliche Regelung getroffen habe, für die nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG allein der Bund zuständig sei. Das gelte auch für den Transport von Kernbrennstoffen (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 109 ff.).
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III.
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Dem Verfahren liegt eine Vorlage des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen zu Grunde.
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1. Die Klägerin zu 1. des Ausgangsverfahrens bietet Waren und Dienstleistungen des kompletten Kernbrennstoffkreislaufs an, die Klägerin zu 2. ist auf den Transport radioaktiver Stoffe spezialisiert, und die Klägerin zu 3. stellt für die Entsorgung abgebrannter Kernbrennelemente spezifische Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung. Außerdem betreibt sie ein entsprechendes Zwischenlager. Die Klägerinnen verfügen jeweils über Transportgenehmigungen des Bundesamtes für Strahlenschutz nach dem Atomgesetz, in denen die Transportroute über bremische Häfen jeweils ausdrücklich als Transportstrecke zugelassen ist. Im Oktober 2012 beantragten die Klägerinnen bei der Freien Hansestadt Bremen die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für den Umschlag von Kernbrennstoffen in den bremischen Häfen. Die Anträge wurden jeweils durch Bescheide des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen abgelehnt; die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 BremHafenbetrG lägen nicht vor. Mit ihren Klagen begehren die Klägerinnen die Feststellung, dass der Umschlag von Kernbrennstoffen in bremischen Häfen nicht genehmigungsbedürftig sei; hilfsweise begehren sie die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 BremHafenbetrG im Wege erneuter Verbescheidung ihrer Anträge.
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2. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 9. Juli 2015 nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG mit Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG und dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar ist.
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a) Die Verfassungsgemäßheit von § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG sei entscheidungserheblich, da – bei Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift – die Feststellungsklage in der Hauptsache als unbegründet anzusehen wäre. Sei die Regelung verfassungswidrig, hätte die Klage dagegen Erfolg, weil dann die begehrte Feststellung getroffen werden müsste, dass der Umschlag von Kernbrennstoffen nach dem Bremischen Hafenbetriebsgesetz nicht genehmigungsbedürftig sei. Auf den Hilfsantrag komme es dabei nicht an, da über diesen erst nach dem Hauptantrag zu entscheiden sei.
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b) Die Kammer halte § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Die Vorschrift verstoße gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung, weil sie eine atomrechtliche Regelung treffe, für die der Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitze. Sie sei deshalb gemäß Art. 71 GG unwirksam (aa) und verstoße zudem gegen den Grundsatz der Bundestreue (bb).
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aa) § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG betreffe der Sache nach die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG. Mit dem Umschlagsverbot werde nicht das Recht der öffentlichen Sachen und der Widmungsumfang der bremischen Häfen geregelt, sondern der Transport von Kernbrennstoffen.
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Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG beziehe sich auf den gesamten Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie von der Zulassung der Erzeugung bis hin zu Regelungen zum Schutz vor Risiken und der Entsorgung anfallender Abfälle. Durch die detaillierte Beschreibung der einschlägigen Vorgänge werde nach einhelliger Auffassung der Gesamtbereich der Kernenergie- und Strahlennutzung erfasst. Die Kompetenz des Bundes erstrecke sich damit auch auf alle mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Transportvorgänge von Kernbrennstoffen. Diese Kompetenz hätten die Länder auch bei ihrer Gesetzgebung im Recht der öffentlichen Sachen zu beachten.
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Mit dem Atomgesetz habe der Bund von seiner Kompetenz umfassend Gebrauch gemacht. Danach bestimme § 4 AtG im Einklang mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, dass die Beförderung von Kernbrennstoffen der Genehmigungspflicht unterliege, und regele die entsprechenden Genehmigungsvoraussetzungen. Für die Erteilung der Genehmigungen sei nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig.
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Das Widmungsrecht der Länder stehe dem nicht entgegen. Zwar obliege es grundsätzlich dem Hafenträger und übergeordnet dem Landesgesetzgeber, den Widmungsumfang festzulegen, woraus sich auch der Umfang der Nutzung ergebe. Jedoch liege der Schwerpunkt von § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG nicht im Widmungs-, sondern im Atomrecht. Der Sache nach regele er den Transport von Kernbrennstoffen im Sinne von § 2 Abs. 1 AtG.
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bb) § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG verstoße zudem gegen den Grundsatz der Bundestreue, indem die bundesstaatliche Kompetenzordnung umgangen werde, um politischen Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Ausweislich des Gutachtenauftrags der Beklagten sei es von Anfang an nicht um eine Neubestimmung des Nutzungsrahmens für die Häfen gegangen, sondern (allein) um eine rechtliche Handhabe, um den Umschlag von Kernbrennstoffen unter formaler Berufung auf eine Landeskompetenz und in Kenntnis des Spannungsverhältnisses zur Kompetenz des Bundes für das Atomrecht verbieten zu können.
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Schließlich erweise sich § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG auch mit Blick auf die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als kompetenzwidrig. Sachgesetzgeber für den Transport von Kernbrennstoffen sei nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG der Bund, der mit § 4 AtG eine umfassende Regelung hierzu getroffen habe. Das landesgesetzliche Umschlagsverbot weise demgegenüber die im Vordergrund stehende Lenkungswirkung auf, die mit der Gesamtkonzeption des Atomgesetzes und insbesondere mit § 4 AtG nicht vereinbar sei.
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3. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung, die Bremische Bürgerschaft, der Senat der Freien Hansestadt Bremen sowie alle übrigen Landesregierungen und die Beteiligten des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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4. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat mit Schriftsatz vom 15. Mai 2020 den Beitritt zum Verfahren erklärt. Er hält den Vorlagebeschluss für unzulässig. Die Entscheidungserheblichkeit von § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG sei nicht hinreichend substantiiert dargelegt, die Norm im Übrigen verfassungsgemäß. Der Transport von Kernbrennstoffen werde vom Wortlaut des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG nicht erfasst. Dessen Sinn und Zweck gebiete auch keine Erstreckung auf den Transport von Kernbrennstoffen. Selbst wenn dies der Fall wäre, läge in § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG kein Verstoß gegen die grundgesetzliche Kompetenzzuweisung, da dieser nicht den Transport, sondern die Widmung regele und Modalitäten des Transports allenfalls als Nebenfolge betreffe. Mit der Teilentwidmung solle eine neue Energie-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik gefördert werden. Die Teilentwidmung stelle sich dabei als integraler Bestandteil einer gesamtpolitischen Entscheidung des Landes für eine nachhaltige Energieversorgung und Wirtschaft dar, die (auch) eine betriebswirtschaftliche Neuausrichtung der Häfen erfordere. Bei der Durchfuhr beziehungsweise dem Transit handele es sich ohnehin nicht um einen Umschlag im Sinne des Ladens und Löschens von Gütern. Daher werde nicht der Transport insgesamt, sondern nur eine Transportmodalität ausgeschlossen. Die Durchfuhr von Kernbrennstoffen durch bremische Häfen bleibe weiterhin zulässig, sodass der Transport lediglich punktuell in Frage gestellt werde. Da die Teilentwidmung nicht den Transport an sich betreffe, stelle § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG auch keine spezifisch atomrechtliche Regelung dar.
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5. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens halten den Vorlagebeschluss für zulässig, insbesondere genüge er den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Der Erfolg der Klage in der Hauptsache hänge allein davon ab, ob vor dem Umschlag eine Genehmigung nach § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG eingeholt werden müsse.
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In der Sache sei § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 und Art. 71 GG unvereinbar und nichtig. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG sei der Bund im Bereich der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken umfassend gesetzgebungsbefugt. Hierunter fielen auch Regelungen zum Transport von Kernbrennstoffen, weil Transport und Umschlag notwendige Zwischenschritte bei der Nutzung der Kernenergie seien. Die umfassende bundesgesetzliche Regelung des Transports in § 4 AtG dürfe daher nicht durch landesgesetzliche Vorschriften unterlaufen werden, auch wenn diese vordergründig dem öffentlichen Sachenrecht zugeordnet würden. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG greife aber in den dem Bund vorbehaltenen Regelungsbereich ein. Er regele ausschließlich und unmittelbar den Umschlag von Kernbrennstoffen, also einen Transportvorgang, und nicht die Widmung der bremischen Häfen.
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§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG verstoße darüber hinaus gegen den Grundsatz der Bundestreue, weil die Norm die Risikobewertung des Bundes durch eine eigene Risikobewertung des Landes ersetze. Darauf komme es allerdings nur an, wenn nicht bereits ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes vorliege.
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§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG verletze zudem das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, indem er einem dem Energiekonzept des Bundes widersprechenden Lenkungszweck diene.
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Schließlich sei § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit (Art. 23 Abs. 1 GG) und dem unionalen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) unvereinbar. Er verletze die Grundfreiheiten, die durch den Gewährleistungsgehalt des EURATOM-Vertrags nicht verkürzt, sondern ergänzt würden. Ob der Umschlag von Kernbrennstoffen unter Art. 34 ff. AEUV oder Art. 93 EURATOM-Vertrag falle, sei insoweit unerheblich. Das Umschlagsverbot stelle zumindest eine (unzulässige) Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar.
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Die Vorlage ist zulässig.
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I.
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Das Verwaltungsgericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG und des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG für den bei ihm anhängigen Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich ist (1.) und dass es von der Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG überzeugt ist (2.).
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1. Entscheidungserheblichkeit setzt voraus, dass die Endentscheidung des Ausgangsverfahrens von der für verfassungswidrig gehaltenen Vorschrift abhängt (vgl. BVerfGE 11, 330 [334 f.]; 149, 1 [10 Rn. 21]; 153, 310 [330 Rn. 47]). Das Vorlagegericht muss je nach Gültigkeit oder Ungültigkeit der beanstandeten Norm zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen (vgl. BVerfGE 7, 171 [173 f.]; 141, 1 [10 f. Rn. 22]; 145, 171 [189 Rn. 52]; 153, 310 [333 Rn. 55]; 157, 223 [250 Rn. 70]; stRspr). Dabei ist grundsätzlich auf die Auffassung des vorlegenden Gerichts abzustellen, solange diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 [190 f., 193]; 57, 295 [315]; 88, 187 [194]; 105, 61 [67]; 129, 186 [203]; 133, 1 [10 f. Rn. 35]; 138, 1 [15 Rn. 41]; 141, 1 [10 f. Rn. 22]; 145, 171 [189 Rn. 52]; 145, 249 [266 f. Rn. 36]; 148, 64 [67 f. Rn. 13]; stRspr).
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Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, warum es in der von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beantragten Feststellungsklage den richtigen prozessualen Weg sieht, über die generelle Genehmigungsbedürftigkeit oder -freiheit des Umschlags von Kernbrennstoffen in bremischen Häfen entscheiden zu können. Dass es ungeachtet eines denkbaren Erfolgs des Hilfsantrags von der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ausgeht, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedürfe es nicht mehr, wenn sich § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG als verfassungswidrig erwiese und der Hauptantrag deshalb Erfolg hätte. Dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang nicht auf die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BremHafenbetrG eingeht, stellt die Entscheidungserheblichkeit von § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG nicht in Frage. Die von ihm insoweit vorgenommene – vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich zu respektierende – Beurteilung der einfachen Rechtslage ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar, weil es sich bei einem Umschlag in § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 9 BremHafenbetrG und dem Befahren mit Fahrzeugen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 4 BremHafenbetrG um zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt.
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2. Die Vorlage legt die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der streitgegenständlichen Norm hinreichend dar.
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a) Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 141, 1 [11 Rn. 23]; 145, 249 [266 f. Rn. 36]; 149, 1 [11 Rn. 21]; 153, 310 [335 Rn. 60]). Es muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und sich mit der Rechtslage, insbesondere der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 145, 171 [188 Rn. 50]; 149, 1 [10 f. Rn. 21]; 153, 310 [335 Rn. 60]; 157, 223 [250 f. Rn. 71]). Dabei hat es die aus seiner Sicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und in den Vorlagebeschluss aufzunehmen (vgl. BVerfGE 145, 249 [266 f. Rn. 36]; 149, 1 [11 Rn. 21]). § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verpflichtet das vorlegende Gericht jedoch nicht dazu, auf jede denkbare Rechtsauffassung einzugehen (vgl. BVerfGE 141, 1 [11 Rn. 22]; 145, 1 [7 Rn. 12]; 145, 106 [141 Rn. 96]; 152, 274 [310 Rn. 90]; 157, 223 [250 f. Rn. 71]).
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Das vorlegende Gericht muss eine verfassungskonforme Auslegung vornehmen, wenn es im Rahmen einer methodisch vertretbaren Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangt, das Gesetz sei in dieser Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfGE 22, 373 [377]; 76, 100 [105]; 90, 145 [170]). Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz darf dabei weder im Wege der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen noch der normative Gehalt der auszulegenden Norm grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfGE 18, 97 [111]; 54, 277 [299 f.]; 71, 81 [105]; 121, 30 [68]).
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b) Das Verwaltungsgericht begründet ausführlich und nachvollziehbar – unter Nennung verschiedener Belegstellen aus dem Schrifttum sowie unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts –, warum die Vorschrift des § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG seiner Ansicht nach mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG sowie dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar ist. Dabei stellt es darauf ab, dass es sich bei § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG nicht um eine Regelung aus dem Recht der öffentlichen Sachen handele, die lediglich den Widmungsumfang der bremischen Häfen bestimme, sondern dass sie den Transport von Kernbrennstoffen im Sinne des Atomgesetzes regele, was der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG zuzuordnen sei.
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Dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung von § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG verneint, ist nicht zu beanstanden. Denn § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG enthält ein klares und ausdrückliches Verbot, von dem nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen abzusehen ist. Diese Ausnahmemöglichkeit ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts und nach der Zielsetzung des Gesetzgebers auf den zu entscheidenden Fall nicht anwendbar.
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II.
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Der Zulässigkeit der Vorlage steht die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht entgegen. Dieses ist gegenüber der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 ff. BVerfGG nicht vorrangig (vgl. BVerfGE 116, 202 [214 f.]; 129, 186 [203]; EuGH, Urteil vom 9. März 1978, Simmenthal, C-106/77, Slg. 1978, 629 Rn. 21, 24; Urteil vom 27. Juni 1991, Mecanarte, C-348/89, Slg. 1991, I-3277 Rn. 49; Urteil vom 22. Juni 2010, Melki, C-188/10, Slg. 2010, I-5667 Rn. 40 f.).
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Sind sowohl die verfassungsrechtliche als auch die unionsrechtliche Rechtslage umstritten, besteht zwischen der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) und dem Vorabentscheidungsersuchen (Art. 267 AEUV) an den Gerichtshof der Europäischen Union keine feste Rangfolge (vgl. BVerfGE 148, 40 [48 f. Rn. 22]). Das Vorlagegericht entscheidet vielmehr nach eigenem Ermessen über das weitere Vorgehen (vgl. BVerfGE 116, 202 [214 f.]; 129, 186 [203]). Steht allerdings fest, dass das beanstandete Gesetz unionsrechtswidrig ist und aufgrund des Anwendungsvorrangs nicht angewendet werden darf, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 85, 191 [203 ff.]; 106, 275 [295]; 116, 202 [214]; 129, 186 [199 f.]). Auch insoweit ist allerdings die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 129, 186 [201 ff.]).
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Das Verwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluss ausführlich begründet, warum es die Frage der Vereinbarkeit eines landesgesetzlichen Umschlagsverbotes für Kernbrennstoffe mit dem Unionsrecht (Art. 93 Abs. 1 EURATOM-Vertrag) für durch den Europäischen Gerichtshof ungeklärt und auch nach den geltenden Rechtvorschriften der Europäischen Union nicht eindeutig zu beantworten hält. Das ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar. Da das vorlegende Gericht demgegenüber von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift ausgeht, ist die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG zulässig.
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§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG ist mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG unvereinbar und nichtig.
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I.
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Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel abschließenden Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern aus. Dabei hat der Bund das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich zuweist (1.). Im Übrigen sind die Länder zur Gesetzgebung berufen (2.). Welcher Materie eine gesetzliche Regelung zuzuordnen ist, bemisst sich nach ihrem objektiven Regelungsgehalt (3.). Der das gesamte verfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern beherrschende Grundsatz der Bundestreue verlangt gegenseitige Rücksichtnahme und schließt eine missbräuchliche Wahrnehmung von Gesetzgebungskompetenzen aus (4.).
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a) Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zuweist. Eine solche Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an den Bund findet sich ausweislich Art. 70 Abs. 2 GG vor allem in den Vorschriften über die ausschließliche (Art. 73 und Art. 105 Abs. 1 GG) und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 und Art. 105 Abs. 2 GG). Daneben werden dem Bund in zahlreichen Einzelbestimmungen (vgl. Auflistung in BVerfGE 157, 223 [253 Rn. 80]) weitere Gesetzgebungsbefugnisse zugewiesen.
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aa) Das Grundgesetz enthält – von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen – eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder (vgl. BVerfGE 109, 190 [218]; 157, 223 [253 Rn. 80]). Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge grenzt das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern durchweg alternativ voneinander ab. Weist die Materie eines Gesetzes Bezug zu verschiedenen Sachgebieten auf, die teils dem Bund, teils den Ländern zugewiesen sind, besteht die Notwendigkeit, sie dem einen oder anderen Kompetenzbereich zuzuweisen (vgl. BVerfGE 36, 193 [202 f.]; 61, 149 [204]; 106, 62 [114]; 135, 155 [196 f. Rn. 101 ff.]; 157, 223 [254 Rn. 81]).
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bb) Nach der Systematik der grundgesetzlichen Kompetenzordnung wird der Kompetenzbereich der Länder daher grundsätzlich durch die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt (vgl. BVerfGE 135, 155 [196 Rn. 103]; 157, 223 [254 f. Rn. 82]). Aus der in Art. 30 und Art. 70 Abs. 1 GG verwendeten Regelungstechnik ergibt sich keine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder (vgl. implizit BVerfGE 98, 265 [299]; 157, 223 [254 f. Rn. 82]), die bei der Auslegung der einzelnen Kompetenztitel oder bei verbleibenden Auslegungszweifeln zu berücksichtigen wäre. Eine solche Vermutung widerspräche Zweck und Funktion der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung (vgl. BVerfGE 157, 223 [254 f. Rn. 82]) und missachtete deren umfassende Justitiabilität. Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Zuordnung eines Regelungsgegenstands zu einer Kompetenzmaterie eine Rechtsfrage, deren Beantwortung weder von Darlegungs- und Begründungslasten des Gesetzgebers noch davon abhängt, ob diese mehr oder weniger erfolgreich erfüllt werden (vgl. BVerfGE 157, 223 [254 f. Rn. 82]).
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cc) Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen sind grundsätzlich zulässig (vgl. Art. 71 und Art. 72 Abs. 1 GG), gewähren den Ländern jedoch keine über die Öffnung hinausgehenden Spielräume. Konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers dürfen durch die Landesgesetzgeber nicht verfälscht werden (vgl. BVerfGE 98, 265 [301 m.w.N.]; 113, 348 [372]; 157, 223 [255 Rn. 83]).
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dd) Die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung ist unverfügbar. Kompetenzen stehen nicht zur Disposition ihrer Träger (vgl. BVerfGE 1, 14 [35]; 32, 145 [156]; 63, 1 [39]; 119, 331 [364 f.]; 137, 108 [147 f.Rn. 91]; 145, 171 [191 Rn. 59]; 157, 223 [255 Rn. 84]). Vorbehaltlich spezieller verfassungsrechtlicher Ermächtigungen können Bund und Länder daher selbst mit Zustimmung der jeweils anderen Ebene nicht in Bereichen tätig werden, die das Grundgesetz der jeweils anderen Ebene zuweist (vgl. BVerfGE 1, 14 [35]; 157, 223 [255 Rn. 84]).
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b) Nach Art. 71 GG steht die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit grundsätzlich allein dem Bund zu, soweit dieser die Länder nicht zum Erlass von eigenen Regelungen ausdrücklich ermächtigt.
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Die Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes ergeben sich aus verschiedenen Einzelbestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere aber aus dem Kompetenzkatalog des Art. 73 Abs. 1 GG. Die in Art. 73 GG aufgeführten Materien sind zwingend bundesrechtlich zu regeln (vgl. Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 71 Vor Rn. 1 [15. August 2021]) und für die Landesgesetzgebung – anders als im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG) – von Verfassungs wegen grundsätzlich gesperrt (vgl. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 84; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 71 Rn. 19). Die ausschließliche Bundeszuständigkeit bedingt zudem eine – dem Gebot der Bundestreue entspringende – Verpflichtung der Länder, Maßnahmen zu unterlassen, mit denen im Wege der Bildung eines Landesstaatswillens politischer Druck auf Bundesorgane ausgeübt wird, die von ihnen unter Inanspruchnahme einer Bundeskompetenz getroffenen Sachentscheidungen zu ändern (vgl. BVerfGE 8, 104 [117 f.]; Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 85).
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c) Die Länder sind in den Materien des Art. 73 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn der Bund hat sie gemäß Art. 70 Abs. 2 und Art. 71 GG in einem (formellen) Bundesgesetz ausdrücklich zu einer Regelung ermächtigt. In diesem Fall tritt die Sperrwirkung des Art. 71 GG nicht ein.
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2. Den Ländern verbleibt nach alledem im Bereich der Gesetzgebung (lediglich) eine sogenannte Residualkompetenz, deren konkrete Reichweite sich nach der Subtraktionsmethode bemisst (vgl. BVerfGE 157, 223 [259 Rn. 97]). Sie sind daher nur zur Gesetzgebung ermächtigt, wenn das Grundgesetz keine entsprechende Zuweisung an den Bund enthält (Art. 70 Abs. 1 GG), dieser sie im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes ausdrücklich dazu ermächtigt (Art. 71 GG) oder von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 157, 223 [255 ff. Rn. 87 ff.] m.w.N.).
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3. Die Entscheidung, ob für eine Materie eine in Art. 73 GG aufgeführte Gesetzgebungskompetenz einschlägig ist, bedarf in einem ersten Schritt der Auslegung des in Rede stehenden Kompetenztitels (a) und richtet sich sodann nach dem objektiven Regelungsgehalt der zu überprüfenden Norm (b).
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a) Der Katalog von Art. 73 GG beschreibt – wie der in Art. 74 GG – die von ihm erfassten Gesetzgebungsgegenstände durchweg mit Hilfe unbestimmter und daher auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe. Einzelne dieser Rechtsbegriffe weisen bis auf die Reichsverfassung 1871 (Art. 4 RV 1871) oder die Weimarer Reichsverfassung 1919 (Art. 7 WRV) zurückreichende Traditionslinien auf und haben im Laufe der letzten 150 Jahre durch die Staatspraxis und das Schrifttum eine nähere Konturierung erfahren (vgl. BVerfGE 157, 223 [260 Rn. 99]). Demgegenüber gibt es andere Titel, die erst in jüngerer Zeit – etwa mit den unterschiedlichen Föderalismusreformen seit 1994 – in das Grundgesetz aufgenommen worden sind oder eine Neufassung erfahren haben (vgl. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 70 Rn. 12).
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Die Auslegung der Kompetenztitel folgt den allgemeinen Regeln der Verfassungsinterpretation (vgl. BVerfGE 134, 33 [55 Rn. 55]; 157, 223 [260 Rn. 100] m.w.N.), die vor allem auf Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte abstellen (vgl. BVerfGE 109, 190 [212]; 138, 261 [273 Rn. 29]; 145, 20 [58 f. Rn. 98]; 157, 223 [260 Rn. 100]). Zudem sind – gerade im Bereich der Kompetenzverteilung – die Staatspraxis (vgl. BVerfGE 12, 205 [226]; 26, 281 [299]; 61, 149 [175]; 77, 308 [331]; 106, 62 [105]; 109, 190 [213]; 134, 33 [55 Rn. 55]; 145, 20 [59 Rn. 99, 62 Rn. 105]; 157, 223 [260 Rn. 100]) und die historische Entwicklung der betreffenden Kompetenzmaterie von Bedeutung (vgl. BVerfGE 68, 319 [328 f.]; 97, 198 [219]; 157, 223 [260 Rn. 100]). Aus der Staatspraxis kann abgeleitet werden, ob und wie der historische Gesetzgeber eine Kompetenz genutzt und inwieweit sich dadurch über die Zeit hinweg ein bestimmtes Verständnis der Norm herausgebildet hat (vgl. BVerfGE 77, 308 [331]; 157, 223 [260 Rn. 100]). Das gilt namentlich für ältere, insbesondere vorkonstitutionelle und umfassend kodifizierte Gesetzgebungsgegenstände. Dass der Tradition bei jüngeren und entwicklungsoffenen Begriffen keine vergleichbare Bedeutung zukommen kann, liegt in der Natur der Sache (vgl. BVerfGE 157, 223 [260 Rn. 99 f.]).
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Eine sachgemäße und funktionsgerechte Interpretation (vgl. BVerfGE 36, 193 [209]; 157, 223 [261 Rn. 101]) der Kompetenztitel muss darüber hinaus dem Grundsatz der Einheit der Verfassung (vgl. BVerfGE 19, 206 [220]; 55, 274 [300]; 148, 296 [358 Rn. 139]; 157, 223 [261 Rn. 101]) gerecht werden und der Grundentscheidung des Verfassungsgebers für eine abschließende Verteilung der Kompetenzen sowie einem weitgehenden Ausschluss von Kompetenzüberschneidungen Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 55, 274 [300]; 67, 299 [321]; 157, 223 [261 Rn. 101]). In diesem Zusammenhang ist für Zweckmäßigkeitsüberlegungen ebenso wenig Raum (vgl. BVerfGE 157, 223 [261 Rn. 101]) wie etwa für am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder am Subsidiaritätsprinzip orientierte Abwägungen (vgl. BVerfGE 157, 223 [261 Rn. 101]). Auch eine Auslegung anhand des einfachen Gesetzesrechts scheidet mit Blick auf die Höherrangigkeit der Verfassung und ihren Selbststand grundsätzlich aus (vgl. BVerfGE 157, 223 [261 Rn. 101]).
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Art. 70 Abs. 1 GG begründet keine Auslegungsmaxime, nach der die Kompetenzen des Bundes restriktiv oder im Zweifel zugunsten der Länder auszulegen wären (vgl. BVerfGE 157, 223 [261 f. Rn. 102] m.w.N.). Wie alle Zuständigkeitsvorschriften des Grundgesetzes gelten auch die Art. 70 ff. GG "strikt" (vgl. BVerfGE 12, 205 [228 f.]; 157, 223 [261 f. Rn. 102]; stRspr). Das erfordert eine Auslegung, die Wortlaut und Sinn der Kompetenznorm gerecht wird und eine möglichst eindeutige vertikale Gewaltenteilung gewährleistet (vgl. BVerfGE 12, 205 [228 f.]; 157, 223 [261 f. Rn. 102]; stRspr). Eine grundsätzlich restriktive Auslegung der in Art. 73 GG verwandten Begriffe ist damit ebenso unvereinbar (vgl. BVerfGE 157, 223 [261 f. Rn. 102]) wie eine prinzipiell extensive Auslegung zugunsten des Bundes (vgl. BVerfGE 26, 246 [254]; 134, 33 [105 Rn. 175]; 157, 223 [261 f. Rn. 102]). Der Regelungsgehalt der einzelnen Kompetenztitel kann weder unter Rückgriff auf eine vorgebliche Kompetenzvermutung zugunsten der Länder offengelassen noch "landesfreundlich" ausgelegt werden (vgl. BVerfGE 157, 223 [261 f. Rn. 102] m.w.N.).
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Für die Abgrenzung und den Inhalt der Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Ländern ist schließlich allein das Grundgesetz maßgeblich (vgl. BVerfGE 45, 297 [341]; 68, 319 [327 f.]; 157, 223 [262 Rn. 103]). Vorschriften der Landesverfassungen sind insofern ohne Bedeutung. Eine Auslegung des Grundgesetzes im Lichte landes(verfassungs-)rechtlicher Vorgaben würde den Geltungsvorrang des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) in Frage stellen und ist dem deutschen Verfassungsrecht daher unbekannt. Sie widerspräche zudem nicht nur dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, sondern beinhaltete auch das Risiko einer unüberschaubaren regionalen Fragmentierung der Bundesverfassung (vgl. BVerfGE 157, 223 [262 Rn. 103]). Auch wenn es den Ländern unbenommen ist, im Rahmen ihrer Verfassungsautonomie solche Staatsziele festzulegen, die das Grundgesetz nicht kennt, bindet dies – in den Grenzen des Bundesrechts – jedoch nur die Landesstaatsgewalt und ist für die Kompetenzverteilung nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 70 Abs. 2 GG irrelevant (vgl. BVerfGE 147, 185 [210 Rn. 46]; 157, 223 [262 Rn. 103]).
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b) Ob eine gesetzliche Regelung einem Kompetenztitel in Art. 73, Art. 74 oder Art. 105 GG zugeordnet werden kann, richtet sich nach ihrem (unmittelbaren) Regelungsgegenstand (vgl. BVerfGE 48, 367 [373]; 157, 223 [262 Rn. 104]), ihren Wirkungen und Adressaten sowie dem Normzweck (vgl. BVerfGE 7, 29 [44]; 157, 223 [262 Rn. 104]).
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aa) Ob sich eine einfachgesetzliche Regelung unter einen bestimmten Kompetenztitel subsumieren lässt, hängt davon ab, ob der dort genannte Sachbereich unmittelbar oder lediglich mittelbar Gegenstand dieser Regelung ist (vgl. BVerfGE 8, 104 [116 f.]; 157, 223 [262 f. Rn. 105]; stRspr). Dafür ist der sachliche Gehalt der Regelung maßgebend und nicht die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung (vgl. BVerfGE 8, 260 [269 f.]; 157, 223 [262 f. Rn. 105]). Eine gesetzliche Regelung ist – ihrem Hauptzweck entsprechend – dem Kompetenztitel zuzuordnen, dessen Materie sie speziell und nicht (lediglich) allgemein behandelt (vgl. BVerfGE 157, 223 [262 f. Rn. 105] m.w.N.), wobei die Regelung in ihrem – kompetenzbegründenden – (Gesamt-)Sachzusammenhang zu erfassen ist (vgl. BVerfGE 157, 223 [262 f. Rn. 105] m.w.N.). Dass der Gegenstand eines Kompetenztitels lediglich reflexartig berührt oder als Annex behandelt wird, genügt insoweit nicht (vgl. BVerfGE 28, 119 [146 f.]; 157, 223 [262 f. Rn. 105]).
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Während sich die – erst ex post zu bestimmenden – Wirkungen eines Gesetzes aus seinen Rechtsfolgen ergeben (vgl. BVerfGE 157, 223 [263 f. Rn. 106] m.w.N.), lässt sich der Normzweck regelmäßig aus dem – durch Auslegung festzustellenden – objektivierten Willen des Gesetzgebers ermitteln (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 157, 223 [263 f. Rn. 106]). Dies hat mit Hilfe der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu geschehen, das heißt anhand des Wortlauts der Regelung, ihrer systematischen Stellung, nach Sinn und Zweck sowie anhand der Gesetzesmaterialien und ihrer Entstehungsgeschichte. Dabei schließen sich diese Auslegungsmethoden nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich. Unbedingten Vorrang vor den anderen hat insoweit keine unter ihnen (vgl. BVerfGE 144, 20 [212 f. Rn. 555]; 157, 223 [263 f. Rn. 106]). Nicht entscheidend sind allerdings die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 157, 223 [263 f. Rn. 106]).
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bb) Kann ein Gesetz in mehrere Teile zerlegt werden, können diese auch verschiedenen Kompetenzmaterien unterfallen (vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 72 Rn. 9). Die Gesetzgebungszuständigkeit für ein Regelungswerk kann sich in diesem Fall auch aus einer Kombination mehrerer Kompetenztitel ergeben (vgl. BVerfGE 136, 194 [241 Rn. 111]).
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Solche additiven Kompetenzbegründungen sind verfassungsrechtlich unproblematisch, wenn sie denselben Kompetenzträger berechtigen (vgl. BVerfGE 103, 197 [215 f.]; 136, 194 [241 Rn. 111]; 138, 261 [275 f. Rn. 33]). Der Bund kann eine Gesetzgebungszuständigkeit deshalb aus mehreren Gegenständen eines Kompetenzkatalogs herleiten und unterschiedliche Gesetzgebungstypen und -titel kombinieren (vgl. BVerfGE 103, 197 [216]; 138, 261 [275 f. Rn. 33]). Berührt eine Regelung dagegen den Kompetenzbereich von Bund und Ländern, bedarf es einer Zuordnung des Regelwerks nach seinem Schwerpunkt (vgl. BVerfGE 98, 265 [299]; 135, 155 [196 Rn. 102]; 137, 108 [161 Rn. 123]).
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cc) Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm hat schließlich Vorrang vor ihrer Verwerfung (vgl. BVerfGE 111, 226 [283]). Von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, ist deshalb diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfGE 49, 148 [157]; 134, 33 [63 Rn. 77]; stRspr). Aus Respekt vor dem Gesetzgeber ist innerhalb der Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was dieser gewollt hat (vgl. BVerfGE 86, 288 [320]; 134, 33 [63 Rn. 77]). Eine verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen aber dort, wo sie dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht (vgl. BVerfGE 110, 226 [267]; 134, 33 [63 Rn. 77]). Ist keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich, kann beziehungsweise muss die Regelung für verfassungswidrig erklärt werden (vgl. BVerfGE 134, 33 [63 Rn. 77]).
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4. Bei der Inanspruchnahme der ihnen zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen unterliegen Bund und Länder der aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten (vgl. BVerfGE 12, 205 [254]; 13, 54 [75]; 21, 312 [326]; 42, 103 [117]; 43, 291 [348]; 61, 149 [205]; 81, 310 [337 f.]; 104, 238 [247 f.]). Die Bundestreue verpflichtet Bund und Länder, bei der Wahrnehmung ihrer Gesetzgebungskompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaats zu nehmen (vgl. BVerfGE 32, 199 [218]; 43, 291 [348]; 81, 310 [337]; 92, 203 [230]; 104, 249 [269 f.]; 106, 1 [27]; 107, 218 [239 f.]; 133, 241 [271 Rn. 87]; 139, 321 [353 Rn. 101]). Wie dem Bund seine Befugnisse nur zum Wohl des Ganzen zugemessen sind, müssen auch die Länder in bestimmten Fällen Rücksicht auf das Gesamtwohl nehmen (vgl. BVerfGE 4, 115 [140 f.]).
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Die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten ist akzessorischer Natur und begründet für sich genommen keine selbständigen Pflichten des Bundes oder eines Landes. Im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen kommt sie daher erst und nur dann zum Tragen, wenn das Land die Kompetenz zur Gesetzgebung überhaupt besitzt (vgl. BVerfGE 12, 205 [249, 254 ff.]; 21, 312 [326]; 103, 81 [88]; 104, 238 [247 f.]; 110, 33 [52]).
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Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue liegt aber nicht schon darin, dass der Bund oder ein Land von einer ihm durch das Grundgesetz zugewiesenen Kompetenz Gebrauch macht oder prozedurale Anforderungen verletzt, die aus der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten abzuleiten sind (vgl. BVerfGE 12, 205 [255]; 81, 310 [337]; 104, 249 [270]). Ein Landesgesetz kann wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Bundestreue daher nur verworfen werden, wenn der Landesgesetzgeber seine Rechtsetzungskompetenz missbraucht (vgl. BVerfGE 14, 197 [215]; 61, 149 [205]; 81, 310 [337]; 104, 249 [270]; 110, 33 [52]).
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II.
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Nach diesen Maßstäben fehlt dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG.
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Dem Bund steht die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis für die friedliche Nutzung der Kernenergie (Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG) zu (1.). Die Länder sind nach Art. 70 Abs. 1 GG dagegen befugt, das Recht der öffentlichen Sachen zu regeln (2.). § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG betrifft jedenfalls im Schwerpunkt die friedliche Nutzung der Kernenergie (3.). Mangels bundesgesetzlicher Ermächtigung im Atomgesetz ist § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG daher mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG unvereinbar und nichtig (4.).
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1. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.
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Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ist umfassend und erschöpfend zu verstehen; die Vorschrift erstreckt sich auf sämtliche kernenergierelevanten Sachverhalte (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 295 [April 2010]; Kane, Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Umweltschutz, 2013, S. 172 f.; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73 Rn. 85; Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 59; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 134; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 179; Gundel, in: Bonner Kommentar, Art. 73 Rn. 51 ff. [Februar 2018]) und umfasst auch Regelungen zu Transport und Umschlag von Kernbrennstoffen. Dies folgt aus Wortlaut (a), Telos (b) und Entstehungsgeschichte von Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG (c).
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a) Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe. Die Vorschrift benennt den zu regelnden Lebensbereich faktisch-deskriptiv (vgl. BVerfGE 109, 190 [218]) und ist schon von ihrem Wortlaut her umfassend angelegt, wie die Nennung verschiedener, detailliert beschriebener Teilbereiche zeigt (vgl. Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 135 Rn. 144; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 134; Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [55 f.]). Insoweit erfasst Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG den gesamten Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie (vgl. BVerfGE 49, 89 [132]; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 179).
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b) Auch nach Sinn und Zweck zielt Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG darauf, dem Bund ein Zugriffsrecht auf alle kernenergierelevanten Sachverhalte einzuräumen, und stellt sich mit Blick auf möglicherweise überlappende Kompetenztitel im Zweifel als lex specialis dar (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 306 [April 2010]; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73 Rn. 85; Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 60; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 134). Nach herrschender Meinung beschränkt er sich zudem nicht allein auf seinen kompetenzrechtlichen Gehalt, sondern enthält, weitergehend, eine materiell-rechtliche Legitimation der Kernenergie (vgl. BVerfGE 53, 30 [56]; 120, 1 [27]; BVerwGE 104, 36 [54]; Ronellenfitsch, atw 1999, S. 232 [236]; Frenz, NVwZ 2002, S. 561 [562]; Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2008, § 135 Rn. 18; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 304 [April 2010]; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, GG, Art. 30a Rn. 101 [Februar 2013]; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73 Rn. 86; Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 58; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 140; John, in: Koch/Kofmann/Reese, Handbuch Umweltrecht, 5. Aufl. 2018, § 10 Rn. 38f.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 184; a.A. [zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 11a GG a.F.] Ossenbühl, AöR 124 [1999], S. 1 [3 f.]). Einen verpflichtenden Rechtsetzungsauftrag an den Gesetzgeber, die Kerntechnik zuzulassen, zu fördern oder aufrechtzuerhalten, enthält er allerdings nicht (vgl. BVerfGE 53, 30 [56 f.]; 143, 246 [355 Rn. 307]; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 304 [April 2010]; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73 Rn. 86; Kühne/Brodowski, NJW 2002, S. 1458 [1460]; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 140; Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 73 Rn. 43; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 73 Rn. 61 [15. Mai 2020]).
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Die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken erfordert zwingend auch den Transport radioaktiver Stoffe. Der Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG umfasst daher insbesondere auch Regelungen zu deren Transport (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, Rn. 109, juris [Sondervotum]; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 295 [April 2010]; Schwarz, DÖV 2012, S. 457 [458f.]; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73 Rn. 85). Regelungen über Verladevorgänge und den Umschlag von Kernbrennstoffen als ebenso notwendige wie integrale Bestandteile der Transporte werden daher herkömmlicherweise der Kompetenz für die friedliche Nutzung der Kernenergie zugeordnet (vgl. Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [66 f.]). Das gilt mit Blick auf den Schutz vor ionisierenden Strahlen auch für transportbezogene Regelungen zur Gefahrenabwehr. Gefahrenabwehr in diesem Sinne umfasst – weitergehend als im Polizeirecht – die Vorsorge gegen Risiken im Vorfeld der (eigentlichen) Gefahrenabwehr (vgl. Zieschang, GA 2006, S. 1 [4]; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 73 Rn. 300 [April 2010]; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 138; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 182; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 73 Rn. 60 [15. Mai 2020]).
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c) Die Entstehungsgeschichte von Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG spricht ebenfalls für eine weite Auslegung des Kompetenztitels. Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 23. Dezember 1959 schuf der verfassungsändernde Gesetzgeber im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung – parallel zum Atomgesetz – für die friedliche Nutzung der Kernenergie den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11a GG a.F. (vgl. BGBl I S. 813 [813]). Dieser ist im Zuge der Föderalismusreform I am 1. September 2006 mit dem 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (vgl. BGBl I S. 2034 [2035]) durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ersetzt worden (vgl. BTDrucks 16/813, S. 12). Eine inhaltliche Veränderung des Gegenstandes hatte dies jedoch nicht zur Folge.
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aa) Zwar orientiert sich die Auslegung des Grundgesetzes wegen des Vorrangs der Verfassung grundsätzlich nicht am einfachen Recht (vgl. oben Rn. 62). Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass das Atomgesetz zeitgleich mit der Einfügung des Art. 74 Nr. 11a GG a.F. erlassen wurde (vgl. BGBl I 1959 S. 813 ff.), weil der verfassungsändernde Gesetzgeber die Schaffung der Kompetenzgrundlage in Art. 74 Nr. 11a GG a.F. für notwendig erachtete, um die einfachgesetzlichen Regelungen des Atomgesetzes erlassen zu können (vgl. BTDrucks II-3026, S. 17; II-3416, S. 1; III-759, S. 49; Fleck, NJW 1962, S. 379 [380]; vgl. auch BVerfGE 34, 9 [25 f.]). Im Ausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Deutschen Bundestages wurde seinerzeit die Auffassung vertreten, dass es für die im Atomgesetz enthaltenen Schutzvorschriften einer Grundgesetzänderung bedürfe, weil die Kompetenz für die Regelung derartiger Fragen andernfalls in die Zuständigkeit der Länder für das Polizei- und Sicherheitsrecht falle (vgl. BTDrucks II-3416, S. 1). Mit Art. 74 Nr. 11a GG a.F. sollten daher Lücken in der Kompetenzausstattung des Bundes geschlossen werden. Auch sollte die Bedeutung der friedlichen Nutzung der Kernenergie durch ihre ausdrückliche Anerkennung im Kompetenzkatalog des Grundgesetzes gesteigert werden (vgl. BTDrucks II-3026, S. 18).
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Die friedliche Nutzung der Kernenergie setzt voraus, dass die Versorgung der Kernkraftwerke mit entsprechenden Kernbrennstoffen und die Entsorgungswege sichergestellt sind; hierzu bedarf es auch der Nutzung der Verkehrsinfrastruktur. Von Anfang an regelte § 4 AtG die Beförderung von Kernbrennstoffen (vgl. BGBl I 1959 S. 813 [815]; BTDrucks II-3026, S. 4; III-759, S. 4 f.). Die dort vorgesehene Genehmigungsbedürftigkeit rechtfertigt(e) sich aus Gründen der Sicherheit und der lückenlosen Kontrolle der in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Kernbrennstoffe (vgl. BTDrucks II-3026, S. 21; III-759, S. 20; Näser/Paul, in: Theobald/Kühling, Energierecht, § 4 AtG Rn. 1 [Mai 2016]; Thienel, in: Frenz, Atomrecht, 2019, § 4 AtG Rn. 1). Mit der Vorschrift soll insbesondere den Gefahren beim Transport von Kernbrennstoffen begegnet werden (vgl. BTDrucks II-3026, S. 22; vgl. auch Ronellenfitsch, atw 1999, S. 232 [234]). Der Begriff des Transports im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AtG umfasst auch den Umschlag (vgl. Näser/Paul, in: Theobald/Kühling, Energierecht, § 4 AtG Rn. 30 [Mai 2016]; Lagoni, NordÖR 2012, S. 335 [336]). Ausdrücklich wurde in der Gesetzesbegründung als eines der Transportmittel die Schifffahrt genannt (vgl. BTDrucks II-3026, S. 21).
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Bei der Erteilung einer Genehmigung sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG die für den jeweiligen Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter zu beachten; eine Befugnis der Länder zur Aufhebung oder Modifikation zur näheren Ausgestaltung des vom Bund festgelegten Vorsorgemaßstabs ist damit nicht verbunden. Ob der Genehmigung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, entscheidet nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 AtG der Bund. Aus dieser Vorschrift folgt zudem, dass der Bundesgesetzgeber nicht nur die generelle Zulässigkeit einschließlich des Umschlags ("Ob") umfassend und abschließend geregelt hat, sondern auch die Modalitäten der Beförderung ("Wie"). Die Zuständigkeitskonzentration auf das Bundesamt für Strahlenschutz (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 AtG in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung) beziehungsweise das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (seit dem 1. Januar 2020: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, vgl. § 23d Satz 1 Nr. 6 AtG) soll eine abschließende Prüfung und Bewertung der Risiken beim Transport von Kernbrennstoffen durch die Bundesbehörde sicherstellen.
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bb) Für landesrechtliche Regelungen ist daneben kein Raum (vgl. Lagoni, NordÖR 2012, S. 335 [337]). Daran ändert der Umstand nichts, dass nach § 19 Abs. 4 AtG allgemeine Befugnisse aus landesrechtlichen Vorschriften unberührt bleiben, weil sich die Vorschrift nur auf kompetenzkonforme Bestimmungen bezieht. Die Länder können die Zuständigkeit des Bundes im Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie daher nicht aufgrund eigener (umweltpolitischer) Erwägungen verdrängen oder ersetzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Januar 1988 – 3 B 4/88 –, NVwZ 1988, S. 560 [560]; Lagoni, in: Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 445 [460]).
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2. Den Ländern steht dagegen gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über ihr öffentliches Eigentum beziehungsweise das öffentliche Sachenrecht zu (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70 Rn. 122 [Oktober 2008]; Heintzen, in: Bonner Kommentar, Art. 70 Rn. 148 [Oktober 2018]; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 70 Rn. 24; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 2020, § 30 Rn. 9, § 31 Rn. 1; explizit für Seehäfen: Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23. September 1996 – Bs III 68/96 –, juris, Rn. 102 ff.; vgl. auch BVerfGE 15, 1 [12 ff.]; 42, 20 [32 ff.]; 45, 297 [320]; 67, 299 [314 f.]). In diesem bestimmt die Widmung Inhalt und Umfang des öffentlich-rechtlichen Status einer Sache und damit den zulässigen Umfang der Nutzung, in der Regel den sogenannten Gemeingebrauch (vgl. BVerfGE 40, 371 [378]; 42, 20 [33]; BVerwG, Urteil vom 28. August 2012 – 3 B 8/12 –, juris, Rn. 8; Urteil vom 13. September 2017 – 10 C 7/16 –, juris, Rn. 43). Die Widmung stellt die von einem erkennbaren Widmungswillen getragene Indienststellung einer öffentlichen Sache dar und kann auch konkludent erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2002 – 8 C 24/01 –, juris, Rn. 13; VGH BW, Beschluss vom 12. Oktober 2007 – 1 S 2132/07 –, juris, Rn. 8; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. November 2010 – 4 M 221/10 –, juris, Rn. 3; BayVGH, Beschluss vom 4. Januar 2012 – 4 CE 11.3002 –, juris, Rn. 9; Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 325; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 35 Rn. 34).
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Häfen sind öffentliche Einrichtungen im Sinne eines Bestands oder der Zusammenfassung personeller und sächlicher Mittel (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 8 A 10/17 u.a. –, juris, Rn. 36; VGH BW, Urteil vom 28. April 1997 – 1 S 2007/96 –, juris, Rn. 57 ff.). Zur Aufrechterhaltung ihrer Zweckbestimmung unterliegen sie allerdings keinem allgemeinen Betretungsrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2003 – 7 C 15/02 –, juris, Rn. 12 ff.; Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 324). Den Widmungsumfang bestimmt vielmehr der jeweilige Hafenträger und übergeordnet der Landesgesetzgeber (vgl. Müller, in: Infrastruktur-Recht – Festschrift für Wilfried Erbguth, 2019, S. 607 [626]; Lagoni, NordÖR 2012, S. 335 [336]; Lagoni, in: Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 445 [448]).
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Die Länder können den Umfang der Widmung grundsätzlich frei bestimmen; zur Einrichtung oder Aufrechterhaltung von Häfen mit einer bestimmten Infrastruktur oder einem bestimmten Widmungsumfang sind sie nicht verpflichtet. Auch steht es ihnen grundsätzlich frei, den Umfang nachträglich durch Teilentwidmung zu beschränken. Die (ursprüngliche) Widmung kann insbesondere auf konkrete Verkehre oder einzelne Umschlagsarten sowie auf bestimmte Hafenteile oder -anlagen beschränkt werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. April 2016 – 4 LB 9/15 –, juris, Rn. 75; StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 120 [Sondervotum]; Müller, in: Infrastruktur-Recht – Festschrift für Wilfried Erbguth, 2019, S. 607 [617]; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 56 f.; Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, S. 265 ff.). Derartige Beschränkungen sind in der Praxis durchaus üblich (vgl. Lagoni, NordÖR 2012, S. 335 [335 f.]). Gleiches gilt für den Ausschluss bestimmter Güterarten, weil Vorrichtungen für deren Umschlag – etwa aus betriebswirtschaftlichen Gründen – nicht (mehr) vorgehalten werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. April 2016 – 4 LB 9/15 –, juris, Rn. 85 ff.; Müller, in: Infrastruktur-Recht – Festschrift für Wilfried Erbguth, 2019, S. 607 [637]).
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Allerdings dürfen die Länder keine Regelung im Gewande der Widmung treffen, die sich der Sache nach als Regelung eines von Art. 73 GG erfassten Lebensbereichs darstellt (vgl. Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [58]) und zu einem Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes führen würde.
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Weder die grundgesetzliche Kompetenzordnung noch das Atomgesetz hindern das Land daher daran, auf der Grundlage von Art. 70 GG einen Hafen teilweise zu entwidmen oder vollständig zu schließen, solange die Entscheidung nicht schwerpunktmäßig (vgl. Rn. 69) einen Inhalt hat, für den der Bund ausschließlich zuständig ist.
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3. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG regelt eine Teilentwidmung der bremischen Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen (a). Der Sache nach geht die Vorschrift über eine bloße Teilentwidmung indes hinaus, da sie ein partielles Transportverbot für Kernbrennstoffe anordnet. Dies verletzt die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Atomrecht, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG (b).
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a) § 2 Abs. 3 Satz 1 BremHafenbetrG schließt im Wege einer Teilentwidmung den Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 AtG in Bremer Häfen aus.
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Das bremische Landesrecht enthält zwar keine ausdrückliche Widmung der bremischen Häfen für bestimmte Güter. Nach § 2 Abs. 2 BremHafenbetrG sind die bremischen Häfen jedoch als Universalhäfen gewidmet und stehen als öffentliche Einrichtungen für den Umschlag aller zulässigen Güter offen. Selbst wenn man darin keinen ausdrücklichen Widmungsakt erkennen wollte, weil dieser in unvordenklicher Zeit erfolgt ist und der bremische Überseehafen der Öffentlichkeit seit dem Jahr 1847 faktisch zur Verfügung steht (vgl. Dierks, Aus der Geschichte der Bremerhavener Wirtschaft, Deutsches Schifffahrtsarchiv, 1 (1975), S. 47 [48]), wird diese Widmung im Bremischen Hafenbetriebsgesetz doch zumindest vorausgesetzt.
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Nach § 14 Bremisches Wassergesetz (BremWG) darf darüber hinaus jedermann die dem Landesrecht unterfallenden Gewässer zur Schiff- und Flussfahrt benutzen; die Wasserflächen in den bremischen Hafengebieten stehen damit grundsätzlich im Gemeingebrauch. Daher ist auf Gewässern erster Ordnung, wozu die Hafengewässer des Landes und der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven zählen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1b BremWG), jedermann die Schifffahrt ohne Erlaubnis gestattet (§ 10 Abs. 1 BremHafenbetrG).
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Indem § 2 Abs. 3 Satz 1 BremHafenbetrG den Umschlag von Kernbrennstoffen im Gebiet der bremischen Häfen ausschließt, wird (auch) die Benutzung des Hafengeländes derart geregelt, dass eine konkrete Güterart vom Umschlag ausgeschlossen wird.
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b) Das Umschlagsverbot von Kernbrennstoffen nach § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG stellt sich aber nach seinem objektiven Regelungsgehalt nicht als Regelung des öffentlichen Sachenrechts dar, sondern als eine atomrechtliche Regelung im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG. Dies folgt aus Regelungsgegenstand und Wortlaut der Norm (aa), dem Telos der Vorschrift (bb) und ihren Wirkungen (cc).
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aa) § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG schließt eine spezifische Transportleistung, nämlich den Umschlag (vgl. § 4 Nr. 9 BremHafenbetrG) von Kernbrennstoffen in den Bremer Häfen – trotz der hierfür vorhandenen Infrastruktur (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 122 [Sondervotum]) – unmittelbar aus. Der Sache nach handelt es sich um ein Verbot (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 114 [Sondervotum]), das nicht nur eine Vorfrage von Atomtransporten betrifft, sondern sich unmittelbar auf den Transport auswirkt (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 116 [Sondervotum]; Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [61]). Daran ändert nichts, dass der Senat nach § 2 Abs. 3 Satz 2 BremHafenbetrG allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen kann, insbesondere für Kernbrennstoffe, die unter die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 AtG fallen oder nur in geringen Mengen im Umschlagsgut enthalten sind. Die Teilentwidmung erschöpft sich in dem Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe und schafft insoweit ein Sonderrecht zu § 4 AtG, wonach der Transport – unter Beachtung strenger Sicherheitsvorschriften und nach erteilter Genehmigung – grundsätzlich zulässig ist (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 122 [Sondervotum]). Zugleich bleibt der Widmungsumfang der Bremer Häfen im Übrigen aber unberührt. Damit setzt sich § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG über die Wertung des Atomgesetzes hinweg, wonach die nach dem Atomgesetz erteilte Transportgenehmigung denkbaren Gefährdungstatbeständen während des Transports und des Umschlags umfassend und abschließend Rechnung trägt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Januar 1988 – 3 OVG B 3/88 –, TranspR 1988, S. 307 [308]; Lagoni, in: Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 445 [460]). Die vom bremischen Gesetzgeber herangezogene Rechtsfigur der Teilentwidmung (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/96, S. 1 f.; Drucks 18/197, S. 2, 11) führt hier zu keiner anderen Bewertung (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 120 [Sondervotum]; Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [61]).
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bb) Dass § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG eine atomrechtliche Zielsetzung verfolgt, erschließt sich auch aus seinem Zweck.
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(1) Mit § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG wird (ausschließlich) die Errichtung eines über die Regelung des § 4 AtG hinausgehenden Transporthindernisses für Kernbrennstoffe intendiert (vgl. Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [63]). Mit der vom Gesetz bezweckten Verhinderung von Atomtransporten über Bremer Häfen (vgl. Abgeordneter Rupp [DIE LINKE], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 277) sollte vor allem zum Ausdruck gebracht werden, dass die aus Sicht der Mehrheit der Bürgerschaft unzureichende Atompolitik des Bundes nicht (mehr) mitgetragen werde (vgl. Abgeordnete Dr. Schierenbeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 276). Durch eine deutliche Reduzierung der Zahl und eine Begrenzung nur noch auf die notwendigen Transporte aus der medizinischen Nutzung sollte darüber hinaus die Sicherheit der bremischen Bevölkerung im Zusammenhang mit Atomtransporten verbessert werden (vgl. Abgeordnete Dr. Schierenbeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 276). Außerdem sollte der Export von Kernbrennstoffen so weit wie möglich verhindert und eine Lösung der Atommüllproblematik vorangetrieben werden, wobei – entgegen § 4 AtG – auch zwischen (demnach unzulässigen) Transporten für die Atomindustrie und (weiterhin zulässigen) Transporten aus der medizinischen Nutzung differenziert wurde (vgl. Abgeordnete Dr. Schierenbeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 276). Nach dem Willen der Regierungsfraktionen sollte der Transport daher so lange verboten bleiben, bis der Bund ein Konzept für Zwischen- und Endlager erstellt habe (vgl. Abgeordnete Dr. Schierenbeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 12. Sitzung vom 25. Januar 2012, S. 596).
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(2) Das Umschlagsverbot erfolgt zudem nicht aus hafenbetriebswirtschaftlichen oder -infrastrukturellen Gründen, sondern – wie bereits der Gesetzeswortlaut ausweist – (ausschließlich) im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft des Landes (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/96, S. 1 f.). Diese Zielsetzung steht mit der Widmung der bremischen Universalhäfen nicht unmittelbar im Zusammenhang, sondern spiegelt (lediglich) diejenigen Motive wider, die das Land Bremen mit seiner Wirtschafts- und insbesondere Energiepolitik allgemein verfolgt. Mit § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG soll damit aufgrund einer eigenen Risikobewertung die in § 4 AtG getroffene Grundsatzentscheidung für die Zulässigkeit des Kernbrennstofftransports konterkariert werden. Die mit § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG verbundene Beschränkung des bisherigen Widmungsumfangs stellt den Versuch einer rechtstechnischen Einkleidung der landespolitischen Entscheidung gegen die Nutzung der Kernenergie dar.
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(3) Die atomrechtliche Zielsetzung der Regelung belegt darüber hinaus auch das im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens durch den Senat der Freien Hansestadt Bremen eingeholte Rechtsgutachten. Dieses war eindeutig – und ausschließlich – auf die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zur Verhinderung des Umschlags von Kernbrennstoffen in den bremischen Häfen gerichtet, nicht auf eine Neuausrichtung der Häfen an den Zielen einer nachhaltigen Wirtschafts- und Energiepolitik (vgl. Uhle, in: Liber Amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 45 [62 f.]).
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(4) In diesem Zusammenhang ist auch der Entschließungsantrag der – den Senat tragenden – Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10. November 2010 zu sehen, der die Entscheidung der Bundesregierung zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken als völlig falsch und unverantwortlich qualifiziert hat (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 17/1536, S. 1). Die – der bundesgesetzlichen Rechtslage entsprechende – alleinige Entscheidungsbefugnis des (seinerzeit zuständigen) Bundesamtes für Strahlenschutz für die Erteilung der Transportgenehmigung mit (bloßem) Anhörungsrecht des Landes sei nicht akzeptabel. Deshalb zielte der Entschließungsantrag (auch) darauf ab, dem betroffenen Land durch eine Änderung des Atomgesetzes maßgeblichen Einfluss auf die Erteilung der Transportgenehmigung zu verschaffen; dieses Ziel ließ sich jedoch nicht verwirklichen.
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(5) Auch der Gesetzesantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 2. November 2011 stellte nur auf die bezweckte Unterbindung des Umschlags von Kernbrennstoffen im Interesse der Neuausrichtung der Energiepolitik des Landes ab. Danach sollte § 2 BremHafenbetrG dergestalt geändert werden, dass nach Absatz 1 folgender Absatz 2 eingefügt wird (vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucks 18/96, S. 1):
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(2) Die bremischen Häfen sind als Universalhäfen gewidmet und stehen offen für den Umschlag aller zulässigen Güter. Die Häfen sind als öffentliche Einrichtung wichtiger Teil der bremischen Gesamtwirtschaft, die auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichtet ist. Ausgeschlossen ist im Hafengebiet deshalb der Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes des Bundes (AtG). Der Senat kann allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen, insbesondere für Kernbrennstoffe, die unter die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 AtG (Arzneimittel usw.) fallen oder nur in geringen Mengen im Umschlagsgut enthalten sind.
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(6) Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde sodann wiederholt hervorgehoben, dass die Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes gerade darauf abziele, die politische Position des Bundes im Atomrecht in Frage zu stellen beziehungsweise zu kritisieren (vgl. Abgeordnete Dr. Schierenbeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 276). Es sei bereits in der vorhergehenden Legislaturperiode beschlossen worden, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von Kernbrennstoffen und deren Abfallprodukten durch die bremischen Häfen und andere Transportwege im Land Bremen zu verhindern. Die Diskussion über die Verhinderung von Atomtransporten sei ein Ausdruck dafür, dass die Atompolitik der Bundesregierung nicht mitgetragen werde. Es seien diverse Möglichkeiten geprüft worden, wie die Transporte verhindert werden könnten; ein Lösungsansatz sei die Teilentwidmung der bremischen Häfen durch die Änderung des Hafenbetriebsgesetzes (vgl. Abgeordnete Dr. Schierenbeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 276).
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(7) Mit dem Umschlagsverbot sollte nach alledem eine atompolitische Entscheidung getroffen werden, die sich deutlich von derjenigen des Bundes abhebt. Im Gesetzgebungsverfahren wurden die – bundesgesetzlich abschließend geregelten und bei der Erteilung der atomrechtlichen Transportgenehmigung bereits zu berücksichtigenden – allgemeinen (und nicht die beim Umschlag in Bremer Häfen spezifischen konkreten) Gefahren beim Transport von Kernbrennstoffen besonders hervorgehoben (vgl. Abgeordneter Willmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 12. Sitzung vom 25. Januar 2012, S. 589; Ronellenfitsch, atw 1999, S. 232 [234]). Zudem sollten vom Verbot Transporte von nuklearmedizinischen Abfallprodukten und von Abfällen aus Wartungs- und Revisionsarbeiten an bestehenden Anlagen nicht umfasst sein (vgl. Abgeordneter Willmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 12. Sitzung vom 25. Januar 2012, S. 589). Schließlich wurde thematisiert, dass die Bundesregierung bei einem konsequenten Atomausstieg ein internationales Geschäft mit radioaktiven Stoffen unterbunden hätte; da sie dies nicht getan habe, müsse "vor Ort" überlegt werden, wie "dieser Schaden" geheilt werden könne (vgl. Abgeordneter Rupp [DIE LINKE], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 12. Sitzung vom 25. Januar 2012, S. 598). Für andere Stoffe als Kernbrennstoffe oder weitere Transportmöglichkeiten als den bloßen Umschlag sahen die Regierungsfraktionen dagegen keinen akuten Handlungsbedarf (vgl. Abgeordneter Schildt [SPD], Bremische Bürgerschaft, Plenarprotokoll, 7. Sitzung vom 9. November 2011, S. 275).
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cc) § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG ist auch aufgrund seiner Wirkungen als eine spezifisch atomrechtliche Regelung zu qualifizieren (vgl. StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, juris, Rn. 107 [Sondervotum]). Er führt dazu, dass ein Transport von Kernbrennstoffen unter Nutzung der bremischen Häfen für einen Umschlag nicht (mehr) erfolgen kann, selbst wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Transportgenehmigung nach § 4 AtG vorliegen. Atomtransporte werden in den bremischen Häfen generell unterbunden. Ob der Transport über andere deutsche Seehäfen möglich bleibt und wie häufig ein Umschlag von Kernbrennstoffen in den bremischen Häfen in der Vergangenheit stattgefunden hat, ist dabei ohne Belang.
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4. Für den hier in Rede stehenden Regelungsgegenstand, eine Umschlagsgenehmigung von Kernbrennstoffen, ist ausschließlich der Bund zuständig. Das schließt jegliche Gesetzgebung der Länder – vorbehaltlich einer entsprechenden bundesgesetzlichen Ermächtigung, an der es jedoch fehlt – aus (Art. 71 GG).
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§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG ist mangels ausdrücklicher bundesgesetzlicher Ermächtigung unvereinbar mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG. Dass vom Verbot des Satzes 1 nach Satz 2 in eng umgrenzten Fällen Ausnahmen gemacht werden können, insbesondere für Kernbrennstoffe, die unter die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 AtG fallen oder nur in geringen Mengen im Umschlagsgut enthalten sind, ändert daran nichts. Da diese Regelung ohne die Verbotsregelung des Satzes 1 keinen Anwendungsbereich mehr besitzt, erstreckt sich die Unvereinbarkeit auch auf sie.
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III.
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§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG ist wegen Unvereinbarkeit mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG nichtig (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 BVerfGG).
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Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen.
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